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Wieder einmal
Heftig atmend starrte sie an die Decke, welche in der Mitte zwei große Lücken aufwies, aus denen schwarze, zerrissene Schaumstoffreste hingen. Der Raum war in ein seltsames Halbdunkel gewichen. Eine ganz andere Atmosphäre war entstanden. Eine, wie sie die anderen 25 panischen Teenager aus ihrem Chemiekurs niemals erwartet hätten, geschweige denn kennenlernen würden. Sie rang noch immer nach Luft, als sein Körper wieder auf ihrem zum Liegen kam, zärtlich drückte er ihr einen Kuss auf die Lippen.
„Hey?“, flüsterte er dann. „Alles gut?“ Ihr entwich ein kurzes Lachen, und sie strich durch sein braunes Haar. „Besser könnte es nicht sein…“ Schelmisch lächelnd sah er in ihre Augen. „Wobei…“, schoss es ihr durch den Kopf „Kannst du mir nachher mit Bio helfen?“ Er kratzte sich am Kopf. „Mal sehen- ich muss euren Chemietest korrigieren, eine Ex für die Unterstufe erstellen, meine Mutter besuchen-„ Enttäuscht starrte sie ihn an, während er mit übertriebener Betonung seine To-Do-List ausführte. Als er ihren Blick bemerkte, starrte er zurück, seine blauen Augen funkelten auf und er begann zu glucksten: „Ja, ich helf´ dir!“ „Danke, Idiot!“, wisperte sie seinen Kopf an sich drückend.
Sie wünschte sie hätten ein bisschen mehr Zeit. Gerade eben noch vor nicht einmal 10 Minuten war all seine Schönheit und Kraft tief in ihr gewesen, hatte alle ihre Sehnsüchte gestillt, und noch weitere 10 Minuten früher waren im selben Raum ihre Mitschüler gesessen und hatten ihren dämlichen Test geschrieben, den er ja so asozial gestellt hatte. Ha! Davon, dass es seine Klausuren im Referendariat nicht alleine aufstellen konnte hatten sie wirklich gar keine Ahnung. Überhaupt von so wenig, besonders die Jungs waren unreif und kindisch, glaubten, dass Sex sie erwachsen machte. Er- er war anders als die anderen. Er war es vom ersten Moment an gewesen, und jetzt war sie hier. Es war so falsch, so verboten aber genau das machte es so unglaublich aufregend und so richtig.
„Wie lang noch?“, fragte er, flüsternd als wären sie jetzt schon in Gefahr. „Zwanzig Minuten… Aber du hast die 5c, die stehen in spätestens einer viertel Stunde vor der Tür und machen einen Heidenlärm. Ich geh besser jetzt“, stellte sie fest, und wollte sich aufrichten, doch er ließ sie nicht. „Nein! Nicht jetzt! Lass uns noch einmal Liebe machen. Ich schaff es schneller als die 5c redet!“, versprach er lachend. Sie mochte sein Lachen. Es klang tief und rau aber zugleich unsagbar herzlich. Auch sie musste schmunzeln, doch ehe sie ihm hätte antworten können presste er ihr seine Lippen auf den Mund.
Wie immer schmeckten sie nach Kaffee, davon trank er viel zu viel. Dennoch liebte sie diesen Geschmack, mehr als alles andere auf der Welt. Sie liebte ihn mehr als alles andere auf der Welt. Allein deshalb ließ sie es zu, ließ zu das er trotz des hohen Risikos noch ein weiteres Mal in sie eindrang und mit aller Leidenschaft an ihrem Hals zog. Nur Im letzten Moment konnte sie ihn vor der Todsünde eines Knutschflecks bewahren. „Nicht! Nicht!“, schrie sie. „Tut mir Leid, mein Engel!“, nuschelte er in ihr dunkles Haar. Dann plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung umfasste er sie heftig und schoss mit aller Kraft in ihr Inneres. Sie konnte alle Liebe und Leidenschaft, alle Angst und das gesamte Risiko, die gesamte Fälsche spüren. Spüren, während ihr Herz in Form einer viel zu schnellen Pauke gegen ihren Brustkorb trommelte und ihre Lungen nach viel mehr Luft verlangten als sie bekommen konnte. Ein unsagbarer Schmerz, wie er eben schöner nicht sein konnte durchfuhr ihren gesamten Körper, von ihrem Geschlecht ausgehend bis in die Fußgelenke und die Ohrenspitzen. Während alle ihre Gedanken, ihre Zweifel, ihre Sorgen und der ekelhafte Geruch nach Schwefelsäure sich in Luft auflösten konnte ihr Körper sich nicht mehr unter menschliche Beherrschung bringen lassen. Sie musste ihm mit aller Gewalt in die Schulter beißen, um nicht laut aufzuschreien. Genau das war wonach sich jede ihrer Zellen sehnte, einfach zu schreien, den unsagbaren Gefühlen freien Lauf zu lassen, sie nicht einzusperren. Doch, ob es ihr lieb war oder nicht, ein Schreien wäre ihr sicherer Tod gewesen.
So musste sie es also aushalten, oder vielmehr er, dessen Schulter von einem dicken, sachte blutendem Abdruck ihrer Gebissreihen geziert wurde. Urplötzlich, genauso plötzlich wie er begonnen hatte hörte er auf in sie zu schießen und blieb nur schweißgebadet und beinahe hechelnd auf ihr liegen. „Oh, verdammt“, murmelte sie als sie das Blut an seiner Schulter richtig realisierte. Sie brauchte immer einen Moment von dem sorglosen, von Leidenschaften durchflossenen Nirgendwo in die begrenzte Realität. „Bruuuh“, jammerte er, es mit dem Finger abwischend, doch als er ihren besorgten Blick bemerkte grinste er: „Kein Problem, mein Engel!“ „Sicher?“ Sie strich ihm durch die Haare, und machte sich dabei ernsthaft Sorgen. Das letzte was sie wollte, war ihm wehtun, oder ihn verletzten. „Hey! Alles cool. Zumindest, wenn du dich jetzt sofort anziehst und dich zu deinem Unterricht bewegst!“, stellte er fest und sprang von ihr herunter.
Mist! Es war einfach zu wenig Zeit, die sie miteinander verbringen dürften. Dürften nein, nicht dürften. So schnell es ihr möglich war schlüpfte sie in Tanga, BH und ihren dunkelgrünen Jumpsuit. Nur notdürftig kämmte sie das dunkle Haar, man dürfte ihr auf gar keinen Fall ansehen, was sie soeben getrieben hatte. Seit es ihn gab versuchte sie es so gut wie möglich zu machen, sie schminkte sich nicht mehr und hatte immer Haarbürste und Deo in der Schultasche ganz oben- und Taschentücher. Während sie die Haare noch zu einem Zopf band ließ er die Rolläden hoch, und die sommerliche Sonne leistete ihrer Sünde Gesellschaft.
„Ich sehe dich heut Abend, mein Engel!“, flüsterte er. „Perfekt! Dann machen wir es so! danke für´s Bescheid sagen, schönen Nachmittag!“, rief er dann etwas lauter und sie marschierte daraufhin perfekt trainiert aus dem Raum- was sie nicht schon alles für „wichtige Dinge“ zu besprechen hatten. „Bis später“, flüsterte sie noch, so leise, dass sie es nicht einmal selbst hörte. Aber das musste sie auch nicht, denn sie wusste es. Sie wusste das er heut Abend pünktlich um halb 9 zu ihrem Fenster rein klettern würde, ihr den Biologie-Mist erklären würde und danach Liebe mit ihr machen würde, bis sie einschliefen und der Radiowecker unter dem Kopfkissen sie am nächsten Morgen um 5.00 Uhr wecken würde und er davon fahren würde. Bis sie sich in der Mittagspause wieder hier treffen würden, um es zu tun. Das zu tun, was sie nicht sollten, nicht dürften, was unter keinen Umständen irgendeiner Moral entsprach. Um das zu tun, was sie liebten, um denjenigen zu sehen, den sie liebten, wieder einmal.