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Wie viel ist die Sonne wert?

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02.02.2002
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Wie viel ist die Sonne wert?

Da stehen wir, von der Sonne beschienen, Hand in Hand und lächeln wie für ein Foto in das Licht hinein und fast möchte man darauf warten, dass in kursiven Lettern das Wort Ende in das Blickfeld geschoben wird. Vielleicht warten wir wirklich darauf, denn weder sie, noch ich bewegen uns, halten beinahe die Luft an. Die Sonne steht tief und wir werfen lange Schatten, doch wäre es gelogen zu sagen, dass die Sonne ihre Schönheit eingebüßt, auch nur ein wenig ihres schöpferischen Glanzes der die Himmel vor Rührung weinen und den Bettler auf der Straße für Wärme danken lässt. Nein, sie ist wunderschön, die Sonne, die Frau neben mir, und man möchte meinen es wäre perfekt. Ich möchte meinen es wäre perfekt. Alles andere soll mich lügen strafen. Ich will vergessen, dass noch anderes existiert, will verdrängen, dass wir nicht ewig hier stehen können, möchte ewig diese Hand halten und den Moment unsterblich werden lassen, doch während ich so denke lasse ich ihn sterblich werden, ziehe ihn hinab in den Morast der Existenz und weiß nicht wie ich ihn wieder hochheben soll, denn beim Griff zum Mond war mein Arm bereits zu kurz und an der Sonnen Hitze verbrannte ich meine Hände bereits und doch war es dies immer wert meine Hand ins Feuer zu legen für...
Verbrennen geht nicht mehr. Nein, wir können uns eigentlich beide nicht mehr verbrennen, dabei liebten wir das Spiel mit dem Feuer, doch irgendwann senkt sich die Sonne, irgendwann merkt man, dass jede Münze mindestens zwei Seiten hat und ahnt schon wieder die andere Seite zu sehen wenn man die Münze gerade auf die eine gedreht hat. Um den Moment, der eigentlich schon wieder zu lange dauert um ihn als solchen zu halten, der bereits zu tief gestürzt ist um ein solcher zu sein, und der nur noch von der Wärme der Sonne festgehalten wird versuche ich zu erinnern, mich, und vielleicht auch sie. Die Zeit die längst zum Moment geworden, die Zeit, die ohne den Moment zu schätzen zum Moment wurde, ohne ihn festzuhalten, ohne irgendetwas daran zu ändern wurde sie dazu. Früher, als die Sonne in der Mittagshitze hoch am Horizont stand, als die Welt zur Wüste wurde und alles Wasser verdampfte und wir uns gegenseitig Quelle waren. Damals als wir noch nicht hinter Glas standen wie jetzt, als kein Kasten aus Mörtel, Stein und Zeit uns schützte.
Leben. Wir haben gelebt, für uns, allein, zu zweit und die Welt gehörte uns und auch wenn die Sonne zu heiß brannte, wenn wir uns die Haut versengten oder wie verdurstete uns gegenseitig suchten, so hatte es einen Hauch von Ewigkeit obwohl es nur noch Momente sind, die zu dem wurden, ohne dass wir sie schätzten, ohne dass wir die Zeit dazu machen wollten. Es geschah einfach. Ich höre sie flach neben mir atmen, und ich ahne, auch ich atme flach. Wir wollen diesen Moment nicht loslassen, wollen nicht aus der Sonne treten, dabei sind wir in gewisser Weise bereits aus der Sonne herausgetreten, sind bereits im Haus, und sind hinter Glas, oder die Sonne ist hinter Glas.
Es wäre gelogen zu sagen, dass es damals immer eitel Sonnenschein gewesen wäre. Es gab heftige Unwetter. Tränengewitter mit Blitzen aus Dornen die das Rot aus der unschuldigen Blüte auszuwaschen drohten. Wir konnten uns nicht finden, sahen den anderen nur schemenhaft und vom Unwetter verfälscht, doch so heftig diese Unwetter auch schienen, so grausam sie uns heimsuchten, und wie wir oft schutzlos durch die plötzliche Nacht irrten, die Wolken des Unverständnisses die Sonne verfinsterten und Rachenebel düster ihre Klauen nach uns ausstreckten so hätten wir dieses Haus nie bauen dürfen. So sehr uns die Fenster, der Beton, Mörtel und die Zeit schützen, so hätten wir nie die Momente als Hypothek eintragen sollen. Wir wollten irgendwann beide die Wüste verlassen, meinten die Sonne würde zu heiß brennen, wollten vor den Unwettern fliehen, meinten uns darin gänzlich zu verlieren, und wollten Beständigkeit, nicht mehr die Einsamkeit die mit den Extremen existierte, doch damit haben wir nur die Stille erschaffen.
Wir haben dieses Haus gebaut, unsere Momente als Hypothek belastet. Es steht auf einem Hügel, thront vielleicht ein bisschen über vielen anderen Dingen, Gegenständen, toten Dingen. Anstatt eine flache Auffahrt zu bauen haben wir eine Treppe die sehr steil ansteigt. Die Natur haben wir ausgesperrt um Beständigkeit zu haben, doch mehr als das haben wir nicht erhalten. Seitdem hat niemand die Treppe erklommen, vielleicht scheint sie zu steil. Meist ist es sehr still im Haus, und meist sind wir durch Wände voneinander getrennt. Seitdem hat die Sonne begonnen unterzugehen, und wir können nichts daran ändern. Ich drücke ihre Hand, und sie drückt meine während wir ohne die Augen zu schützen direkt in die verlöschende Sonne starren und uns wünschen es wäre keine Scheibe zwischen uns und der Sonne, wir könnte uns direkt in den glühenden Stern werfen und das letzte Licht vor der Nacht auskosten, doch das Haus ist sehr verwinkelt gebaut, und ehrlich gesagt weiß ich nicht wo ich entlanggehen muss um nach draußen zu gelangen und sie weiß es auch nicht. Wir reden oft darüber wieder nach draußen zu gehen, aber der Preis darüber nachzudenken ist hoch und während ich daran denke merke ich wie meine Hand sich immer fester um ihre schließt bis sie sich aus der Umklammerung löst. Ich spüre wie mein Innerstes sich beinahe nach außen wendet und mein Schädel von seiner eigenen Qual sich sprengen möchte. Wir reden häufig darüber wieder hinauszugehen, und schreien uns oft an wer dieses verdammte Schneckenhaus gebaut hat, wer es wollte, wer die Sonne ausgesperrt hat und wer sie untergehen lässt, oder auch einfach nur darüber, dass das Fenster dreckig ist, das der Fußboden nicht sauber verlegt ist oder die Tür quietscht. Könnte ich es in die Luft sprengen, könnten wir uns aus der Umklammerung lösen, doch es geht nicht und je mehr mein Körper rebelliert desto mehr sehe ich wieder meine Befürchtungen aufsteigen. Aus dem Tal steigt der Nebel hoch und keine Festung könnte dem widerstehen. Ich ahne, dass ich ihn herbeigerufen habe wie der unwissende Zauberlehrling, der doch eigentlich nur das was er falsch gemacht hat wieder richtig stelle wollte. Es gibt Dinge, die sind zu groß für einen Menschen allein, doch zu zweit können wir es nicht mehr tragen, und die Sonne sinkt. Gewitterwolken ziehen auf, und obwohl ich es im Moment des Lichts verdrängt habe sind sie wieder dort, wie so oft. Ich habe sie herbeigerufen, dessen bin ich mir sicher, und ich sehe wie sich ihr Antlitz zugleich verdunkelt, wie es sich in Angst grämt. Wir wollten den Moment haben, doch wir konnte ihn nicht halten, er ist Niedergestürzt, und wir wollten ihn aufheben, und dabei ahnte ich, ahnten vielleicht wir beide, dass die Wolken wieder käme, Nebel uns wieder einhüllen würde und nichts mehr natürlich sein würde. Wie so oft. Ich verschweige es mir selbst, doch seit wir dieses Zuflucht, diese Gruft, diesen Schutz, diese Höhle gebaut haben, mit unseren Momenten bezahlt haben kommen die Gewitter immer öfter, steigt der Nebel immer höher, und je mehr Angst wir haben, desto schneller passiert es. Gewitter im Haus sind nicht gemütlich wie wir uns dies vorstellten. Ich blicke in ihr Gesicht und sehe zugleich Furie, ängstliches Kind und die mit der ich die Sonne anfasste. Gewitter im Haus heißt das die Fensterläden klappern, Geister in allen Ecken und nicht natürliche Geräusche wenn die Dornen gegen das Dach schlagen und die rote Farbe des Hauses zu entzünden drohen, die dann langsam die Hauswand herabsickert als würde das Haus rosenrote Tränen weinen. Das heißt panische Suche um das Haus zu verlassen, weil Angst. In letzter Zeit heißt das Nebel die das Haus auch auf dem Hügel erreichen und deren Umklammerung wir nicht mehr abstreifen können, und das heißt panische Suche nach dem anderen in einem Haus mit zu vielen Zimmer. Der andere scheint tief verschluckt vom Haus und jeder Ruf scheint ungehört zu verhallen. Und je mehr Angst ich habe, je mehr Angst sie hat desto aggressiver werden wir, werfen mit Gegenständen und rennen tiefer ins Innere des Hauses und lassen die Fensterfront hinter uns.

 

Hi Lostsoul!

Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen!

Die Aussage, die dahinter steckt, hast Du gekonnt verpackt! - Alle Achtung! :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:

Dein Stil ist sehr schön zu lesen, ein paar kleine Fehler sind drin, sobald ich mehr Zeit habe, such ich sie Dir raus, wenn Du das möchtest.

Liebe Grüße
Susi

 

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