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Wie viel Dekoration

Seniors
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19.05.2008
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Wie viel Dekoration

Hey ho, liebe Silbenbinder und Geschichtenspinner,

nehmen wir an, eine Geschichte ist etwas, was funktioniert, und Dekoration all das, was sie nicht zum Funktionieren braucht. Dass sich die Ich-Erzählerin eine Kaffeemaschine gekauft hat, obwohl sie selbst keinen Kaffee trinkt, aber Gästen einen anbieten möchte. Manche Leser sehen ein sinnloses Detail, andere interpretieren Selbstaufopferung, Selbstlosigkeit oder Sehnsucht nach sozialer Anerkennung hinein. Jede Kleinigkeit sagt etwas über einen Charakter aus und wenn er nur in der Nase bohrt. Aber ob er das dann mit dem Ring- oder Zeigefinger tut?

Mein Problem beim Schreiben ist oftmals, dass ich eine möglichst allgemeine Geschichte schreiben will. Mir tut es schon weh, wenn ich meinem Protagonisten schwarzes Haar oder abstehende Ohren gebe. Ich habe eine Geschichte hier eingestellt, - "Des Liebenden Versprechen" - die kein einziges Detail enthält, keine Nebenhandlung, keine zusätzlichen Beschreibungen. Die funktioniert trotzdem. bernadette hat dann geschrieben, dass meine Geschichte ein Skelett ist, ohne Fleisch und es stimmt. Ohne Bilder, ohne Personen, die man mag oder nicht mag, ohne Szenen, die Leben ins Erzählte hauchen oder Fleisch aufs Skelett - funktioniert das zwar, ist aber nicht schön - wie eine unmöblierte Wohnung, oder zumindest eine Wohnung mit Bad, Bett und Küche. Man kann drin leben, aber wohl fühlen wird man sich nicht. Aber wie viel Schnörkel darf ich in meine Geschichte (Wohnung) packen, wie viele Bilder hineinhängen? Und was mit den Nebenhandlungen, die eigentlich nicht sein müssen, aber sein können?

Ich weiß nicht, ob ich mein Problem verständlich machen konnte.

Meine Frage jedenfalls: Wie viel von dieser Dekoration?

Und mir ist bewusst, dass es da keine Grenze geben kann. Ich weiß, dass man mit Details viel zeigen kann und das mach ich auch gern. Aber kann ich beispielsweise meinen Charakter duschen oder Zähne putzen lassen, auch wenn es total unnötig ist - bezogen auf die Geschichte? Vor allem bei Kurzgeschichten ist es doch so, dass man reduziert und dichtet. Kurzgeschichten von Stephen King beispielsweise sind auch etwas länger und enthalten viel, was sich interessant anhört, lustig ist oder grausam, Deko eben. Wenn ich einen Roman von Juli Zeh lese, dann kommt es mir so vor, als wäre die noch so kleine Nebensächlichkeit notwendig für das Geschehen. Da ist nichts dabei, wo ich mir sage, das hätte sie auch weg lassen können. Und das geht mir bei Geschichten hier genauso, manchmal liest man eine Geschichte und wird von der Deko abgelenkt und manchmal verstärkt die Dekoration die Wirkung.

Bin gespannt auf eure Meinungen!

Beste Grüße
markus.

PS: Blicktötet mich am besten gleich! Ich hab das freilich wieder zu schnell eingestellt und ein paar Seiten weiter steht wahrscheinlich die gleiche Frage ausführlich beantwortet ...

Themen, die ich gefunden hab:
- Weniger ist mehr - oder doch nicht?
- Das Längenproblem

Dankbar bin ich auch über Links oder Verweise auch innerhalb dieses Forums.

 
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Mein Problem beim Schreiben ist oftmals, dass ich eine möglichst allgemeine Geschichte schreiben will. Mir tut es schon weh, wenn ich meinem Protagonisten schwarzes Haar oder abstehende Ohren gebe.

Hmm … bin ich nicht unbedingt Fan davon, dass man sagt, ich möchte was total "Allgemeines" schreiben. Find ich auch ein bisschen komisch, die Überlegung. Ich denk, man liest schon eher was Spezielles gern. Das kann ein allgemeines Thema sein, was total Alltägliches, aber wenn man alles Spezielle aus einer Geschichte heraussaugt und sie möglichst allgemein hält, weil man Angst hat, dass der Leser sich nicht mehr indentifizieren kann, wenn der Protagonist eine andere Haarfarbe hat als er selbst oder was weiß ich … also ich versteh die Überlegung nicht so ganz, muss ich zugeben.
Dass Details langweilig sein können, versteh ich, dass man sagt, ich schreibe jetzt nur kleines Dorf und jeder stellt sich dann das eigene vor, und das reicht und funktioniert und wer will schon hören, wie ich mir ein kleines Dorf vorstelle, ich beschreibe andere interessantere Dinge lieber, mit Details erzeuge ich dann Stimmung, versteh ich auch. Dann ist die Überlegung aber: Dinge, die so allgemein sind, das sich jeder die auch so super vortstellen kann, brauch ich nicht beschreiben, das ist langweilig. Und nicht: Ich gehe jetzt alles Spezielle aus dem Weg, das macht die Bilder in den Köpfen meiner Leser kaputt.
Es geht doch erstmal darum, welche zu erzeugen.
Diese Überlegung war auch bei Flieges Geschichte mit Tom da … weiß nicht mehr von wem. Also ich meine, dass Tom funktioniert, weil er mysteriös ist. Wenn man wenig schreibt über Tom, wenn man ihn nur über das Verhalten der Frauen charakterisiert und ihn schweigen lässt, dann macht ihn das mysteriös und attraktiv. Das wirft Fragen auf. Man denkt nach. Ich glaube, deswegen kommt er gut an. Und nicht weil er so allgemein ist, dass sich jede Frau ihren Traumtypen daruntern vorstellen kann. Wenn Fliege noch geschrieben hätte: Tom hatte dichtes dunkles Haar, große Hände, und eine kleine Einkerbung auf dem linken Vorderzahn, das seinem ansonsten makellosen Lächeln einen kleinen Fehler verlieh. Oder wenn er blondes Haar hätte … hätte das die Geschichte für Maria zerstört? Ich denke nicht. Also mich hätte schon interessiert, wie Fliege sich diesen Typen bildlich vorstellt. Ob die Geschichte das jetzt braucht, sieht nicht so aus …
Vielleicht ist das auch ein Subthema jetzt, Figuren charakterisieren, so hat die Geschichte natürlich auch Details.


Meine Frage jedenfalls: Wie viel von dieser Dekoration?

Also ich würde mich nicht von einem Gedanken leiten lassen, in Kurzgeschichten müsse man irgendwas verdichten, und deswegen kann ich dieses oder jenes Detail nicht bringen. Oder umgekehrt: deswegen müsse ich jetzt welche bringen. Im besten Fall hat man etwas, das man erzählen will. Und vor allem diese Dinge würde ich dann aufschreiben. Das gilt für Deko wie für alles andere in Geschichten fast.


Aber kann ich beispielsweise meinen Charakter duschen oder Zähne putzen lassen, auch wenn es total unnötig ist - bezogen auf die Geschichte? Vor allem bei Kurzgeschichten ist es doch so, dass man reduziert und dichtet.

Kann man schon machen. Aber wenn du jetzt anfängst, Details einzubauen, wie Leute sich die Zähne putzen, aus irgendeinem Pflichtgefühl heraus, dann wird das dein Leser genau so langweilig finden wie du auch. Aber wenn dich die Nuancen des Zähneputzens total faszinieren, oder wenn dich Juli Zeh voll fasziniert und du das auch so machen möchtest und dir das Spaß macht, dann kann man auch übers Zähneputzen schreiben und irgendjemand wird das vermutlich gut finden, wenn es gut gemacht ist. Ich denke nicht, dass es da irgendwelche Richtlinien gibt. Da muss man sich einfach ausprobieren auch. Juli Zeh schreibt nicht so plot-orientiert (glaub ich), das ist eher so … schöne Figurenkonstellationen und schöne Bilder und schöne Gedanken und so. Und die hat dann halt ihre Leser, die auf so was stehen. Es gibt andere, die finden Juli Zeh total langweilig, die schaffen keine zwei Seiten Juli Zeh, eher jagen sie sich eine Kugel durch den Kopf. Gibt auch welche, die finden King zu detaillert und hingezogen. Die sagen: der nimmt Ideen für Kurzgeschichte und macht Romane daraus. Und einer wie Palahniuk, der hat in Fight Club, das sind 180 Seiten oder so, genug Stoff für vier Roman drin. Aber der hat dann auch einen ganz anderen Style. Also da muss man sich ausprobieren einfach. Das Forum hier ist eigentlich die geeingete Stelle dafür, du bekommst dann auch Feedback, also ich würde mich da nicht von irgendeiner Defintion einer "Kurzgeschichte" abschrecken lassen, oder aus Angst davor, dass etwas zu lang wird. Wenn du wirklich was erzählen willst, ganz egal was, dann mach das.

 

Jaaa, lasst uns um diese Jahreszeit über Dekoration sprechen!

nehmen wir an, eine Geschichte ist etwas, was funktioniert, und Dekoration all das, was sie nicht zum Funktionieren braucht.
Ich glaub, das ist schon das erste Problem. Ob eine Geschichte "funktioniert" (mitnimmt, Emotionen auslöst, Bilder heraufbeschwört, zum Nachdenken anregt, zum Lachen bringt, zum Heulen bringt ...) ist immer noch von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Die ganz miesen Texte funktionieren bei keinem außer dem Autoren (vermutlich), und die besten Texte funktionieren niemals bei allen.
Wessen Sichtweise ist gemeint, wenn die Geschichte das ist, was funktioniert, und Dekoration all das, was sie nicht zum Funktionieren braucht? Die Sichtweise des Autors?
Dann ist meine Meinung dazu sehr eindeutig: ein Autor dekoriert nicht. Nichts und niemals. Weil alles, was die Geschichte nicht "braucht", gestrichen wird in der Überarbeitungsphase. (Aber eine Geschichte kann massenweise Details und Nebenhandlungen enthalten, wenn der Autor der Meinung ist, die Geschichte "brauche" das, die Figuren "brauchten" das.)
Aber kann ich beispielsweise meinen Charakter duschen oder Zähne putzen lassen, auch wenn es total unnötig ist - bezogen auf die Geschichte? Vor allem bei Kurzgeschichten ist es doch so, dass man reduziert und dichtet.
Wenn DU als Autor es für "total unnötig" hältst für die Geschichte, die DU erzählen willst - dann schreib es auf GAR KEINEN FALL hin. Oder streich es später, sobald dir auffällt, dass es "total unnötig" ist. Und das hat nichts aber auch gar nichts mit der Länge des Textes zu tun, das gilt für Roman und Kurzgeschichte gleichermaßen.

Mein Problem beim Schreiben ist oftmals, dass ich eine möglichst allgemeine Geschichte schreiben will. Mir tut es schon weh, wenn ich meinem Protagonisten schwarzes Haar oder abstehende Ohren gebe.
Tut dir das weh, weil du kein Interesse daran hast, wie deine Figuren aussehen? Dann beschreib das nicht. Ist doch in Ordnung. Was ist dir denn wichtig? Beschreib das, von dem du willst, dass es unbedingt beim Leser ankommt.
Oder was meinst du überhaupt mit allgemeiner Geschichte?
(Mit konkreten Angaben beschwört man Bilder herauf, "ein Wald" ist nichtssagender da beliebiger als "ein Buchenwäldchen".)

Dass sich die Ich-Erzählerin eine Kaffeemaschine gekauft hat, obwohl sie selbst keinen Kaffee trinkt, aber Gästen einen anbieten möchte. Manche Leser sehen ein sinnloses Detail, andere interpretieren Selbstaufopferung, Selbstlosigkeit oder Sehnsucht nach sozialer Anerkennung hinein.
Wenn du als Autor hoffst, dass die Leser Selbstaufopferung, Selbstlosigkeit oder Sehnsucht nach sozialer Anerkennung in die Kaffeemaschine hineininterpretieren - schreib es hin. Wenn nicht, dann nicht. Wenn du den Eindruck hast, du hast sinnlos und unnötig über Kaffeemaschinen gelabert und es trägt nicht zur Geschichte bei, dann streich es raus.
Dieses Detail wäre ein Beispiel für show don't tell, das kann klappen oder auch nicht. Leser haben oft ein Gespür dafür, ob ein Autor Zeilen schindet oder solche Details bewusst platziert, das hängt von der ganzen Schreibweise und dem Kontext ab. Ist der Text eine Charakterstudie der Ich-Erzählerin? Geht es in dem plot darum, dass sie nach Anerkennung strebt oder handelt sie an anderer Stelle explizit selbstlos? Dann erkennen viele Leser die Querverbindung zu der Kaffeemaschine und werden losjubeln "ja, schon beim Einkaufen zeigt sich ihr Charakter" ... gibt es diese Querverbindung nicht, werden Leser sich fragen "die kauft ne Kaffeemaschine, na toll, who cares".

Jede Kleinigkeit sagt etwas über einen Charakter aus und wenn er nur in der Nase bohrt. Aber ob er das dann mit dem Ring- oder Zeigefinger tut?
Es gibt Kleinigkeiten, die beliebig wirken und Kleinigkeiten, die bedeutend wirken. Das ist teilweise abhängig vom Leser und zu einem großen Teil abhängig vom Können des Autors. Leser hassen beliebige Kleinigkeiten. Aber eine Kleinigkeit, die ein Bild vermittelt, das zu einem anderen Teil der Geschichte passt, wird als bedeutend wahrgenommen. Der Leser sieht eine Querverbindung. Der Leser nimmt an, der Autor hat dieses Detail bewusst platziert (und vermutlich hat der das auch).

Du kannst nie was schreiben, was allen gefällt, aber du wirst doch wohl wissen, was du sagen willst? Was du dir selber gedacht hast? Was dir wichtig ist? Was sich ein Leser bei einem bestimmten Detail denken sollte? (Ob das dann klappt, lässt sich gut im Forum hier testen ...)

Geh mal lieber weg von diesem "Deko"-Gedanken, überleg dir lieber, was ein Leser deiner Meinung nach beim Lesen deiner Texte unbedingt sehen/fühlen/denken sollte, und dann überleg dir, mit welchen Mitteln du das erreichen kannst.

Dieser Ansatz "Deko ist das ganze Unnötige, soll man trotzdem ein paar Kerzen anzünden" kann nur zu der Schlussfolgerung führen: unnötig ist unnötig und gehört wech.

 

Ich seh das wie Möchtegern. Was in meinen Augen der Geschichte dient, dient ihr, der Rest ist Schnick Schnack und wer braucht den schon?

Allgemein gehalten, damit sich möglichst viele und so ... Allgemein gehalten sind Schaufensterpuppen. Wer kann sich mit denen identifizieren? Niemand. Die leben nicht, solche Allgemeinhalter. Und mal ehrlich, was sagt mir die Haarfarbe oder Augenfarbe über die Person? Nix. Dadurch erhält sie keinen Charakter und darum geht es am Ende doch.
Deshalb haben in meinen Geschichten eigentlich nie irgendwelche Leute irgendein Aussehen. Ich finde das völlig egal, wie die Aussehen. Mir ist viel wichtiger, wie sie reagieren, was und wie sie etwas sagen. Mimik, Gestik - solche Sachen. Und frag mich mal bei einem Roman drei Seiten weiter, welche Haarfarbe die Frau hat :). Das sind Infos, die überlese ich inzwischen schon völlig, wenn sie nicht von Belang sind.
Interessant dagegen sind blaue Haare oder ein riesiges Muttermal im Gesicht, wenn es in der Geschichte darum geht, wie XY von der Gesellschaft wahrgenommen wird. Wenn die Blicke und Sprüche nerven, beleidigen und seine "Lebenswelt" davon betroffen ist und genau die das Thema der Geschichte ist.

Und Atmosphäre ... naja. Ewige Beschreibung von Natur ist oft weniger atmosphärisch wie z.B. ein gut gewählter Duft. Hier ganz viel mit den Sinnen arbeiten und die sind eben nicht nur sehen.
Im Hausflur riecht es nach Kohleofen. Die Treppenstufen knarzen unter meinen Schritten. Und schon ist klar - altes Haus. Und als Leser erlebe ich dieses Haus intensiver, als wenn mir wer ein altes Haus beschreibt. Hier könnte man fast sagen - feel don't tell :)

Wenn wichtig für Geschichte - auf jeden Fall. Wenn nicht, dann nicht. Und manch einer mag mehr, der andere weniger. Ist wie mit Deko in der Wohnung ;). Nur zugemüllt sieht eben doof aus. Aber solange sich alles hübsch zu einem Bild fügt ...

 

Und Atmosphäre ... naja. Ewige Beschreibung von Natur ist oft weniger atmosphärisch wie z.B. ein gut gewählter Duft. Hier ganz viel mit den Sinnen arbeiten und die sind eben nicht nur sehen.
überleg dir lieber, was ein Leser deiner Meinung nach beim Lesen deiner Texte unbedingt sehen/fühlen/denken sollte, und dann überleg dir, mit welchen Mitteln du das erreichen kannst.
Jo, sorry, ich erweitere meinen vorherigen post um riechen, schmecken, und was dir noch so an Sinnen einfällt. Also, die Info, von der DU als Autor willst, dass der Leser sich damit beschäftigt, die muss vermittelt werden ("die musst du zu vermitteln versuchen"). Nichts anderes aber auch nciht weniger.

Um dein Beispiel zu nehmen, Markus, es interessiert deine Leser nicht, wenn dein Prot abstehende Ohren hat, wenn das einfach nur so dahingesagt wird und keine weiteren Konsequenzen im Text hat. ABER, wenn dein Prot abstehende Ohren hat, dauernd dafür gehänselt wurde, und das hat seine Persönlichkeit geprägt und beeinflusst wie er anderen Menschen begegnet innerhalb deines Textes ... du siehst, worauf ich hinauswill? Dann sind die abstehenden Ohren nicht nur ein beliebiges Detail, keine Info, die man überlesen und vergessen kann, dann tragen sie zur Geschichte bei.

Es ist komplett wurscht, ob eine Figur blond oder dunkelhaarig ist. So lange, bis der Autor entscheidet, dass er die Figur einem bestimmten Typus zuordnet, bis der Autor entscheidet, dass die Haarfarbe der Figur irgendwie Einfluss auf die Figur und das Verhalten der Figur innerhalb der Geschichte hat (es gibt Blondinenwitze, oder? es gibt Vorurteile gegenüber Rothaarigen, oder? Deutsche mit blauschwarzen Haaren bekommen gerne mal Kommentare, wo sie denn "ursprünglich" herkommen ...). In dem Moment, wo es für die Figur wichtig ist, welche Haarfarbe sie hat, muss sie zwingend erwähnt werden. Wenn der Autor sich vorstellt, dass die Figur bestimmte Hintergrund-Erfahrungen gemacht hat aufgrund der Haarfarbe. Dann erzähl dem Leser die Haarfarbe und vielleicht auch gleich die Situation, wo die Figur Blondchenwitze gehört hat und sich darüber geärgert hat ... aber natürlich nur, wenn das das Verhalten der Figur in dem plot erklärt, in den du die Figur schickst.

 

Hey JuJu,
Hey Möchtegern,
Hey Fliege,

vielen Dank für die schnellen Reaktionen. Ich schreibe nur kurz, werde mich später noch einmal ausführlicher dazu äußern.

Ich hab mein Problem freilich ein bisschen überspitzt dargestellt und freilich will ich keine leblosen Schaufensterpuppen produzieren (!). Bei "Mehr von dir" oder so sieht man ja in welche Richtung ich will. Fliege hat bei ihrer neuen Geschichte "Tom" auch so eine schöne Mischung geschafft, da sind nicht so viele Details drin, die handelnden Figuren regieren, jeder Leser kann seine eigenen Gesichter drauf malen, seine Dekos mitnehmen, die Räume schafft sie als Autorin. Das fand ich sehr gelungen. Und bei der 100%tigen stecken so viele Details drin, ich glaube, das war die Geschichte mit der Auflistung von Erinnerungsdetails sogar. Und die hatten alle Gewicht. Da war nichts unnötig oder so. Genau das meine ich.

Das Aussehen der Personen beschreibe ich auch total ungern, außer sie haben echt etwas besonderes an sich. Details hingegen liebe ich, natürlich die, die wirken. Und am besten Detailunikate.

Fliege schrieb:
FEEL, DON'T TELL!
Herrlich!

Möchtegern schrieb:
Dann ist meine Meinung dazu sehr eindeutig: ein Autor dekoriert nicht. Nichts und niemals. Weil alles, was die Geschichte nicht "braucht", gestrichen wird in der Überarbeitungsphase.
Möchtegern schrieb:
Geh mal lieber weg von diesem "Deko"-Gedanken, überleg dir lieber, was ein Leser deiner Meinung nach beim Lesen deiner Texte unbedingt sehen/fühlen/denken sollte, und dann überleg dir, mit welchen Mitteln du das erreichen kannst.

Dieser Ansatz "Deko ist das ganze Unnötige, soll man trotzdem ein paar Kerzen anzünden" kann nur zu der Schlussfolgerung führen: unnötig ist unnötig und gehört wech.

Sehr gut auf den Punkt gebracht. Das bringt mich - findet es lustig oder komisch - weiter.

Fliege schrieb:
Nur zugemüllt sieht eben doof aus. Aber solange sich alles hübsch zu einem Bild fügt ...
Bis jetzt bin ich nur sehr streng vorgegangen, was unnötige Wörter anbelangt. Muss das Wort sein? Kann das weg? Das mache ich jetzt auch bei solchen Details. Bloß stehen die meistens nicht da, sondern müssen erst entstehen, um dann meistens gestrichen zu werden. Und wenn ein paar stehen bleiben, die wirken und schön sind, ist's wunderbar.

Und das Geniale: Ich hab schon wieder etwas gelernt. Ein Mechanismus, den ich wahrscheinlich unterbewusst angewandt habe, und jetzt gezielt einsetzen kann. D A N K E!

So weit erst einmal!

Beste Grüße
markus.

 

Lieber markus,

nehmen wir an, eine Geschichte ist etwas, was funktioniert, und Dekoration all das, was sie nicht zum Funktionieren braucht
verrät eine konformistische Haltung und noch genauer gesagt: Es ist die Sprache der Technik in der übergeordneten Sprache der Betriebswirtschaftslehre (der mathematische Apparat der BWL ist der gleiche wie der der Ingenieurswissenschaften). Die ökonomische Einheit (Haus-, Betriebs-, Volks- und Weltwirtschaft) hat zu funktionieren, wie die Maschine reibungslos zu laufen hat.
Aber alle Wetter!, nimmstu Autorschaft an, um Dich anzupassen? Anpassungskünstler haben’s einfacher als Einzelgänger, die Sand im Getriebe sind, gegen den Strom der Lobhudeleien schwimmen und keine Erwartungshaltung erfüllen (paradox: wahrscheinlich erfüll ich jetzt Erwartungshaltung an mich scheues Rehlein).
Das lässt sich eh nur von Fall zu Fall entscheiden, ob karge und aufs notwendigste beschränkte Sprache oder blumig und ausufernd. Denn so seh ich das: Dekoration taugt auch zur Verkleidung. So was lernt man in der fünften Jahreszeit janz jut & jeck!

Ich weiß, das ist keine befriedigende Antwort. Aber jeder kann da eh nur für sich selbst reden oder gaukelt uns was vor

Also nix für ungut,

find't der Friedel knapp & bündig

 

Ich halte es mit dem Grundsatz: Jeder Satz muss Neues bringen, tut er das nicht, ist er entbehrlich. Wobei das nicht heißt, dass jeder Satz die Geschichte vorwärts treiben muss. Will sagen: Ab und zu ein bisschen Innehalten, tut gut. Den Leser muss man nicht hetzen, wobei es natürlich auch Werke gibt, die genau das tun. Das sind so Texte, die man von vorn bis hinten in einer Nacht durchliest, ja lesen muss – weil am Ende eines Kapitels jedes Mal neue Fragen auftauchen, die man beantwortet haben möchte.

Wenn man eine geschriebene Geschichte wie ein im Kopf des Lesers sich abspielende Theaterstück betrachtet, dann ist schon wichtig, dass der Text nicht zu viel Firlefanz, oder wie du sagst, nicht zu viel Dekoration enthält. Das lenkt immer vom Eigentlichen ab und das will man sicher nicht.

 

Das lässt sich eh nur von Fall zu Fall entscheiden, ob karge und aufs notwendigste beschränkte Sprache oder blumig und ausufernd. Denn so seh ich das: Dekoration taugt auch zur Verkleidung. So was lernt man in der fünften Jahreszeit janz jut & jeck!
Lieber Friedl,

habe befürchtet, dass so etwas Ähnliches kommt. Ob karg oder blumig, ist ja die eine Sache. Ich bin mir durchaus bewusst, dass man das Geschenk der grenzenlosen Möglichkeiten in einem Text selbst auspacken muss. Vielleicht formuliere ich meine Frage so: Wenn ich mich für einen kargen Erzählstil entschieden habe, weil es die Geschichte fordert oder weil ich der Meinung bin, dass sie so am besten wirkt - darf ich dann eine Blume reinpflanzen? Ich weiß, ich kann mein Problem nicht wirklich verständlich machen und das ärgert mich, weil wir eigentlich jene sind, die nie "unbeschreiblich" sagen. Trotzdem zeigt mir dein Kommentar, dass man beides machen kann. Man darf sich allerdings am Ende nicht wundern, wenn sich der Leser wundert, warum da so viel Unsinn steht.


Lieber Dion,

du bringst es auf den Punkt. Dem Grundsatz stimme ich 100% zu und irgendwo wenden wir ihn alle an, ob nun bewusst oder unbewusst. Wenn wir nicht rückwärts laufen oder uns im Kreis drehen wollen, bis es dem Leser schwindelig wird und er sich übergibt, müssen wir mit Neuem vorwärts schreiben. Wichtig ist auch deine Anmerkung, dass es weder schnell noch langsam sein muss, dass die Geschwindigkeit, das Erzähltempo hier nicht die größte Rolle spielt. Das ist wie Radfahren. Fährt man zu schnell, fährt man gegen einen Baum. Fährt man zu langsam, fällt man um. Und vom Rad fällt jeweils der Leser, und der aus der Geschichte. Das leuchtet mir ein.

Wenn man eine geschriebene Geschichte wie ein im Kopf des Lesers sich abspielende Theaterstück betrachtet, dann ist schon wichtig, dass der Text nicht zu viel Firlefanz, oder wie du sagst, nicht zu viel Dekoration enthält. Das lenkt immer vom Eigentlichen ab und das will man sicher nicht.
Das hier hilft mir! Dekoration, die ergänzt: ja. Dekoration, die ablenkt: nein.

Vielen Dank euch!

Beste Grüße
markus.

 

Für mich ist die Dekoration wichtig, um Stimmungen zu transportieren. Ob das nun die alte Espressokanne oder ein Lied von den Stones ist, der Geruch von Sonntagsbraten oder das Tropfen des Regens auf dem Dachfenster, der dumpfe, muffige Gestank in der U-Bahn-Station oder der von kaltem Rauch am Zeige- und Mittelfinger.

Wenn das alles stimmig ist, kann ich mich so richtig in einem Text suhlen.

Was nicht bedeutet, dass ich mit einem trockenen Erzählstil nichts anfangen kann, wenn er in sich stimmt.

 

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