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Wie jedes Jahr

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22.11.2011
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Wie jedes Jahr

Sie sitzt am Fenster und starrt hinaus, sieht den Schneeflocken beim Tanzen zu.
Wie gerne wäre sie eine von ihnen, wie gerne würde sie all die Last abwerfen und endlich wieder frei sein.
Seit seinem Tod ist sie nicht mehr dieselbe.
Alles, was sie noch fühlt ist diese unbeschreibliche Leere und den Schmerz, der ihre Brust zu zerreißen droht, jedes Mal, wenn sie an den Tag zurückdenkt.
Bilder schießen ihr durch den Kopf. Blitzartig. Es ist zu spät um sie aufzuhalten.
Die Straße. Das brennende Auto. Hysterische Schreie und die immer lauter werdenden Sirenen des Krankenwagens. Alles wirkt plötzlich wieder so real und ihr Herz beginnt zu pochen.
Doch sie wird aus ihren Gedanken gerissen als ihre Mutter anklopft und hereinplatzt ohne eine Antwort abzuwarten. Bemüht fröhlich verkündet sie das Essen sei fertig.
Gemeinsam steigen sie die Treppe herunter und betreten das Esszimmer.
Neben dem bunt geschmückten Weihnachtsbaum steht wie jedes Jahr der liebevoll gedeckte Tisch.
Auf der roten Tischdecke, die ihre Mutter so weihnachtlich findet, steht das hübsche Geschirr, dass sie einst von ihrer Großmutter geerbt hat.
In die Nase steigt ihr der Duft von frisch gebackener Ente.
Alles ist genauso wie jedes Jahr. Alles bis auf eines.
Der Platz am Kopf des Tisches ist leer.
Sie kann den Anblick nicht ertragen, den Anblick des Stuhls, auf dem er sitzen müsste, den Anblick ihrer Mutter, hektisch und unbeholfen, nur darum bemüht ihr ein schönes Weihnachtsfest zu bereiten.
Wie benommen verlässt sie das Esszimmer, dann das Haus. Im Garten angekommen, lässt sie sich längs in die dicke Schneeschicht fallen.
Der Schnee durchnässt ihre Kleidung und die Kälte durchdringt ihre Haut.
Kälte. Das erste Mal seit Monaten spürt sie etwas anderes als Leere und Schmerz.
Heiße Tränen laufen ihr über die Wangen und brennen Löcher in den Schnee.
Erneut schießen ihr die Bilder durch den Kopf.
Die Feuerwehr, die zu spät eintrifft. Jemand, der sie aus dem Wagen zieht. Flammen. Ihr Vater, eingeklemmt auf dem Fahrersitz. Die Explosion.
Und das Nachhallen ihres verzweifelten Schreies.

 

Hallo Nessi,

herzlich willkommen hier!

Was mir in der Geschichte fehlt, sind Informationen darüber, was vor dem Unfall die Leere ausgefüllt hatte.

Seit seinem Tod ist sie nicht mehr dieselbe.
Warum macht der Erzähler ein Geheimnis daraus, wer gestorben ist?

Der Platz am Kopf des Tisches ist leer.
Hier schließt sich eine Gelegenheit an, von dem Vater zu erzählen. Wenn der Vater gestorben ist, denkt man doch nicht ständig: Oh je, jetzt ist mein Vater tot, sondern man denkt an den Menschen, an seine Eigenarten, an die Gemeinsamkeiten, an das Leben, das man mit ihm verbracht hat, eben an das Besondere.
Und das auch nicht sozusagen flächendeckend, sondern spezifisch in bestimmten Situationen und zu gewissen Anlässen. Was mich zum Weihnachtsabend zurück bringt. Ich würde an der Stelle schreiben, warum der Verstorbene, außer das er ihr Vater gewesen war und dort immer gesessen hatte, für seine Tochter am Weihnachtsabend besonders wichtig war.

Gruß

Asterix

 

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