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Wie ich zum Schriftsteller wurde

Tom

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06.04.2005
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Wie ich zum Schriftsteller wurde

Neulich, das war letzten Mittwoch nach Feierabend, lag ich auf der Couch wie ein entfallenes Wort auf der Zunge und musste feststellen, dass im Fernsehen schon wieder der letzte Dreck lief. Durch sämtliche Kanäle strömte dieser Dreck, und ehe ich mich versah, tropfte er aus dem Apparat, und es bildete sich eine entsetzlich stinkende Pfütze auf meinem Teppich. Mit zornrotem Gesicht wischte ich sie auf.
Dann packte ich das Gerät, um es aus dem Fenster zu werfen, ohne letzteres zu öffnen. Glas splitterte, es gab ein ungeheures Krachen, und kurz darauf hörte ich einen furchtbaren Schmerzensschrei gefolgt von Flüchen, die hier wiederzugeben ich ausser Stande bin. Die lauthals fluchende Stimme kam mir sehr bekannt vor, denn es war meine eigene. Weil ich die Rolladen schon längst herunter gelassen hatte, war der Fernseher zurückgeprallt und genau mit einer Ecke auf meinen Fuß gefallen, in dem er nun feststeckte.
Das war zuviel, und ich beschloss, mich umzubringen. Ich war wirklich ausser mir. Mit blossen Händen versuchte ich mich zu erwürgen. Total aus dem Häuschen war ich und zudem ganz dicht dran, jegliche Kontrolle über mich zu verlieren.
Schließlich blieb mir die Luft weg, und das Bild vor meinen Augen wurde so schwarz wie das Geld, das Klempnermeister und Politiker in der Schweiz anlegen.
Als ich wieder zu Bewusstsein kam, beschloss ich, von weiteren Selbstmordversuchen vorerst abzusehen und stattdessen einen Roman zu schreiben. Er sollte davon handeln, wie sehr mich das beschissene Fernsehprogramm ankotzte. Davon, wie sehr ich meinen jämmerlichen Job hasste. Von den niederträchtigen Frauen, die mich verlassen hatten. Von meinen degenerierten Eltern, die auf ihre Gesundheit achteten, auf dass ich niemals erben würde. Und vom öffentlichen Nahverkehr mit all seinem Grauen.

Ich schrieb also einen Roman von dreihundert Seiten, was schneller erledigt war, als ich gedacht hatte. Zufrieden lehnte ich mich zurück und stellte mir die Frage, was ich mit dem Rest des angebrochenen Abends anstellen sollte.
Da ich nun ein Schriftsteller war, hielt ich es für angemessen, mir mit Unmengen von Drogen das Hirn zu vernebeln. Doch leider konnte ich keine Drogen in meinem Appartment finden, und mir fehlte auch das nötige Geld, um welche zu kaufen. Ich musste also improvisieren. Nein, ich musste experimentieren.
Im Mixer zerbröselte ich ein paar schlechte CDs, die allesamt von einer Gruppe namens Oasis stammten. Das auf diesem Weg gewonnene Granulat rauchte ich in einer Wasserpfeife, die ich zuvor aus einem Fahrradreifen und einem Goldfischglas gebastelt hatte. Das Ergebnis war ein Erlebnis. Ich hörte Farben und sah Töne, und das war erst der Anfang. Ich spürte Gerüche auf meiner schweissnassen Haut und konnte die Zimmertemperatur schmecken. Irre!
Ich sprang zu dem Goldfisch ins Waschbecken, wo ich mich am ganzen Körper zitternd zusammenkauerte. Wie lange ich in diesem Zustand verharrte, vermag ich kaum zu sagen. Es erschien mir wie eine Ewigkeit, die im Fluge verging. Einfach irre!
Als der Rausch nachließ, konnte ich fünfundzwanzig zusätzliche Kapitel aus dem Ärmel schütteln, die sich mit meiner Drogensucht beschäftigten.
Zufrieden mit der eigenen Kreativität legte ich mich ins Bett. Einschlafen konnte ich jedoch nicht. Dafür hätte ich erst den Wecker ausschalten müssen, der bereits seit einer halben Stunde einen höllischen Lärm von sich gab. Es war nämlich acht Uhr und allerhöchste Zeit, sich fürs Büro fertig zu machen. Ich raffte mich auf, doch es war zwecklos. Das Anziehen der Schuhe entpuppte sich als ein Riesenproblem, weil der verdammte Fernseher noch immer in meinem Fuß steckte. Ich hatte ihn nur zwischenzeitlich ganz vergessen.

 

Das war zuviel, und ich beschloss, mich umzubringen.

Das klingt machbar!
Diese Sätze kommen sehr unvermittelt an und machen dann Spaß.
Zum Plot sage ich jetzt nichts, weil hinter mir gerade ein 1,80-großes Zwergkaninchen steht und mich mit vorgehaltener Waffe zwingen will, ihm einen Krautsalat zu machen.


LG,
Flic

 

Hallo FlicFlac,

weil hinter mir gerade ein 1,80-großes Zwergkaninchen steht

Was, du hast auch so ein Vieh am Hals?! Das ist ja die reinste Plage.


Danke fürs Lesen und das Feedback.
Ich interpretiere das mal als insgesamt eher positiv (wobei ich mir nicht ganz sicher bin).
Bei dem Plot habe ich mir übrigens schon etwas gedacht.


Viele Grüße
Tom

 

Hallo Tom,

grundsätzlich habe ich Spaß an solchen Texten. Sie erinnern mich an meine Grundschulzeit, als wir immer wieder "Dunkel war ´s, der Mond schien helle" vor uns hinleierten. Manche deiner Sätze finde ich als Bild gelungen, manche weniger. Ein entfallenes Wort etwa liegt normalerweise unbequem auf der Zunge, weil man es unbedingt erinnern will. Die Couch müsste also versuchen, den Prot los zu werden. Gelungen fand ich aber "schwarz wie das Geld ..."
Manchmal gleitest du mir zu sehr in den Klamauk ab und nimmst deinem Text damit die Wirkung. etwa bei der Drogenorgie.

Auffallend finde ich die etwas gestörte Wahrnehmung eines Prots, der erst an der eigenen Stimme hört, dass ihm etwas weh tut, es aber nicht fühlt.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim,

danke fürs Lesen und fürs Feedback.


Sie erinnern mich an meine Grundschulzeit, als wir immer wieder "Dunkel war ´s, der Mond schien helle" vor uns hinleierten.

Wenn das heißt, du hast in der Grundschule schon so einen Text hinbekommen, dann muss das sicher eine dieser Eliteschulen gewesen sein, von denen so oft die Rede ist.

Ein entfallenes Wort etwa liegt normalerweise unbequem auf der Zunge

Dem stimme ich zu. Mein Gedanke war: Man will, dass das Wort endlich mal herauskommt und nicht den Abend vor dem Fernseher verpennt. Das funktioniert, finde ich.

Manchmal gleitest du mir zu sehr in den Klamauk ab
Ich bin mir bewusst, dass der Text was den Klamauk angeht, grenzwertig ist.
Normal schreibe ich anders. Diesmal wollte ich es so haben.

gestörte Wahrnehmung eines Prots
... ist eines meiner Grundthemen.

der erst an der eigenen Stimme hört, dass ihm etwas weh tut
Sehe ich als reines Klamauk-Element an. Fällt für mich nicht in den Bereich der gestörten Wahrnehmung.

Viele Grüße
Tom

 

Ich interpretiere das mal als insgesamt eher positiv (wobei ich mir nicht ganz sicher bin).

Ja, ich mag das; die Sätze kommen unvermittelt daher und greifen nach dem Absoluten.
Schriftsteller haben ein bewegtes Leben.
Wie wärs mit dem Auftritt bei einer Talkshow?


(Das Kaninchen wär ja okay, wenn es nur nicht so viel Krautsalat fressen müsste!)

 

Hallo Gitti365,


danke fürs Lesen und für das Feedback.

Es freut mich sehr, zu hören, dass du es witzig findest.

Humor ist ja so eine Sache, und da weiß man (bzw. ich) nie, ob es auch funktioniert. Bis es mir jemand bestätigt.


Viele Grüße
Tom

 

Hallo Tom,

ich weiß nicht was ich so Recht von Deiner Satire halten soll. :confused:

Nimmt man die eigentliche Bedeutung einer Satire als Basis der Bewertung, nämlich

Ihr Ziel ist es, auf die vom Autor empfundenen Mißstände, deren Lächerlichkeit, Kritikwürdigkeit und sogar Gefährlichkeit aufmerksam zu machen
wirkt Deine Geschichte (für mich) in dieser Rubrik eher falsch platziert.

Der anfängliche Mißstand, des besch...... TV-Programms, ist zwar der Ausgangspunkt und bietet sicherlich genügend Potential für eine Satire. Allerdings hast Du ihn zum Ausgangspunkt Deines schriftstellerischen Schaffens gemacht.
Was ja nicht verkehrt ist aber meiner Meinung nach nicht unbedingt den eigentlichen Kern der Satire trifft sondern eher in die Rubrik Humor gehört. :confused:

Nicht böse sein, ist auch nur die unbedeutende Meinung einer nicht zu beachtenden, ungebildeten und in ihren Geschichten Kommavergessenden Minderheit. :sealed:

Ansonsten ist sie, wie gewohnt flüssig geschrieben und gut zu lesen :thumbsup:

Ach ja

Dann packte ich das Gerät, um es aus dem Fenster zu werfen, ohne letzteres zu öffnen. Glas splitterte, es gab

Vorschlag:
Dann packte ich das Gerät, und warf es aus dem Fenster. Glas splitterte - jetzt war es offen!

passt besser, mein ich??????????


....und jetzt hab ich Angst Dir auf der Straße zu begegnen ;)


netten Gruß
Michael

 

Hallo Michael,

erstmal danke fürs Lesen und fürs Feedback.


ich weiß nicht was ich so Recht von Deiner Satire halten soll.

Ehrlich gesagt: ich auch nicht. Ich wollte einmal einen extra wirren Text machen, damit der Leser nicht wieder behaupten kann: alles sei so vorhersagbar in meiner Geschichte.

Ausserdem wollte ich einmal Klamauk-artige Elemente verwenden (was ja auch nicht allen gefällt).


sondern eher in die Rubrik Humor gehört
In die Rubrik Humor? Bist du wahnsinnig? Die wird doch von diesem Bermel dominiert!

Aber im Ernst: der Text ist keine klassische Satire und würde durchaus in die Rubrik Humor passen.
Andererseits sind über die Hälfte der Geschichten hier keine klassischen Satiren, und es stellt sich die Frage, wie eng man die Definition auslegen sollte.
Zum gesellschaftlichen Aspekt:
Mein Kritikpunkt war eigentlich dieser: in vielen Romanen der Popliteratur geht es nur um Drogenexzesse. Um ein erfolgreicher Autor zu werden, muss man scheinbar ein Drogenproblem haben und ausführlich darüber berichten. Naja, um irgendsowas ging es mir ...


Dann packte ich das Gerät, und warf es aus dem Fenster. Glas splitterte - jetzt war es offen!

Dieser Satz ist tatsächlich besser, als der ursprüngliche. Allerdings ist das Fenster gar nicht offen, weil ja noch die Rolladen unten sind. Daher denke ich, dass ich ihn in meinem Kontext so nicht übernehmen kann.


und jetzt hab ich Angst Dir auf der Straße zu begegnen
Das brauchst du doch gar nicht - solange ich nicht meinen Kampfsportlehrer dabei habe.


Viele Grüße
Tom

 

Andererseits sind über die Hälfte der Geschichten hier keine klassischen Satiren, und es stellt sich die Frage, wie eng man die Definition auslegen sollte.

Hallo Tom,

damit bringst du natürlich mich als Mod auf den Plan, mit deiner Ansage, dass über die Hälfte der hier geposteten Satiren keine klassischen sind.
Ich behaupte mal, dass sies zu 95% hier nicht sind. :D

Aber deswegen ist die Satireabteilung ja nun kein Asyl für diejenigen Geschichten, die die Konkurrenz in den anderen Abteilungen scheuen, wie z.B. das Humorforum.

Vielleicht lesen es ja grad genug "Beteiligte" und potentielle "Täter", so dass es ein wenig Wirkung für die Zukunft entfaltet.

Ich bin nicht der Auffassung, dass der Satirebegriff derartig aufgeweicht werden soll, wie es hier grad von all denjenigen Autoren versucht wird, die eben keine klassische Satire geschrieben haben.
Das Prinzip heißt hier nicht, dass man im freien Fall alles hier reinposten kann, sobald man offiziell sich dazu bekennt, keine klassische Satire geschrieben zu haben.
Dann können wir die Abteilung auch komplett schließen und die Autoren auf die Foren Humor und Experimente verweisen, dann brauchen wir die Satire nicht mehr als besonderes Forum.

Ich versuch es mal auf einen Punkt zu bringen: es ist aus meiner Sicht immer dann keine Satire mehr gegeben, wenn der Plot nicht mehr zum Ziel hat, etwas, was der Autor kritisieren möchte, darzustellen.

Wie er es dann tut, mag durchaus eine reine Geschmacksfrage sein und so ähnlich im Gefühlsbereich liegen, wie es bei den Geschichten im Humorforum der Fall ist. Was der eine total witzig findet, bringt den anderen eher zum Gähnen.

Worauf ich mich aber nicht einlassen möchte, ist eine gefühlsmäßige Wertung, ob ein Plot satirischen Inhalt hat oder nicht, denn dies ist schlicht eine Tatsachenfrage und keine Frage des Gefühls. Findet sich also innerhalb einer Geschichte die Intention des Autors, irgendetwas, was er für kritikwürdig hält, dargestellt und umgesetzt wieder, mag die Geschichte hier bleiben, in allen anderen Fällen nicht.


Und nun zu deiner Geschichte.
Ich sehe hier durchaus es so, dass du innerhalb deiner Geschichte versuchst, ein paar Seitenhiebe auf die langweilige Unterhaltungsindustrie namens Fernsehen und die manchmal skurrile Art, wie Autoren Romane zustande bringen, rüber zu bringen versuchst.
Mit anderen Worten, der Plot hat zum Ziel Kritik an bestimmten Themen zu üben.

Mir gefällt die Umsetzung jedoch nicht, da du mit dem Abdriften ins Klamaukhafte der Intention die Kernigkeit nimmst und damit das Thema verwischst. Selbstverständlch muss eine Satire nicht ernst sein, sie kann höchst abgehoben mit allerlei Elementen arbeiten, aber der Einsatz der Stilelemente sollte sich immer dem Ziel unterordnen, als Transportmittel für die Kritik des Autors zu dienen. Das gelingt dir hier meiner Meinung nach nicht.

Auch der Plot selbst ist eher durchschnittlich, weil er keineswegs was Neues in der Thematik bringt, dadurch wirkt die Geschichte eher nur rein unterhaltend, wobei ich mich in der Einschätzung den wunderbaren Worten von sim komplett anschließe,ich fand ich mich in seiner Kritik gut wieder.

Immer dann, wenn man einen Plot wählt, der häufige Verwendung findet, ist es umso wichtiger, ihm eine innovative Verpackung zu geben.
Ich kann jederzeit als Autor über die Banalsten, tausendfach schon wiederholten Themen schreiben, ich muss das Rad nicht neu erfinden, aber wenn ich althergebrachte Themen verwende, kann ich meine Energie in Sachen Phantasie ja praktischerweise,weil sie für eine innovative Themensuche nicht verbraucht wurden, auf die sorgsame spannende neue Verpackung verlegen.

Lieben Gruß
lakita

 

Hi Tom,

In die Rubrik Humor? Bist du wahnsinnig? Die wird doch von diesem Bermel dominiert!

Den kenn ich, ein ganz schlimmer. Der steht noch unter Welpenschutz. Ich glaube den nimmt eh keiner Ernst.
Außerdem kriegt er immer einen von gnoebel verbraten!!! :D

Dann packte ich das Gerät, und warf es aus dem Fenster. Glas splitterte - jetzt war es offen!

Dieser Satz ist tatsächlich besser, als der ursprüngliche. Allerdings ist das Fenster gar nicht offen, weil ja noch die Rolladen unten sind.

Bei Dir geht die Scheibe doch auch kaputt, obwohl die Rolladen geschlossen sind. Hängen die Dinger innerhalb Deiner Wohnung oder außen am Fenster?
Ein Fenster kann auch bei geschlossenen Rolladen durchaus offen sein.

Ist ja auch egal. ;) Werde Deine Storys trotzdem weiter lesen :thumbsup:

Bis dann
Micha

 

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