- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 10
Wie ich zum Schriftsteller wurde
Neulich, das war letzten Mittwoch nach Feierabend, lag ich auf der Couch wie ein entfallenes Wort auf der Zunge und musste feststellen, dass im Fernsehen schon wieder der letzte Dreck lief. Durch sämtliche Kanäle strömte dieser Dreck, und ehe ich mich versah, tropfte er aus dem Apparat, und es bildete sich eine entsetzlich stinkende Pfütze auf meinem Teppich. Mit zornrotem Gesicht wischte ich sie auf.
Dann packte ich das Gerät, um es aus dem Fenster zu werfen, ohne letzteres zu öffnen. Glas splitterte, es gab ein ungeheures Krachen, und kurz darauf hörte ich einen furchtbaren Schmerzensschrei gefolgt von Flüchen, die hier wiederzugeben ich ausser Stande bin. Die lauthals fluchende Stimme kam mir sehr bekannt vor, denn es war meine eigene. Weil ich die Rolladen schon längst herunter gelassen hatte, war der Fernseher zurückgeprallt und genau mit einer Ecke auf meinen Fuß gefallen, in dem er nun feststeckte.
Das war zuviel, und ich beschloss, mich umzubringen. Ich war wirklich ausser mir. Mit blossen Händen versuchte ich mich zu erwürgen. Total aus dem Häuschen war ich und zudem ganz dicht dran, jegliche Kontrolle über mich zu verlieren.
Schließlich blieb mir die Luft weg, und das Bild vor meinen Augen wurde so schwarz wie das Geld, das Klempnermeister und Politiker in der Schweiz anlegen.
Als ich wieder zu Bewusstsein kam, beschloss ich, von weiteren Selbstmordversuchen vorerst abzusehen und stattdessen einen Roman zu schreiben. Er sollte davon handeln, wie sehr mich das beschissene Fernsehprogramm ankotzte. Davon, wie sehr ich meinen jämmerlichen Job hasste. Von den niederträchtigen Frauen, die mich verlassen hatten. Von meinen degenerierten Eltern, die auf ihre Gesundheit achteten, auf dass ich niemals erben würde. Und vom öffentlichen Nahverkehr mit all seinem Grauen.
Ich schrieb also einen Roman von dreihundert Seiten, was schneller erledigt war, als ich gedacht hatte. Zufrieden lehnte ich mich zurück und stellte mir die Frage, was ich mit dem Rest des angebrochenen Abends anstellen sollte.
Da ich nun ein Schriftsteller war, hielt ich es für angemessen, mir mit Unmengen von Drogen das Hirn zu vernebeln. Doch leider konnte ich keine Drogen in meinem Appartment finden, und mir fehlte auch das nötige Geld, um welche zu kaufen. Ich musste also improvisieren. Nein, ich musste experimentieren.
Im Mixer zerbröselte ich ein paar schlechte CDs, die allesamt von einer Gruppe namens Oasis stammten. Das auf diesem Weg gewonnene Granulat rauchte ich in einer Wasserpfeife, die ich zuvor aus einem Fahrradreifen und einem Goldfischglas gebastelt hatte. Das Ergebnis war ein Erlebnis. Ich hörte Farben und sah Töne, und das war erst der Anfang. Ich spürte Gerüche auf meiner schweissnassen Haut und konnte die Zimmertemperatur schmecken. Irre!
Ich sprang zu dem Goldfisch ins Waschbecken, wo ich mich am ganzen Körper zitternd zusammenkauerte. Wie lange ich in diesem Zustand verharrte, vermag ich kaum zu sagen. Es erschien mir wie eine Ewigkeit, die im Fluge verging. Einfach irre!
Als der Rausch nachließ, konnte ich fünfundzwanzig zusätzliche Kapitel aus dem Ärmel schütteln, die sich mit meiner Drogensucht beschäftigten.
Zufrieden mit der eigenen Kreativität legte ich mich ins Bett. Einschlafen konnte ich jedoch nicht. Dafür hätte ich erst den Wecker ausschalten müssen, der bereits seit einer halben Stunde einen höllischen Lärm von sich gab. Es war nämlich acht Uhr und allerhöchste Zeit, sich fürs Büro fertig zu machen. Ich raffte mich auf, doch es war zwecklos. Das Anziehen der Schuhe entpuppte sich als ein Riesenproblem, weil der verdammte Fernseher noch immer in meinem Fuß steckte. Ich hatte ihn nur zwischenzeitlich ganz vergessen.