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Wie ich mich selber im Kühlschrank einsperrte

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13.06.2002
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Wie ich mich selber im Kühlschrank einsperrte

Wie ich mich selbst im Kühlschrank einsperrte

„Ich bin das Ruhrgebiet.“
„Nein, das sind Sie nicht.“
„Woher wollen Sie das denn bitte wissen?“
„Zunächst mal sind Sie viel zu klein dafür...“
„Das täuscht. Das liegt am Licht hier, wissen Sie?“
„Nein, und bitte unterbrechen Sie mich nicht. Also, Sie sind zu klein. Außerdem haben Sie keine Kohle."
„Ja, da haben Sie sicher recht. Kohle habe ich nicht. Können Sie vielleicht zahlen?“
„Ich kenne sehr viele Zahlen. Welche darfs denn sein?“
„Siebzehn vielleicht?“
„Kenne ich.“
„Woher das denn?“
„Liegt zwischen 15 und neunzehn.“
„Nur auf der Straße.“
„Wissen Sie, was lustig ist?“
„Ja, ein Haar in der Suppe im Haar.“
„Haha... ja, das auch. Ich meine aber was anderes.“
„Und zwar?“
„In Wirklichkeit sitze ich nicht hier, sondern an meinem Schreibtisch und das hier ist eine Geschichte, die ich gerade schreibe.“
„Das ist Unsinn und das wissen Sie.“
„Nein, das wußte ich nicht. Danke, daß Sie es mir gesagt haben.“
„Das ist ein dummer Trick, den Autoren benutzen, wenn sie nicht weiterwissen. Aber ich bin in Wirklichkeit der Autor dieser Geschichte und würde so etwas nie tun.“
„Sie werden albern.“
„Nein, Sie sind albern.“
„Jetzt werden Sie kindisch. Ich werde mir einen anderen Gesprächspartner schreiben.“
„Ist hier noch frei?“
„Ja, der Herr wollte gerade gehen.“
„Gut, dann setze ich mich zu Ihnen.“
„Sind Sie auch das Ruhrgebiet?“
„Nein, ich bin Autor.“
„Sie auch?“
„Ja. Alle Personen in dieser Geschichte sind Autoren dieser Geschichte.“
„Warum das denn?“
„Sie haben alle nichts anständiges gelernt, schätze ich.“
„Woher wollen Sie das denn wissen?“
„Ich habe diese Geschichte geschrieben. Ich muß das wissen.“
„Wir alle haben diese Geschichte geschrieben, wollten Sie sagen.“
„Ja, das wollte ich sagen... nein, wollte ich nicht. Sie haben mir diese Worte in den Mund geschrieben.“
„Habe ich nicht.“
„Wer war es dann?“
„Tut mir leid, ich war das.“
„Wer sind Sie denn?“
„Ich bin der Autor dieser Geschichte und werde sie jetzt wieder verlassen.“
„Wer war das denn?“
„Hat er doch gesagt, der Autor dieser Geschichte.“
„Ich, glaube, Sie veralbern mich.“
„Das würde ich nie tun.“
„Wissen Sie was?“
„Nein, woher auch.“
„Ich habe gelogen. Ich bin gar nicht der Autor dieser Geschichte.“
„Das habe ich gewußt.“
„Jaja, das sagen hinterher alle.“
„Dann muß es ja wohl stimmen. Ich bin es übrigens auch nicht.“
„Was?“
„Der Autor dieser Geschichte.“

„Wußten Sie, daß wir mittlerweile schon auf Seite zwei sind?“
„Wußten Sie, daß mich das gar nicht interessiert?“
„Ja.“
„Wirklich?“
„Ja, das habe ich doch gesagt.“
„Weiß ich. Ich wollte nur sichergehen.“
„Und, sind Sie jetzt sicher?“
„Ziemlich.“
„Wir sind auf Seite zwei? Sind Sie sicher?“
„Ja, absolut.“
„Haben Sie das eben gemerkt?“
„Was denn?“
„War haben die Personen getauscht. Vorhin habe ich noch gesagt, wir sind auf Seite zwei und eben sagten Sie es.“
„Ja, das ist seltsam.“
„Wissen Sie was?“
„Ja, ich weiß, daß Dnjepropetrowsk die Hauptstadt von Weißrußland ist.“
„Wirklich?“
„Nein.“
„Ich wollte eben was ganz anderes. Sie bringen mich ganz durcheinander.“
„Das wollte ich nicht. Reden Sie weiter.“
„Ich werde jetzt gehen und endlich diese dumme Geschichte zu ende schreiben.“
„Gut ich auch.“
„Ich habe keine Lust mehr.“, sagte ich und warf die Manuskriptseite in den Papierkorb. Das war wirklich der größte Schwachsinn, den ich jemals zusammengeschustert habe.

Ich verließ die Kneipe, als das Ruhrgebiet mich einholte und mir mit einem Knüppel auf den Kopf schlug. Zum Glück saß ich aber in Wirklichkeit an meinem Schreibtisch und konnte somit diesem Angriff gerade noch ausweichen, indem ich aus meinem Stuhl hechtete.
Dabei schlug ich mir den Kopf an der Heizung an und sank bewußtlos auf das Straßenpflaster.

Als ich viele Stunden wieder aufwachte, war das Ruhrgebiet natürlich verschwunden. Auch die Kneipe war nicht mehr dort, statt dessen stand dort meine Mutter und brachte mir einen Teller Kekse ins Zimmer, damit meine Gedanken besser fließen können, sagte sie.
Ich fischte das Manuskript aus dem Papierkorb und bestellte ein Bier. Am Nebentisch saßen ein paar Männer, die eine Runde Poker spielten. Einer schummelte, aber die anderen merkten das nicht, da das Licht, das in mein Zimmerfenster schien, sie blendete.

„Darf ich Sie was fragen?“
„Nein.“
„Warum haben Sie mir den Knüppel auf den Kopf geschlagen?“
„Habe ich?“
„Ja, ich habe Sie erkannt.“
„Glaube ich nicht. Ich trage eine Maske.“
„Sie trugen eine Maske?“
„Nein, jetzt trage ich eine Maske. Sie sieht aus wie Sie.“
„Darum kamen Sie mir so bekannt vor. Ich trage übrigens eine ähnliche Maske.“
„Wirklich?“
„Nein, eigentlich sieht meine Maske Ihrer gar nicht ähnlich. Sie sieht aus, wie Ihr normales Gesicht.“
„Also kann es auch sein, daß Sie mich geschlagen haben?“
„Vielleicht? Auszuschließen ist es nicht.“
„Das verwirrt mich.“
„Mich nicht. Ich bin voll im Bilde.“
„Darauf können Sie sich was einbilden.“
„Davon möchte ich gerne absehen.“
„Ich würde mir das gerne ansehen.“
„In welchem Bilde sind Sie eigentlich?“
„Ach, hören Sie schon auf!“
„Womit denn?“
„So zu tun, als wären Sie ich! In Wirklichkeit bin ich Sie.“
„Ach so. Das wußte ich nicht.“
„Nein, ist er nicht.“, hörte ich eine Stimme hinter mir. Ich legte den Stift beiseite und blickte über meine Schulter. Hinter mir stand mein Vater und las unerlaubt meinen Text. „Er ist in Wirklichkeit der andere.“
„Wer?“
„Beide.“

Das half mir nicht weiter. Statt auf meinen Vater zu hören, ging ich in die Küche, um mir eine Wurst zu holen. Also stieg ich in den Kühlschrank. Plötzlich schlug hinter mir die Tür zu und es wurde dunkel.

„Mir ist kalt.“
„Seien Sie bloß ruhig.“
„Na gut... Frieren Sie nicht?“
„Doch, ein wenig.“
„Wir sind im Kühlschrank.“
„Wer sind Sie denn?“
„Hat er doch vorhin gesagt, der Autor dieser Geschichte.“
„Könnten Sie das noch mal wiederholen?“
„Nein, dazu habe ich keine Lust.“
„Kann mal jemand die Tür öffnen?“, schrie ich, in der Hoffnung, mein Vater würde mich hören. Diese beiden Typen machten mich langsam fertig. Mein Vater öffnete den Kühlschrank und ich sprang heraus.

„Junge, was machst du da?“
„Und wer ist das schon wieder?“
„Das ist der Vater des Autors dieser Geschichte.“
„Sind Sie sicher?“
„Nicht absolut. Hallo Sie da! Wer sind Sie bitte?“
„Ich habe mir Sorgen gemacht, Sohn.“, sagte mein Vater. Ich humpelte leicht unterkühlt ins Bett, wo ich erst einmal einen heißen Tee trank.

„Ich bevorzuge ja Bier.“
„Ich ebenfalls. Herr Ober! Könnten wir ein Bier bekommen?“
„Das dauert doch wieder so lange.“
„Ja, da haben Sie recht. Der dummer Kerl braucht immer sieben Minuten für ein läppisches Bier.“
„Gehen wir?“
„Ja, laß uns gehen.“, sagte mein Vater und wir gingen.

 

Hallo gnoebel!

Skurril-verwirrende Nonsense-Geschichte im Stil von "Entschuldigung, kennen Sie vielleicht Jürgen?". "Jürgen" hat mir allerdings etwas besser gefallen, obwohl diese auch ganz witzig war.

"Ich werde mir einen anderen Gesprächspartner schreiben" hat mich an die vielen Politikerinterviews vor der Wahl erinnert, in denen ich das Gefühl hatte, dass sich der befragte Politiker auch gerne einen anderen Fragesteller schreiben würde.

Ich hatte auch diesmal (leider) wieder das Problem, dass ich im Lauf der Geschichte manchmal nicht mehr so genau wusste, wer jetzt gerade welchen Satz ausspricht. Ich denke, diese Dialogform macht nur Sinn, wenn innerhalb eines Dialoges die Positionen der Sprecher klar sind. Wenn die Redenden "Unsinn" von sich geben oder plötzlich auf ein scheinbar völlig unpassendes Thema abschwenken, ist die Gefahr sehr groß, dass man als Leser den roten Faden verliert.

Und die Anrede "sie" solltest du groß schreiben.

Viele Grüße

Christian

 

Moin criss

... und danke für dein Feedback.

Daß du Probleme hattest, zu verfolgen, wer gerade am Sprechen war, ist in dieser Geschichte durchaus beabsichtigt gewesen. Klingt nach billiger Ausrede, ist aber wirklich so.

Die Geschichte ist mal wieder eine Art Sprachexperiment (aber erstmal mein letztes). Wie weit kann ich als Autor gehen, wie weit darf ich den Leser verwirren, bevor ich ihn verliere.
Ich haber hier absichtlich auf jegliche Erklärung verzichtet, wer gerade spricht, um den Leser wirklich in Konfusion zu führen. Gleichzeitig wollte ich ihm aber dennoch Anreiz geben, weiterzulesen.

Mit dem sinnlosen Inhalt (ich bin der Autor der Geschichte, ich bin das Ruhrgebiet etc), wollte ich einige Sprachspiele kaschieren, die ich getrieben habe. Zweimal tauschen die beiden nämlich innerhalb vier oder fünf Sätze die Rollen, in deiner angesprochenen Stelle kommt wirklich eine neue Figur dazu mehrmal vermischen sich Geschichte und Realität.

Die "sie" werde ich ändern, irgendwie habe ich das diesmal übersehen... ich Blindfisch... ;)

PS: Wo du den "Jürgen" ansprichst, fällt mir auf, daß ich den immer noch überarbeiten muß... danke, hätte ich wirklich glatt vergessen. :D

 

Wie weit kann ich als Autor gehen, wie weit darf ich den Leser verwirren, bevor ich ihn verliere.

ach ja... ich bin noch hier. Fands nicht verwirrend, im Gegenteil. Äh... ja. Werd dir zur Belohnung erotische Gedichte schreiben!


Laszive Grüße, Corinna. :D

 

Und ich werde sie alle lesen.

Obwohl sich mir im Moment der Zusammenhang komplett verschließt, aber ich werde nicht nachfragen, da die Aussicht auf deine erotischen Gedichte meine Sinne trübt und jeglichen Zusammenhang eh in den Hintergrund treten läßt.

 

hallo gnoebel, du fragst dich, wie weit du mit dem leser gehen kannst? mich hast du ungefähr nach dem ersten drittel leider verloren. es war mir einfach zu mühsam. vielleicht liegt es an meinem alter! blödeln ist zwar ganz nett, mach ich auch gerne mit - aber was mir nicht so ganz passt, ist, wenn der autor versucht, es ernsthaft in ein "experiment" zu verpacken. ist das dann akademischer blödsinn?? bitte nicht persönlich nehmen - war nur so ein gedanke! gruß. ernst

 

fast hätte ich es vergessen: alles gute noch zum geburtstag. ist doch hoffentlich noch nicht zu spät??
ernst

 

Moin Ernst...

Nein, persönlich nehme ich deine Kritik natürlich nicht. Ich bin ja hier, damit man mir sagt, was ich besser machen kann.

wenn der autor versucht, es ernsthaft in ein "experiment" zu verpacken. ist das dann akademischer blödsinn?

Vielleicht ist meine Geschichte wirklich Blödsinn, aber höchstens vom Inhalt her.
Aber die Stilistischen Mittel, die ich benutzt habe, sind schon ernst gemeint und sind Gegenstand des "Experiments", das ich mal ein wenig ausführen möchte:

Da ist zum ersten der Anfangsdialog. Der Inhalt des Gespräches ist vollkommen sinnlos und skurril. Ich habe hier gehofft, zu erreichen, daß der Leser sich auf die Geschwindigkeit des Ganzen einfach einläßt, ohne sich zu fragen, wer da eigentlich was sagt und sich stattdessen komplett auf das Gesagte konzentriert. Darum habe ich auf jegliche Erkenneungsmerkmale verzichtet (Beisätze, Namen der Protagonisten etc) und später sogar absichtlich Logikfehler eingebaut (Sie tauschen die Rollen). Ich wollte hier nur sehen, ob das theoretisch möglich ist.

Dann kommt der Teil, mit dem ich den Leser wirklich verwirren wollte. Den hast du vermutlich nicht mehr gelesen, aber hier verschmelze ich vollkommen übergangslos Realität (der Autor sitzt an seinem Schreibtisch) und die Fiktion der Geschichte in der Geschichte (der Dialog am Anfang). Und an dieser Stelle (und auch nur hier) würde mein Zitat "mal sehen, wann ich den Leser verliere", in dem Sinne, daß ich ihn vielleicht verlieren wollte, passen.
An dieser Stelle ändert die Geschichte nämlich vollkommen die Intention, der Leser wird in seinem Rhytmus gestört. Ich wollte sehen, ob ich das machen kann, ohne daß der Leser aufgibt. Mag sein, daß ich da zu weit gegangen bin, täte mir leid.

So, ich hoffe, jetzt habe ich das etwas klarer gemacht, was ich mit dieser Geschichte bezweckt habe. Ich wollte auf keinen Fall Leser verarschen ("hehe, jetzt hat er gelesen, obwohl ich das gar nicht wollte"), und es tut mir leid, wenn mein letzter Post diesen Eindruck erweckt hat. Ich wollte nicht wirklich mit dem Leser spielen, sondern mit meinem Schreibstil.
Meiner nächsten Geschichte wird man aber wieder besser folgen können (hoffe ich)...

Ach so, danke für die Glückwünsche, du warst auf keinen Fall zu spät ;)

 

Hallo gnoebel,

wie Du weißt, mag ich das (wie ich das nenne) `Blödeln auf hohem Niveau´. Am Anfang habe ich das in Deiner Geschichte gefunden, im Mittelteil, finde ich, fehlen dann ein paar treffende Wortspiel oder ähnliches, die Rollen- Vertauschungen allein sind zu verwirrend.
Man soll schon solche Texte schreiben (vor allem, wenn sie trotz aller Blödelei noch einen tieferen Sinn haben), leider wird so ein Text oft einfach als nicht intellektuell abgetan.

Also weiterhin viel Spass beim Schreiben,

tschüß... Woltochinon

 

Hi Wolto (hihi, ich darf das...)

Freut mich, daß es dir wenigstens zum Teil gefallen hat (das deute ich mal aus deiner Aussage).

Die Geschichte hat natürlich einen tieferen Sinn im stilistischen (siehe meine alten Posts hier), der Inhalt kann aber durchaus als "gekonnte Blödelei" bezeichnet werden, was ich auf keinen Fall negativ finde (du ja auch nicht). Da stecken zwar einige Wortspiele drin, aber mein Hauptaugenmerk lag in der Stilentwicklung.
Aber ich kann den Mittelteil noch mal überarbeiten, um das Niveau (quanti- und vor allem qualitativ) der dortigen Spielereien zu erhöhen, damit das ganze runder wird.

 

Hallo gnoebel,

Dein "hi, hi, ich darf das" hat mich eben so richtig zum Lachen gebracht! Bin auf die Änderungen gespannt.

Liebe Grüße,

tschüß... Wolto chinon

 

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