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Wie ich das 100%ige Mädchen verlor

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20.12.2002
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Wie ich das 100%ige Mädchen verlor

Ich lieb dich heute nur bis morgen
(und dann wieder von vorn)
Matteo Capreoli

Anna war anders. Das möchte ich hiermit festhalten. Das muss gesagt sein. Anna war der Wahnsinn. Anna war Anna.
Als ich sie kennenlernte, befand ich mich in einer schwierigen Phase. Jedenfalls sehe ich das heute so. Relativierend muss man wohl sagen, dass es gut sein kann, dass ich die jetzige Zeit auch irgendwann mal als schwierige Phase bezeichnen werde. Das haben alle Zeiten, in denen es keine Anna gibt, irgendwie an sich. Sie sind ein bisschen schwierig.
In der Mittagspause bin ich manchmal mit Max zu McDonald's gelaufen. Wir saßen dort und aßen Burger, und dann kam Anna rüber und setzte sich zu uns an den Tisch. Max und sie kannten sich von der Grundschule, wohnten im selben Dorf und hatten sich länger nicht gesehen. Ich hatte Anna überhaupt noch nie gesehen.
Sie sagte mir Hallo, dann fing sie an, mit Max zu reden. Über die Schule und einen Haufen Leute, von denen ich noch nie was gehört hatte. Sie hatte eine helle Stimme und ihre Hände bewegten sich viel. Ich weiß noch, wie ich mir gedacht hab, großer Gott, das muss doch ein besonderer Mensch sein, so gefesselt, wie ich ihr zuhöre. Zwischendurch sah sie immer wieder zu mir rüber. Ich nickte und machte mm-mm.
Max hatte sich auch in Anna verknallt, das sah ich sofort. Er stellte viele Fragen und verfiel bald selbst ins Erzählen. Und wie ich so zuhörte, wollte ich dann auch mit Anna reden. Aber es fiel mir schwer. Ich meine, klar, wir saßen am selben Tisch, und sprechen konnte ich schon, aber jetzt hatte ich mich schon als stiller Typ etabliert, da ging das Gespräch einfach an mir vorbei.
Trotzdem: Ewig Max zuhören, wie der jetzt anfing, von seinem Leben zu erzählen, das war auch keine Lösung.
Und so sagte ich zu Anna, als sie wieder rübersah: „Ich finde du hast ganz krasse Augen.“
Was auch stimmte. Anna hatte die krassesten Augen. Sie leuchteten blau-grün-gelb, da waren ganz viele Farben drin, wie in einem Aquarium, und wenn sie direkt neben dir saß und dir in die Augen sah … also das war schon der Hammer.
Anna lachte, wahrscheinlich weil das so plötzlich kam. Und der Max, der hat vielleicht geguckt. Ich bin mir sicher, der wollte irgendeinen Spruch klopfen von wegen schlechter Anmache, aber Anna lachte, und es klang so gut dieses Lachen, das ging dann nicht.
Schließlich sah sie mich an und sagte: „Danke.“
Und das war einfach die 100% richtige Antwort.
Ich sagte: „Bitte.“
Wir lachten wieder, weil das schon irgendwie eine komische Situation war, und auch der Max, wie der immer noch geguckt hat, das Gesicht verzogen und die Stirn gekraust, als würde er auf dem Klo hocken. O Mann …
Langsam verklang unser Lachen, und dann wusste keiner mehr, was sagen, und wir widmeten uns wieder den Burgern. Und diese Stille jetzt, die hielt vielleicht an. Echt ewig. Wie ich mich in meinem Bic Mac festbiss …
„Hast du heute Abend Lust mit mir ins Kino zu gehen?“, fragte ich schließlich.
Max verschluckte sich beim Colaschlürfen und begann zu husten.
Anna lächelte wieder. „Okay …“ Es klang etwas ironisch.
„Um acht vor dem Tiroler?“, fragte ich.
„Weißt du, welcher Film läuft?“
„Nein.“
Anna sah mich an, ziemlich eindringlich, und da bekam ich es kurz mit der Angst zu tun, weil ich dachte, du Idiot, warum weißt du nicht, welcher Film im Tiroler läuft, vielleicht geht sie jetzt nicht mit, so was muss man doch wissen, im Tiroler kommt doch nur ein Film.
Doch schon war sie aufgestanden, hatte ihr Tablett in die Hand genommen und sich lächelnd verabschiedet.
„Bis dann“, sagte sie im Gehen.
„Bis dann“, sagte ich.
Und dann war sie weg.
Max und ich schwiegen uns eine Weile an.
„Alter“, sagte er, „das war jetzt schon ein Witz, oder?“
„Nein, das war, na ja ... meinst du?“

Was da nicht alles in mir vorging zwischen McDonald's und Kino …
War das ein ironisches Okay oder ein echtes Okay? Wann genau war dann? Sollte ich auf Max' Meinung etwas geben? Konnte ich meinem Gefühl trauen? Wie sah sie eigentlich nochmal aus? Warum weiß niemand, was im Tiroler läuft!
Das sind alles so Sachen, die gibt es heute bei mir nicht mehr. Dass man sich den ganzen Tag allein mit der Frage beschäftigt, ob das Mädchen erscheinen wird, und dass es dann nichts mehr auf der Welt gibt außer dieser Frage.
Und nein, um Gottes Willen, das hat nichts mit Handys zu tun.

Wie Anna vor dem Kino steht. Wie sie den Kopf hin und her dreht und auf die Uhr blickt und eine braune Haarsträhne um den Finger wickelt. Wie sie die Lippen aneinanderreibt. Sie trägt Khakhis und ein weißes Oberteil mit Bob Dylan Aufdruck: Judenafro + Sonnenbrille, und sie steht da wie auf einer Insel. Sie kann sich nicht bewegen. Sie hat Angst, dass man sie auf der Insel sitzen lässt. Die Männer gehen vorbei und fragen sich, wer der Glückliche ist, der sie da runterholen darf.
Ich liebe dieses Bild. Noch heute, wenn immer ich Frauen sehe, die auf Inseln sitzen, vor Cafés, an der Bar, unter Straßenlaternen, muss ich an Anna denken.
„Hallo!“, sagte sie. Wir lächelten uns an, und dann gab es erst mal Küsschen links und rechts.
„Wie geht's?“, fragte ich.
„Gut.“
„Gehen wir rein?“
„Es kommt Jurassic Park“, sagte sie. „Teil zwei.“
„Cool.“
Anna blies die Backen auf und hob die Brauen an.
„Jurassic Park gefällt dir nicht?“
„Es sind mir zu viele Dinosaurier.“
„Hmm …“
„Vielleicht könnten wir spazieren gehen?“
„Okay.“

Wir gingen die Einkaufsstraße hinauf. Es war Mitte April und die Sonne schien.
„Hast du eine Freundin?“, fragte Anna.
„Nein ... hast du einen Freund?“
„Nein.“
„Was ist mit Max?“
„Max ist ein Kumpel, wir kennen uns von früher.“
„Ich kenne ihn von der Schule.“
„Er ist voll nett.“
„Ja, er ist nett.“

Als wir oben ankamen, stellten wir fest, dass wir dort nicht sein wollten. Eine große Kreuzung, Tankstellen …
„Wir könnten uns auf die Stadtmauer setzen“, schlug ich vor.
„Okay.“
Wir drehten um und gingen zurück.

„Ich will irgendwas mit Tieren machen“, sagte Anna.
„Mit Tieren?“
„Ja, mit Tieren.“
„Was für Tiere?“
„Bunte Tiere!“
„So Papageie und Fische?“
„Und Elefanten und Löwen und Tiger ...“
„Elefanten sind nicht bunt.“
„Aber sie haben lange Rüssel.“
„Aber sie sind nicht bunt.“
„Aber sie können sich alles merken.“
„Meinst du? Das ist bestimmt nur ein Gerücht.“
„Nein, das ist kein Gerücht, Elefanten vergessen nie, wo ihre Wasserlöcher sind.“
„Aber wie viele Wasserlöcher gibt es denn so?“
„Afrika ist doch voll groß.“
„Aber sie sind doch nicht in ganz Afrika unterwegs.”
„Klar, in der Trockenzeit, dann wandern sie.“
„Über ganz Afrika?“
„Klar.“
„Obwohl sie voll fett sind?“
„Du bist ja voll der Tierhasser!“
„Nein, gar nicht eigentlich.“
„Was ist denn dein Lieblingstier?“
„Keine Ahnung …“
„Siehst du, du hast nicht mal ein Lieblingstier. Nur Tierhasser haben kein Lieblingstier.“
„Klar hab ich ein Lieblingstier … das verrate ich dir nur nicht.“
„Warum nicht?“
„Ich will, dass du von selbst draufkommst.“
„Haifisch?“
„Nein.“
„Seekuh?“
„Nein.“
„Ameisenbär.“
„Nein.“
„Hey, das ist voll doof.“
„Du warst schon ziemlich nah dran.“
„Echt?“
„Ja voll.“
„Mit der Seekuh oder dem Haifisch?“
„Mit dem Ameisenbär.“
„Koala?“
„Nein.“
„Eisbär?“
„Nein.“
„Ameise?“
„Nein.“
„Grizzly?“
„Nein.“
„Du verarscht mich doch!“
„Du bist echt voll nah dran!“
„Quatsch!“

Die Stadtmauer war an einer Stelle besonders hoch. Wir setzten uns drauf, ließen die Füße baumeln und blickten auf die Stadt. Die Sonne sah aus wie eine Orangenscheibe. Anna roch nach Jasmin. Sie lehnte sich nach hinten. „Meine Eltern holen mich schon um elf ab, die sind voll stressig.“
„Hmm …“, machte ich.
Sie setzte sich wieder auf. „Wann musst du daheim sein?“
„Ist egal.“
„Echt?“
„Ja.“
„Krass, ich wünsche meine Eltern wären so.“
„Das ist glaub so ne Plus-und-Minus-Sache.“
Anna blickte auf die Stadt. „Hmm …“

„Okay, wenn wir uns jetzt küssen, dann aber mit geschlossenen Augen, okay?“
Wir standen jetzt. Wir hatten eine Grünfläche mit einem großen Baum gefunden. Unter dem Baum konnte man gut stehen.
„Weil du beim Küssen voll komisch ausschaust, oder wie?”, fragte ich.
„Nein, nicht weil ich dann voll komisch aussehe. Wenn man richtig küssen will, mit viel Gefühl, dann müssen die Augen zu sein, das ist einfach so.“
„Mit oder ohne Zunge?“, fragte ich.
„Ich dachte ohne.“
„Ich dachte mit.“
„Ich kann nicht mit.“
„Ich kann nicht ohne.“
„Jeder kann ohne!“
„Und du kannst auch mit, jetzt stell dich nicht so an.“
„Na gut …“, sagte Anna, „aber Augen zu, okay? Das ist ganz arg wichtig. Beim ersten Kuss spürt man sofort, ob man zueinander passt oder nicht, der erste Kuss ist immer für die Ewigkeit.“
„Ich glaube, das dramatisierst du jetzt ein bisschen.“
„Augen zu!“
„Okay …“ Ich machte mich zum Küssen bereit. Über uns rauschten die Blätter im Wind. Ich beugte mich zu ihr runter.
„Hey, du hast die Augen offen!“, sagte Anna.
„Du doch auch.“
„Nur um zu schauen, ob du deine Augen offen hast!”
„Was ist das für eine Logik?“
„Na, ich wusste halt, dass du die sie nicht zumachen würdest …” Sie verzog das Gesicht. „Jetzt hast du unseren ersten Kuss kaputtgemacht.“
„Das gilt doch nicht.“
„Doch, unsere Lippen haben sich berührt.“
„Nur ein bisschen.“
„Trotzdem …“
„Ist jetzt nicht so schlimm, dann ist bei uns halt der zweite Kuss für die Ewigkeit.“
„Aber woher kann ich wissen, ob deine Augen zu sind?“
„Du musst mir halt vertrauen.“
Sie musterte mich. „Nee, ich hab eine bessere Idee. Ich halte deine Augen zu, und du hältst meine Augen zu. Und dann küssen wir uns.“
„Gab's das nicht in irgendeinem Film?“
„Kann sein.“
Ich legte die Hand auf ihre Augen. Ihre Hand ging nach oben, suchte meine.
„Okay?“, fragte ich.
„Okay.“
Dieses Mal funktionierte es.
Wir zogen uns zurück, sahen uns an und lachten. Sie versuchte etwas zu sagen – dann lachte sie wieder. Bei mir dasselbe. Der Kuss hatte unsere ganze Zukunft auf die Probe gestellt, das war nicht so einfach mit dem Reden danach.
„Anna“, sagte ich schließlich.
„Ja?“
„Ich glaube, du bist das 100%ige Mädchen.“
„Wirklich?“
„Ja, wirklich.“
Und dann hat sie gesagt: „Tom, ich glaube du bist der 100%ige Junge.“
Das überraschte mich, dass sie das sagte. Und sie glaube ich auch. Sie sah nach unten, auf ihre Uhr. „O Gott, ich muss jetzt los.“
Sie machte ihre Handtasche auf, schrieb schnell ihre Telefonnummer auf und legte den Zettel in meine Hand.
„Ich ruf dann an“, sagte ich.
„Ja“, sagte sie. „Okay …“ Sie warf mir noch einen letzten Blick zu, dann wandte sie sich zum Gehen. Das ging ganz schnell. Erst als sie mir schon den Rücken zugekehrt hatte, wurde mir bewusst, dass sie jetzt weg war und ich das gar nicht so cool fand. Ich machte zwei schnelle Schritte und packte sie am Arm. Wir sahen uns kurz an, dann zog ich sie zu mir her und küsste sie wieder.
Ich weiß gar nicht, ob es das wirklich gibt: der eine Kuss, bei der man spürt, das alles richtig ist. Der Kuss für die Ewigkeit.
Aber wenn, dann war es bei uns auf jeden Fall der Dritte.


In der Kabine redeten die Jungs über Anna. Ich saß in der Ecke und zog mir meine Schienbeinschoner über.
„Habt ihr gehört, Tom ist mit Anna zusammen.“
„Echt?“
„Wer ist Anna?“
„Das ist die eine von der Waldorfschule, oder?“
„Ja, die Ökobraut.“
„Sind doch alles Ökobräute auf der Waldorfschule …“
„Was ist eine Waldorfschule?“
„Wie sieht sie denn aus?“
„Sie hat so lange braune Haare.“
„Ist sie hübsch?“
„Schon hübsch.“
„Hat sie Titten?“
„Nicht so.“
„Über wen redet ihr?“
„Toms Freundin, Anna.“
„Anna?“
„Die Ökobraut.“
„Hat er sie schon gefickt?“
„Ich weiß nicht.“
„Hey Tom, hast du die Ökobraut schon gefickt?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Er ist erst seit Dienstag mit ihr zusammen.“
„Ach so … langsam angehen, oder was?“
„Kann mir vielleicht einer mal sagen, was eine Waldorfschule ist?“
„Das ist eine Sonderschule.“
„Das ist keine Sonderschule, Zidane, das ist eine Ökoschule!“
„Was macht man auf einer Ökoschule?“
„Bäume pflanzen und so.“
„Laber nicht.“
„Doch, ich schwör, dort pflanzt man Bäume, stimmt's Tom?“
„Ich glaub nicht, dass Baumpflanzen eine eigene Fachrichtung ist.“
„Siehst du, Zidane, du laberst Scheiße.“
„Aber man pflanzt schon auch manchmal Bäume dort an, oder Tom?“
„Weiß nicht, kann sein.“
„Da hast du's, Jorgo, du hast keine Ahnung.“
„Alter, ich fick dich gleich.“
„Dann fick ich deine Mutter.“
„Ich fick dein Vater.“
„Ich fick deine ganze Familie!“
„Ich fick dein ganzer Stammbaum!“
„Ist gut, Jungs“, sagte unser Trainer. Er nahm einen Stift in die Hand, machte die Kappe ab und klopfte mit der Faust gegen die Tafel. „Jetzt konzentrieren wir uns aufs Spiel.“

Es war perfektes Kickwetter, Sonnenschein und zwanzig Grad. Sportlich ging's um nichts, wir befanden uns beide in der Tabellenmitte, aber der Gegner hatte einen echt guten Spieler, den kannten wir noch vom Hinspiel, ein bulliger Türke, der ziemlich schnell war, auf der Zehn spielte und uns ziemlich auf den Sack ging. Er war halt ein richtiger Kanake. Bei uns in der Mannschaft waren zwar auch alle Kanaken irgendwo, aber dieser Typ, na ja … das war halt unser Sportplatz und der regte uns auf.
Als er sich in der zwanzigsten Minute noch ein grobes Foul gegen Zidane erlaubte (unseren Zehner), war uns allen klar: Jetzt muss er leiden. Jorgo (griechischer Innenverteidiger) rammte ihn gleich einen Ellbogen in die Rippen, was in ein nettes Wortgefecht und eine kurze Spielunterbrechung mündete. Und dann rauschte ich ihm bei seinem nächsten Solo von hinten voll in die Beine. Der Zehner stand gleich auf – was man ihm schon auch zugutehalten muss –, nannte mich einen Hurensohn und versprach, mir nach dem Spiel die Fresse zu polieren.
Der Schiri zerrte uns auseinander und zeigte mir Gelb. „Noch mal so was, und du kannst für fünf Minuten auf die Tribüne!“
Die Fünf-Minuten-Penalty war eine pädagogische Maßnahme, die es in den Jugendmannschaften zwischen Rot und Gelb noch gab.
Ich schaute raus zum Spielfeldrand und sah Anna dort stehen. Das freute mich! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie zum Spiel kommt. Ich lächelte und winkte ihr zu.
Sie winkte zurück.
Keine zwei Minuten später machte unser Torwart einen weiten Abschlag. Der Ball kam am Mittelkreis auf und sprang weit nach oben, nicht weit von mir entfernt. Ich spielte im defensiven Mittelfeld, und wie der Ball so in der Luft schwebte, sah ich, dass der Zehner zum Sprint ansetzte, Nasenflügel gebläht, Augen auf den Ball fixiert.
Das ging mir jetzt wirklich gegen den Strich. Ich war vielleicht nicht der Filigranste, aber bei den B-Junioren der Leistungsstafel 2 - Kreis Neckar/Fils - hatte ich eigentlich schon Lufthoheit.
Wie wollte der Zehner eigentlich an diesen Ball kommen? Sah er mich etwa nicht? Echt, das frage ich mich heute noch.
Ich hab dieses Kopfballduell natürlich gewonnen.
Und zur Belohnung dürfte ich für fünf Minuten zu Anna raus.
„Hey“, sagte ich.
„Hey.“
Ich gab ihr einen Kuss auf den Mund, dann lehnte ich mich über das Geländer und holte tief Luft.
„Tom?“
„Ja?“
„Du bist ziemlich aggressiv.“
„Findest du?“
„Ja, ich hab dich jetzt ganz genau beobachtet, und ich glaube, du bist ein gefährlicher Mann.“
„Hat dich deine Mutter vor solchen Männern gewarnt, ja?“
„Ja, das hat sie. Guck mal, der Zehner bekommt jetzt keine Luft mehr.“
Er war schon wieder aufgestanden. Zwei Leute hielten ihn und seine Arme hoch.
„Er will nur Zeit schinden“, sagte ich.
„Ich dachte, ihr führt.“
Ich legte den Arm um ihre Taille. „Was machst du heute Abend?“
„Ich muss schauen …“
„Ich will dich sehen.“
„Ich weiß nicht, ob ich kann …“
Sie drehte sich weg, ich zog sie näher her.
„Tom, hier sind Leute.“ Sie lachte. „Tom, du schwitzt doch!“
Ich küsste ihren Hals.
„Nein, Tom! Hör auf!“


Wenn ich mich jetzt selbst beschreiben müsste – was ja immer schwer ist –, dann würde ich sagen, dass ich ohne Anna nie uncool war, aber auch nie richtig cool.
Doch mit Anna?

„Hallo Tom!“
„Hallo Lisa.“
„Wie geht's dir?“
„Ganz gut.“
„Ja?“
„Ja, ganz gut.“
„Gehst du am Wochenende auch auf die Beach Party?“
„Ja.“
„Cool, ich gehe auch dorthin.“
„Cool.“
„Bis dann, Tom!“
„Bis dann Lisa.“

„Hallo Tom!“
„Hallo Tascha, hey Klara, hey Micha, hallo …“
„Das ist Anja.“
„Hallo, ich heiße Anja.“ Anja reicht mir die Hand und strahlt.
„Freut mich Anja, ich bin Tom.“
„Du spielst doch Fußball in Dettingen, oder?“
„Ja.“
„Ich wohne auch in Dettingen.“
„Cool, wusste ich nicht.“
„Du kennst bestimmt Serkan.“
„Ja, den kenn ich.“
„Er ist schon komisch, oder?“
„Ja … ein bisschen komisch ist er schon.“
„Hahahahaha! Ich find den so schräg! Haha! Gehst du auch auf die Beach Party?“
„Klar.“
„Bis dann, Tom!“
„Bis dann.“

Und natürlich Ira …
Ich kam aus dem Klo, und sie stand da.
„O Tom! Kannst du mir helfen? Ich bekomm diese Kette nicht zu.“
„Okay.“
Sie legte beide Hände an die Wand, machte ein Hohlkreuz und schob die blonden Strähnen von ihrem Hals.
„Was ist?“, fragte sie.
„Nichts …“
Ihr Hintern wuchs aus den Schenkeln wie zwei pralle Früchte, ihre Titten sprangen vom Oberkörper wie zwei pralle Früchte, ihre Lippen glänzten im Gesicht wie zwei pralle Früchte. Und dann die Taille: schmal und geheimnisvoll. Wählerisch und zickig. Jung und leistungsfähig. Siehst du, wie schmal meine Taille ist, Tom? Siehst du das? Mach doch, dass sie blüht. Ich will blühen.
Ira war das geborene Luder.
Ich machte ihr schnell die Kette zu.
„Danke!“ Sie legte sie zwischen ihre dicken Titten.
„Gefällt dir die Kette, Tom?“
„Ja.“
Sie lächelte. „Mir auch, es war ein Geschenk.“
„Schön.“
„Wir sehen uns auf der Beach Party?“
„Ich denke schon.“
„Bis dann.“


Vor der Beach Party – wir waren jetzt seit sechs Wochen ein Paar –, telefonierte ich mit Anna.
„Hallo Schatz!“, sagte sie.
„Hey!“
„…“
„Was denn?“
„Na, ich sage hallo Schatz und du sagst hey, findest du das nicht komisch?“
„Nicht unbedingt.“
„Du könntest auch Schatz zu mir sagen, weißt du?“
„Ich find das schwul.“
„Was?“
„Ich find das schwul.“
„Warum findest du das schwul?“
„Keine Ahnung, ich find's halt schwul. Schatzi, Schatzi, Schatzi … das ist doch irgendwie schwul.“
„Bist du jetzt bescheuert?“
„Warum kann ich dich nicht einfach Anna nennen? Hat doch bisher gut funktioniert.“
„Weil mich alle Anna nennen.“
„Ja gut … aber jeder Horst nennt seine Freundin Schatz, wohingegen nur wenige sie Anna nennen. Ich dachte, wir sind etwas Besonderes.“
„O Tom …“
„Wir müssen etwas anderes finden. Schatz geht nicht. Wie wär's mit Mausi?“
„Das ist furchtbar!“
„Und Süße?“
„Ich weiß nicht …“
„Hallo Süße?“
„Gefällt mir nicht so.“
„Hallo meine Liebste?“
„Da fühle ich mich wie eine Oma.“
„Wie wär's mit Baby? Ich glaube, mit Baby könnte ich mich anfreunden.“
„Vergiss es.“
„Haasilein, Prinzessin, Bärchen?“
„Warum sagst du nicht einfach Schatz zu mir? Schatz ist am besten.“
„Schatz ist nur das geringste Übel.“
„Du bist so ein Dickschädel!“
„Schau mal in den Spiegel, Baby.“
Sie zischte.
„Also gut“, sagte ich. „Ich glaub, ich hab's … bist du noch dran?“
„Ja …“
„Hallo 100%ige! Was meinst du?“
„Ich weiß es nicht …“
„Ich find's voll gut.“
„Ja … 100%ige ist schon schön … aber ein bisschen mathematisch, findest du nicht?“
„Aber du bist nun mal die 100%ige, da kann man jetzt nichts mehr machen.“
„Meinst du?“
„Ja, klar.“
„Na gut, wir können das ja mal austesten … so probeweise.“
„Okay.“
„Treffen wir uns dann dort?“
„Ich denke schon.“
„Okay.“
„Gut.“
„Was ziehst du an?“, fragte sie.
„Ich? Keine Ahnung, T-Shirt, kurze Hose … warum?“
„Na, das ist eine Beach Party …“
„Ja, das weiß ich. Warum? Was ziehst du an?“
„Einen Bikini.“
Einen Bikini?
„Hallo?“
„Ist das jetzt dein Ernst?“, fragte ich.
„Warum?“
„Du kannst doch nicht nachts im Jugendhaus in einem Bikini rumlaufen.“
„Sie haben fünf Tonnen Sand angeschafft. Und Hitzelampen. Draußen ist ein Planschbecken.“
„Aber wir drehen doch kein Hip-Hop-Video. Was geht? Ist das jetzt wirklich dein Ernst?“
„Natürlich.“
„Und du kannst dir nicht mal eine Jamaika-Flagge um die Hüfte binden oder so?“
„Ja, klar … vielleicht noch ein Kopftuch?“
„Fände ich besser, ja.“
„Ich glaube du verbringst zu viel Zeit mit deinen Fußballfreunden.“
„Ja, das kann sein.“
„Sagen die denn etwas, wenn ich einen Bikini trage?“
„Nein, sie starren dir nur die ganze Nacht auf den Arsch.“
„Tom, es werden doch so viele Mädels im Bikini da sein …“
„Wer denn?“
„Meine Freundinnen zum Beispiel.“
„Wer denn?“
„Claudi, Lena, Matilda …“
„Matilda kommt im Bikini?“
„Ja.“
„Großer Gott!“
„Tom, das finde ich jetzt nicht okay. Matilda hat vielleicht ein paar Kilo extra, aber sie ist trotzdem eine sehr attraktive Frau.“
„Anna, halt sie auf! Ohne Scheiß, das ist jetzt mein Ernst, das kannst du nicht zulassen.“
„Tom, ich leg jetzt auf.“
„Lass das nicht zu! Anna! Hörst du mich? Du musst sie aufhalten!“
Sie legte auf.

Sie waren wirklich alle im Bikini erschienen. Rote Bikinis, blaue Bikinis, grüne Bikinis, weiße Bikinis …
„Wahnsinn …“
„Alter …“
„Zu hart …“
Wir saßen auf einer alten Couch, wühlten mit den Zehen im Sand und tranken Bier. Max zu meiner Linken, Jorgo und Zidane zu meiner Rechten.
„Das war doch letztes Jahr nicht so“, sagte ich. „Was geht hier eigentlich ab?“
„Sie brauchen Schwänze”, sagte Zidane. „Sie brauchen unbedingt Schwänze.“
Max schüttelte den Kopf. „Nein, sie schaukeln sich hoch. Das ist so, wie wenn einer von uns jetzt behauptet, er könne zehn Flaschen Bier exen. Am Anfang sagen wir alle, du spinnst, aber sobald die Gefahr besteht, dass er es schafft, wollen wir auch zehn Bier exen. Und so ist das auch mit den Mädels und den Bikinis. Irgendeine hat behauptet, sie kommt im Bikini, und als dann klar war, sie macht es wirklich, mussten alle anderen nachziehen.“
„Krasse Theorie“, sagte Zidane. „Echt krasse Theorie. Hey Jorgo, hast du das gehört? Warum die Chicks Bikinis tragen? Weil wir Bier auf Ex trinken! Geil, was?“
Jorgo lachte. „Du hast es nicht verstanden, Zidane.“
„Klar, hab ich das.“
„Nein, hast du nicht.“
„Alter!“
Ich drehte mich zu Max, deutete in die Menge. „Hier muss doch irgendwas für dich dabei sein.“
„Ich weiß nicht“, sagte er.
„Alter, wenn ich jetzt single wär …“
„Aber du bist nicht single … und du bist auch nicht ich.“
„Was soll das denn heißen?“ Ich runzelte die Stirn. „Such dir einfach eine aus und sprich sie an.“
„Und was soll ich da sagen?“
„Hi, wie geht's, ich bin Max … irgendwas … ist doch scheißegal. Red einfach mit ihnen.“
„Und du glaubst das funktioniert? Hallo, ich bin Max! Und dann haben sie Lust mit mir zu reden?“
Ich schüttelte den Kopf. „Du bist so ne Muschi.“
Max rutschte auf. „Hey Zidane, wie sprichst du die Frauen an?“
„Einfach so fremde Schlampen ansprechen … bist verrückt?“ Zidane lachte. „Alter, die Chicks kommen auf mich zu, ist doch klar!“ Er lachte wieder. „Oder Jorgo, die Bitches kommen auf uns zu?“
Jorgo grinste. „Die Bitches kommen auf uns zu …“
„Siehst du!“, sagte Max, und er und schlug den Kragen seines Hawaii-Hemds auf. „Wenn die Bitches was wollen, sollen sie herkommen!“

„Hilfe!“
„O Gott …“
„Ruf mal bei der Küstenwache an, hier ist was gestrandet.”
„Mayday, Mayday …“
Matilda war da.
„Ist das normal?“
„Das ist nicht normal.“
„Stellt euch vor, das wäre normal.“
„Ich find sie geil“, sagte Zidane.
„Was?“ Wir runzelten gemeinsam die Stirn.
„Ich würd sie voll gern durchnehmen.“ Zidane lachte kurz auf. „Nein wirklich jetzt. Stellt euch mal vor, wie das so wäre. Bei der ist voll viel dran, da kann man ja richtig mit beiden Händen zupacken.“ Er stand auf und verzog das Gesicht. „Hört ihr, wie das klatscht? Batz! Schwabbel, schwabel, schwabel … Batz! Schwabbel, schwabbel, schwabbel …”
Wir krümmten uns vor Lachen.

Wenig später Anna kam auf uns zu. Max und ich standen auf und lächelten, Jorgo und Zidane blieben sitzen und nickten.
Sie trug einen schwarzen Bikini und sah ziemlich gut darin aus. Sie strahlte mich an. „Hallo Schatz!“
„Hallo …“ Ich gab ihr einen Kuss auf den Mund.
„Hey Anna“, sagte Max.
„Hallo!“
Sie umarmten sich.
„Wie geht's dir, Max?“
„Mir geht's gut.“
„Was treibst du so?“, fragte Anna.
„Mein Bier ist alle“, sagte ich. „Ich geh mir mal ein Bier holen.“

In der Schlange traf ich auf Ira. Gelber Bikini, schöne Bräune, Früchte überall.
„Hey!“
„Hey Ira.“
„Ich hab dich überall gesucht“, sagte sie. „Hast du nachher Lust zu tanzen? Ich finde nie jemand, der mit mir tanzen will.“
„Ich tanze nicht.“
„Nicht? Warum nicht?“
„Keine Ahnung … ist nicht so mein Ding.“
„Ach Quatsch, du musst halt ein bisschen üben. Ich kann dir ja nachher was zeigen, das wird bestimmt witzig.“
„Ja … witzig wäre das schon.“ In diesem Augenblick tauchte Anna neben mir auf. Sie schmiegte sich an mich, Kopf voraus, sodass ich den Arm um sie legte.
„Hallo Anna“, sagte Ira.
„Hallo Ira“, sagte Anna.
Ira lächelte mit ganz vielen Zähnen, Anna mit überhaupt keinen.
„Tom, ich will einen Cocktail“, sagte Anna und sah zu mir auf. „Holst du mir einen Cocktail?“
„Okay.“
„Und dann will ich tanzen.“
„Du kannst schon tanzen gehen, wenn du willst …“
„Bis später!“, sagte Ira, und sie verschwand.
„Tschüss …“, sagte Anna.
Ich drückte mich nach vorne an die Bar.
„Kommst du nicht mit tanzen?“, fragte Anna.
„Ich tanze nicht.“
„Warum nicht?“
„Keine Ahnung … ich find's irgendwie schwul.“
„Es ist nicht alles schwul, nur weil du's nicht kannst!“
„Ja aber bei Männern ist Tanzen schon ein bisschen schwul, findest du nicht?“
„Überhaupt nicht! Das ist voll sexy, wenn man das kann.“
„Ja, aber wie sähe das bei mir aus? Schau mal …“ Ich wackelte demonstrativ mit den Schultern. „Da sind doch überall Muskeln im Weg.“
„Schatz! Das ist nicht dein Ernst.“
„Aber klar doch, 100%ige.“
„Hast du noch nie Dirty Dancing gesehen, oder was?“
„Dirty was?“
„Dirty Dancing.“
„Ist das ein Porno?“
„Nein!“
„Den hab ich echt noch nie gesehen.“
„Dann guck ihn dir an. Und sag mir bloß nicht, dass er schwul ist.“
„Komisch, irgendwie vermute ich das stark …“
Sie schüttelte entsetzt den Kopf. „Also ich gehe jetzt tanzen … du kommst nicht mit?“
„Im Bikini?“
„Ja.“
„Okay, bis später.“
„Ja, bis später.“
„Vergiss deinen Cocktail nicht.“
„Danke.“
„Bitte.“

Ich drehte eine Runde durchs Jugendhaus, unterhielt mich hier und da, spielte eine Runde Tischkicker und ging zurück zur Couch, wo Jorgo und Zidane noch saßen.
Sie waren schon ein lustiges Paar. Zidane war klein und dunkel und flink. Er hatte Augen wie ein Wolf und eine Stimme wie ein Frettchen und einen makellos runden Schädel, der wirkte wie etwas, das man mit Ton geformt hatte. In seinem 8mm-Schnitt war auf der Seite ein Stern drin, und an der linken Augenbraue imponierte eine tiefe Narbe, wo kein Haar wuchs.
Jorgo war einfach nur ein schöner Grieche.
Ich setzte mich zu ihnen, und wir beobachteten wieder die Frauen. Irgendwann ging eine unbekannte Blondine an uns vorbei und lächelte.
„Wen hat die grad angelächelt?“, fragte Jorgo.
„Ich glaub, sie hat dich angelächelt“, sagte ich.
Jorgo schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube, sie hat dich angelächelt.“
„Jungs, es tut mir leid“, sagte Zidane. „Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mich angelächelt hat.“
Wir lachten.
„Naja … ich bin eh vergeben“, sagte ich.
„Du solltest mal fremdgehen“, sagte Jorgo.
„Das stimmt“, sagte Zidane. „Hör Jorgo zu, von so was hat der Ahnung.“
„Ja“, sagte Jorgo. „Hör zu.“ Er lehnte sich vor. „Wenn du jetzt fremdgehst, also jetzt bald, dann ist das quasi wie 'ne Versicherung. Weil angenommen Anna geht später fremd und du bist ihr treu geblieben? So könntest du sagen: Tja, Schlampe, ich bin auch schon mal fremdgegangen. Aber wenn nicht, bist ja doppelt gefickt! Okay, und jetzt mal angenommen, sie ist wirklich treu. Dann hast du später nur Schuldgefühle, wenn du mal fremdgehen willst. Bist du aber schon mal fremdgegangen, brauchst du keine Schuldgefühle haben, weil du eh schon mal fremdgegangen bist. Verstehst du? Ist alles besser so.“
„Klingt logisch.“
„Aber du musst es jetzt gleich tun“, sagte er, „am Anfang der Beziehung. Weil wenn du zu lange wartest, verliebst du dich noch, und dann kann dir keiner mehr helfen.“
Dazu sagte ich nichts.
„Guck dir den an!“, lachte Zidane. „Den hat's voll getroffen, Jorgo, vergiss es. Wie ein Lämmchen, Bambi!“
Jorgo lachte. „Dann ist er halt im Arsch …“
„Wo ist eigentlich Max?“, fragte ich.
Zidane zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung.“
„Ich glaube, der ist nach Hause gegangen“, sagte Jorgo.
„Wieso das?“
„Hatte irgendwie keinen Bock mehr.“
„Keinen Bock mehr?“
„Glaub schon.“
„Scheiße ey …“ Ich nahm einen Schluck Bier und lehnte mich zurück. „Echt Scheiße.“
Langsam war ich dicht. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen … und entdeckte etwas: eine Jamaika-Flagge!

Ich zerrte sie von der Wand und ging nach oben auf die Tanzfläche. Anna tanzte zusammen mit Lena und Claudi. Um sie herum sechs oder sieben Geier. Anna bewegte sich betont lässig, schlängelte ihren Körper langsam hin her, Cocktail in der Hand. Mal hob sie die Arme über den Kopf und senkte den Blick, mal breitete sie die Arme aus und sah zur Decke. Lena und Claudi machten genau dasselbe. Die Bewegungen fand ich etwas zu spirituell … aber Tanzen war ja eh nicht mein Ding. Ich schob mich an den Geiern vorbei.
„Hey!“, sagte Anna.
„Hey.“
„Was ist?“
Ich hielt die Flagge nach oben.
„Was ist das?“
„Eine Jamaika-Flagge!“
„Und was soll ich damit?“
„Umbinden, damit dir nicht kalt wird.“ Ich fand's eigentlich witzig.
Anna weniger so. „Ich glaub du spinnst! Ich zieh doch keine blöde Flagge an!“
Sie warf den Kopf zurück und marschierte arschwackelnd davon. Lena und Claudi folgten ihr auf Schritt und Tritt, eine empörter und arschwackelnder als die andere. Die Leute auf der Tanzfläche warfen mir komische Blicke zu.
Ich seufzte, ging zur Bar und holte mir ein Bier.

Jorgo machte mit der unbekannten Blondine auf der Couch rum, als ich wiederkam, also ging ich nach draußen. Hinter dem Jugendhaus war eine Wiese, wo die Kleinen manchmal Fußball spielten. Ich pisste gegen einen Baum, atmete tief durch und schloss die Augen. Die Luft war frisch und angenehm.
Was war das für ein Geräusch?
Ich schaute mich um. Jemand saß auf der Bank am Spielfeldrand und weinte.
Ich ging rüber. Es war Matilda. Sie hatte einen schwarzen Mantel übergezogen.
„Was ist los?“, fragte ich.
Sie schreckte zusammen, als sie meine Stimme hörte. „Nichts.“
„Du siehst aus, als ob was wär.“
„Tom, lass mich einfach in Ruhe, okay?“ Sie rutschte weg von mir. „Lass mich einfach.“
„Bist du dir sicher, dass ich nichts für dich …“
„JETZT GEH!“
Auf dem Weg zurück zur Bar, mein Bier war wieder leer, kam mir Zidane entgegen. „Hast du Jorgo gesehen?“, fragte er.
„Ich glaube, den haben alle gesehen“, sagte ich.
Er schüttelte wohlwissend den Kopf. „Scheißgrieche …“
„Wie läuft's bei dir?“
„Ach … Schlampen sind alle voll eingebildet.“
Ich nickte.
„Aber ich muss dich schon loben“, sagte er. „Deine Freundin hat echt Premium-Arsch!“ Zidane küsste seine Fingerspitzen.
„Echt Premium so ein Arsch, wenn du den von der Seite siehst …“ Er begann Annas Hintern mit der Hand nachzuformen.
„Danke, Zidane.“
„… der ist so richtig schön …“
„Danke, Mann, weiß ich zu schätzen. Hör mal, ich glaub ich hab da was für dich. Du hast doch vorhin Matilda gesehen, oder?“
„Matilda?“
„Etwas korpulenter …“
„Ja, ja.“
„Sie sitzt draußen und weint, ganz alleine.“
Zidanes Augen weiteten sich. „Ganz alleine?“
„Ganz alleine.“
„Ist der was passiert?“
„Ich weiß nicht, frag sie mal. Mit mir wollte sie nicht reden … aber vielleicht kannst du sie ja trösten?“

Vor der Bar fing mich Anna ab.
„Tom, wir müssen reden“, sagte sie.
„Okay“, sagte ich, und wir gingen in Ecke, wo ein bisschen weniger los war.
„Ich hab doch letzte Woche deine Eltern kennengelernt“, sagte Anna.
„Ja.“
„Und sie waren nett.“
„Ja, meistens sind sie nett.“
„Und voll liberal und cool und so …“
„Naja, meistens …“
„Warum hast du mir nicht erzählt, dass es gar nicht deine richtigen Eltern sind?“
„Weil das gar nichts zur Sache tut.“
„Na, aber ein bisschen schon, oder? Jetzt laufe ich schon die ganze Woche rum und frage mich, warum du deinen Eltern überhaupt nicht ähnlich siehst. Und statt dass ich den Grund von meinem Freund erfahre, sagt es mir jetzt irgendjemand.“
„Vorhin, als ich mit der Flagge gekommen bin, oder wie? Dann hat jemand gesagt: Hey, der Tom wurde adoptiert.“
„Tom, das war …“ Sie seufzte, nahm die Flagge und band sie sich blitzschnell um, als hätte sie im Leben nie was anderes gemacht, der Knoten direkt unter ihrem Bauchnabel, wie Geschenkpapier.
„So“, sagte sie. „Erzählst du's mir jetzt?“
„Da gibt's nichts zu erzählen, Anna, ich war drei, ich weiß das schon gar nicht mehr.“
„Und deine biologischen Eltern?“
„Keine Ahnung.“
„Sind die noch …?“
„Keine Ahnung, frag mich nicht.“
„Okay … dann sind deine Eltern schon quasi deine richtigen Eltern.“
„Ja, klar.“
„Zu 100%?“
„Naja …“ Ich zögerte. „Sagen wir zu 90% … oder zu 95%.“
„Und was ist mit den anderen 5%?“
„Die anderen 5% kannst du dir in den Arsch schieben, Anna!“
„Wo gehst du hin?“
„Ich hol mir ein Bier.“
„Du trinkst zu viel.“
„Du trinkst zu viel.“
„Tom, bleib stehen … es tut mir leid.“
„Vielleicht solltest du mal nach deiner Freundin schauen.“
„Matilda? Wieso? Wo ist die?“
„Ach, vergiss es …“
„Wo ist sie!?“
„Sie sitzt draußen, aber Zidane kümmert sich schon um sie.“
„Zidane? Wie will er das machen?“
„Na … mit seinem Schwanz, vermute ich mal.“
„Oh Gott!“
Ich musste lachen.
„Das ist nicht witzig!“
Aber sie fand's schon auch ein bisschen witzig.
„Ich muss sie finden“, sagte sie.
„Nein, du bleibst jetzt hier.“ Ich packte sie am Handgelenk. „Die sind glaub eh schon weg …“
„Tom …“
Ich hob sie hoch und trug sie davon.
Sie legte ihren Kopf auf meine Brust. „Bei mir dreht sich alles“, sagte sie.
„Jetzt plötzlich, oder wie?“
„Ja, wenn du mich trägst, dann dreht sich alles.“
Es gab hinter der Tanzfläche eine Ecke mit einer anderen Couch, dort war es etwas dunkler.
„Wo gehen wir hin“, fragte Anna.
Ich legte sie auf die Couch und mich auf sie drauf.

Etwas später lag sie auf mir, ihr Ohr auf meinem Herz. Sie sah auf. „Woher kennst du eigentlich Ira?“
„Sie ist bei mir auf der Schule.“
Anna musterte mich mit Aquariumaugen. Zwei Discokugellichter rauschten über ihr Gesicht.
„Und sie ist mir wirklich total egal“, fügte ich hinzu.
Anna gab mir einen Kuss und presste ihr Ohr wieder gegen mein Herz. „Ich glaube, ich hasse sie.“
„Das brauchst du nicht.“
„Manchmal wünsche ich mir, sie wäre tot.“
„Anna …“
Sie seufzte schwer und rutschte nach oben, drückte ihr Gesicht an meinen Hals.
„Weißt du, wir können schon auch miteinander schlafen“, sagte sie.
„Jetzt gleich?“
„Nein, nicht gleich … aber … irgendwann halt schon …“
„Ok … ich will dich nicht unter Druck setzen.“
„Okay“, sagte Anna, und sie sah wieder auf. „Aber ich will auch nicht, dass du mich nicht unter Druck setzt, weil du denkst, es wäre nicht gut, wenn du mich unter Druck setzt. Verstehst du? Also wenn du das Gefühl hast, du musst mich jetzt unter Druck setzen, dann kannst du mich schon auch ein wenig unter Druck setzen.“ Sie sah mich an. „Aber wenn du mich nicht unter Druck setzen willst, ist das natürlich auch okay.“
Ich musste lachen.
„Tom, ich versuch grad mit dir zu reden!“
Ich drückte sie. „Ich glaube, du machst dir zu viele Gedanken, 100%ige.“
„Schatz, das ist wichtig.“
„Also gut, in einem Monat schlafen wir miteinander, okay?“
„In einem Monat?“
„Ja, das nehmen wir uns jetzt fest vor. In genau einem Monat, auf den Tag. Wie findest du das?“
„Okay … ja, das finde ich gut.“ Sie lächelte, und ich lächelte, und dann gab sie mir wieder einen Kuss. Ich schloss die Augen und atmete durch.
„Ich will tanzen!“, sagte sie.
„Mmm …“
„Komm schon, Schatz.“
„Okay …“
„Ja?“
„Ja.“
„Du kommst auch mit?“
„Ja, klar.“
„Und du tanzt auch?“
„Natürlich.“
Sie grinste.
Ich nahm sie an der Hand, und wir gingen auf die Tanzfläche. Anna machte gleich wieder einen auf LSD-Trip. Ich schaute mich ein bisschen um, was die anderen so machten. Im Grunde sah alles ziemlich spackhaft aus. Sie spielten 99 Luftballons.
Ich schüttelte die Schultern ein bisschen.
„Was machst du?“
„Ich tanze“, sagte ich.
Sie lachte.
Ich drehte mich im Kreis, machte zwei drei Kung-Fu Bewegungen, mixte einen Crossover und zwei Übersteiger mit rein.
„Tom, hör auf!“
Ich verstand nicht, warum ihr Gespacke cool war und meins nicht.
Hinter mir hörte ich Gelächter. Ich drehte mich um. Jorgo tanzte eng mit der unbekannten Blondine. Zidane hielt tatsächlich Matilda im Arm.
„Jungs“, sagte ich möglichst cool, „was ist los?“
Aber sie lachten einfach weiter, und dann musste ich auch lachen.
Die Leute in meiner Nähe hatten mir irgendwie Platz gemacht. Anna und ich sahen uns an.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Tom …“
Ich rannte vor, fiel auf die Knie, wackelte mit dem Oberkörper hin und her und setzte meinen heftigsten Pornoblick auf. (Ich hatte Dirty Dancing gesehen.)
Anna schlug beide Hände über den Kopf, und dann, als die Musik schneller wurde, stand ich auf, packte sie an der Hüfte und hielt sie nach oben, wie einen Luftballon. Sie schrie auf, ganz schrill, und krallte sich an meinen Haaren fest, während ich mich im Kreis drehte. Schneller und schneller und schneller …
Und jetzt könnte man vielleicht meinen, dass ich sie fallen ließ, dass ich irgendwann das Gleichgewicht verlor und wir betrunken auf den Boden krachten. Aber so war das nicht. Ich hielt sie ganz fest und wir fielen nicht. Nena sang von Düsenfliegern, Jorgo lachte wie ein schöner Grieche, Zidane wie ein penetranter Wiesel, wo Max war, weiß ich nicht, die anderen guckten komisch, und Anna und ich drehten uns.
Wir drehten uns und drehten uns und drehten uns und drehten uns und drehten uns …


„Was schreibst du?“
„Hm?“
„Was schreibst du?“
„Eine Geschichte, wie immer …“
„Kannst du mich zumindest anschauen, wenn ich mir dir rede?“
Ich drehe den Kopf. Hinter mir steht Melanie, Arme vor der Brust verschränkt. „Ich will wissen, worüber du schreibst, sonst zeigst du mir immer, was du schreibst.“
„Ja, aber wir haben doch gesagt, dass es besser ist, wenn ich dir alles erst zum Schluss zeige. So bekommst du eine ganze Geschichte zu lesen, und mich bringen deine Vorschläge nicht durcheinander. Wir haben doch darüber geredet.“
„Einen Scheiß haben wir geredet.“
Ich blicke wieder auf den Laptop. „Ich bin gleich fertig, okay?” Ich tippe weiter und spüre, wie sie langsam näher kommt, über mir kauert, dunkle Wolken. „Du schreibst über Anna …“
Ich seufze …
„Ich wusste es!“
„Ich schreibe eine Geschichte, Melanie, das ist Fiktion, du musst jetzt nicht gleich ausflippen, nur weil …“
„Sieh mich zumindest an, wenn du mir redest.“
Ich drehe mich zu ihr um.
„Weißt du eigentlich, was das für ein Gefühl ist? Ich hab so gehofft, dass … aber schau dich an, das hat keinen Zweck …“ Sie fängt an zu weinen, schlägt beide Hände vors Gesicht.
„Schatz, du übertreibst jetzt.“
„Du schreibst einen Scheißroman über diese Frau!“ Sie schluchzt. „Kannst du dir vorstellen, wie sich das anfühlt? Was das für ein Gefühl ist, zu wissen, dass du immer an sie denkst, jeden Tag. Weißt du überhaupt, wie sich das anfühlt?“
„Schlecht?“
Sie geht auf mich los, schlägt mit beiden Händen auf mich ein. Kratzt und tritt und schreit.
Ich stehe auf und schubse sie von mir weg. Sie fliegt nach hinten, kracht auf den Boden und schlägt dabei mit dem Hinterkopf auf. Sie ist kurz benommen, dann steht sie wieder auf.
„ICH HASSE DICH!“
Sie nimmt Handtasche und Jacke und stürmt weinend aus der Wohnung. Es ist meine Wohnung, nicht ihre. Ich weiß nicht, ob sie wieder kommt. Es kann schon sein … aber ich glaube nicht.
Ich falle zurück in den Stuhl und versuche weiterzuschreiben, aber das geht jetzt nicht mehr. Ich gehe in die Küche, hole eine Flasche Rotwein und drehe die Musik auf, so laut wie's geht.
Zwei Lieder lang höre ich Bob zu, dann greife ich zum Handy, rufe bei Max an und drehe die Musik wieder runter.
„Max?“
„Hey, kannst du mich nachher zurückrufen, ich sitz grad in der Vorlesung …“
„Scheiß auf die Vorlesung, Vorlesungen bringen nichts!“
„Was ist mit dir los?“
„Ich glaub mit Melanie ist es vorbei.“
„Was?“
„Ja.“
„Warte mal kurz …“
Ich warte.
„Was ist passiert?“
„Ist glaub mit Melanie ist es vorbei.“
„Warum?“
„Wir haben uns gestritten und geschlagen, und …“
„Du hast sie geschlagen?“
„Also sie hat mich geschlagen und dann hab ich sie weggestoßen. War schon übel.“
„Wieso? Wegen Anna?“
„Nicht direkt …“
„Diese Geschichte über Anna?“
„Es ist nur eine Geschichte …“
„Das ist nicht gut, Tom.“
„Warum sagst du das jetzt?“
„Weil das nicht gut ist. Echt Scheiße Mann, was ist los mit dir? Melanie ist ein nettes Mädchen, ein verdammt nettes Mädchen. Scheiße Mann, was machst du? Schreib doch eine Geschichte über sie! Bist du völlig hängengeblieben? Jetzt alles wegen Anna! Das ist fünf Jahre her. Vergiss die einfach, Mann, hörst du? Melanie ist klasse, okay? Weißt du, wie klasse Melanie ist? Fuck Mann ... du machst mich echt fertig.“
„Ich vermisse Anna.“
„Ich gebe mir gleich die Kugel … du bist so ein Egoist.“
„Ich vermisse Anna.“
„Ich auch! Und jetzt vergiss sie!“

Anna hatte ganz viele schlechte Seiten an sich. Ganz ganz viele. Sie war nicht unbedingt pflegeleicht, nicht gerade einfach. Eigentlich voll die Zicke. Und Linkshänderin war sie auch. Das ist schon komisch, wenn die Freundin Linkshänderin ist: Sie macht die Tür mit links auf, zupft dir eine Wimper von der Nase mit links, greift nach deinem Schwanz mit links, und immer wieder muss man denken: Okay, das hab ich jetzt nicht kommen sehen.
Aber was noch viel wichtiger war: Ihre Brüste waren wirklich nicht so groß. Wenn ich dran denke, wie ich mit Ira Sex hatte … da bekomm ich ja gleich einen Harten. Das ist bei Anna nicht so. Die Prallefrüchtemetapher funktioniert bei ihr nicht. Bei Anna denke ich an Aquarien und Luftballons und Blumenduft und so kitschige Sachen. Dabei ist die Früchtemetapher meine Lieblingsfrauenmetapher. Eigentlich sollte ich Ira nachtrauern und nicht Anna. Eigentlich sollte ich mich bei Melanie entschuldigen, sie ficken und an Ira denken, und dann einschlafen und von Anna träumen.
Wobei, eigentlich mache ich das schon so.
Eigentlich sollte ich Tauchlehrer werden und nach Costa Rica ziehen. Eigentlich sollte ich mich mit Benzin begießen und lodernd vom Münster springen.
Eigentlich sollte ich vieles.
Wahrscheinlich würde sogar vieles funktionieren.
Nur Anna nicht.
Anna, du funktionierst nicht.
Max hat schon recht, ich sollte dich vergessen …


Wir haben September. Es ist eine warme Sommernacht. Neben mir liegt die 100%ige und alles ist gut. Ich kann die Augen schließen und sie geschlossen halten und mehr will ich nicht. Ich spüre Anna neben mir und sie riecht gut und ich bin glücklich. Ich bin vor einer Woche siebzehn geworden und ich heiße Tom.
„Siehst du die Sterne?“, fragt Anna.
„Ja.“
„Du musst die Augen aufmachen.“
Ich mache die Augen auf.
„Siehst du sie?“
„Ja, ich sehe sie.“
„Es sind ganz viele! Es waren noch nie so viele Sterne wie heute.“
Das kann sogar sein. Es sind echt viele.
„Weißt du noch, welcher unser ist?“, fragt Anna.
„Ich glaub ich hab's vergessen.“
„Schatz, wehe …“
„War's der da?“
„Welchen meinst du?“
„Folg meinem Finger …“
„Ich dachte, der da war's.“
„Jetzt weißt du's selbst nicht mehr, oder wie?“
„Na, es sind halt so viele heute Nacht …“
Ich lasse die Hand über ihre Taille gleiten. „Gehen wir doch zu mir …“
„Schatz, wir können jetzt nicht gehen.“
„Klar können wir das.“ Ich drehe mich auf die Seite und gleite mit der Hand unter ihr Top.
Sie küsst mich und schiebt meine Hand weg. „Tom, hier sind Leute … später.“
Wir liegen auf einer Decke am Baggersee. Hinter uns brutzelt ein Lagerfeuer, Max spielt Gitarre.
„Wer singt da?“, frage ich.
„Ist das Zidane?“
Ich richte mich auf. „Es ist Zidane.“
Anna lacht.
„Was macht ihr dahinten, kommt wieder vor!“, brüllt Jorgo und hält eine Flasche Raki nach oben.
„Schon wieder eine Flasche?“, frage ich.
„Ja, klar!“
„Komm, gehen wir wieder vor“, sagt Anna.
Ich will liegen bleiben, aber ich gehe mit.
Max spielt Ironic von Alanis Morisette. Gar nicht schlecht. Zidane singt dazu. Das ist schon fragwürdiger. Jorgo ist an einer unbekannten Blondine dran. Matilda sitzt allein, schaut Zidane beim Singen zu und schmollt. Das ging nicht lange gut mit ihnen. Bei Max läuft es auch nicht so. Deswegen die Gitarrennummer und die langen Haare, glaube ich. Der verwegene Blick. Steht ihm gut eigentlich. Ira sitzt im Kreis mit drei unbekannten Typen. Lena und Claudi sind auch irgendwo. Jorgo lässt die Rakiflasche kreisen, ich nehme einen Schluck, verziehe das Gesicht, Anna nimmt einen Schluck, verzieht das Gesicht, und es geht weiter.
Irgendwann hat jemand die Idee, mit dem Kanu zum Steg zu fahren, weil das scheinbar eine wahnsinnig spannende Sache ist, nachts mit dem Kanu zum Steg zu fahren. Anna findet die Idee toll, und Jorgo findet sie toll, und Max findet sie toll, und Matilda auch, und die unbekannten Geier finden sie toll, und Ira auch. Ich finde sie ziemlich scheiße. Zidane stimmt mir zu. „Scheißwasser ist kalt“, sagt er, und wir finden das lustig.
„Komm“, sagt Anna zu mir und zieht an meiner Hand.
„Mit geht's nicht so gut …“, sage ich. „Ich glaub, ich leg mich wieder hin.“
„Jetzt sei nicht immer so! Ich will, dass du mitkommst.“
„Bleib doch bei mir, 100%ige.“
„Schatz, komm doch mit.“
„Bleib du hier.“
„Nein, komm du mit.“
„Bleib hier.“
„Komm mit.“
„Ich bleib hier.“
„Ich geh.“
Die 100%ige gibt mir einen Kuss und verschwindet in der Dunkelheit.

Irgendwann kommen sie zurückgerannt, klatschnass. Sie lachen und drängen sich ums Feuer. Ich sitze noch da, weil ich gemerkt habe, dass sich hinlegen keinen Spaß macht, wenn Anna nicht dabei ist.
„Hey, wo ist Anna?“, sagt Max und nimmt mir die Worte aus dem Mund. Ich kann sie auch nicht finden.
Wir schauen uns alle um, und es ist kurz still. Wasser tropft auf den Boden, das Feuer knistert.
„Wer ist Anna?“, fragt einer der Unbekannten.
„Anna“, sage ich, und ich stehe auf. „Wo ist Anna?“
„Sie war auf jeden Fall im Boot“, sagt Jorgo.
„Scheiße“, sagt Max und rennt als erster los.
Jorgo, Zidane und ich folgen ihm.
„ANNAAAAAAAAAAAA!“, schreien wir am Uferrand. „ANNAAAAAAAAAAAAAA!“
Aber Anna antwortet nicht. Wir stürzen uns ins Wasser, schwimmen los und schreien. Aber ich bin ein schlechter Schwimmer und voller Raki und die Sterne reflektieren überall, die Lichter zischen und kreisen sich in meinem Kopf, und bald vergesse ich, wo der Himmel anfängt und der Baggersee aufhört. Womöglich ist es mir irgendwann auch gar nicht mehr so wichtig. Ich gehe unter.

Der Rettungswagen kam gerade rechtzeitig, um mich zu reanimieren, nachdem Max mich ans Land gezogen hatte. Anna wurde am nächsten Morgen von Tauchern rausgeholt. Sie flog mit acht Leuten ins Wasser und ertrank, und keiner hat ein Auge auf sie gehabt.
So war das.
Ich frage mich natürlich immer wieder, wie das sein kann. Jorgo und Max haben mir schon tausend Mal erklärt, wie dunkel es war, und wie betrunken wir waren, und was das für ein Gefühl ist, wenn man ins kalte Wasser fällt, und wie man da nur noch ans Ufer denkt. Und das Scheißkanu sei halt gekippt, weil es ein Scheißkanu war und man irgendeinen doofen Scheiß angestellt hat. Und auch wie schnell das ging, Wahnsinn, das kann ich mir gar nicht vorstellen, wie schnell das ging, das war vom Umkippen des Kanus, bis man gemerkt hat, dass Anna nicht mehr dabei war, maximal eine Minute. Höchstens zwei. Und sogar Matilda die fette Kuh hat es ja alleine zurückgeschafft. Und auch Ira, die war so was von dicht und mit diesem Typen beschäftigt, die haben ja im Kanu fast schon gefickt, die kann das gar nicht bemerkt haben. Es war einfach zu viel Alkohol. Der Alkohol war das Problem.
Und das klingt alles plausibel, macht schon Sinn irgendwie. Fakt ist trotzdem, dass acht Leute ins Wasser fielen und zum Ufer schwammen und zum Lagerfeuer rannten, und man erst dann gecheckt hat, dass Anna nicht mehr dabei war. Manchmal fällt es mir schwer, das zu glauben. Mir wäre das auf jeden Fall viel früher aufgefallen. Mir wäre das gleich aufgefallen. Aber das hilft nichts, weil ich nicht mitgegangen bin.
Max und meine Eltern sagen immer, dass ich mir deswegen zu viele Gedanken mache, dass ich mal versuchen soll, mir weniger Gedanken wegen Anna zu machen, weil das Leben weitergeht. Zuerst passiert das Eine, und dann kommt das Nächste, und morgen tut man dies und übermorgen tut man das, und irgendwann kommen neue Erinnerungen und verdrängen die Alten, und dann sieht man nicht nur Anna in einem Sarg liegen, dann gibt es auch andere Dinge.
Und ja. Klar. Logisch. Also ich weiß schon auch, dass es andere Dinge außer Anna gibt, mir ist bewusst, dass man nicht nur Anna in einem Sarg liegen sieht.
Es gibt auch Annas Eltern bei der Beerdigung.
Und es gibt Tränen.
Und Aquarien aller Art.
Und Gerüche aller Art.
Und Ökobräute aller Art.
Und rote Karten, ganz viele rote Karten.
Und Baggerseen.
Und Raki.
Und Jamaika-Flaggen.
Und Luftballons.
Und Frauen, die auf Inseln sitzen.
Und Beach Parties.
Und McDonald's.
Und den Tiroler.
Und die Stadtmauer.
Und was ist dein Lieblingstier?
Und Dirty Dancing.
Und der erste Kuss.
Und Ira.
Und wenn Anna das wüsste.
Und Jorgo geht zurück nach Griechenland.
Und Zidanes Hochzeit.
Und Max.
Und so viel, das nicht gesagt wurde.
Und so viel, das zu kurz kam.
Und so viel, das fehlt.
Und Anna, wie sie lacht.
Und Anna, wie sie küsst.
Und Anna, wie sie tanzt.
Und ich, wie ich war, als ich mit Anna war.


Die Zeit vergeht. Ich liege auf dem Boden und habe keine Lust aufzustehen. Irgendwann mache ich die Augen auf und Max steht in der Tür. Er hält einen Sixer in der Hand.
Er kommt langsam rein und sieht sich um. Es knirscht unter seinen Füßen. Er sagt lange nichts. „Willst du mich verarschen?“, fragt er schließlich.
Ich setze mich langsam auf. Es tut alles weh. Vor allem die rechte Schulter, die tut höllisch weh.
„Du blutest“, sagt Max.
„Wo?“
„Im Gesicht.“
Ich fasse meine Wangen an, finde den Glassplitter, ziehe ihn heraus und sehe mich um.
Ich hab meine Wohnung verwüstet.
„Soll ich einen Krankenwagen rufen?“, fragt Max.
„Ach was …“ Ich stehe auf, putze meine Kleidung ab und schaue mich um. Es sieht schon heftig aus.
Max reicht mir ein Tempo.
„Danke.“ Ich drücke es mit der linken Hand an die Wunde. „Du hast Bier mitgebracht.“
Max nickt. „Ich dachte, wir schauen uns das Champions League Spiel an.“
„Klar, Bayern gegen Real, das machen wir.“
„Der Fernseher …“
„Ach so … stimmt … Scheiße.” Ich kratze mir den Kopf mit der freien Hand, und ein brutaler Schmerz fährt in meinen Rücken.
„Tom …“, sagt Max.
„Was?“
„Tom …“
„Ich weiß, das ist Scheiße mit dem Fernseher. Dann gucken wir das Spiel bei dir an, oder?“
Max sagt nichts.
„Oder?“, hake ich nach.
„Ja, das können wir schon machen.“
Ich hebe meine Jacke vom Boden auf und ziehe sie an. „Weiß man schon, ob Robben spielen wird?“
„Ich weiß es nicht.“
Ich gehe zur Tür. Max steht noch mitten im Raum, blickt umher.
„Komm“, sage ich, „ist schon halb neun, ich räum das später auf.“
„Das wird dauern“, sagt er.
„Das weiß ich … los, wir verpassen das Spiel.“

 
Zuletzt bearbeitet:

Diese Geschichte wurde ursprünglich von JuJu am 24.04.2012, 11:30 gepostet.

Beim Löschen eines Spam-Kommentars habe ich den Thread versehentlich gelöscht. Ich möchte mich an dieser Stelle beim Autor und allen Kommentatoren entschuldigen!

Den Inhalt aller Kommentare bis 19.08.2012 findet ihr untenstehend als Zitate.


Quinn schrieb am 24.04.2012, 13:20:

Quinn schrieb:
Hallo,

Und so sagte zu Anna, als sie wieder rübersah: “Ich finde du hast ganz krasse Augen.”
Da fehlt ein „Ich“

Anna sah mich jetzt an, ziemlich eindringlich, und da bekam ich es kurz mit der Angst zu tun, weil ich dachte, du Idiot, warum weißt du nicht, welcher Film im Tiroler läuft, vielleicht geht sie jetzt nicht mit, so was muss man doch wissen. (Im Tiroler kam immer nur ein Film.)
Die Klammer kann weg … zur Not sowas wie: Denn im Tiroler kam immer nur ein Film.
Spitzen-Anfang bis hierhin, toller Sound.


Das sind alles so Sachen, die gibt es bei mir heute nicht mehr. Dass man sich den ganzen Tag allein mit der Frage beschäftigt, ob das Mädchen erscheinen wird, und dass es dann nichts mehr auf der Welt gibt außer dieser Frage.
Und nein, um Gottes Willen, das hat nichts mit Handys zu tun.
Das ist echt gut. Das hier durch den Widerspruch ein ganzer Gedankengang klar wird – was hat sich in den 10 Jahren seitdem verändert? Ja, Smartphones. Das hat nichts damit zu tun!
Was ist denn los? Warum kannst du so was auf einmal? Das ist ja der Hammer.


Ihr Hintern wuchs aus den Schenkeln wie zwei pralle Früchte, ihre Titten sprangen vom Oberkörper wie zwei pralle Früchte, ihre Lippen glänzten im Gesicht wie zwei pralle Früchte. Und dann die Taille: schmal und geheimnisvoll. Wählerisch und zickig. Jung und leistungsfähig. Siehst du, wie schmal meine Taille ist, Tom? Siehst du das? Mach doch, dass sie blüht. Ich will blühen.
Ira war das geborene Luder.
Ich machte ihr schnell die Kette zu.
“Danke!” Sie legte sie zwischen ihre dicken Titten.
Ja. Es gibt so Frauen, wie alt sind die hier im Text? 14, 15 rum? So zur Zeit der Konfirmation? B-Jugend? Da sind manche Mädchen noch völlig burschikos und andere sind schon, dass man denkt: Gottes Willen.
Also es ist natürlich eine Szene, bei der manche bestimmt die Augen verdrehen, aber: Ja, genau so hab ich das damals auch empfunden. Das erste Mädchen in meinem Alter, das schon richtig weiblich war. Und man selbst ist natürlich auch in so einer Zeit des Erwachens und Pubertät und alles achtmal verstärkt. Ganz unmittelbare Geschichte.
Schön ohne Schiss erzählt. Natürlich ist es furchtbar albern, wenn sich 14jährige unterhalten, aber was will man machen? Es ist halt so. Dieser erste Kuss und das – ja, ich glaub das unbesehen.

“Tom, das finde ich jetzt nicht okay. Matilda hat vielleicht ein paar Kilo extra, aber sie ist trotzdem eine sehr attraktive Frau.”
Ja, das schöne ist – wir Menschen sind natürlich alle irgendwie unfertig, aber man ist, glaub ich, nie wieder so unfertig und so abgebrochen wie in dem Alter.
Dass sie das dann sagt – und man hört ja, dass sie es irgendwo her hat, eine andere Sprachebene und so. Und in dem Alter ist es ein Prozess, dass man Meinungen und Ideen von überall aufschnappt und offen ist und sich selbst zusammensetzt, und ich finde das ist in so einem Dialog drin. Wenn er da auf einmal anfängt mit dem Spitznamen und Schatz sagt jeder und dann das und sie will nicht und mathematisch – und es wirkt ja alles so hin und her und länglich, und dann dieser Disput: Aber nicht, dass dir wer auf den Arsch guckt. Wo kommt das her? Wo hat er diese Idee her?
Und sie sagt dann: Von deinen türkischen Freunden beim Fußball, hm?
Und dann hat er auch gleich ein Schönheitsideal und Jamaika-Flagge – wo kommt das her? Und sie ist dann: Mädchensolidarität, das ist schon schön.
Das ist natürlich ein Spielen von Beziehung. Spielen von Konflikt. Wer kriegt seinen Willen? Wer hat die Hosen an?

“Das war doch letztes Jahr nicht so”, sagte ich. “Was geht hier eigentlich ab?
“Sie brauchen Schwänze”, sagte Zidane. “Sie brauchen unbedingt Schwänze.”
Da musste ich echt lachen. Ich bin ja schon wieder drüber und denke mir bei den Szenen immer: Welcher Arsch von einem Vater lässt denn seine Tochter mit 14 auf eine Bikiniparty gehen? Haben die selbst vergessen, wie sie als Teenager waren?

Max schüttelte den Kopf. “Nein, sie schaukeln sich hoch. Das ist so, wie wenn einer von uns jetzt behauptet, er könne zehn Flaschen Bier exen. Am Anfang sagen wir alle, du spinnst, aber sobald die Gefahr besteht, dass er es schafft, wollen wir auch zehn Bier exen. Und so ist das auch mit den Mädels und den Bikinis. Irgendeine hat behauptet, sie kommt im Bikini, und als dann klar war, sie macht es wirklich, mussten alle anderen nachziehen.”
Ja, ich hatte auf dem Gymnasium auch einen Freund, der für alles eine Theorie hatte. Der hat genau so gedacht. Wahnsinn. Die Jugend wiederholt sich bestimmt überall und die Typen sind überall gleich. Einer ist dafür da, den anderen alles mit seltsamen „Es ist wie bei“-Theorien zu erklären. Irgendeine kriegt früh Möpse und ist allein deshalb einfach die Nutte. Und Immigranten schieben sich so ein und Mädchen sind total nett; und die aus der Waldorfschule sind ein wenig entrückte Exoten, die dann ganz anders sind.

“Alter, wenn ich jetzt single wär …”
“Aber du bist nicht single … und du bist auch nicht ich.”
Ich muss echt lachen. Seit 6 Wochen Händchenhalten und „Wenn ich Single wär!“ rumnölen.
Wie er sofort der Experte für Frauenfragen ist, weil er einmal eine geküsst hat. Großartig. Genau so ist es.


“Ja … witzig wäre das schon.” In diesem Augenblick tauchte Anna neben mir auf. Sie schmiegte sich an mich, Kopf voraus, sodass ich den Arm um sie legte.
Ja, wenn man so schaut: Es bleibt auch viel gleich, über die Jahre. Es wird vielleicht ein bisschen subtiler, aber diese Muster … ja. Vielleicht sind wir alle in diesen Belangen ein bisschen 14?


Sie waren schon ein lustiges Paar. Zidane war klein und dunkel und flink. Er hatte Augen wie ein Wolf und eine Stimme wie ein Frettchen und einen makellos runden Schädel, der wirkte wie etwas, das man mit Ton geformt hatte. In seinem 8mm-Schnitt war auf der Seite ein Stern drin, und an der linken Augenbraue imponierte eine tiefe Narbe, wo kein Haar wuchs.
Jorgo war einfach nur ein schöner Grieche.
Ich muss echt lachen bei dem Text. Ich sollte das gar nicht kommentieren, aber ich find das zum Beispiel einfach komisch. Dass Zidane da ewig beschrieben wird und dann Jorgo war einfach nur ein schöner Grieche.

Er schüttelte wohlwissend den Kopf. “Scheißgrieche …”
“Wie läuft's bei dir?”
“Ach … Schlampen sind alle voll eingebildet.”
Alles frigide Lesben!

“Ich weiß nicht, frag sie mal. Mit mir wollte sie nicht reden … aber vielleicht kannst du sie ja trösten?”

Das sind genau die Sätze, für die man sich 15 Jahre später noch schämt.

“Vorhin, als ich mit der Flagge gekommen bin, oder wie? Dann hat jemand gesagt: Hey, der Tom wurde adoptiert.”
“Tom, das war …” Sie seufzte, nahm die Flagge und band sie sich blitzschnell um, als hätte sie im Leben nie was anderes gemacht, der Knoten direkt unter ihrem Bauchnabel, wie Geschenkpapier.
Oh, böse. Das ist: Tom ist adoptiert, auf den muss man Rücksicht nehmen. Die Mitleids-Behandlung von Frauen.

“Okay”, sagte Anna, und sie sah wieder auf. “Aber ich will auch nicht, dass du mich nicht unter Druck setzt, weil du denkst, es wäre nicht gut, wenn du mich unter Druck setzt. Verstehst du? Also wenn du das Gefühl hast, du musst mich jetzt unter Druck setzen, dann kannst du mich schon auch ein wenig unter Druck setzen.” Sie sah mich an. “Aber wenn du mich nicht unter Druck setzen willst, ist das natürlich auch okay.”
Ja, ich denke, da merkt man auch den Unterschied in unserer Zeit, das hier hat was mit Handys zu tun und Internet und dass man wahrscheinlich jeden Film sehen kann, den man sehen will, ab 10 oder was weiß ich. Dass es dann einen seltsamen Mix gibt zwischen diesem halbverdauten Kino-Wissen. Sie sagt ja, sie hat Dirty Dancing gesehen. Wer weiß, was sie noch geguckt hat. Wann spielt das? 2000 rum? Sex and the City Pro7 um 20.15Uhr oder so. Wo wird die ihr Bild her haben, wie Teenage Mädchen so sein müssen? Das sind jetzt schon melancholische Stellen auch, finde ich. Weil man ahnt, dass das hier alles furchtbar schiefgeht. Zidane und das dicke Mädchen hat man im Hinterkopf. Dann dass sie hier nur aufmacht, weil sie denkt, sie hätte ihn wegen der Adoptions-Nummer verletzt. Dann spielt er vielleicht noch ein bisschen diese Karte und so und … ja, der Titel der Geschichte, der Anfang.


Ich rannte vor, fiel auf die Knie, wackelte mit dem Oberkörper hin und her und setzte meinen heftigsten Pornoblick auf. (Ich hatte Dirty Dancing gesehen.)
Zum Schreien komisch, Mann.

“Weißt du überhaupt, was das für ein Gefühl ist, Tom? Ich hab so gehofft, dass ich dir irgendwie … dass du mich irgendwann genauso lieben könntest wie sie, aber es hat keinen Zweck! Schau dich an, das hat keinen Zweck …” Sie fängt an zu weinen, schlägt beide Hände vors Gesicht.
Bisschen kitschig, find ich. Zu sehr on the nose.


Ja. Die Geschichte hat mich erwischt. Das ist halt so.
Der Twist ist hier, dass man denkt, sie verlässt ihn wegen etwas, wegen Max vielleicht, weil so eine erste Liebe nicht gut geht, weil es tausend Möglichkeiten gibt, wie man das versauen kann.
Und, das Traurige hier, was ich mir dachte, ist: Wenn es seinen normalen Weg gegangen wäre – die hätten noch ein Jahr was gehabt oder so, oder es wär nach dem Abi auseinander gegangen, dann wäre das etwas gewesen, das sich irgendwann ändert und zu Ende ist. Das Mädchen wär kein perfektes Mädchen mehr gewesen, sondern eine Frau mit Fehlern und man hätte sich von ihr lösen können. Jetzt ist sie auf ewig ein schönes, perfektes, totes Mädchen. Und dagegen kann diese Melanie nicht konkurrieren: Und jeder Gedanke aus der Zeit, sogar an die voluptöse Ira, macht das tote Mädchen noch perfekter.
Es ist natürlich in der zweiten Hälfte dann so, dass man die Fingerabdrücke des Autors sieht, es ist alles konstruiert, es ist ut konstruiert, aber man ist nicht mehr so unmittelbar bei den Figuren und der eigenen Jugend wie im ersten Teil. Der Twist da, mit dem toten Mädchen, er funktioniert, aber er dreht die Geschichte auch. Ich wäre wunderbar zufrieden damit gewesen, wenn er es mit ihr versaut, wenn Max sie kriegt und wenn er in der Geschichte einem Mädchen nachtrauert, das er verlassen hat, und wofür ihn Melanie hasst.
Dann hätte ich gesagt. Glückwunsch, juju, du hast eine tolle Jugendgeschichte geschrieben, die Sorte, für die herrlollek immer so gelobt wird, und du hast es, meiner Ansicht nach, unmittelbarer hinbekommen (obwohl der auch gute Geschichten hat, natürlich).

So ist die Geschichte auch sehr gut, wirklich gut, aber ich muss mir das mit dem Ende noch mal überlegen. Du hast da bestimmte Stilmittel drin, um Verzweiflung darzustellen und wenn er die Wohnung zerlegt – ich weiß nicht, ob es das wirklich braucht. Es ist mir dann zu sehr alles für den Leser ausgebreitet. Ich finde die Wendung gut, auch die Szene mit dem Boot, auch wenn er nachher sagt, wie scheiß schnell das alles war, und dass niemanden eine Schuld trifft und alles – und vielleicht hätte ich dann da aufgehört. Max noch mal und die Wohnung auseinander nehmen, diese lauten Paukenschläge am Ende – also für mich brauchst du das nicht machen, mir hätte es ohne das, auf einer leiseren Note, besser gefallen.
Andere mögen vielleicht gerade das und rümpfen bei 30zeiligen 2Wort-Dialogen die Nase, bei denen ich extra sagen würde. Hut ab, alle Achtung, dass du dich das traust.
Auch hier mal: Jorgo, Zidane, Max, Ira, Anna, Matilda, Tom.
Da hast du 7 Figuren, bei denen ich am Ende der Geschichte weiß, wie sie heißen und grob wie sie ticken. Ira/Matilda – sind natürlich Archetypen, die wenig zu tun haben. Zidan/Jorgo sind, wie ich finde, schon richtig schöne Sidekicks, die viel Komik reinbringen. Max hat diese undankbare Rolle im Hintergrund, bei dem man mehr vermutet, was passiert, als es sieht. Und die beiden Hauptfiguren mit richtig viel Platz – das kann echt was.

Also Hut ab, ich wollte die Geschichte erst später kommentieren, hab dann angefangen zu lesen und hab dann nicht aufhören können. Das passiert mir selten. Text hat mich erwischt. Sogwirkung. Ich muss dich loben. Davon jederzeit mehr.

Gruß
Quinn


JuJu schrieb am 24.04.2012, 20:36:
JuJu schrieb:
Hallo,

Ich sollte das gar nicht kommentieren, aber ich find das zum Beispiel einfach komisch. Dass Zidane da ewig beschrieben wird und dann Jorgo war einfach nur ein schöner Grieche.

Das freut mich. Ich wusste nicht genau, wie das ankommt, fand es aber auch lustig.

Wann spielt das? 2000 rum?

So ungefähr, genau.

Und, das Traurige hier, was ich mir dachte, ist: Wenn es seinen normalen Weg gegangen wäre – die hätten noch ein Jahr was gehabt oder so, oder es wär nach dem Abi auseinander gegangen, dann wäre das etwas gewesen, das sich irgendwann ändert und zu Ende ist. Das Mädchen wär kein perfektes Mädchen mehr gewesen, sondern eine Frau mit Fehlern und man hätte sich von ihr lösen können. Jetzt ist sie auf ewig ein schönes, perfektes, totes Mädchen.

Ja, das denke ich mir auch. So bleibt sie in seiner Erinnerung ewig die 100%ige. Wenn man das noch ein paar Jahre laufen lässt, kann man sich schon denken, dass das nicht ewig so bleibt, aber in seinem Kopf ist das halt so. Das ist schon alles traurig auch.

Es gibt so Frauen, wie alt sind die hier im Text? 14, 15 rum? So

Hab mich da gar nicht festlegen wollen, auf jeden Fall jung. B-Jugend sind 15- und 16- Jährige … vielleicht ist 14, 15 auch besser.

die Sorte, für die herrlollek immer so gelobt wird,


Ich hab beim Schreiben dann auch mal an Lollek denken müssen, ich denke seine Stories haben mich vielleicht schon ein bisschen inspiriert zu der hier.

Das sind genau die Sätze, für die man sich 15 Jahre später noch schämt.

Ja, wenn man so schaut: Es bleibt auch viel gleich, über die Jahre. Es wird vielleicht ein bisschen subtiler, aber diese Muster … ja. Vielleicht sind wir alle in diesen Belangen ein bisschen 14?

Ja, mit Sicherheit, ich denke vieles ändert sich auch nicht. Ich hab noch eine Szene im Kopf, da war ich 15 oder so, und ich ging mit der Clique an Leute vorbei, die hatten grad Mittagspause bei der Arbeit und standen im Kreis und rauchten und die fand ich schon ziemlich alt, und dann hat eine Frau schallend gelacht und ein Typ hat rumgeblödelt und ein anderer machte irgendwas … und wir Jugendliche dachten alle zusammen: irgendwie ist das jetzt echt schräg, das sieht kein bisschen anders aus als bei uns.

Das ist echt gut. Das hier durch den Widerspruch ein ganzer Gedankengang klar wird – was hat sich in den 10 Jahren seitdem verändert? Ja, Smartphones. Das hat nichts damit zu tun!
Was ist denn los? Warum kannst du so was auf einmal?

Das fragt man mich jetzt immer wieder hier, und das freut mich natürlich. Also ich schreibe schon länger und man redet immer von Plateaus und so … aber ich beschaftige mich jetzt auch intensiver mit dem Schreiben als früher. Und früher war halt die Sprache ein großes Problem für mich. Man braucht nicht versuchen elegant oder schön oder "leise" zu schreiben, wenn man keine zwei Sätze ohne Grammatikfehler hinbekommt. Und wenn man das weiß, bremst das schon auch. Bremst eigentlich immer noch. Ich hab dann halt mehr auf Englisch geschrieben, mach ich immer noch manchmal. Das ist aber irgendwie komisch, wenn man in Deutschland lebt und wohnt und spricht. Worüber will man dann schreiben auf Englisch? Welches Setting wählt man? Für wen schreibt man? Wer liest das? Das hängt dann auch vom Thema ab. Die Pubertät hab ich halt in Deutschland durchgemacht.
So wäre jede Geschichten eine "Germany"-Geschichte.
Und das ist nicht zuletzt auch eine Identitätsfrage, also das beschäftigt mich schon alles.
Wenn das Forum hier nicht wäre, würde ich jetzt bestimmt nicht so viel auf Deutsch schreiben, dann hätte ich mich schreibtechnisch auch ganz anders entwickelt, da bin ich mir ziemlich sicher. Also das hat schon viel mit dem Forum hier und der Sprache zu tun. Und wahrscheinlich kommen dann gleichzeitig noch Sachen dazu, die haben mit mir selbst und so indirekt mit dem Schreiben zu tun.

Du hast da bestimmte Stilmittel drin, um Verzweiflung darzustellen und wenn er die Wohnung zerlegt – ich weiß nicht, ob es das wirklich braucht. Es ist mir dann zu sehr alles für den Leser ausgebreitet. Ich finde die Wendung gut, auch die Szene mit dem Boot, auch wenn er nachher sagt, wie scheiß schnell das alles war, und dass niemanden eine Schuld trifft und alles – und vielleicht hätte ich dann da aufgehört. Max noch mal und die Wohnung auseinander nehmen, diese lauten Paukenschläge am Ende – also für mich brauchst du das nicht machen, mir hätte es ohne das, auf einer leiseren Note, besser gefallen.

Ja, das mache ich immer wieder glaub. Ich hab jetzt auch unter ein paar Geschichten geschrieben, ich hätte er es gerne mal lauter und so ... also ich hab jetzt nichts gegen leise Töne, ich hab halt gelegentlich das Gefühl, dass man krampfhaft versucht diese schönen leisen Töne hinzukreigen, auch dieses Geheimnisvolle, dass die Stories immer so enden, und wenn das klappt ist das wunderbar, aber wenn nicht, erzeugt man vielleicht gar keinen Ton. Da denke ich mir, mir wären ein paar laute Töne ab und an lieber, die kommen dann vielleicht ein bisschen schräg, aber immerhin klingen die. Wenn man ein Instrument spielen lernt, ist man zu Beginn auch einfach laut.
Gut, das gibts hier auch, das sind dann auch die Leute, die gleich mit Suizid kommen …
Also ich weiß, dass die Gefahr da ist, dass es dann pubertär oder aufgesetzt oder übertrieben kommt, oder dem Leser zu viel aufbereitet wird. Und "Salz der Erde", auch wenn die Resonanz sehr gemischt war, ist glaube ich meine persönliche Lieblingsgeschichte von mir, und die gehört ja auch eher zu meinen leiseren Geschichten, wobei ich die ja insgesamt anders finde als die hier.
Also ich überleg mir das mit dem Ende auf jeden Fall. Mir hat es Spaß gemacht, das Zimmer zu verwüsten, mal schauen was die anderen meinen.

Dass sie das dann sagt – und man hört ja, dass sie es irgendwo her hat, eine andere Sprachebene und so. Und in dem Alter ist es ein Prozess, dass man Meinungen und Ideen von überall aufschnappt und offen ist und sich selbst zusammensetzt, und ich finde das ist in so einem Dialog drin

Ja, dass du das raushörst … gut gesagt. Das kann man auch so bei Menschen raushören, finde ich, da kommt etwas, und da fragt man sich: Ja, wo genau kommt eigentlich das jetzt her? Das hat er/sie doch irgendwo aufgeschnappt. Und in dem Alter ist es natürlich besonders heftig.

Bisschen kitschig, find ich. Zu sehr on the nose.

Ja, das stimmt .. an der Stelle müsste ich mir mehr Mühe geben.


Also Hut ab, ich wollte die Geschichte erst später kommentieren, hab dann angefangen zu lesen und hab dann nicht aufhören können. Das passiert mir selten. Text hat mich erwischt. Sogwirkung. Ich muss dich loben. Davon jederzeit mehr..

Das freut mich jetzt sehr. Das will ich im Endeffekt auch erreichen, dass man die Leser irgendwie trifft.


Wie immer vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

MfG,

JuJu


Meridian schrieb am 25.04.2012, 10:10:
Meridian schrieb:
Hallo JuJu,

Da bin ich dir in die Falle gegangen. Eigentlich wollte ich mir die Geschichte nur eben ausdrucken, um sie später zu lesen, hab dabei noch gesehen, oh, das sind ja dreißig Seiten, na ja - hab dann die ersten Absätze gelesen und dann das ganze Teil in einem Rutsch durch.

Die Geschichte liest sich vor allem wegen des hohe Dialoganteils so locker. Das ist dir hier wirklich gut gelungen, die Figuren darüber zu charakterisieren und Beziehungen zu entwicklen - so eine Sache, die ich nicht gut kann, die ich deshalb umso mehr bewundere. Ist auch interessant, weil deine Dialoge oft recht "unliterarisch" daherkommen, sehr direkt und mit "hallo" und "wie geht's" und diesem ganzen Bullshit-Talk. Aber hier schärft das das Profil der Figuren immer weiter. Also: Chapeau!

Auch interessant - Quinn hat das schon gesagt - wie sich da in deren Gespräche immer so fremde Konzepte reinschieben, aus Fernsehen oder Kino oder irgendwelchen dämlichen Mädchen-Magazinen. Zum Beispiel als darüber debattiert wird, wie der erste Kuss jetzt ablaufen soll, wie der ablaufen muss und so ... Das hat auch was ganz leicht Beunruhigendes.

Toll jedenfalls die Komik, die immer wieder vor dem eher melancholischen Hintergrund aufblitzt. Und auch wirklich starke Stellen, die beides verbinden:
Eigentlich sollte ich Ira nachtrauern und nicht Anna. Eigentlich sollte ich mich bei Melanie entschuldigen, sie ficken und an Ira denken, und dann einschlafen und von Anna träumen.
Wobei, eigentlich mache ich das schon so.
Eigentlich sollte ich Tauchlehrer werden und nach Costa Rica ziehen. Eigentlich sollte ich mich mit Benzin begießen und lodernd vom Münster springen.
Eigentlich sollte ich vieles.
Bei "lodernd vom Münster springen", das hat eine bissige, schwarze Komik und trotzdem nimmt es nichts von der Ernsthaftigkeit weg.

Ein kleines Problem waren für mich die wenigen breiteren, erzählerischen Blöcke. So was:
Max spielt Ironic von Alanis Morisette. Gar nicht schlecht. Zidane singt dazu. Das ist schon fragwürdiger. Jorgo ist an einer unbekannten Blondine dran. Matilda sitzt allein, schaut Zidane beim Singen zu und schmollt. Das ging nicht lange gut mit ihnen. Bei Max läuft es auch nicht so. Deswegen die Gitarrennummer und die langen Haare, glaube ich. Der verwegene Blick. Steht ihm gut eigentlich. Ira sitzt im Kreis mit drei unbekannten Typen. Lena und Claudi sind auch irgendwo. Jorgo lässt die Rakiflasche kreisen, ich nehme einen Schluck, verziehe das Gesicht, Anna nimmt einen Schluck, verzieht das Gesicht, und es geht weiter.
Da frag ich mich, ob man da - durch mehr Absätze? - irgendwie mehr auflockern könnte, weil man da als Leser durch den Dialogteil nicht dran gewöhnt ist. Immer, wenn da diese Buchstaben-Blöcke ohne Anführungszeichen kamen, haben meine Augen einen Gang hochgeschaltet.

Und: Was ich mich beim Anklicken und dann wieder hier:

“Ich glaube, du bist das 100%ige Mädchen.”
“Wirklich?”
“Ja, wirklich.”
Und dann hat sie gesagt: “Tom, ich glaube du bist der 100%ige Junge.”
gefragt habe: Ist das eigentlich eine Murakami-Anspielung? Oder daher inspiriert? Oder ist das der reine Zufall?

Also, sehr authentische Geschichte mit wunderbar lebendigen Figuren!

Grüße,
Meridian


Fliege schrieb am 25.04.2012, 11:27:
Fliege schrieb:
Hey JuJu,

also die letzten beiden Texte von Dir, damit hast Du echt den Sprung gemacht in die Liste, KG-Autoren die ich gerne lese.

Und "Salz der Erde", auch wenn die Resonanz sehr gemischt war, ist glaube ich meine persönliche Lieblingsgeschichte von mir, und die gehört ja auch eher zu meinen leiseren Geschichten, wobei ich die ja insgesamt anders finde als die hier.

Meine auch . Und klar ist die anders. Aber das muss sie auch sein. Wenn Du in dieser Geschichte nur mit pastell-Tönen gearbeitet hättest, wäre sie nicht so gut. Worin aber beide bestechen, ist das menschliche in ihnen. Die Ängste und Wünsche, Vorstellungen und Enttäuschungen die Du verarbeitest. Das so aufs Papier zu bringen, Hut ab! Man findet sich halt irgendwie wieder in den beiden Texten, weil wir uns da alle ja nicht so groß unterscheiden, auch wenn der Plot erst mal nix mit der eigenen Erfahrungswelt zu tun hat. Aber Deine Figuren - von denen ist keiner frei. Ja, da hat sich was getan zu den Texten von vor ein paar Jahren.

Was ich für ziemlich genial halte, ist, dass Du darauf verzichtest Erwachsene auftreten zu lassen. Das hier nur die Kids zu Wort kommen. Dadurch wird man an keiner Stelle aus ihrer Welt herausgerissen. Man lebt ihre Welt und du lässt sie ausschließlich ihre Welt leben. Dadurch erhält das ganze eine so in sich dichte, abgeschlossene Atmosphäre, der man sich schwer entziehen kann.

Und Lollek schoss mir auch durch den Kopf beim lesen. Wobei ihr beide zwar den Ton gut trefft, Euch aber dann doch irgendwie wieder unterscheidet. Ich glaube, Du bist gerader aus. Diese Dialoge und Wiederholungen und so, Titten und Titten und Ärsche und nochmal und immer wieder. Aber wie oft denkt man in der Pubertät genau daran. Ich frage mich gerade, wie man zu dieser Zeit eigentlich Mathehausaufgaben machen konnte .

Ich liebe dieses Bild. Noch heute, wenn immer ich Frauen sehe, die auf Inseln sitzen, vor Cafés, an der Bar, unter Straßenlaternen, muss ich an Anna denken.


Ich liebe dieses, dein Bild auch.

Als wir oben ankamen, stellten wir fest, dass wir dort nicht sein wollten. Eine große Kreuzung, Tankstellen …

Hehe.

“Haifisch?”
“Nein.”
“Seekuh?”
“Nein.”
“Ameisenbär.”
“Nein.”
“Hey, das ist voll doof.”
“Du warst schon ziemlich nah dran.”
“Echt?”
“Ja voll.”
“Mit der Seekuh oder dem Haifisch?”
“Mit dem Ameisenbär.”
“Koala?”
“Nein.”
“Eisbär?”
“Nein.”
“Ameise?”
“Nein.”
“Grizzly?”
“Nein.”
“Du verarscht mich doch!”
“Du bist echt voll nah dran!”
“Quatsch!”

Das muss man sich mal trauen. Ich merke mir für die Zukunft, trau Dich sowas, Fliege. Weil es ist authentisch und wenn es das ist, kann man ja eigentlich gar nicht verlieren. Also ich fand das sehr cool.

Ihr Hintern wuchs aus den Schenkeln wie zwei pralle Früchte, ihre Titten sprangen vom Oberkörper wie zwei pralle Früchte, ihre Lippen glänzten im Gesicht wie zwei pralle Früchte. Und dann die Taille: schmal und geheimnisvoll. Wählerisch und zickig. Jung und leistungsfähig. Siehst du, wie schmal meine Taille ist, Tom? Siehst du das? Mach doch, dass sie blüht. Ich will blühen.

:lol: Aber genau das meine ich. Nicht eben gesagt - sie wirkte wie eine reife Frucht, sondern diese Wiederholungen, dieses drauf rumtrampeln und nochmal. Genau davon lebt dieser Text für mich. Und dabei sagt man immer, nicht wiederholen. Doch verdammt. Wo es eindringlich werden soll, ist es ein prima Stilmittel!

“Matilda kommt im Bikini?”
“Ja.”
“Großer Gott!”

Das hat er aus dem Fernsehen! Diese abgekupferten Sprüche, das ist so typisch für dieses Alter. Genau hingeschaut und so nebenbei einfließen lassen, sehr schön, Herr JuJu!

Ira lächelte mit ganz vielen Zähnen, Anna mit überhaupt keinen.

Solche Sätze hab ich eh gern. Ach ...

“Ok … ich will dich nicht unter Druck setzten.”
“Okay”, sagte Anna, und sie sah wieder auf. “Aber ich will auch nicht, dass du mich nicht unter Druck setzt, weil du denkst, es wäre nicht gut, wenn du mich unter Druck setzt. Verstehst du? Also wenn du das Gefühl hast, du musst mich jetzt unter Druck setzen, dann kannst du mich schon auch ein wenig unter Druck setzen.” Sie sah mich an. “Aber wenn du mich nicht unter Druck setzen willst, ist das natürlich auch okay.”

Frauenlogik :D. Und im weiteren, wenn Du da mit dem Termin kommst, ich fand das großartig.

“Tom, ich versuch grad mit zu reden!”

Da fehlt ein "dir".

Wir drehten uns und drehten uns und drehten uns und drehten uns und drehten uns …

Geil. Einfach nur geil.

“Hey, wo ist Anna?”, sagt Max und nimmt mir in Worte aus dem Mund, weil ich kann sie auch nicht finden.

mir die Worte

Es gibt auch Annas Eltern bei der Beerdigung.
Und es gibt Tränen.
Und Aquarien aller Art.
Und Gerüche aller Art.
Und Ökobräute aller Art.
Und rote Karten, ganz viele rote Karten.
Und Baggerseen.
Und Raki.
Und Jamaika-Flaggen.
Und Luftballons.
Und Frauen, die auf Inseln sitzen.
Und Beach Parties.
Und McDonald's.
Und den Tiroler.
Und die Stadtmauer.
Und was ist dein Lieblingstier?
Und Dirty Dancing.
Und der erste Kuss.
Und Ira.
Und wenn Anna das wüsste.
Und Jorgo geht zurück nach Griechenland.
Und Zidanes Hochzeit.
Und Max.
Und so viel, das nicht gesagt wurde.
Und so viel, das zu kurz kam.
Und so viel, das fehlt.
Und Anna, wie sie lacht.
Und Anna, wie sie küsst.
Und Anna, wie sie tanzt.
Und ich, wie ich war, als ich mit Anna war.

Ich liebe es! Das hat seine ganz eigenen Charme, wenn man jetzt nicht so auf Tränendrüse drückt und es doch tut. Und es so viel wirkungsvoller tut, weil sie eben im Alltag fehlt und immer und nicht nur in diesem Moment. Und wohin einem das Fehlen so verfolgt. Wieviel es gibt, was einen immer an sie erinnern wird. Wo überall ein Anna-Schild draufklebt. Das finde ich schon stark umgesetzt.

Bis ich in mich zusammensacke, bis ich einfach umkippe, bis ich endlich kaputt bin.

Habe überlegt, ob ein Dreher am Ende vielleicht stärker ist.
Bis ich in mich zusammensacke, bis ich einfach umkippe, bis endlich ich kaputt bin.
Bin mir aber nicht sicher.

Ja. Der Arme. Das ist echt schon ein großes Drama. Wenn sie da einfach weg bleibt und man sich nicht lösen kann. Wie auch? Die erste Liebe ist sowieso unerreicht und glorifiziert. Wie muss sich das erst anfühlen, wenn sie nie ein richtiges Ende gefunden hat. Nicht finden konnte.

Das mit der Wohnung zertrümmern hat mir auch nicht so zugesagt, ich hätte es nicht gebraucht. Sein Drama ist so spürbar; diese Entladung, die käme für mich vielleicht auch zu spät. Jedenfalls durch den Wechsel - zum Lauten, Brüllen möchte ich fast meinen, also ich war eher irritiert und musste erst mal umschalten. Maria schreibt ja so, aber eben durchgängig. Ich glaube, so ein Wechsel wirkt eher befremdlich, weil es einen so rauswirft. Also den Gedanken dahinter kann ich schon verstehen, aber ich frag mich wirklich, warum brüllt mich der Text jetzt an? Tut das denn Not?

Zur Rubrikwahl sag ich mal nix. Da weine ich einfach ein bisschen vor mich hin .

Sehr gern gelesen! Schön, einfach nur schön.
Lieben Gruß Fliege


maria schrieb am 25.04.2012, 13:57:
maria schrieb:
JuJu, du verdammtes Arschloch!
Das sind 23 A4 Seiten, die ich jetzt gelesen habe und dabei habe ich mir am Anfang gedacht, pffft, soviel ist nur gut im Buchformat und dann BAAAM, ich konnte nicht mehr aufhören und musste den ganzen Kram letzten, nur um mir am Schluß zu denken, was für ein Arsch! Ich hasse dich! Das ist verdammt gut geworden. Das gefällt mir. Hochachtung!

Also echt ey, das ist eine wunderschöne Jugendgeschichte, die ich absolut gut fand. WEnn ich so etwas schreiben würde, ich würde mittendrin aufhören und als langweilig bezeichnen. Dafür braucht man Mut und Ausdauer, weil solche Szenen wie in der Party, die würden mich beim Schreiben langweilen, aber du ... also echt ey, ich fand das interessant und witzig zu gleich und ich bin auch froh, dass es keine Szene gibt, in dem der Prot Anna das Gehirn rausfickt. Sex hätte die Geschichte irgendwie ruiniert, weil der Vergangenheit-Prot irgendwie unschuldig ist, während der Gegenwart-Prot von seinem Schwanz spricht, der steinhart werden kann. Dieser Kontrast ist dir wirklich gut gelungen

Die Dialoge sind teilweise lustig und du erzeugst ein klares Bild von den Prots und so weiter und so weiter bla bla bla. Kurz: Ich bin begeistert! Das ist mal eine lange Geschichte, die einem viel zu kurz vorkommt =D

Das einzige Kontra ist halt die Schlussszene. Ich wurde echt traurig als die 100&ige starb. Was widerum eine großartige Leistung deinerseits ist.
Ich habe zwar einige Fehler entdeckt, aber keine Ahnung mehr, wo die genau sind. Pah, egal, die haben überhaupt nicht den Lesefluß gestört.

So, zu viel bewundert! Mehr kriegst du nicht!

lg maria


feirefiz schrieb am 25.04.2012, 15:26:
feirefiz schrieb:
Hallo Juju,

die ganze Zeit dachte ich nur "wie niedlich", im besten Sinne herzerwärmend. Und lustig, sehr lustig. Die lollek Assoziatzion kam mir da auch. Bis auf den Schluss eben, wobei der mir die Stimmung auch nicht so richtig versauen kann. Irgendwie fühlt sich die Geschichte noch immer locker flockig und warm an.

Auch ich habe sie in einem Zug gelesen und, was für mich ganz ungewöhnlich ist, ohne vorher die Kommentare zu lesen. Die Dialoge lockern echt auf. Das gute an denen ist, dass die gar nicht konstruiert sondern ganz authentisch wirken, aber sie sind natürlich total literarisch, weil sie alle das richtige timing und Pointen haben und die Figuren so wunderbar zeichnen. Das ist bei den Jungsgesprächen so, Jorge und Zidane sind so Figuren, die man aus guten amerikanischen Komödien kennt. Aber es sind nicht nur so Gagmaschinen sondern schon auch glaubhafte Menschen. Aber besonders gut haben mir die Gespräche mit Anna gefallen, weil man da tatsächlich nicht mehr an Darstellungsmitteln, Erzählerkommentar oder so braucht, um genau zu wissen, wie diese Beziehung ist. Respekt dafür, vor allem weil ich es noch immer nicht geschafft habe, Dialoge so für mein Schreiben zu nutzen.

Es gibt sehr viele großartige und lustige Stellen. Den ersten Kuss zum Beispiel, wie sie da ganz angestrengt Romantik zu erzeugen versucht und es wieder Erwarten sogar klappt. Suess! Und dann der Bruch von dieser uncoolen Romantik in die Umkleidekabine und den pseudokennerischen Männergesprächen. Das ist echt gut gelungen. Und die Tanzszene. Ich mag die Figuren einfach so gerne! Auch wie er da ganz am Anfang aus völliger Hilflosigkeit das Date klarmacht.

Der Unterschied zwischen einer Ira und einer Anna ist auch gut herausgearbeitet. Schon dass die ganz unterschiedlich beschrieben werden. Anna hat ja im Grunde gar keinen Körper, bis die Geier ihn anglotzen und er ihn verstecken muss, weil es ihm darum bei ihr tatsächlich nicht geht. Also auch sicherlich, aber eben nicht so auf den Körper reduziert wie bei Ira. Es ist halt Liebe. Da war ich fast ein bisschen beleidigt, dass der Schriftsteller-Erzähler das zum Schluss noch mal so explizit machen muss:
Die Prallefrüchtemetapher funktioniert bei ihr nicht. Bei Anna denke ich an Aquarien und Luftballons und Blumenduft und so kitschige Sachen. Dabei ist die Früchtemetapher meine Lieblingsfrauenmetapher.
Aber das geht mir immer so, wenn ich was gefunden hab und stolz drauf bin und der Erzähler es mir dann so auf dem Silbertablett serviert.

Du legst da natürlich ne falsche Fährte. Ich dachte, ach so, jetzt muss er sie um der coolness-Willen tatsächlich mit Ira betrügen und es ein Leben lang bereuen. Aber vielleicht bedeutet diese Erwartungshaltung schon, dass es eigentlich doof gewesen wäre, die zu bedienen. Mit der jetzigen Lösung bin ich aber auch nur so mittel glücklich. Klar, so kann man nur ne tote Exfreundin glorifizieren und das ist als Thema schon auch interessant, wenn auch nicht so richtig kontrovers. Das ist so ne Erkenntnis, die sicherlich jeder abnicken kann. Es ist logisch und folgerichtig, ebenso wie das angedeutete Alternativende glatt, logisch und psychologisch folgerichtig gewesen wäre. Aber nichts, wo ich mir jetzt noch ewig Gedananken drum machen könnte. Auch die Umsetzung finde ich nicht 100%ig gelungen. Vor allem diese hysterische Freundin erscheint mir arg überzeichnet. Die ist von allen Figuren im Text die schwächste. Da würde ich mir tatsächlich was Subtileres wünschen. Und auch dieser Ausbruch mit Wohnungszerstörung ist nicht so meins. Ich fände es leise echt besser und das sage ich nicht nur, weil ich ich bin, sondern weil ich es für objektiv richtig halte Also wenn das Ende jetzt so wäre, dass er sich gegen seine Sehnsucht nach dem 100%igen mit dem Netten arrangiert, und sie bei ihm bleibt, obwohl sie weiss, dass es so ist, weil sie bestimmte, noch darzustellende Gründe und Verworfenheiten in sich trägt, dass fände ich echt bedrückend und viel stärker. Im Moment dringen die Gefühle aus dem Präsens-Teil nicht so richtig zu mir durch. Deshalb kann er mir auch nicht mein wohlig fluffiges Gefühl zum Präteritums-Teil verderben, was er aber sollte.

Eine andere Sache, die mir nicht gefallen hat, waren diese wechselnden Gerüche von Anna: Jasmin, Vanille und nochwas. Der Text schafft es total gut, Romantik nicht kitschig werden zu lassen, außer eben an diesen Stellen.

sie steht da wie auf einer Insel. Sie kann sich nicht bewegen. Sie hat Angst, dass man sie auf der Insel sitzen lässt. Die Männer gehen vorbei und fragen sich, wer der Glückliche ist, der sie da runterholen darf.
Ich liebe dieses Bild. Noch heute, wenn immer ich Frauen sehe, die auf Inseln sitzen, vor Cafés, an der Bar, unter Straßenlaternen, muss ich an Anna denken.
Das ist eine meiner Lieblingsstellen. Der Vergleich funktioniert richtig gut, auch dass jeder weiss, dass die Frau da auf einer Insel sitzt. Ich bin mir nur nicht sicher, dass ein Mädchen wie Anna, oder auch Frauen auf Inseln grundsätzlich immer Angst haben, da sitzengelassen zu werden.

“Ok … ich will dich nicht unter Druck setzten.”
:D Da hat sich aber jemand seine Bravo Liebe Sex und Zärtlichkeiten-Seite zu Herzen genommen.

Ich hab noch ein paar Sätze gefunden, in denen die Wörter verdreht waren, aber wenn man so lange Texte schreibt, darf man sich nicht beschweren,. wenn der Leser zu faul ist, die rauszuschreiben. Du bist ja auch selber schuld, wenn Du so packend erzählst, dass man den Bleistift aus der Hand legen muss!

lg,
fiz


Friedrichard schrieb am 26.04.2012, 15:22:
Friedrichard schrieb:
*“Hast du noch nie Dirty Dancing gesehen, oder was?” Dirty Dancing, dass sei den jüngeren Lesern erläutert, war (ist?) der Film, in den vor Jahr und Tag eine ganze Generation junger Frauen pilgerte und dann immer öfter…
immer noch als Mädchen sich ein fünftes und sechstes Mal den Film anschauten.
(...)

lieber JuJu,

(...), es ist – wenn man so will – eine kleine Studie über eine begrenzten Zeitraum der Jugendkultur und damit muss man aufpassen, wenn junge Leute autobiografische und / oder ethnologische Studien ihrer Stammeskultur abliefern.

Aber hätt' ich's gelesen (ich hab mir selbst ein "erlitten" untersagt!), wenn's mir missfallen hätte?, zumal das Internetcafé der Söhne Osmans derzeit viel mehr Ablenkung bietet, dass es selbst einem sturen Bock wie mir nicht spurlos vorbeigehn kann. Eines weiß ich aber Gewiss: Mark Twain hätte an diesem Deutsch sicherlich mehr Freude gehabt als z. B. am Kleist'schen (um dem Südpol seinen Antipoden gegenüberzustellen). Was aber eine vielleicht ungehörige Abschweifung ist. Was ich aber beteuern muss, dass ich nicht infiziert bin.

Bissken Kleinkram:

…, dann fing sie an[,] mit Max zu reden.
Die Infinitivgruppe ist vom Substantiv abhängig, darum ist ein Komma zu setzen (K 117 (2) Duden Bd. 1)

Wie sah sie eigentlich nochmal aus?
Noch (ein)mal immer getrennt.

Waldorfschule, immer nur mit einem d, war zunächst eine Art Werkschule (also der Kinder der Beschäftigten) der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik, daher rührt der Name, weniger von Wald und Dorf.

Die Fünf-Minuten-Penalty …
Heißt's nicht "Der … Penalty …"?

Leistungsstaf[f]el 2

Batz! Schwabbel, schwabel, schwabel … Batz! Schwabbel, schwabbel, schwabbel …”
Sprachvariationen über ein Thema … aber tatsächlich mal schwäbelnd? & wabbelnd?

Und zwo abschließende Anmerkungen -

Wer zum Teufel ist – alle Welt hält den Atem an, als kennte ich nicht die Doors oder deren Konkurrenzunternehmen The Who -
Matteo Capreoli,
kenn ich armer Wicht doch nur eine lateinische Vatiante des Namens im Fürsten der Thomisten, Capreolus im Zeitenwechsel vom 14. ins 15. Jh.

Anna war Anna.
Kennstu Schwitters An Anna Blume, wo’s zum Schluss heißt:„(…), Anna, A----N----N----A!/Ich träufle Deinen Namen./Dein Name tropft wie weiches Rindertalg./Weißt Du es Anna, weißt Du es schon,/Man kann Dich auch von hinten lesen./Und Du, Du Herrlichste von allen,/Du bist von hinten, wie von vorne:/A------N------N------A./Rindertalg träufelt STREICHELN über meinen Rücken./Anna Blume,/Du tropfes Tier,/Ich-------liebe-------Dir!“

So wenig für heute.

Gruß

Friedel


JuJu schrieb am 26.04.2012, 15:26:
JuJu schrieb:
Hallo Meridian,


Eigentlich wollte ich mir die Geschichte nur eben ausdrucken, um sie später zu lesen, hab dabei noch gesehen, oh, das sind ja dreißig Seiten, na ja - hab dann die ersten Absätze gelesen und dann das ganze Teil in einem Rutsch durch.

Das freut mich immer, wenn ich das höre.

Auch interessant - Quinn hat das schon gesagt - wie sich da in deren Gespräche immer so fremde Konzepte reinschieben, aus Fernsehen oder Kino oder irgendwelchen dämlichen Mädchen-Magazinen. Zum Beispiel als darüber debattiert wird, wie der erste Kuss jetzt ablaufen soll, wie der ablaufen muss und so ... Das hat auch was ganz leicht Beunruhigendes.

Ja, das ist schon interessant. Beunruhigend vielleicht deshalb, weil die Kids halt leicht beeinflussbar sind ... aber das ist halt so, denke ich. In jeder Kultur, wenn man da mal guckt, da gibt es gerade in der Pubertät extrem viele Verhaltensregeln und Riten und so. In Deutschland vielleicht noch vergleichsweise wenig. Also ich vergleich ja alles immer mit den USA, und wenn ich da mal guck, mit dem Sport an der Schule und dem Prom und dieser Datekultur und the Bro Code und How I met your mother und so. Also das kann man schon auch alles scheiße finden (außer How I Met Your Mother natürlich), aber viele lieben die Sachen halt auch, weil die Struktur verleihen. Und so richtig „einfach“ sind Dates und Liebe jetzt auch nicht wirklich. Ich glaube da ist es eigentlich egal, wie alt man ist. In Deutschland ist das schon sehr locker und cool, es gibt wenig Regeln und Struktur, hier findet man das alles albern, habe ich das Gefühl. Aber hier gibt es auch sehr viele Leute (Frauen wie Männer), die haben halt auch gar keinen Plan, was sie wie machen sollen, glaube ich. In den USA, da gibt es mehr diese Date-Kultur, Leute kennenlernen, Ansprechen, das hat mehr Spielcharakter irgendwie, man muss einem Mädchen fragen, ob sie mit zum Junior High Prom geht, und ihr dann Blumen kaufen und daheim abholen und ihr erzählen, das sie gut aussieht. Das ist einfach so. Und dann im Highschool und an der Uni und und und … und wenn man dann guckt, die Südländer sind eh anders drauf, und von den Franzosen vermutet man zumindest, dass die bisschen anders drauf sind, und auch die Engländer, das ist bisschen wie in den USA denke ich immer, nur zügelloser (Engländer sind schlimm) – Und wie genau ist das bei uns jetzt eigentlich? Keine Ahnung. Man schaut sich halt How I Met Your Mother an. Bin grad in Berlin, Welthauptstadt des Minimal-Elektros, die seelenloseste Musik ever. Da kann man stundenlang wie ein steifer Roboter tanzen und sich mit niemandem unterhalten. Voll geil. Und dann klar, wenn man 15 ist und das alles zum ersten Mal macht, na wie verhält man sich da? Man liest Bravo (früher) oder man schaut sich Filme an (aus den USA) oder man guckt sich Pornos an (heute). Man braucht schon irgendwie Gedanken und Ideen und Konzepte, damit das alles funktioniert, irgendwie. Das ist halt Kultur. Sonst wären wir Tiere und würden das einfach überspringen.

Ist das eigentlich eine Murakami-Anspielung? Oder daher inspiriert? Oder ist das der reine Zufall?

Ja, die "100%ige", da hab ich in einer Kurzgeschichte von Murakami gelesen, und ich fand das irgendwie cool: das 100%ige Mädchen. Hab ich geklaut. Die Kurzgeschichte von dazu ist an sich ganz okay, gibt’s hier im Netz auch irgendwo, ist aber nichts besonderes, finde ich. So inspiriert haben mich andere Dinge. Also eher Lollek als Murakami.


Ein kleines Problem waren für mich die wenigen breiteren, erzählerischen Blöcke. So was:
Zitat:
Max spielt Ironic von Alanis Morisette. Gar nicht schlecht. Zidane singt dazu. Das ist schon fragwürdiger. Jorgo ist an einer unbekannten Blondine dran. Matilda sitzt allein, schaut Zidane beim Singen zu und schmollt. Das ging nicht lange gut mit ihnen. Bei Max läuft es auch nicht so. Deswegen die Gitarrennummer und die langen Haare, glaube ich. Der verwegene Blick. Steht ihm gut eigentlich. Ira sitzt im Kreis mit drei unbekannten Typen. Lena und Claudi sind auch irgendwo. Jorgo lässt die Rakiflasche kreisen, ich nehme einen Schluck, verziehe das Gesicht, Anna nimmt einen Schluck, verzieht das Gesicht, und es geht weiter.

Ja, das finde ich so krass, welche Stellen ihr dann kritisiert, ich sag dann noch was dazu in Feirefiz Kommentar. Also es ist halt schon ein längerer Text, der wird ja nicht in einem Zug geschrieben. Ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber ich finde als Autor spürt man schon irgendwie, jetzt hat man voll den Drive, das sind die Stellen, deswegen wird die Geschichte überhaupt geschrieben, und bei anderen, ja … die schreibt man halt mit etwas weniger Drive. Und dass die Leser das merken auch, dass man da auch mit dem Finger drauf zeigen kann … krass. Wobei ihr schon auch ziemlich aufmerksame Leser seid, glaube ich.

Also, sehr authentische Geschichte mit wunderbar lebendigen Figuren!

Das freut mich! Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Hallo Fliege!

damit hast Du echt den Sprung gemacht in die Liste, KG-Autoren die ich gerne lese.

ich bin geehrt


Und im weiteren, wenn Du da mit dem Termin kommst, ich fand das großartig.

Ja, das fand ich auch echt gut

Ich liebe es! Das hat seine ganz eigenen Charme, wenn man jetzt nicht so auf Tränendrüse drückt und es doch tut. Und es so viel wirkungsvoller tut, weil sie eben im Alltag fehlt und immer und nicht nur in diesem Moment. Und wohin einem das Fehlen so verfolgt. Wieviel es gibt, was einen immer an sie erinnern wird. Wo überall ein Anna-Schild draufklebt. Das finde ich schon stark umgesetzt.

Und es gibt Tränen.
Und Aquarien aller Art.
Und Gerüche aller Art.
Und Ökobräute aller Art.
Und rote Karten, ganz viele rote Karten.
Und Baggerseen.
Und Raki.
Und Jamaika-Flaggen.
Und Luftballons.
Und Frauen, die auf Inseln sitzen.
Und Beach Parties.
Und McDonald's.…

Ja, das freut mich jetzt besonders, dass das so gut bei dir ankam. Hat sonst niemand bisher wirklich was dazu gesagt. Also im Nachhinein fand ich das selbst kitschig, aber als ich das geschrieben hab und mir die Idee kam, da fühlte es total sich richtig an … und jetzt ist es mir egal, was noch kommt, wenn du die Stelle liebst, dann ist sie auch toll.


Das mit der Wohnung zertrümmern hat mir auch nicht so zugesagt, ich hätte es nicht gebraucht

Also ich glaube der Text wirkt, weil man die Figuren gern hat. Also ich hatte Anna und Tom auch total gern, und das spürt man glaub auch – und dann zum Schluss, wie er das Zimmer verwüstet … da ist er auch nicht mehr so sympathisch irgendwie, das ist nicht mehr süß, das ist überdramatisch und Max versteht ihn auch nicht … und hmm … Das wollte ich schon so haben, dass man irgendwie spürt, der Ich-Erzähler ist nicht mehr der Tom von damals. Und vielleicht ist man da auch plötzlich "irritiert", wie du sagst, weil man das auch so nicht haben will, es war doch eigentlich alles fluffig und schön, und jetzt musst du damit kommen, echt JuJu, muss das jetzt sein? Also für mein Empfinden hat es gepasst. Aber ich find das immer so schwer, wenn der Text so frisch ist, ich seh die Sachen noch nicht so.
Vielen, vielen Dank für den Kommentar und das viele Lob, hat mich echt sehr gefreut.


Hallo Maria,


und ich bin auch froh, dass es keine Szene gibt, in dem der Prot Anna das Gehirn rausfickt. Sex hätte die Geschichte irgendwie ruiniert, weil der Vergangenheit-Prot irgendwie unschuldig ist, während der Gegenwart-Prot von seinem Schwanz spricht, der steinhart werden kann. Dieser Kontrast ist dir wirklich gut gelungen

Ja, du bist jetzt auch die einzige, die auf diesen Kontrast eingeht. Wie gesagt … das wollte ich schon auch, dass man merkt, er hat sich geändert in den Jahren seitdem. Sei es die „Unschuld“ oder was auch immer. Und dass er das vielleicht selbst weiß, und sich selbst und das Zimmer deswegen kaputtmachen machen möchte.
Und klar, Anna ficken, das geht gar nicht. Das kann er so nicht sagen oder schildern.

Das einzige Kontra ist halt die Schlussszene. Ich wurde echt traurig als die 100&ige starb. Was widerum eine großartige Leistung deinerseits ist.

Toll.

Ich hasse dich! Das ist verdammt gut geworden. Das gefällt mir. Hochachtung!


Vielen Dank, maria!


Hallo feirefiz,

die ganze Zeit dachte ich nur "wie niedlich", im besten Sinne herzerwärmend. Und lustig, sehr lustig. Die lollek Assoziatzion kam mir da auch.

Die Lollek Assoziation kommt mir jetzt wieder. Ich glaub ich sagte dem mal was Ähnliches nach der Unigeschichte, also dass ich das Ende irgendwie niedlich oder kitschig oder unnötig fand. Und so wie er dann geantwortet hat, hat man dann gemerkt (war jedenfalls mein Eindruck), dass er das nicht wirklich niedlich fand, sondern das waren schon auch schmerzhafte Stellen für ihn. Und so gehts mir auch so ein bisschen, wenn alle niedlich und süß schreiben. JuJu schreibt nicht niedlich und süß, kapische? Also ich finds schon auch niedlich, lache auch selbst drüber, und so soll es auch sein – aber es ist halt auch mein Ernst. Macht das Sinn? Also mir tuen diese Dialoge schon auch ein bisschen weh. Ich schreibe nicht asbsichtlich niedlich, ich schreib halt über Tom und Anna.

Du legst da natürlich ne falsche Fährte. Ich dachte, ach so, jetzt muss er sie um der coolness-Willen tatsächlich mit Ira betrügen und es ein Leben lang bereuen. Aber vielleicht bedeutet diese Erwartungshaltung schon, dass es eigentlich doof gewesen wäre, die zu bedienen.


Klar, so kann man nur ne tote Exfreundin glorifizieren und das ist als Thema schon auch interessant, wenn auch nicht so richtig kontrovers. Das ist so ne Erkenntnis, die sicherlich jeder abnicken kann. Es ist logisch und folgerichtig, ebenso wie das angedeutete Alternativende glatt, logisch und psychologisch folgerichtig gewesen wäre. Aber nichts, wo ich mir jetzt noch ewig Gedanken drum machen könnte

Also ich glaube sie muss schon sterben zum Schluß. Das sind so Probleme, die Romantic Comedies auch haben so. Da haben die Scriptwriter echt Spaß gehabt und zum Schluß wird das "folgerichtige" oder das alternative Ende oder was auch immer gewählt, weil die Geschichte einfach ein Ende finden muss. Und der Anfang oder Mittelteil einer Liebe ist ja in 99 von 100 Fällen auch spannender als das Ende, im realen Leben doch auch. Da kann man Romeo und Julia machen mit Drama und so, oder Fremdgehen … aber wenn es wirklich enden soll, dann hat man immer ein kleines Problem, weil die Liebe per definition was Absolutes ist, und da möchte man schon auch glauben dran, also das möchte mein Erzähler auf jeden Fall.
Also konkret: Wenn Tom jetzt fremd geht, und Anna findet das raus. Verlässt sie ihn dann sofort? Kann schon sein, aber wenn er sie wirklich liebt, dann bleibt der ewig dran und entschuldigt sich tausend Mal und lässt sich was einfallen (ich war dicht, es war dunkel, it wasn't me), bis die irgendwann nachgibt. Und wenn sie ihn wirklich liebt, gibt sie schon auch nach irgendwann, behaupte ich jetzt einfach mal. War aber die große Liebe doch nur ein Teeneiekribbeln, und der Typ aus dem Elften ist ja eigentlich auch total süß, dann … ja. Dann packt das Tom nicht, so zu erzählen, wie er die Geschichte erzählt.


Vor allem diese hysterische Freundin erscheint mir arg überzeichnet.

Die bräuchte mehr Zeit, um Konturen zu bekommen, aber es geht halt nicht um die, es geht um Anna, und ja … es sollte kein Roman werden halt. Ist halt die Freundin, die ihn nicht so juckt, so viel kann man auch nicht über die schreiben. Aber da hast du sicherlich Recht.

Also wenn das Ende jetzt so wäre, dass er sich gegen seine Sehnsucht nach dem 100%igen mit dem Netten arrangiert, und sie bei ihm bleibt, obwohl sie weiss, dass es so ist, weil sie bestimmte, noch darzustellende Gründe und Verworfenheiten in sich trägt, dass fände ich echt bedrückend und viel stärker

Das ist eine ziemlich interessante Idee, bräuchte wahrsch. wieder mehr Raum und Platz. Aber ja.


Im Moment dringen die Gefühle aus dem Präsens-Teil nicht so richtig zu mir durch.

Die sind zum Glück auch viel kürzer als der Rest. Aber ja, das Zimmer ist verwüstet, und auch wie er da zwischendrin über Ira und seinen Schwanz redet und so. Das ist nicht mehr so flüffig, das spürte ich schon auch. Vielleicht ist das sogar extra etwas unsympathisch. Eben für den Kontrast. Ich glaub ich mach das machmal, wenn ein Prot uncool sein soll. Finde ich manchmal interessanter als sympathisch sein. Sympathisch sein muss man vielleicht "können", aber unsympathisch sein, und ich meine jetzt nicht im Sinne von cool oder arrogant oder albern, sondern wirklich ein wenig „schlecht“ – das erfordert mehr Mut. Und natürlich kommt das nicht an, dann bin ich echt blöd, wenn ich mich frage, warum das nicht ankommt. Aber jetzt schweife ich echt ab. Also die Idee, er bliebt bei der neuen, die finde ich gut, und vielen Dank auch für das Lob, das freut mich ungemein, und ach … das hätte ich fast vergessen, dein Beitrag 666 macht mich hier schon ein bisschen fertig.

Das mit den Blumen!

Eine andere Sache, die mir nicht gefallen hat, waren diese wechselnden Gerüche von Anna: Jasmin, Vanille und nochwas. Der Text schafft es total gut, Romantik nicht kitschig werden zu lassen, außer eben an diesen Stellen.


Jetzt echt? Kitschiger als das hier?

Und es gibt Tränen.
Und Aquarien aller Art.
Und Gerüche aller Art.
Und Ökobräute aller Art.
Und rote Karten, ganz viele rote Karten.
Und Baggerseen.
Und Raki.
Und Jamaika-Flaggen.
Und Luftballons.
Und Frauen, die auf Inseln sitzen.
Und Beach Parties.
Und McDonald's.…

Das macht mich halt fertig, weil die Blumen wirklich zum Schluss kamen. Der Text war eigentlich fertig, Anna längst tot, und dann kamen die Blumen dazu, weil ich gemerkt hab, dass ich zum Schluss was über Blumenduft sage, aber nie beschreibe, wie Anna riecht, und dann hatte ich diese Idee mit den verschiednen Gerüchen und hab dann zum Schluß geguckt, wie ich die einbauen kann. Ich fand die Idee schon gut irgendwie, sonst hätte ich es ja nicht gemacht, aber wenn es etwas in diesem Text gibt, das ein Anhängsel ist, das auf jeden Fall aus einer anderen Stimmung heraus stand, dann sind es wirklich diese Scheißblumen. Und du kommst jetzt daher, und zeigst mit dem Finger drauf, und sagst: hier: kitschig! Vielleicht ist das jetzt auch Zufall, aber ich find das schon brutal. Das ist Bob Marley, wenn er sagt: Who feels knows it. Oder Bukowski: Don't try. Dann sind die ganzen literarischen Texte und Filme, die total durchdacht und super toll sind und mich kalt lassen. Das ist sogar beim Basketball: Ich bin der Beste, mich kann keiner stoppen, und deswegen geht jetzt jeder ball rein, das weiß ich einfach. Und dann ist das auch so. Hmm … gibt mir zu denken, wie man am besten schreibt und so. Das ist auch so der Grund, warum ich nicht immer Lust habe, Vorschläge umzusetzen, die ans das Wesen der Geschichte rütteln. (Die Blumen könnte man jetzt schon wieder weg machen) Also wenn Quinn, feirefiz und Fliege meinen, das mit Zimmer verwüsten kommt nicht so gut, dann ist das ist schon ein guter Grund, die Szene wegzumachen. Aber wenn man das nur tut, weil Quinn und Fliege und Feirefiz das meinen, man selbst aber nicht so spüren kann, warum das jezt sein muss, bzw. wenn das nur ein rationaler Gedanke ist, weil man nicht mehr drin im Text ist, weil man sich vielleicht innerlich schon von Anna verabschiedet hat – dann geht es, das ist meine Erfahrung, schief. Siehe Blumen. Und dann merkt man das irgendwann, und die innere Sicherheit, die den Text am Anfang vorangetrieben hat, ist nicht mehr da, und man springt hin und her – vielleicht war's ja vorhin doch besser? Siehe Lollek wieder. Und alles, was man dann noch weiß, ist das man es irgendwann, damals, als richtig empfunden hat.
Naja … ist kompliziert alles, ich brauch mehr Distanz zu dem Text. Aber ich mach mir da auf jeden Fall meine Gedanken, wie du siehst.

So, nochmal vielen Dank an alle. Das freut mich alles wirklich sehr, Leute.


MfG,

JuJu


herrlollek schrieb am 26.04.2012, 19:23:
herrlollek schrieb:
Hallo JuJu!

Wahrscheinlich wirst du jetzt nicht sonderlich überrascht sein, wenn ich dir sage, dass ich die Geschichte sehr gerne gelesen hab. Natürlich hab ich jetzt auch aus den Kommentaren mitbekommen, dass meine Texte dich ein bisschen inspiriert haben. Was sagt man dazu? Ich fühle mich geehrt, wirklich wahr.

Die Stelle, die Fliege toll fand, die Stelle, wo du dir nicht sicher bist, ob sie kitschig ist, die find ich auch gut. Überhaupt gefällt mir der Ton und die Sicherheit, mit der du dich über manches hinwegsetzt, was man so sagt, wie man am besten schreiben soll. Es passt für mich einfach zusammen.

Ich hab wirklich lachen müssen manchmal. Ich hab richtig gelacht. Das passiert mir nicht oft. Also schon, aber nicht, wenn ich Kurzgeschichten lese.

Die Dialoge waren spitze. Ein Beispiel:

“Tom, es werden doch so viele Mädels im Bikini da sein …”
“Wer denn?”
“Meine Freundinnen zum Beispiel.”
“Wer denn?”
“Claudi, Lena, Matilda …”
“Matilda kommt im Bikini?”
“Ja.”
“Großer Gott!”
“Tom, das finde ich jetzt nicht okay. Matilda hat vielleicht ein paar Kilo extra, aber sie ist trotzdem eine sehr attraktive Frau.”
“Anna, halt sie auf! Ohne Scheiß, das ist jetzt mein Ernst, das kannst du nicht zulassen.”
“Tom, ich leg jetzt auf.”

Das find ich gut. (halt sie auf :lol: )

Auch die Dialoge in der Kabine. Es ist doch so, denke ich immer, wenn ich schreibe und ich glaube, man muss rausfinden, was wirklich realistisch sein könnte und trotzdem rockt in einem Text. Du hast ja eigentlich nur so geschrieben, wie man sich eben unterhält. Gerade bei Dialogen ist es doch Blödsinn, auf Wortwiederholungen zu achten. Ich meine, wer achtet denn bitte in einer Umkleidekabine darauf, dass es keine Wortwiederholungen gibt. Da kann man wirklich unterscheiden zwischen dem, was der Erzähler sagt und dem, was die Figuren sagen. Aber auch beim Erzähler kommts drauf an, finde ich. Manche Erzähler sind eben so, dass sie gerne mal die gleichen Wörter benutzen und das finde ich dann auch wieder authentisch. Also, mir war es eine Freude, das zu lesen. Es kam irgendwie sehr echt rüber.

Das Ende: Für mich kams sehr überraschend. Zu überraschend irgendwie. Ich hätte gedacht, dass Anna nicht mit zurückkommt, weil sie mit jemandem rumgemacht hat auf der Kanufahrt. Das sie sich schämt, dass er ihr nicht verzeihen kann, obwohl er sie liebt und dass das der Knackpunkt ist. Er entscheidet sich dagegen mitzufahren und sie lässt sich gehen, macht einen Fehler und knutscht mit irgendwem rum. Und das wars, das zerstört die große Liebe und das hätte für mich dann wieder andere Fragen aufgeworfen: Was ist den dann Liebe, wenn man nicht darüber hinwegsehen kann, dass jemand einmal, besoffen, einen Fehler gemacht hat. Was ist da wichtig? Das eigene Ego, der Druck der anderen? Dass man trotzdem man jemanden liebt, nicht mit ihm tzusammen ist, weil derjenige einen Fehler gemacht hat, das gibts ja häufig. So hab ich mirs gedacht. Ist aber dein Ende, juju. Überrascht hat michs auf jeden Fall. Naja; eigentlich ist es ja nicht das Ende. Aber für mich war es das Ende. Das, was danach kommt, will ich nicht haben. Für mich endet die Geschichte an dem Abend, wo er sich entscheidet, nicht mit Kanu zu fahren. Sorry, aber der Rest gefällt mir einfach nicht. Ich verstehe die Idee dahinter, aber das macht die Geschichte für mich etwas schwächer. Trotzdem: Es ist eine sehr gute Geschichte, finde ich.

Lollek


JuJu schrieb am 28.04.2012, 16:39:
JuJu schrieb:
Hallo Friedel,

es ist – wenn man so will – eine kleine Studie über eine begrenzten Zeitraum der Jugendkultur und damit muss man aufpassen, wenn junge Leute autobiografische und / oder ethnologische Studien ihrer Stammeskultur abliefern.

Warum muss man da aufpassen? Und worauf?


Wer zum Teufel ist – alle Welt hält den Atem an, als kennte ich nicht die Doors oder deren Konkurrenzunternehmen The Who -
Zitat:
Matteo Capreoli,

Ein Musiker aus Stuttgart.


Kennstu Schwitters An Anna Blume,

Ich kenn nur A.N.N.A von Freundeskreis.

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren und fürs Kleinkram.

MfG,

JuJu


Hallo Lollek,

Die Dialoge waren spitze.

Danke.

Es ist doch so, denke ich immer, wenn ich schreibe und ich glaube, man muss rausfinden, was wirklich realistisch sein könnte und trotzdem rockt in einem Text. Du hast ja eigentlich nur so geschrieben, wie man sich eben unterhält.

Ja ... also Meridian meint sie sind unliterarisch und fiz meint literarisch …
Also ich achte schon genau drauf, was ich da mach, aber wo literarisch anfängt und alles andere aufhört, weiß ich nicht. Timing ist mir schon wichtig, und dass es zu den Charaketeren und der Handlung passt, und dass es mir Spaß macht. Bisschen Konflikt hilft auch immer.
Freut mich sehr, wenn's funktioniert. Und klar .. authentisch.. so wie man sich unterhält, dass man es glaubt. Finde ich auch bei deinen Dialogen gut. Wie auch sonst? So, dass es künstlich klingt? Als würden sich zwei nicht unterhalten?

Vielen Dank fürs Lesen und Kommetieren!

MfG,

JuJu


Anakreon schrieb am 30.04.2012, 16:03:
Anakreon schrieb:
Hallo JuJu

Jetzt habe ich mich in deine Jugendromanze gewagt. Vor Tagen zögerte ich noch, da mir dieser Lebensstil in meinen gesetzteren Jahren etwas ferner ist, doch die Neugierde war stärker.

Anna war anders. Das möchte ich hiermit festhalten. Das muss gesagt sein. Anna war der Wahnsinn. Anna war Anna.

Das muss gesagt sein, ist an sich überflüssig als Stilkriterium einer Kurzgeschichte. Doch dir geht es hier um eine extreme Verstärkung, einer Explikation von Jugendsprache, als solches erzielt es seine Wirkung.

Als ich sie kennenlernte, befand ich mich in einer schwierigen Phase. ... Das haben alle Zeiten, in denen es keine Anna gibt, irgendwie an sich. Sie sind ein bisschen schwierig.

Pubertät und Adoleszenz, auch die Spätadoleszenz, sind vom Entwicklungsgeschehen her immer Zeiten von Instabilität. Was ich mich da aber fragte, wie sich die Schwierigkeiten des Ich-Erzählers äusserten?

Ich hatte Anna überhaupt noch nie gesehen.

Ohne das überhaupt würde der Satz nichts an seiner Bedeutung verlieren.

Anna lachte dann, wahrscheinlich weil das so plötzlich kam. Und der Max, der hat vielleicht geguckt.

Das dann bei Anna und das der vor Max liessen mich im Lesefluss zögern. Es ginge auch ohne, oder sind diese eben ein Merkmal der gegenwärtigen Sprache Jugendlicher? Doch ja wahrscheinlich, ich sah es zieht sich auch weiter so fort.

Und das war einfach die 100% richtige Antwort.

Hier, wie bereits im Titel, wären mir Zahlen und Zeichen in Buchstaben ausgeschrieben harmonischer.

“Das ist die eine von der Walddorfschule, oder?”

Ist der Name der Schule nun Walddorf oder meinst du die Waldorfschule? Etwas eigen, wenn ein etablierter Name so anders aufscheint.

Bis dahin fand ich es ganz griffig, inhaltlich zwar eine Jugendgeschichte, wie sie sich vor Jahrzehnten schon ganz ähnlich ereigneten, aber doch flüssig lesbar. Ab dem Fussballspiel wurden die Längen dann aber echt zäh, die Dialoge verloren an Gehalt, blätterten Zeile um Zeile nichtssagend dahin. Das ist das Problem bei Dialoggeschichten, die Spannung aufrechtzuerhalten, um dem Leser das Überspringen von Zeilen zu ersparen. Doch auch die Handlung hatte ab dann keinen Auftrieb mehr. Ich hatte das Gefühl gelangweilt an einer Beach Party zu weilen, an der Small Talk gehalten wurde, was mich leider veranlasste quer zu lesen, bis mir wieder ansprechendere Sätze auffielen.

Ich stehe auf und schubse sie von mir weg. Sie fliegt mit Wucht nach hinten, kracht auf den Boden und schlägt dabei den Hinterkopf auf.

Schubsen und mit Wucht fliegen klingt mir widersprüchlich. Es muss schon ein heftiger Stoss sein, dass jemand so fällt.

Der Einschub, als Tom die Geschichte über Anna schrieb, wäre an sich ein schöner Abschluss gewesen, doch dann geht es nochmals im gewohnten Stil weiter. Ich fand dies schade.

Also insgesamt hat die Geschichte Teile, die mir sehr sympathisch zu lesen waren. Inhaltlich fand ich sie aber zu ausschweifend, vom konzentrierten Gehalt einer Kurzgeschichte völlig abdriftend. Der wesentliche Kern würde sich auf knappen ein, zwei Seiten konzentrieren lassen. In gewisser Weise liesse sich jedoch entfernt eine Hommage an Bukowski darin sehen. Er hatte seinerzeit die Gesellschaft provoziert, indem er in Ausdrucksformen und Handlungen kein Blatt vor den Mund nahm. Überzeugt hast du mich mit andern Geschichten jedoch schon mehr.

Ich habe nun noch kurz die andern Kommentare überflogen. Wie ich sehe, spricht der Text andere Leser mehr an als mich, doch will ich dir meinen Eindruck deshalb nicht vorenthalten. Es ist ja auch nie möglich, mit einer Geschichte alle Leser zu erreichen. Dies verringert meine Neugierde auf deine „Nächste“ irgendwann aber in keiner Form.

Schöne Grüsse

Anakreon


Berg schrieb am 01.05.2012, 10:53:
Berg schrieb:
Hallo JuJu,

schöne Geschichte! Ich habe zwei Anläufe gebraucht, um sie zuende zu lesen. Bei Dialogen nervt mich normalerweise, wenn sie zu lang sind. Hier sind sie viel zu lang und gerade das macht den Charme der Geschichte aus, dieser Bruch mit Konventionen.

Manche Beschreibungen sind auch exzellent und sehr kompakt. Es gelingt dir, in wenigen Zeilen Menschen zu skizzieren, sodass man sie sich gut bildlich vorstellen kann:

Ich drehte eine Runde durchs Jugendhaus, unterhielt mich hier und da, spielte eine Runde Tischkicker und ging zurück zur Couch, wo Jorgo und Zidane noch saßen.
Sie waren schon ein lustiges Paar. Zidane war klein und dunkel und flink. Er hatte Augen wie ein Wolf und eine Stimme wie ein Frettchen und einen makellos runden Schädel, der wirkte wie etwas, das man mit Ton geformt hatte. In seinem 8mm-Schnitt war auf der Seite ein Stern drin, und an der linken Augenbraue imponierte eine tiefe Narbe, wo kein Haar wuchs.
Jorgo war einfach nur ein schöner Grieche.

Manche Stellen haben etwas Frisches an sich und bieten einen neuen Blickwinkel. Etwa hier:
Anna hatte ganz viele schlechte Seiten an sich. Ganz ganz viele. Sie war nicht unbedingt pflegeleicht, nicht gerade einfach. Eigentlich voll die Zicke. Und Linkshänderin war sie auch. Das ist schon komisch, wenn die Freundin Linkshänderin ist: Sie macht die Tür mit links auf, zupft dir eine Wimper von der Nase mit links, greift nach deinem Schwanz mit links, und immer wieder muss man denken: Okay, das hab ich jetzt nicht kommen sehen.

Wie Anna plötzlich gestorben ist, hast du sehr schön beschrieben:
Der Rettungswagen kam gerade rechtzeitig, um mich zu reanimieren, nachdem Max mich ans Land gezogen hatte. Anna wurde am nächsten Morgen von Tauchern rausgeholt. Sie flog mit acht Leuten ins Wasser und ertrank, und keiner hat ein Auge auf sie gehabt.
So war das.

Was danach kommt, die Szene mit der Weinflasche und das Fußball-Schauen im Fernsehen, gehört für mein Gefühl nicht mehr wirklich zur Geschichte.

Am besten haben mir die Kuss-Szene und das mit den Sternen gefallen.

Freundliche Grüße,

Berg


Friedrichard schrieb am 01.05.2012, 14:11:
Friedrichard schrieb:
Nix zu danken,

lieber JuJu!

Du fragst nicht unberechtigt [w]arum muss man da aufpassen? Und worauf?,auf meine Bemerkunges ist – wenn man so will – eine kleine Studie über eine begrenzten Zeitraum der Jugendkultur und damit muss man aufpassen, wenn junge Leute autobiografische und / oder ethnologische Studien ihrer Stammeskultur abliefern,was –selbstverständlich – sowohl Ernst genommen werden will, wie ironisch genommen werden kann.

Ironisch, insofern die Jugendkultur trotz aller weltweiten Konformität (sprich: Globalisierung, oder auch der „außengeleitete“ Menschentyp i. S. eines David Riesman) eine sehr begrenzte Halbwertzeit hat (nichts wandelt sich gesellschaftlich so schnell wie eben die Jugend – und schon ist sie dahin, trotz Jugendkults. Der Jugend geht’s wie dem Alter: man bräuchte sich nur hinzusetzen und zu warten, das Alter nimmt von allein zu). Insofern können soziolinguistische Feldstudien nur Schlaglichter liefern.

Aber ernsthaft muss man sich um den sorgen, der sich selbst historisch wird, schreibt man doch gemeinhin seine eigene Biografie ziemlich am Ende des Lebens (sonst führt man „eigentlich“ eine Art Tagebuch).

Der von mir verehrte Gottfried Keller hat die erste Fassung seines Grünen Heinrich, ein autobiografischer Kunst – und Entwicklungsroman, mit nicht einmal Mitte 30 fertig gestellt. Darin kommt mehr als ein gutes halbes Dutzend Liebschaften vor und die erste große Jugendliebe gehört einer „Anna“, deren reale Vorlage wie im Roman mit 17 verstirbt.
Aber auch nicht verschwiegen werden darf, dass der Grüne Heinrich nach seiner Heimkehr wegen einer verschwiegenen Liebschaft in ein tiefes Loch stürzt, das ich nicht näher beschreiben will. Er geht nicht zum Probeliegen auf den Friedhof …

Natürlich hat Keller 30 Jahre später in der zweiten Fassung den Grünen Heinrich überleben lassen.

Gruß

Friedel


JuJu schrieb am 01.05.2012, 15:35:
JuJu schrieb:
Hallo Anakreon,

Das dann bei Anna und das der vor Max liessen mich im Lesefluss zögern. Es ginge auch ohne, oder sind diese eben ein Merkmal der gegenwärtigen Sprache Jugendlicher? Doch ja wahrscheinlich, ich sah es zieht sich auch weiter so fort.

Es wird schon weniger .. ich hab das nicht so durchgehalten. Ich weiß auch gar nicht, ob das immer Jugendsprache sein muss, für mich ist das irgendwo einfach umgangssprachlich.
Aber ja, wenn ich keinen Ich-Erzähler hier habe, der gerade seine erste Begegnung mit Anna schildert, dann fallen diese Wörter schon weg auch, da hast du recht. Ich hab mir da schon auch Gedanken drum gemacht, aber es meinten auch viele, dass sie wider Erwarten recht schnell in den Text fanden.


Bis dahin fand ich es ganz griffig, inhaltlich zwar eine Jugendgeschichte, wie sie sich vor Jahrzehnten schon ganz ähnlich ereigneten

Ja, bestimmt. Ich weiß nicht, ob man vor fünfzig Jahren Jugendgeschichten in dme Stil geschrieben hat (du darfst mich gern eines besseren belehren), aber dass sich junge Menschen treffen und durch die Stadt spazieren und sich auf Stadtmauern setzten und sich unterhalten und dann küssen … das ist ja die älteste Geschichte der Welt.

Ich hatte das Gefühl gelangweilt an einer Beach Party zu weilen, an der Small Talk gehalten wurde, was mich leider veranlasste quer zu lesen, bis mir wieder ansprechendere Sätze auffielen.

Schade. Also die Geschichte lebt ja von Tom und Anna und den anderen, und wenn man nicht irgendeinen Bezug zu den Charakteren findet ... wenn es keine Erinenrungen weckt, wenn man die nicht sehen kann ...
dann ist das small-talk dann, ja.

100%ig Hier, wie bereits im Titel, wären mir Zahlen und Zeichen in Buchstaben ausgeschrieben harmonischer.

Also im Deutschaufsatz hätte ich das auch nicht gemacht .. aber ich hab das von Haruki Murakami geklaut, der hat einen Kurzgeschichteband mit einem ähnlichen Titel, und ich fand das irgendwie cool, bzw. jugendlich, eben weil es nicht 100%ig korrekt ist.


Der wesentliche Kern würde sich auf knappen ein, zwei Seiten konzentrieren lassen.

Oh je.. nein. Dann wär's besser, sie gar nicht zu schreiben. Ich will nicht berichten, was passiert ist. Hier geht's darum, dass man die Charaktere kennenlernt.


In gewisser Weise liesse sich jedoch entfernt eine Hommage an Bukowski darin sehen. Er hatte seinerzeit die Gesellschaft provoziert, indem er in Ausdrucksformen und Handlungen kein Blatt vor den Mund nahm.

Ich find den schon cool, ich weiß er hat ein auch Roman über seine Jugend geschrieben (Ham on Rye), und den wollte ich schon immer mal lesen, weil er scheinbar sein bester sein soll, bin noch nicht dazu gekommen. Hab hier jetzt aber gar nicht an Bukowski gedacht. Ich versuche auch nicht so zu schreiben wie er, glaub, der wär auch voll der Fehler, wer Bukowski liest, liest Bukowski, und er war halt steinalt und hässlich und hart und hatte jeden Scheiß erlebt und hat getrunken und gefickt und wenn Bukowski sagt, dann war so, dann war dann auch so.
Ich bin ja noch relativ jung und unverbraucht, und hässlich bin ich auch nicht, also ich brauch nicht versuchen so zu schreiben wie er. Und wenn, will man das gar nicht hören von mir. Aber Bukowski hat nicht gerade ängstlich geschrieben, und bei ihm drehte sich schon auch viel um Frauen, viele Dialoge auch … also ich kann das schon annehmen.


Vielen Dank für deine Meinung, Anakreon!


Hallo Berg,


schöne Geschichte!

Freut mich, dass sie dir gefiel. Auch dass du das mit Sternen auch mochtest.

Bei Dialogen nervt mich normalerweise, wenn sie zu lang sind. Hier sind sie viel zu lang und gerade das macht den Charme der Geschichte aus, dieser Bruch mit Konventionen.

Es sind schon auch die lägsten Dialoge, die ich geschrieben hab, ich lehne mich da schon etwas aus dem Fenster, ich weiß, sehr cool, wenn es bei dir trotzdem irgendwie funktionie.

Vielen Dank fürs Lesen Und Kommentieren!


Hallo Friedel,


Ironisch, insofern die Jugendkultur trotz aller weltweiten Konformität (sprich: Globalisierung, oder auch der „außengeleitete“ Menschentyp i. S. eines David Riesman) eine sehr begrenzte Halbwertzeit hat (nichts wandelt sich gesellschaftlich so schnell wie eben die Jugend – und schon ist sie dahin, trotz Jugendkults. Der Jugend geht’s wie dem Alter: man bräuchte sich nur hinzusetzen und zu warten, das Alter nimmt von allein zu). Insofern können soziolinguistische Feldstudien nur Schlaglichter liefern.

Vielleicht täusche ich mich, aber ich finde nicht, dass die Geschichte so krass zu einer bestimmten Zeit angehört, ich gehe gar nicht viel auf eine bestimmte Jugendkultur hier ein. Da treffen sich zwei beim Mittagessen, verabreden sich, gehen zusammen spazieren, setzten sich auf die Stadtmauer, spielen Fußball, gehen auf Jugendparties, trinken Bier, telefonierien, machen ein Lagerfeuer am See, schauen sich die Sterne an, tanzen..
So hier und da, ja … da merkt man schon die Zeit. Aber ich finde die Geschichte hätte sich im Wesentlcihen vor fünfzig Jahren genauso ereignen können. Vor dreißig auf jeden Fall. Und heute auch. Mann trifft Frau ... das ist die älteste Geschichte der Welt, ist doch egal, welche Musik im Hintergrund läuft.


Aber ernsthaft muss man sich um den sorgen, der sich selbst historisch wird, schreibt man doch gemeinhin seine eigene Biografie ziemlich am Ende des Lebens (sonst führt man „eigentlich“ eine Art Tagebuch).

Der von mir verehrte Gottfried Keller hat die erste Fassung seines Grünen Heinrich, ein autobiografischer Kunst – und Entwicklungsroman, mit nicht einmal Mitte 30 fertig gestellt. Darin kommt mehr als ein gutes halbes Dutzend Liebschaften vor und die erste große Jugendliebe gehört einer „Anna“, deren reale Vorlage wie im Roman mit 17 verstirbt.

Das ist interesant, das mit dem Gottfried Keller.
Aber ich kann dir versichern, ich führe hier kein Tagebuch. Auch nicht eigentlich. Es gab nie eine Anna, und ich bin nicht Tom. Ich hab zu feirefiz gemeint, ich schreibe nicht absichtlich niedlich, ich schriebe über Tom und Anna, weil ich das im auch so empfinde, ich frage mich nicht, was jetzt niedlich klingen würde und gehe dann vor. Das sind irgendwann quasi echte Menschen bei mir im Kopf. Ich schlüpfe in Toms Rolle, Anna ist für mich eine Fantasiefrau … und dann schreibe ich. Woher die kommen ... keine Ahnung. Ich habe bestimmt Züge eines Toms, und ich kannte Frauen, die ähnelten Anna vielleicht ein bisschen, was weiß ich ... da soll ein Psychoanlytiker ran. Wer mich kennt, kann mich schon auch wiedererkennen in dem Text, so wie man mich in jedem Text von mir wiedererkennen kann, so wie man das bei allen Autoren machen kann. Aber die Geschichte ist erfunden.

Danke für die Rückmeldung.

MfG,

Juju


Friedrichard schrieb am 02.05.2012, 15:00:
Friedrichard schrieb:
Aber ich finde die Geschichte hätte sich im Wesentlcihen vor fünfzig Jahren genauso ereignen können.

Ist schon, wenn auch eingeschränkt richtig,

lieber JuJu,

dass es keine krasse Geschichte ist - es wird auch kein Kanakendeutsch gesprochen. Aber die Sprache gibt den Zeithorizont vor. Schau auf mein Alter, da passt vor fünfzig Jahren, das Jahr, da die Beatles mit ihrem blödesten Song den Durchbruch hatten und zwei Jahr später die Kinks mit Your Really Got Me, nicht minder intellektuell anspruchsvoll. Mit den Who (My Generation, vor wenigen Jahren noch mal von Altenheimbewohnern in London wieder aufgenommen und meinem Alter angemessen) und vor allem Dylan änderte sich auch unsere Sprache, ich kann zB heute noch wie Dutschke plaudern - sicherlich kein Genuss, schon gar nicht für Mädchen. So wandelte sich unsere Sprache binnen fünf bescheidener Jahre, Kanakdeutsch existierte zehn Jahre.

Die erste Änderung gegenüber der neuen Teenie-Generation für den Twen Friedel machte sich am Gebrauch des "wirklich" und "ehrlich" bemerkbar, Füllsel, die ich heute noch verdächtig finde ...

Das die Geschichte Männlein trifft Weibchen sich wiederholt, ist gar keine Frage und es wird wohl so bleiben. Hoff ich doch. Dass die Sprache sich ändert (vielleicht schreib ich mal wieder was in Mittelhochdeutsch oder Gotisch) ist ein natürlicher Vorgang.

Auf jeden Fall: würde ich an der Geschichte kleben, wenn ich sie mir nicht gefiele? Und - fällt mir gerade auf, dass ich noch gar nicht gratuliert hab zur Empfehlung, was somit nachgeholt sei: Geschichte & Autor haben's auf jeden Fall verdient!

Gruß

Freatle


M. Glass schrieb am 02.05.2012, 18:20:
M. Glass schrieb:
Juhu JuJu,

eine schöne Geschichte ist das. Es wurde ja schon wieder so viel gesagt, ich fasse mich kurz: Der erste Teil der Geschichte ist genial, da ist man so nah an den Figuren, alles wirkt so real. Im zweiten Teil hat mich das Gefühl nicht unbedingt verlassen, aber es ist auf jeden Fall schwächer geworden. Das liegt ein bisschen am schnellen Wechsel. Damit meine ich nicht den Ertrinkungstod. Das ist total gut gemacht. Völlig beiläufig ertrinkt die 100%ige, ja Scheiße! Wenn der Zufall wieder Schicksal spielt. Mich stört am meisten das Ende, das Austicken und der Zerstörungswahn, und dann das Fußballspiel, das sie sich ansehen wollen. Das will mir nicht so stimmig erscheinen, wie das Vorhergegangene.

Die Charaktere hast du perfekt gezeichnet. Sie bekommen alle das, was sie verdient haben; Melanie (heißt sie so?) nichts, so wie es sein muss.

Mutig finde ich auch, dass neben der reinen Schreibe auch Wörter wie Schwanz und ficken Platz finden. Das macht die Geschichte wahr. Und die vielen wunderbaren Details sind einfach ein Lesegenuss; das mit dem Linkshänderproblem beispielsweise. Da musste ich echt lachen. Ich musste viel schmunzeln, aber da habe ich gelacht. Auch das mit Meine 100%ige - das ist so außergewöhnlich und ein ziemlich gutes Synonym für Schatz.

Die Dialoge sind unterhaltsam, natürlich und genial - verspielt. Dass du konsequent darauf verzichtet hast, er sagte, sie sagte, er kratzte sich am Arsch und so - das funktioniert gut. Die Aussagen sind so charaktertypisch, dass es da gar nicht notwendig ist. Ich wusste immer, wer spricht. Auch als du einmal erst das geschrieben hast, was der Ich-Erzähler sich dachte und dann, was er schließlich gesagt hat.

Wie du das Ganze verpackt hast, dass er über Anna schreibt, der ganze Rahmen hat mir sehr gut gefallen. Ein echter Lesegenuss - nur ist das Ende in meinen Augen enttäuschend.

Wenn du deine Geschichte mit der Aufzählung enden lässt und dann dein Satz kommt:

"Und ich, wie ich war, als ich mit Anna war."

Das hätte mir gereicht. Die Schilderung, wie er die Möbel vermöbelt und dann nicht Fußball gucken kann. Man kann schon noch was nachschieben, man muss das vielleicht sogar, aber dein Ende gefällt mir nicht. (Sage ich das jetzt schon zum dritten Mal?, sorry!)

Zwei kleine Anmerkungen:

Irgendwann kommen sie zurückgerannt, klatschnass. Sie lachen und drängen sich ums Feuer. Ich sitze noch da, weil ich gemerkt habe, dass sich hinlegen keinen Spaß macht.
Schreibt man da: Sichhinlegen?

Der Rettungswagen kam gerade rechtzeitig, um mich zu reanimieren, nachdem Max mich ans Land gezogen hatte.
an Land gezogen

Trotzdem: Sehr gerne gelesen. Zwischen all den Prüfungen schaffe ich nicht immer einen Roman, da lese ich hier fleißig im Forum und dann kommt hin und wieder so eine Geschichte, wie die deine. Ein außergewöhnlicher Titel, hinter dem sich eigentlich überhaupt kein außergewöhnliches Geschehen verbirgt. Aber du machst das gut, sehr gut sogar. Wie du das erzählst, diese Leichtigkeit, auch die Zitate am Anfang ... es war mir ein Vergnügen, für das ich mich bedanke: Danke!

Beste Grüße
und immer weiter so
M. Glass

PS: Der Preis für die beste Nebendarstellerin geht an ...
Matilda.


Novak schrieb am 02.05.2012, 21:16:
Novak schrieb:
Hey JuJu,

ja bin ich denn um Gottes Willen die Einzige, der auch das Ende gefällt?

Was soll denn kommen nach einer 100%igen? Die auch noch tot ist? Und auch noch tot durch eine Aktion, deren Nichtverhinderung er sich als Schuld anlastet? Ich persönlich fände es als Geschichten- und Persönlichkeitsentwicklung schade und irgendwo auch unlogisch, wenn er sich da nicht irgendwann selbst rauskloppt. Jedenfalls wenn ers (im übertragenen Sinne) überleben will. Da muss doch ein Befreiuungsschlag her! Die Zimmerkaputtklopperei ist vielleicht ein wenig plakativ, aber sie ist total menschlich. Eine Melanie hat er schon verloren an seine Anna-Reminiszenzen und jetzt kann er endlich wieder Fußball gucken gehen, auch wenns den Fernseher nicht mehr gibt.

In diesem Zusammenhang: M. Glass, du verzeihst hoffentlich, dass ich dein Zitat klaue, aber das gefiel mir so gut:

Die Charaktere hast du perfekt gezeichnet. Sie bekommen alle das, was sie verdient haben; Melanie (heißt sie so?) nichts, so wie es sein muss.
Hihi! Genau! Das kommt davon, wenn man eine Melanie wählt.

Also: Ich verstehe das Ende wirklich als einen persönlich notwendigen, sehr kracherten Schritt, sich von seiner Liebe ein Stück weit zu befreien. Turn out the lights, aber anders gemeint.

Ansonsten - am Anfang hatte ich, weil ich faul war, nur in die Kommentare geguckt. Und gedacht: Nein, so viel Lob, das kann doch gar nicht sein. Aber deine charmante freche Geschichte hat derartig viele Klebeangeln nach mir ausgeworfen, dass ich nicht mehr weggekommen bin. Ach, so viele haben es schon gesagt, und zwar besser als ich. Eine wunderschöne Geschichte mit liebenswerten Charakteren, geschrieben in ihrer derben, aber passenden Sprache.
Die Empfehlung ist so was von zu Recht.
Wenn ich nicht krank geworden wäre, dann hätte ich sie auch empfohlen.

Ich habe sie sehr genossen. Das hast du echt toll gemacht. Bin neidisch! Und wie!
Liebe Grüße
Novak


JuJu schrieb am 05.05.2012, 23:21:
JuJu schrieb:
Hallo Friedel,

fällt mir gerade auf, dass ich noch gar nicht gratuliert hab zur Empfehlung, was somit nachgeholt sei: Geschichte & Autor haben's auf jeden Fall verdient!

Danke!


vor fünfzig Jahren

das Jahr, da die Beatles mit ihrem blödesten Song den Durchbruch hatten

Ja, und das Zeug aus deiner Zeit hört man noch immer … auch die Jugend. Das ist schon krass.

Vielen Dank, auch für die erneute Rückmeldung.


Hallo M. Glass,


Auch das mit Meine 100%ige - das ist so außergewöhnlich und ein ziemlich gutes Synonym für Schatz.

Hätte ich nicht gedacht, aber ja, wenn man das jetzt oft genug im Kopf gehört hat, eigentlich geht das gar nicht so schlecht von der Zunge. Sind zwar sechs Silben, aber ja … könnte man vielleicht echt bringen.

Ich wusste immer, wer spricht.

Das ist immergut zu hören als Feedback, dass das geklappt hat.


das mit dem Linkshänderproblem beispielsweise. Da musste ich echt lachen.

cool


es war mir ein Vergnügen, für das ich mich bedanke: Danke!

Ich danke dir! Habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut. Zum Ende noch was unten …

Hallo Novak!

Ich verstehe das Ende wirklich als einen persönlich notwendigen, sehr kracherten Schritt, sich von seiner Liebe ein Stück weit zu befreien.

Ja, so habe ich das auch verstanden. Dass er dort halt alles rauslässt irgendwie. Aber die anderen haben das Ende ziemlich gemobbt.

Also mich stören Enden, wenn ich das Gefühl habe, irgedwie mehr erwartet zu haben, oder wenn die Auflösung doof ist. Bei dieser Geschichte hatte ich Angst, dass Annas Tod nicht ankommt, dass sich da jemand vielleicht verarscht vorkommt oder so. Ich dachte, wenn das nicht klappt mit Annas Tod, dann habe ich ein Problem, wenns klappt, habe ich gewonnen. Aber das klappt ja scheinbar.
Nzr das Zimmerzerstören dann nicht …
Und so ganz versteh ich immer noch nicht warum.
Weil es hat auch niemand gemeint, dass sie das Zimmerzerstören unlogisch fanden oder so … und es verändert halt auch nichts an der Geschichte. Anna ist tot, und Tom geht es nicht gerade super deswegen, das wird man sich eh denken. Das ist ja überall drin eigentlich. Ob er nach dieser langen Aufzählung nun sein Zimmer kaputt haut oder weint oder sich mit Melanie "versöhnt" oder ein Vogel vorbeifliegt und er die Augen schließt und seufzt. Ich finde, das ändert nicht so viel an der Geschichte, ist halt ein Nachtrag: wie geht Tom damit um? In diesem Fall: er haut sein Zimmer kaputt.
Nur der Ton halt, ist vielleicht wirklich nur der Ton, der Wechsel dann, wie Fliege und Glass meinen. Die Geschichte ist gewaltfrei bis zum Schluß, und dann das, und man hätte gerne auf einer anderen, leiseren Note aufgehört …
Wobei ich auch nicht finde, dass das so unpositiv ist, dass er mit Max Fußball gucken geht und so. Du fasst das ja auch gar nicht so negativ auf. Was soll er auch tun jetzt? Sie ist halt die 100%ige. Ich wollte halt daran festhalten bis zum Schluß. Da kann man sich auch nicht mehr mit Melanie versöhnen oder so. Das war halt für ihn wirklich die 100%ige.

Sehr interssant zu sehen aber, das ist ja auch immer so ne Sache mit dem "Ende", ist ja häufig genug so, dass Enden gefallen und missfallen. Der eine findet es gewagt, der andere findet es doof. Hier findet man es bloß irgendwie "unpassend", nicht von der Logik her, sondern einfach so.
Ich hab jetzt sogar ein alternatives Ende geschrieben, aber ich find es glaub blöd, und jetzt hast du dieses hier gelobt, also lasse ich es erstmal.

Eine wunderschöne Geschichte mit liebenswerten Charakteren

Freut mich wirklich sehr, Novak und M.Glass! Man investiert schon viel in so einen Text irgendwie, das beschäftigt mich alles dann auch eine Weile … und wenn die Charaktere so auch ankommen, ist das schon toll. Das Ende ist ja die eine Sache, aber wenn ich mich nun fragen müsste, warum man Tom nicht ausstehen kann, oder warum man Anna so uncool findet … das würde mich viel heftiger treffen. Vielleicht kommen auch noch Einwände in der Hinsicht … aber für den Augenblick freue ich mich einfach.

Vielen Dank!

MfG,

JuJu


JoBlack schrieb am 19.05.2012, 16:59:
JoBlack schrieb:
Hey Juju,

ich habe nicht viel zu meckern, deswegen wird das ein kurzer KOmmentar. Mir hat die Geschichte gut gefallen, beim ersten Lesen dachte ich, oh, ob man die Geschichte auch ein zweites Mal lesen kann, weil man die "Pointen" und Gags ja schon kennt, aber die Geschichte lebt nicht nur davon. Sie hat auch beim zweiten Lesen Spaß gemacht, sie ist frisch, leicht, eine Frühlingsgeschichte. Dementsprechend passt natürlich auch das Ende nicht richtig. Nimm dir doch das The Door Zitat zu Herzen und streich das Ende, wo schon längst das Licht mit Anna ausgegangen ist.
Melanie - das ist so eine literarische Furie - ich denke mir, dass Tom, so wie ich ihn kenne, niemals mit so einem Mädchen zusammenkommen würde und von der Nettigkeit, die sein Freund anpreist, sieht man auch nicht viel.
Und Anna - die mochte ich am Anfang echt nicht, die ist ne kleine Pädagogin - "aber Tom, das darfst du nicht sagen, Matilda hat nur ein paar Pfund extra" Goottt! Und wenn Matilda mit dem Bikini kommt - entweder ist Anna einfach nur bösartig oder so stumpfsinnig wie manche Eltern, die nicht checken, was in den Cliquen ihrer Kinder so abgeht - ehm ja. Ich schweif ab. Also, ja, du hast da wirklich schöne Figuren drin mit komischen Macken. Der Grieche und Zidane - das ist das typische Comedypaar. Würde das in den Staaten spielen, wäre Zidane schwarz. Das ist schon wieder fast eine Klischeeclique, was die Rollenaufteilung angeht - aber es kommt trotzdem sehr frisch daher.
Ich mochte die Aquariumaugen - ich klau das bei Gelegenheit, ich mochte auch die Aufzählung - das drückt tatsächlich mehr aus, als die ganzen darauffolgenden Absätze. Klar denkt man bei jedem Song, den man mit seinem Geliebten gehört hat, genau an den und genau an die Situation. Das ist wirklich schön gemacht.
Aber hier: Du musst mal mit deinen ganzen Füllwörtern aufpassen. Wenn du in Zukunft auch mal andere Erzählstimmen ausprobieren willst - lass dieses "auch schon"/"schon auch", "schon", "auch", es ist schon nervig sowas in deinen Kommentaren zu lesen, du kannst das dann nicht auch in den Geschichten schreiben. Die lassen nämlich den Satz anders klingen, als wenn sie nicht da wären. Achte mal drauf. :P So genug beleidigt!

Nochmal: Schöne Geschichte, habe ich gerne gelesen, die Mühe hat sich gelohnt!

JoBlack


JuJu schrieb am 19.05.2012, 18:45:
JuJu schrieb:
Hallo Jo,


Und Anna - die mochte ich am Anfang echt nicht

Das dacht ich mir schon ..

die ist ne kleine Pädagogin

Ja, ein bisschen vielleicht, sind viele Frauen so ...

Ich mochte die Aquariumaugen

Ich auch

ich mochte auch die Aufzählung

Cool

Würde das in den Staaten spielen, wäre Zidane schwarz.

Stimmt.

Das ist schon wieder fast eine Klischeeclique, was die Rollenaufteilung angeht - aber es kommt trotzdem sehr frisch daher.

Du weißt, bei mir ist die "Klischeeschranke" im Kopf nur bedingt vorhanden. Ich versuch da nicht zu oft dran zu denken, ich finde, das hemmt sonst. Ich such natürlich auch immer nach "Neues" (Aquariumaugen), aber wenn was total Naheliegendes einfach total gut passt … dann ist das halt so. Dann ist Anna halt der Wahnsinn. Wenn's passt, dann passt's. Das spürt der Leser auch.
Ich denke immer, die Menschen haben so schrecklich Angst vor, in die "Klischeefalle" zu tappen, dann machen sie alles mögliche und vergessen dabei einfach eine gute Geschichte zu schreiben. Im Kopf des Lesers ein Bild oder ein Gefühl erzeugen, das ist schon schwer genug. Abnormale Umwege fahren, nur weil irgendwo ein Klischee lauern könnte – ich weiß nicht. Ich denke immer, es soll echt klingen, oder es sollte echt sein, weil wenn es das ist, dann passt's. Dann verzeiht man dir auch vieles. Wenn der Leser dir glaubt, dann glaubt er dir.
Das finde ich übrigens bei deinen Geschichten gut, die glaubt man irgendwie.
War vor Kurzem eine Geschichte in Horror, da wurde jemand gefoltert und im Keller gehalten. Und jemand fand, das sei ein ganz schlimmes Klischee – das Opfer im Keller. Aber so ist das halt, oder? Ist das nicht echt? Im Bad kann man vielleicht Leute einschließen ... aber verstecken tut man sie im Keller. Wo denn sonst? Das ist doch die Realität.
Es kommt natürlich auch auf die Geschichte an, aber ich will echt schreiben, deshalb sind mir Klischees nicht immer so wichtig.


lass dieses "auch schon"/"schon auch", "schon", "auch", es ist schon nervig sowas in deinen Kommentaren zu lesen, du kannst das dann nicht auch in den Geschichten schreiben. Die lassen nämlich den Satz anders klingen, als wenn sie nicht da wären. Achte mal drauf. :P So genug beleidigt!

Danke für den Hinweis.


Nochmal: Schöne Geschichte, habe ich gerne gelesen, die Mühe hat sich gelohnt!

Freut mich wirklich.

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

MfG,

JuJu


Rick schrieb am 19.08.2012, 15:09:
Rick schrieb:
Hallo JuJu,

um diese Geschichte bin ich immer herumgestrichen, weil Sie sooo lang ist, da fehlte es mir bisher immer an Zeit und Muße. Aber: Wenn man erst einmal zu lesen beginnt, setzt erstaunlich schnell eine (angenehme) Sogwirkung ein, die einen in diese Geschichte hinein zieht, und Zeit & Länge der Geschichte total vergessen lässt.

Das ist wirklich gut konzipiert, mit dem Mut, sehr viel über Dialoge zu arbeiten. Und das sind dann aber auch Dialoge, die sich nicht fürchten, Dialoge zu sein ;-)

Die Dialoge schaffen weitgehend die Figuren und tragen den Hauptteil der Story, und sie sind auch für den Humor zuständig. Auch das gefällt mir gut, selbst wenn du an manchen Stellen dieses Stilmittel bis zum Äußersten ausreizt.

Ich kann immer so lange damit leben, so lange ich noch denke, dass da Menschen reden. Und weitgehend habe ich das gedacht, wobei ich immer wieder schmunzeln muss, wenn in Texten jemand "Großer Gott!" sagt oder denkt - besonders junge Menschen. Du verwendest das witziger weise auch in deinem Text. Ich kenne niemanden in meinem Umfeld, der "Großer Gott" sagt, aber ich lese es ständig in Geschichten und Romanen. Es ist meiner Ansicht nach ein durch und durch literarischer Ausruf.

Großer Gott, wer zum Teufel redet denn so?

Aber ansonsten: sehr glaubwürdige Dialoge.

Die Story ist kurzweilig, unterhaltsam und besitzt einen Spannungsbogen, sie hat den Break zwischen Vergangenheit und Gegenwart an der richtigen Stelle, und das Timing für die dramatische Auflösung der Tragödie um Anna weist ein gutes Timing auf.

Ein paar Fehler stecken noch im Text, aber ich war so intensiv mit der Handlung beschäftigt, dass ich keine Lust hatte, die Fehler zu vermerken.

Eines finde ich ein kleines bisschen störend, wobei ich weiß, dass auch ich immer wieder zu diesem Kunstgriff neige:

Der Prot schreibt.

Das passt nicht so ganz zu dem Charakter, den du zuvor aus den Dialogen heraus eigentlich sehr präzise formst.

Max ist eher der Typ "Schreiber". Dein Prot kommt lange Zeit nicht so feingeistig rüber. Aber egal. Für den Aufbau der Story ist dieser Kunstgriff wahrscheinlich unvermeidlich. Und wirklich stören tut es nicht.

Um Positiv zu schließen: Beeindruckt hat mich auch die Tatsache, dass du recht viele Nebenfiguren ins Rennen schickst, und sie kriegen in der Story alle mehr oder weniger Konturen und ein Gesicht. Das schafft nicht jeder Text!

Mein Fazit? Großer Gott, das war ne beachtliche Ladung pure und wirklich verdammt gute Unterhaltung!

Rick

 

Hallo JuJu,

ich kann ehrlich nur eines sagen:
Wow.

Und es gibt Tränen.
Und Aquarien aller Art.
Und Gerüche aller Art.
Und Ökobräute aller Art.
Und rote Karten, ganz viele rote Karten.
Und Baggerseen.
Und Raki.
Und Jamaika-Flaggen.
Und Luftballons.
Und Frauen, die auf Inseln sitzen.
Und Beach Parties.
Und McDonald's.
Und den Tiroler.
Und die Stadtmauer.
Und was ist dein Lieblingstier?
Und Dirty Dancing.
Und der erste Kuss.
Und Ira.
Und wenn Anna das wüsste.
Und Jorgo geht zurück nach Griechenland.
Und Zidanes Hochzeit.
Und Max.
Und so viel, das nicht gesagt wurde.
Und so viel, das zu kurz kam.
Und so viel, das fehlt.
Und Anna, wie sie lacht.
Und Anna, wie sie küsst.
Und Anna, wie sie tanzt.
Und ich, wie ich war, als ich mit Anna war.

...hat mir endgültig den Rest gegeben. Ich liebe es.
Du hattest mich genau da, wo du mich haben wolltest.

Deshalb kann ich kann nicht anders, als mich einigen meiner Vorredner anzuschließen: Alles, was danach kommt, hätte nicht sein müssen.
Als ich die Geschichte noch einmal las, hörte ich dementsprechend nach dieser eindringlichsten aller jemals gelesenen Aufzählungen auf. :-)

Also echt: Wow. :-)
Zu mehr bin ich gerade nicht fähig.

Bewundernde Grüße,
PSS

 
Zuletzt bearbeitet:

Okay, ihr habt mich überzeugt. Die Szene gleich nach der Aufzählung mit dem Zimmerzerstören ist weg. Also … ich glaub Fliege hat das gesagt, da war der Wechsel einfach zu heftig. Vielleicht so, als hätte James Cameron am Ende vom Titanic, während Leo auf den Meeresgrund sinkt, noch eine Action-Szene mit einem weißen Hai einzubauen versucht. Hätte vielleicht auch ein paar Leute verstört. Also Tom zerstört immer noch sein Zimmer, aber es wird nicht mehr beschrieben, er wacht irgendwann am Boden auf, und stellt fest, dass sein Zimmer kaputt ist. Das ist dann eher so ein trauriges: O je ... was n' da passiert? Und nicht mehr so ein verstörendes: Okay, was geht jetzt ab?
Naja … hoff ich jedenfalls.
Also ich habs mir einfach gemacht, und einfach auf die Löschtaste gedrückt, manchmal ist das echt die beste Lösung, merk ich immer wieder. Und wenn alle das Ende immer noch scheiße finden, muss ichs halt nochmal ändern. Ich denk halt nach der Aufzählung muss schon noch was kommen, jedenfalls sehe ich das jetzt noch so.

Also vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren, Sternenstaub. Hat mich sehr gefreut. Dass die Aufzählung so große Wirkung bei dir erzielen konnte, ist echt gut. An sich ist es ja nur eine Aufzählung, da lässt der Tom halt die ganze Geschichte nochmal revue passieren, und wenn das so wirkt, wie das wirkt, dann ist das schon ein gutes Zeichen eigentlich. Ist vielleicht nicht die literarischte Methode, aber das Timing stimmt, und die Vorarbeit wohl eben. Ist auch eine der wenigen Stellen im Text ... also Leute, die mich so kennen, die wollen immer wissen … also ich kann meistens nicht sagen, wo die Idee herkommt. Das Setting natürlich. Bei den Fußballjungs, da die Gespräche ein paar mal. Und bei: Nenn mich Schatz! Da weiß ich es auch genau. Und dann halt die Aufzählung noch. Vor langer Zeit hab ich mal in einem Gedicht was sehr ähnliches gemacht, das hat damals auch gut funktioniert. Also die Stelle käme einer bestimmten Sommerliebe doch sehr bekannt vor, wenn sie das je zu lesen bekäme, ich denk, das würde sie auch gern, aber die kann kein Deutsch. Das find ich jetzt wiederum ein bisschen traurig.

Vielen Dank, Sternenstaub.

Und auch dir vielem Dank, Rick. Hat mich sehr gefreut. Also falls du jetzt im Urlaub bist und es nicht gelesen hast oder so ... ich hab da lang drauf geantwortet, aber mein Kommentar ist im Netz verschollen, weil Berg mich glaub sabotieren will.

 

hallo juju,

mir hat deine geschichte (trotz vieler längen und wdh) ziemlich gut gefallen!
ich finde deine figuren sehr lebendig + echt. stilistisch gab es hin und wieder auch einiges, was mir sehr gefiel, z.b.

deine frauenfrüchtemetapher in dieser speziellen form mit der zickigen taille ;) und

Und Linkshänderin war sie auch. Das ist schon komisch, wenn die Freundin Linkshänderin ist: Sie macht die Tür mit links auf, zupft dir eine Wimper von der Nase mit links, greift nach deinem Schwanz mit links, und immer wieder muss man denken: Okay, das hab ich jetzt nicht kommen sehen.
Aber was noch viel wichtiger war: Ihre Brüste waren wirklich nicht so groß. Wenn ich dran denke, wie ich mit Ira Sex hatte … da bekomm ich ja gleich einen Harten. Das ist bei Anna nicht so. Die Prallefrüchtemetapher funktioniert bei ihr nicht. Bei Anna denke ich an Aquarien und Luftballons und Blumenduft und so kitschige Sachen. Dabei ist die Früchtemetapher meine Lieblingsfrauenmetapher. Eigentlich sollte ich Ira nachtrauern und nicht Anna. Eigentlich sollte ich mich bei Melanie entschuldigen, sie ficken und an Ira denken, und dann ...

die verwicklungen des linkshändertums auf nahezu alles... das finde ich z.b. toll beobachtet, mit hintersinn und auch etwas humor.

auch deine anna mit den aquariumsaugen hat mir gut gefallen. :)

schöne grüße von petdays, selbst aquariumsäugig ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo petdays,


Vielen Dank für deinen Kommentar. Ist immer interessant zu sehen, welche Stellen gut ankommen. Also gerade die Aufzählung und die überraschende Linkshänderin, die nach Schwänzen greift und alles. Das sind beides Stellen, wo ich mir dachte, hmm ... mal schauen, wie die das jetzt verdauen :). Aber cool.

Jetzt frag ich mich natürlich auch, was du mit Längen und Wiederholungen meinst? Die Fußballszene? Die Beach Party?
Also der Text ist schon länger als "normal", kann sein, aber ich finde ihn eingentlich eher mager vom Stil her. Und die Stelle, die du hervorgehoben hast ist ... die ist schon auch auf Humor und Knackigkeit getrimmt, aber sie ist eine der ganz wenigen introvierten Stellen im Text. Find ich interessant. Weil fast alles andere Handlung und Dialog ist. Also eher lean und mean. Was ich sagen will: Das ist eigentlich kein Text, der richtige "Längen" haben sollte. Und wenn dann am ehesten noch an so Laberstellen, wo alles stehen bleibt und der Erzähler anfängt, über sich zu reden und so. Aber wie man sieht …
Also ich denk mir ja immer, dass ich irgendwann etwas mit "richtigen" Längen schreiben werde, so was Introviertes mit langen Gedankengängen, die sich hinziehen und im Kreis drehen und lange auf der Stelle treten, wo sich 3/4 aller Leser sofort nach dem ersten Abstatz verpissen (Man könnte vielleicht auch literarisch sagen? … lol ) aber naja … wie auch immer.
Vielen Dank für deinen Kommentar und das Lob, petdays! Hat mich gefreut.


MfG,

Julian Merrill

 

hi juju,

um deine frage kurz zu beantworten:

- das fussballspiel interessiert mich nicht so sehr. liegt wohl eher an mir.
- die beachparty gefiel mir durchaus!
- die dialoge sind gut, aber oft in der xten. wdh-schleife, was sie authentisch macht, allerdings die spannungskurve absenkt. weniger ist da mehr. vor allem wünschte ich mir manch beschreibung. so ist es eher ein hörspiel.
trotzalledem bringst du mir deine figuren durch die dialoge näher, manche wie anna wirken gerade zu überreal, was mir sehr gefällt.

die offensichtlichen großartigen stellen habe ich dir schon aufgezeigt. :)

ciao p.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Petdays,

Ja … interessant, dir gefallen die Aquariumaugen und die Linkshänderin und die Zickentaille, da hättest du gerne mehr davon, und bei den Dialogen langweilst du dich. Und die Dialoge sind halt meine Lieblingsstellen. Gerade die richtig langen zwischen Tom und Anna. Ich glaub ich würde überall was kürzen nur da nicht. Die Dialoge sind ja deswegen so lang, weil ich die so mochte, nicht weil ich irgendwas überstrapazieren wollte. Wenn das untypisch ist, ist mir das egal. Ich les die Geschichte im Grunde so, auch vom Schreibprozess her, dass da einer anfängt und von einer unbekannten 100%igen mit Aquariumaugen schwärmt ... und im Mcdonalds sagt sie noch nichts, ihre Hände bewegen sich halt viel, und dann vor dem Kino hockt sie da auf einer Insel, und der erzähler wieder... wahnsinn wahnsinnn … sie spielt mit ihren Haaren … Und als Leser würde ich mir glaub denken: So toll, ja? Jetzt bin ich aber gespannt …
Der Erzähler ist ein bisschen wie Herr Focks in Quinns Geschichte am Anfang, oder wie viele Typen eben, die von Frauen schwärmen, nur möchte er uns die Anna dann auch wirklich vorstellen. Und das war auch für mich die große Herausfordrung so, jetzt hab ich schon so angefangen von wegen geilster Frau ever, steht schon im Titel ... wird der Leser das nachvollziehen können, wird er sie auch toll finden? Oder die Beziehung an sich? Kann der Leser verstehen, warum Tom Anna so mag, und warum Anna Tom mag? Oder ist das dann alles ein bisschen enttäuschend nach diesem Auftakt? Nach dem Auftakt kann man ja fast nur verlieren. Aber wenn ich mir die Kommentare so anguck, dann glaube ich schon, dass mir das gelungen ist. Und das liegt doch an den Dialogen. Kann man ja viel erzählen von wegen toller Freundin und bla bla, aber das dann auch wirklich rüberbringen in einem Dialog, dass der Leser das selbst sehen kann … das finde ich ja drei Mal so schwer, und vielleicht auch drei Mal so schön. Dort sieht man Anna erst, finde ich. An den Stellen lebt sie.
Und dass da nicht mehr Details kommen bei den Dialogen, da beim Telefonat oder so, das ist so Gnoebelmäßig, da kommt gar nichts, ich weiß nicht … da gehts halt so schnell hin und her … ich find nicht, dass es das braucht. Da nimmt sich der Erzähler ganz zurück, der sagt gar nichts mehr, er wertet nichts mehr. Ich glaub auch fast, dass das stören würde. Das sind halt schnelle Dialoge. Bam bam bam.

Vor der Beach Party – wir waren jetzt seit sechs Wochen ein Paar –, telefonierte ich mit Anna.
“Hallo Schatz!”, sagte sie.
“Hey!”
“…”
“Was denn?”
“Na, ich sage hallo Schatz und du sagst hey, findest du das nicht komisch?”
“Nicht unbedingt.”
“Du könntest auch Schatz zu mir sagen, weißt du?”
“Ich find das schwul.”
“Was?”
“Ich find das schwul.”
“Warum findest du das schwul?”
“Keine Ahnung, ich find's halt schwul. Schatzi, Schatzi, Schatzi … das ist doch irgendwie schwul.“
“Bist du jetzt bescheuert?”
“Warum kann ich dich nicht einfach Anna nennen? Hat doch bisher gut funktioniert.”
“Weil mich alle Anna nennen.”
“Ja gut … aber jeder Horst nennt seine Freundin Schatz, wohingegen nur wenige sie Anna nennen. Ich dachte, wir sind etwas Besonderes.”
“O Tom …”
“Wir müssen etwas anderes finden. Schatz geht nicht. Wie wär's mit Mausi?”
“Das ist furchtbar!”
“Und Süße?”
“Ich weiß nicht …”
“Hallo Süße?”
“Gefällt mir nicht so.”
“Hallo meine Liebste?”
“Da fühle ich mich wie eine Oma.”
“Wie wär's mit Baby? Ich glaube mit Baby könnte ich mich anfreunden.”
“Vergiss es.”
“Haasilein, Prinzessin, Bärchen?”
“Warum sagst du nicht einfach Schatz zu mir? Schatz ist am besten.”
“Schatz ist nur das geringste Übel.”
“Du bist so ein Dickschädel!”
“Schau mal in den Spiegel, Baby.”
Sie zischte.
“Also gut”, sagte ich. “Ich glaub ich hab's … bist du noch dran?”
“Ja …”
“Hallo 100%ige! Was meinst du?”
“Ich weiß es nicht …”
“Ich find's voll gut.”
“Ja … 100%ige ist schon schön … aber ein bisschen mathematisch, findest du nicht?”
“Aber du bist nun mal die 100%ige, da kann man jetzt nichts mehr machen.”
“Meinst du?”
“Ja, klar.”
“Na gut, wir können das ja mal austesten … so probeweise.”
“Okay.”
“Treffen wir uns dann dort?”
“Ich denke schon.”
“Okay.”
“Gut.”
“Was ziehst du an?”, fragte sie.
“Ich? Keine Ahnung, T-Shirt, kurze Hose … warum?”
“Na, das ist eine Beach Party …”
“Ja, das weiß ich. Warum? Was ziehst du an?”
“Einen Bikini.”
Einen Bikini?
“Hallo?”
“Ist das jetzt dein Ernst?”, fragte ich.
“Warum?”
“Du kannst doch nicht nachts im Jugendhaus in einem Bikini rumlaufen.”
“Sie haben fünf Tonnen Sand angeschafft. Und Hitzelampen. Draußen ist ein Planschbecken.”
“Aber wir drehen doch kein Hip-Hop-Video. Was geht? Ist das jetzt wirklich dein Ernst?”
“Natürlich.”
“Und du kannst dir nicht mal eine Jamaika-Flagge um die Hüfte binden oder so?”
“Ja, klar … vielleicht noch ein Kopftuch?”
“Fände ich besser, ja.”
“Ich glaube du verbringst zu viel Zeit mit deinen Fußballfreunden.”
“Ja, das kann sein.”
“Sagen die denn etwas, wenn ich einen Bikini trage?”
“Nein, sie starren dir nur die ganze Nacht auf den Arsch.”
“Tom, es werden doch so viele Mädels im Bikini da sein …”
“Wer denn?”
“Meine Freundinnen zum Beispiel.”
“Wer denn?”
“Claudi, Lena, Matilda …”
“Matilda kommt im Bikini?”
“Ja.”
“Großer Gott!”
“Tom, das finde ich jetzt nicht okay. Matilda hat vielleicht ein paar Kilo extra, aber sie ist trotzdem eine sehr attraktive Frau.”
“Anna, halt sie auf! Ohne Scheiß, das ist jetzt mein Ernst, das kannst du nicht zulassen.”
“Tom, ich leg jetzt auf.”
“Lass das nicht zu! Anna! Hörst du mich? Du musst sie aufhalten!”
Sie legte auf.

Vielleicht ist das zu viel für dich … ich weiß nicht. Zu viel Wiederholung, vielleicht willst du mehr Details, keine Ahnung. Ich mags halt so. Ich denk es kommt auch alles rüber, was ich rüberbringen möchte. Auch wie sie es sagen, und warum sie es sagen, auch die Gedankengänge dahinter …
Ich wusst nicht, was ich da anders machen sollte, oder was ich da kürzen könnte. Dann ist dann ein ganz anderer Stil.
Aber vielleicht sind das ja auch einfach andere Lesererwartungen. Also wenn du richtig stimmungsvolle Bilder magst mit einer ruhigen dichten Atmosphäre und bisschen subtil und so … dann guck dir das von Feirefiz nebenan an, die kann das beser als ich.

MfG,

JuJu

 

hi juju,

nicht so schnell eingeschnappt sein.;) :) und auch etwas mehr nachsicht mit deinen lesern!!;) :) immerhin gebe ich mir mühe und auch einiges von meiner zeit.

ich habe gesagt, dass mir deine geschichte im großenganzen sehr gut gefällt! nicht nur die aquariumsaugen etc. auch der beachabend etc.! aber du hast mich ja nicht gefragt, was mir noch alles gefällt. ;) da hätte ich noch vieles weitere aufzählen können! :) [du wolltest doch selbst explizit lesen, wo ich die wdh-schleifen sehe und ich habe mir die mühe gemacht, es kurz zu erläutern, dafür würde ich zumindest etwas wertschätzung erwarten.]

trotzalledem kann auch in einem schönen text manches zu lang werden, in diesem dialog z.B. gefiel mir das meiste, nur hätte ich die Schatz & schwul-Schleife etwas eingekürzt. ich hab doch gar nichts gegen deine dialoge, nur manchmal sind sie mir eben zu lang. ich würde wahrscheinlich 15 - 20 % kürzen.

das ist meine meinung, andere können das anders sehen.

> vergessen wir aber nicht, dass ich deine geschichte eigentlich sehr gern mag! :)

petdays, die heut noch viel anderes vor hat

 
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Hallo Petdays,

ich bin bestimmt nicht eingeschnappt, aber ich hab vielleicht vergessen mich für deinen letzten Kommentar zu bedanken, das tut mir dann leid. Also nochmal Danke, ich finds gut, dass du dich nochmal gemeldet hast. Danke.
Nichtsdestotrotz, wenn ich jetzt ganz ehrlich bin, mich nervt als Autor selten was wie: Kürze doch ein bisschen. So um die 15-20 % vielleicht. Mach das es irgendwie weniger wird. So im Nebensatz.
Die Kritik ist bestimmt immer wieder angebracht, kürzen und straffen kann viel hermachen in einer Geschichte, aber so ganz pauschal und ziellos in den Raum geworfen … ich weiß nicht mal genau warum, aber das höre ich voll ungern. Das war schon mal so. Da höre ich deine Figuren kotzen mich an oder du schreibst wie ein behinderter Viertklässler oder was weiß ich alles tausend mal lieber. Ich stell mir das vor, da schreibt jemand wochenlang an einem Lied, singt es dir vor, und du dann: Ja, ist ganz nett, klingt wirklich schön, ein bisschen lang vielleicht … aber sonst echt gut. Vielleicht klinge ich jetzt auch total größenwahnsinnig, aber das muss doch nerven irgendwo.
Aber ich weiß schon, was du meinst. Und du hast mich auch echt viel gelobt, also ist das vielleicht unfair von mir. Vielleicht bin ich auch ein undankbarer Arsch, ich weiß es nicht.

Also nochmal Danke und ich bin dir bestimmt nicht böse und danke für deine Zeit. Hat mich gefreut.

MfG,

JuJu

 

Hallo JuJu,

es ist so ein bisschen die Geschichte, die erzählt werden kann, wenn alles gut und erdverbunden verlaufen ist im Leben. Fußball und Freundschaft, diese ganze Umgebung da, so sehr positiv multikulti, auch mit den Derbheiten, schwul sagen, wenn man scheiße meint (oder Mist), das ist zwar irgendwie nicht in Ordnung, und man kriegt Ärger dafür, aber wenn einem alles andere, das ganze Drumherum kommuniziert, das ist in Ordnung, hier gibt es Respekt für den anderen und Liebe und Verbundenheit untereinander, dann ist das halt so bisschen Attitüde und die nimmt man nicht krumm, außer vielleicht man ist zufällig schwul. Aber eigentlich ist das ja nicht persönlich gemeint.
Das ist schon schön hier, also die Dialoge und die Szenen, wie beide so sich selbst behaupten, ein bisschen eingeschnappt sind, aber es eigentlich keinen echten Grund gibt, der sie trennen könnte, der sie dazu bringen könnte, nicht mehr umeinander zu kreisen und ab und an ineinander zu krachen. Ich habe das sehr gut gefunden, weil dieses ganze Beziehungsding hier so einen ganz ehrlichen und sympathischen Eindruck macht! du hast ja irgendwann zwischendurch diesen Kitsch-Gedanken aufgegriffen, dass es ganz kitschige Dinge sind, an die der Erzähler denkt, wenn er an Anna denkt. das muss man wohl sagen als Schreiber, wenn man in der Realität einfach sagen könnte, das und das ist schön und sie sagt dann ja, finde ich auch, oder mhhm oder macht das irgendwie ohne Worte deutlich. aber da ist das dann ja auch zum Anfassen und zum Spüren und das ist es in einer Geschichte nicht, zumindest nicht so direkt. es wäre zu einfach, wenn man den Leser mit der simplen Nennung von so netten Geruchs- und Gefühls-Sachen immer kriegen würde. oder vielleicht wird es auch einfach mal Zeit, dass das mal wieder jemand macht. ist halt auch komisch, wenn man da immer zwar-aber schreiben muss, und das zu nem romantischen Text!
ist schon sehr romantisch. der Kuss für die Ewigkeit, dass er fünf Jahre später sie nicht vergessen kann. dann noch ihr Tod - das war die einzige Überraschung für mich, ansonsten kann man hier den Text sich komplett einverleiben, ohne mal aufstoßen zu müssen. dann hört das ja auch abrupt auf mit der freundlichen Geschichte, das ist dann der große Bruch. weiß nicht, ob das sein muss.
ich hätte sie im Text gehen lassen, oder er hätte sie weggeschickt, vielleicht aus einem Missverständnis, und man spricht nicht mehr miteinander aus Stolz, aber die Gedanken und Gefühle sind da und deswegen schreibt man eine Geschichte und treibt die aktuelle Freundin zur Weißglut. also das würde alles trotzdem gehen.
Tod muss nicht sein. obwohl ihr Tod schon sehr romantisch ist.
ich habe die lange nicht lesen wollen, weil ich beim Titel dachte, das kann man nicht machen, da müsste man Murakami fragen oder sich etwas anderes ausdenken. wirst du wahrscheinlich schon öfter gehört haben, oder vielleicht gabs da auch schon vor ihm jemanden, der so was ím Titel verwendete.
jedenfalls ist die Erklärung schon plausibel und passt sich in die Geschichte ein, mit deinem Erzähler, der noch sehr deutlich und nach außen zwischen kool und schwul unterscheidet, da soll's halt was besonderes sein und so nennt er sie mit vollem Recht hundertprozentige, wenn's auch bisschen holpert am Telefon.
das ist so eine Art Geschichte, die man eigentlich jedem wünscht - also das mal erlebt zu haben, ob das jetzt gut ausgeht also weitergeht oder aus irgendeinem Grund scheitert, was ja meistens der Fall ist. aber dass man halt weiß, da ist mehr, und das kann es wieder geben.
wie er da sagt, dass er sich mit ihr als etwas besonderes empfunden hat, wie er die Erinnerungen aufzählt, das ist ja schon eine Fähigkeit, die schönen Dinge im Leben in so ein Schatzkästlein zu tun und da auch mal drauf zu schauen. darüber nicht einfach hinweg zu kommen, hm, das ist okay, aber nach fünf Jahren schon was anderes. das ist ja schon sehr heftig da zum Ende, da wird Annas Beobachtung, er wäre aggressiv, ja bestätigt, erst gegen Melanie, dann gegen Dinge ohne Rücksicht auf sich. aber du hast in meinen Augen trotzdem ein versöhnliches Ende mitgegeben, mit dem alten Freund, der kommt und dem Fußball. zwei Punkte also, an denen ich was ändern würde. aber insgesamt schon sehr schön und positiv die Geschichte!

Kubus

 
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Hallo Kubus,

Vielen Dank für den Kommentar! Hat mich sehr gefreut.

ich habe die lange nicht lesen wollen, weil ich beim Titel dachte, das kann man nicht machen, da müsste man Murakami fragen oder sich etwas anderes ausdenken. wirst du wahrscheinlich schon öfter gehört haben, oder vielleicht gabs da auch schon vor ihm jemanden, der so was ím Titel verwendete.

Ich weiß nicht, ob es da vor Murakami jemanden gab. Weiß auch nicht, ob man das machen darf oder nicht. Ich habs jetzt einfach gemacht. Ich würd auch keine Geschichte "Juju am Strand" nennen wollen, und dann einen verträumten Ich-Erzähler haben, der auf ältere Frauen steht und alles bisschen dreamy und so. Aber ich denk hier die Geschichte rechtfertigt den Titel. In Murakamis KG sieht er ein tolles Mädchen und denkt sich, ach, die hätte ich doch ansprechen sollen, vielleicht war sie die 100%ige … und das ist schon die komplette Geschichte. Die ist ja sehr sehr kurz. Ich hab da nichts geklaut, nur die Bezeichnung 100%ige.
Ich geh auch zwei drei Schritte weiter hier, ich benutz die 100%ige als Kosename, bei Murakami ist das was Theoretisches. Die KG von ihm ist glaub auch nur deswegen so bekannt, weil der Verlag den Titel so catchy fand, so wie ich halt auch, und die ganze Kg-Sammlung dann so nannte: Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah.
Ich mein auf Englisch heißt Naokos Lächeln auch "Norwegian Wood", das ist ein Song von den Beatles … ich weiß nicht. Mich juckt das nicht. Ich bin da ganz offen. Da hab ich die Idee für die "100%ige" her, wenn jemand beide Kurzgeschichten lesen und vergleichen möchte, kann er das gerne tun, ich hab da nichts zu verbergen oder so, ich find im direkten Vergleich sehe ich auch gar nicht schlecht aus, seine KG ist ja total kurz, zwei Seiten oder so ... der hat schon ganz andere Dinge geschrieben.


das ist dann der große Bruch. weiß nicht, ob das sein muss.
ich hätte sie im Text gehen lassen, oder er hätte sie weggeschickt, vielleicht aus einem Missverständnis, und man spricht nicht mehr miteinander aus Stolz, aber die Gedanken und Gefühle sind da und deswegen schreibt man eine Geschichte und treibt die aktuelle Freundin zur Weißglut. also das würde alles trotzdem gehen.

Ich hab da drüber nachgedacht und ich weiß nicht. Das ist mir zu vernünftig, Da gibts ein Missverständnis und dann lässt er sie gehen … also so Liebesgeschcihten, die mir so spontan in den Kopf kommen – Romeo und Julia, Titanic … die enden halt tragisch. Und das hat auch seinen Grund. Weil niemand lesen will, wie die sich auseinanderleben nach ein paar Jahren oder so … das ist langweilig und öde und deprimierend. Kann man auch sagen … ach … nach fünf Jahren hätte Rose auch nicht mehr so Schmetterlinge im Bauch gehabt bei Leos Anblick, Und wenn die Kinder erstmal da sind, dann mal gucken wie das mit der "Liebe" ist – was ist das? :) Wer will das wissen?
Also für mich hat die Geschichte was Märchenhaftes .. ich weiß jetzt gar nicht, ob das auch so ankommt, wie das so wirkt, aber für mich hat es Märchencharakter, und deswegen endet es auch so. Und es funktioniert so, weil Tom das selbst so sieht. Er erzählt ja, er muss das irgendwie ein bisschen unvernüftig sehen, um es so zu erzählen. Und das gehört halt auch zur Jugend. Das man sich verliebt und nicht gleich denkt: okay .. aber dann fang ich an zu arbeiten und ziehe in eine andere Stadt und mach dies und jenes und ob das noch passt und bla bla …

das ist so eine Art Geschichte, die man eigentlich jedem wünscht - also das mal erlebt zu haben, ob das jetzt gut ausgeht also weitergeht oder aus irgendeinem Grund scheitert, was ja meistens der Fall ist

Ich weiß nicht ob Tom und Anna das so nüchtern sehen können wie du jetzt. Wie ist das in anderen Werken?

Der Time Travellers Wife? Endet auch traurig oder? Und One Day von Nichols? Auch traurig, oder? Und das mit Rachel Macadams, wo die Alzheimer bekommt? Auch tragisch, oder? Und wo hat das was mit nüchtern und realistisch zu tun …

500 days of Summer war auch ein cooler Liebesfilm, der ist eher "realistisch", fand ich, aber da ist es von vornherein so, dass er sie mehr mag als sie ihn ... und irgendwann macht sie – logisch – Schluß. War gut gemacht. Hier ist es so … dass die sich beide sehr mögen, vielleicht ungefähr gleich mögen, und deswegen trennen die sich nicht, weil es auch keinen Grund dafür gibt, sagts du ja selbst, das ist ja das Schöne dran, die müssen nicht zusammenbleiben, weil sie gefangen sind und keine andere Möglichkeit haben, die können zusammenbleiben, weil sie sich mögen und das wollen, im Endeffekt ist das so kompliziert ja gar nicht …

Und deswegen stribt sie zum Schluß, damit ich mich hier nicht mit so Fragen rumschlagen muss wie .. und wie sieht das in fünf Jahren aus?
Und klar, Drama gibt das auch her.
Vielleicht klingt das auch total alibimäßig, aber ich glaube so funktioniert das schon lange mit Geschichten dieser Art … es ist jetzt nicht die Frage, ob sie ihn bekommt? Ja oder nein? Das ist ja wieder was anderes …

Und es ist auch in der Realität so … wenn man mitte Vierzig ist und auf dem Singlemarkt, dann wollen Frauen wissen warum? Was ist deine Lebensgeschichte? Noch nie verheiratet? Wär ja komisch … dann also geschieden … und dann ist man fast zwangsläufig geschädigte Ware. Entweder hat man seine Frau verlassen oder eben umgekehrt. Aber wenn man ganz tragisich Witwer geworden ist! Und sie war die ganz große Liebe! Dann schmelzen die Frauenherzen dahin …
Ist auch mit Sommerlieben so. Gibts nichts Romantischeres als die Sommerliebe irgendwo ganz weit weg … da gibts halt die Zwangstrennung … und so kann man immer denken was wäre wenn, anstatt: die blöde Kuh hat mich verlassen. Oder: so toll war sie halt doch nicht.

Ich mein … ich glaub ich bin ein einigermaßen desillusionierter Mensch in vielerlei Hinsicht, aber wenn ich schon eine Jugendgeschichte schreibe, wo im Grunde nur Folgendes passiert: Junge trifft Mädchen – dann bekommt sie ein Happy Fairy Tale Ende oder ein tragisches Ende – aber so ein vernüftiges, lauwarmes ... ne. Das heb ich mir für was Erwachsenes auf. Ich find das passt auch nicht zum Jugendton.

aber insgesamt schon sehr schön und positiv die Geschichte! Ich habe das sehr gut gefunden, weil dieses ganze Beziehungsding hier so einen ganz ehrlichen und sympathischen Eindruck macht!

Ja, danke! Jetzt bin ich wieder ins Schwafeln gekommen. Freut mich echt, dass du so einen positiven Vibe draus nehmen kannst. Bis bald.

MfG,

JuJu

 

Lieber Juju,

ich habe deine Geschichte mit Spannung und Amusement gelesen - bei mir sind die 14 ja schon mehr als 30 Jahre her, noch vor Smartphones und INternet - aber ich stelle mir vor, dass das schon authentisch ist alles.

Liest sich locker und flüssig. Trotzdem mit Tiefgang. Allerdings fand ich, gab' s bei der Szene in der Beach-Party ein wenig zu viel Details, ds hing ein wenig durch.

Das Ende habe ich spätestens ab dem Mondscheinbad kommen sehen, eigentlich schon ab dem Eifersuchtsanfall von seiner aktuellen Freundin (Melanie?). Aber ich finde, du hast die Kurve sehr gut gekriegt!

LG venusBonn

 

Hallo venusBonn,

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren und deine Meinung zum Text. Hat mich gefreut. :)

MfG,

JuJu

 
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Hallo Alex,

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren und das viele Lob!

Das Ende ist in meinen Augen phänomenal bombastisch gut.

Das freut mich besonders. Also in der ersten Fassung, war nach der langen Erinnerungsliste direkt eine Stelle drin, wo Tom sein Zimmer verwüstet. Also die Stelle würde ausgeschrieben. Ich fand sie cool, aber das hat glaub vielen rausgerissen aus dem Text, und ich glaub das lag schon am Timing und so, so wie es im Lied auch passen muss mit der Lautstärke und Höhen und Tiefen … fand das interessant, was du hier gesagt hast.

"

Das gibt's jetzt nicht."
Und dann ganz langsam sickert es durch...okay, sie ist tot.
Es ist genug Zeit während dem Lesen verstrichen, sodass man die Tatsache akzeptiert hat, und dann kommt diese Stelle:

Das mit der Zeit verstreichen ... ja. Ich druckse mich da ein bisschen rum, und Max meint das, und er meint jenes ... und im Kopf ist man bei Anna als Leser, aber kommt da noch was? Jetzt muss was kommen? Wie reagiert Tom? Und dann kommt die Liste. Ich hab bei anderen Autoren häufig das Gefühl, bei Murakami ... wie die da Zeit verstreichen lassen, wo es gar nicht darum geht, was da auf dem Papier steht, sondern echt nur die Lesezeit, wie in einem Lied, wo sich ganz langsam was aufbaut, wo ein Ton lange anhalten kann, wo echt nichts passiert, aber die Spannung bleibt erhalten oder wird sogar noch größer, weil man weiß, Anna ist tod, im Nebenzimmer tickt ne Bombe … und die Liste, das war die Bombe, und dann muss es aber auch gleich ein bisschen ruhiger werden gleich nach der Bombe … also mich freuts wenn das Ende jetzt besser funktioniert, ohne das ausgeschriebene Ausrasten.

Vielmehr ist er der Leidtragende in der Geschichte. Von Anfang an war er in Anna verliebt, schon seit dem Essen im Burger Laden. Dann die oben genannte Stelle. Er ist nicht interessiert an anderen Frauen, weil er Anna will.
Am See bemerkt Max Annas Verschwinden. Er ist es auch, der als Erster in den See springt. Er liebt Anna. Er hat sie genau so verloren, wie Tom. Doch er darf weder seine Liebe, noch seine Trauer zeigen. Im Gegenteil tröstet er Tom sogar. Habe ich wenigsten ein bisschen recht oder bin ich total auf dem Holzweg?

Er ist schon auch Leidtragender, ja. Da bist du nicht auf dem Holzweg. Ich seh das auch so, dass auch er Anna hinterhertrauert. Nivcht ganz so wie Tom vielleicht, aber schon auch. Ich denke, Max ist halt einer, der sich selbst zurücknimmt. Tom ist im Mittelpunkt, er drängt Max ein Stück weit beiseite im Mcdonalds und bekommt Anna und schreibt von sich und seinem Leid und wird laut … und Max ... ja.
Er ist glaub so ein Typ, der schwer in Ordnung ist, aber es ist vielleicht naturgemäß so, dass man von den anderen in den Hintergrund gedrängt wird, wenn man sich selbst immer zurücknimmt. Sieht man auch, du bist jetzt einer der wenigen, der sich für den interessiert. Rick hat noch gemeint, Tom wirkt gar nicht wie einer, der schreibt, das müsste eigentlich Max sein. Fand ich interessant. Die Geschichte, die ich vor diesem geschrieben hab, da war das auch umgekehrt, das gibt es so ne Maxfigur, der zuguckt und erzählt und den Kumpel tröstet, aber selbst nie wirklich im Mittelpunkt steht. Ich weiß noch, da gab es beinahe nur eine Stelle, wo er sich anmaßt, was über sich selbst zu sagen, ganz ohne Bezug zu den anderen, da sitzt er im BK-Unterricht und meint: ich kann gar nicht malen. Ich bin wie malbehindert. Smiley-Sonne und Kringelwolke, mehr geht nicht. Und dann hat Joblack sich gleich aufgeregt und sinngemäß gemeint: Was interessiert mich jetzt ob der malen kann oder nicht??? Der soll den Mund halten und von Ben erzählen!
So kann das halt laufen mit so Maxtypen. :)

Vielen Dank für den Kommentar. Hat mich sehr gefreut. Die Fehler korriegier ich.

MfG,

JuJu

 

Hallo Juju,

schöne Geschichte, hat mich berührt. Dialoge fand ich größtenteils realistisch, Charaktere auch. Nur der Student Tom am Laptop und Melanie kamen mir dann etwas zu stereotypisch rüber, insbesondere der Satz "Ich hatte gehofft, du könntest mich so wie sie lieben.". Genauso Annas Tod - war garnicht nötig, so weit zu gehen. Im Gegenteil, eine Trennung (aus einem besser überlegten Grund) hätte dieser einfühlsamen Erzählung ein genauso tragisches wie glaubwürdiges Ende verliehen und den mit dem Titel beginnenden Kreis geschlossen.
P.S. Liest sich stellenweise wie aus dem eigenen Erleben geschrieben ;)

 

Hi Juju!
Mach ein Buch daraus und ich werde es lesen, egal wie Klasisch-Romantisch das ist! Dialoge: Top, Charaktere: Top, Schreib-Stil: Individuell und Top, und nochmal die Dialoge: Doppeltop! Nur vielleicht Anna nicht umbringen lassen? Sie ist so eine Liebe...und ein Buch kannst du dann auch nicht mehr draus schreiben wenn sie tot ist ;)

 
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Hallo Felix,

Vielen Dank wieder fürs Lesen und Kommentieren. Der Dialog mit der neuen Freundin zum Schluß ... der ist vielleicht nicht der Beste im Text, das kann schon sein, der ist auch von der Funktion her anders als alle anderen, der bringt mich eher von a nach b, glaub ich. Ist immer ein bisschen eine Herausforderung, denke ich, bei längeren Texten, wenn man da einen gewissen Spaß oder Spannungsfaktor schon drin hat, und den dann wirklich in jeder Szene beizubehalten, das merk ich selbst auch häufig, gerade in Filmen, bei Komödien und so, wo der Plot am Ende kommt und etwas in eine Richtung schiebt .. und dann ist es nicht mehr ganz so lustig. Also der Text wurde ja nicht wegen dieser kurzen Szene mit der neuen Freundin geschrieben, sondern wegen denen mit Anna natürlich, das ist klar. Zu Annas Tod ... also ich meine schon, dass das Ende funktioniert. Die Liste funktioniert ja auch deswegen. Wenn sie nicht stirbt, das ist wieder sehr subjektiv, aber für mich ist das immer noch vom Feeling her ein andere Geschichte. So ist hier die Aussage vielleicht: Die Liebe ist voll schön, folglich ist das tragisch wenn der Partner stirbt. Und nicht dieser erfahrene Blick von oben, der analysiert, und sich die Kinder anguckt und sich sagt: in ein paar Jahren sind die eh nicht mehr zusammen ... das hab ich schon alles mitgemacht bereits und ich weiß das, ich kluger Leser/Autor, und wie die Zeit und das Leben nun mal spielt ..
Auch rein vom Schreibprozess her, bei mir im Kopf ... also ich hab beim Schreiben solche Gedanken gar nicht zugelassen. Es geht hier um das 100%ige Mädchen. Das ist kein Witz oder so, ich glaube, das ist Toms Ernst. Das steckt für mich überall drin, in den Dialogen, in den ersten Sätzen bereits, in der Art, wie er erzählt. Und ich vermute, wenn ich ganz ehrlich bin, dass das hier zu großen Teilen auch den Charme der Geschichte ausmacht. Natürlich ist es dann so, wenn man dieses Ideal des 100%igen Mädchens drin hat, was ja eigentlich das Ideal der Liebe ist, wenn man dieses Ideal den ganzen Text über nie in Frage stellt, dann macht sich die Geschichte auf einer gewissem Ebene auch angreifbar, ist es doch irgendwie die Aufgabe von Literatur Ideale anzugreifen und zu dekonstruieren und so weiter und so fort. Erfahrene Kritiker, die eher oder auch mal literarisch unterwegs sind, Leute wie Fiz und Cube und Quinn, die sind auch eher dazu geneigt, das Ende mit dem Tod zu kritisieren. Ich versteh das durchaus, auch das Bedürfnis danach, ich schreibe und kämpfe gerade selbst mit einem langen Text, sollte ich je damit fertig werde, poste ich ihn hier, der geht tendenziell auch in diese andere Richtung, da geht es weniger um die Jugend und verliebt sein und erste Küsse, sondern um was anderes dann, aber wie gesagt, für mich sind das verschiedene Geschichten, im anderen sind das Erwachsene, in dieser hier schwebt auch so eine Jugendnostalgie mit, meine ich. Also mit einem literarischen Schluß gewinnt hier die Geschchichte vielleicht schon was, aber ich glaube, es geht dann auch was verloren. Das Bedürfnis nach "Liebe" in Geschichten ist nunmal, das muss man auch sagen, ebenfalls sehr ausgeprägt bei uns, auch wenn das nicht immer der "literarischte" Weg ist. Man sagt auch nicht umsonst, "bis dass der Tod uns scheidet." Der Tod ist nunmal der beste Trennungsgrund ist, den es gibt. Alles andere: Karriere, Geld, Stolz, Sex, was weiß ich ... all das muss neben dem großen Ideal der Liebe verblassen. Romeo und Julia können sich nicht einvernehmlich trennen, weil Romeo ein Jobangebot in Hong-Kong bekommen hat. Das geht nicht. Die klassischen Liebesgeschichten, die man so kennt, die enden alle entweder mit: Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage, oder dann gleich mit dem Tod. Gibt da wenig dazwischen. Und auch heute, wenn man eine Umfrage in Deutschland startet und die Leute fragt: Wenn du entscheiden müsstest zwischen der GANZ großen Liebe, oder den Erfolg im Job, oder einer Million Euro oder so .. die ganz große Liebe schneidet da ziemlich gut ab. Aber ich komm jetzt schon wieder ins Schwafeln --
Vielen Dank, Felix!

Hallo Jendrikk!

Auch dir vielen Dank für das Lesen und Kommentieren und das Lob. Ob ich da einen Roman draus mach, glaub ich weniger, aber wer weiß. Auf jeden vielen Dank, mich freut es jedes Mal sehr, zu sehen, bei wie vielen verschiedenen Lesern diese Geschichte Anklang findet, man schreibt und schreibt und gießt ganz viel von sich in diese Figuren hinein, und man weiß man ja nie wirklich, wie das ankommt, also was ich nicht im Vorfeld alles für Gedanken hatte ... und wie das dann aufgenommen wird und dann so viele positive Kommentare, das ist schon toll. Ist aber trotzdem nicht autobiographisch, Felix, sondern eher alles erfunden. Vielen Dank nochmal und einen guten Rutsch euch allen!

 

Huhu! Ich bin durch die Abstimmung auf diese Geschichte gekommen. Habe das schon früher gelesen und wollte unbedingt kommentieren, aber die Faulheit hat gesiegt. Egal, dann schreibe ich zumindest jetzt einen Kommentar.
Der Titel ist eine Anspielung auf Murakami, oder? Deine Geschichte ist aber ganz anders als die von Murakami. Wegen dem Titel habe ich erwartet, dass sie sich trennen werden, der Schluss hat mich echt überrascht.

Das haben alle Zeiten, in denen es keine Anna gibt, irgendwie an sich. Sie sind ein bisschen schwierig.
– Demnach ist sein ganzes Leben schwierig, außer der kurzen Zeit, als er mit Anna zusammen war. Traurig.
Ich finde es cool, wie du schreibst, dein Protagonist ist einerseits naiv, andererseits selbstironisch.
Ich meine, klar, wir saßen am selben Tisch, und sprechen konnte ich schon
– you don’t say?
Er ist so ein ruhiger Typ, der nicht viel spricht, aber er hat Anna echt schnell rumgekriegt :) Vielleicht können die Kinder in dem Alter noch einfach so locker ein Date klarmachen, weil sie nicht gleich an Sex denken.
Interessante Szene, wo sie über Tiere reden, ich habe das wie ein unsicheres Flirten interpretiert, der Junge weiß nicht, worüber er mit Anna reden soll, weil er sonst wohl nie mit Mädchen geredet hat, und ihr Gespräch wirkt total kindisch. Und er denkt währenddessen, wie er sie küssen soll. Süß, wenn man sich das vorstellt.
Die Dialoge zwischen Tom und seinen Freunden, und seine Freunde an sich, finde ich in der Geschichte am besten. Sie kennen Wörter wie „korpulent“, ironisch eingesetzt, und benutzen gleichzeitig Kanackenslang, ebenfalls ironisch. Zidane ist echt ein Highlight. Der Protagonist ist etwas zwischen Zidane und Anna.
Dadurch, dass die Party so ausführlich beschrieben wird, dass dort Ira vorkommt und andere neue Figuren, und diese Adoptionsgeschichte, erwartet man am wenigsten, dass Anna ertrinkt. Es wirkt sehr realistisch, finde ich, so ertrinken Leute auch. Allerdings, wäre sie nicht gestorben, wäre die Geschichte zu alltäglich. So bleibt sie in Erinnerung.

 
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Hallo Schenja,

veilen Dank für die Kritik!


Ich finde es cool, wie du schreibst, dein Protagonist ist einerseits naiv, andererseits selbstironisch.

Das freut mich.


Vielleicht können die Kinder in dem Alter noch einfach so locker ein Date klarmachen, weil sie nicht gleich an Sex denken.

Ja, wobei so locker ist das auch nicht, wenn man das alles zum ersten Mal macht, aber umso schöner natürlich, wenns klappt, so wie hier. (Und umso tragischer, wenns wieder schief geht.) Ich denk, Tom und Anna haben halt den Kopf frei, Anna redet da über die Ewigkeit, wer in unserem Alter so redet, klingt naiv, aber mit 14 hat man noch ne andere Vorstelkung von der Zeit. Da kann ein Sommer noch "ewig" dauern. Das ist noch nicht so mit Leistung und Zukuft und die biologische Uhr und weiß was ich alles, die können sich einfach ausprobieren und agieren und Erfahrungen sammeln, so wie es sein sollte. Inwierfern die jetzt an Sex denken oder nicht .... das spielt nicht so die große Rolle, glaub ich. Ich meine ... wer die ganze Zeit an Sex denkt, der sagt auch nicht nein zum Date, oder? So jedenfalls die logische Logik ... :)

Er ist so ein ruhiger Typ, der nicht viel spricht, aber er hat Anna echt schnell rumgekriegt :)

Zidane ist echt ein Highlight. Der Protagonist ist etwas zwischen Zidane und Anna.

So hatte ich da noch nicht gesehen. Was meinst du damit? Hat das was mit Freud zu tun? Ich versuch mir das grad hinzubiegen. Dann ist Zidane quasi mein 14-Jähriges "Es" und Anna meine verdrängte weibliche Seite oder so? :) Das müssen wir gerthans fragen.
Wobei Tom wirklich nur ne Figur ist, glaub ich. In Wahrheit war ich ja noch viel ruhiger und die Dates hab ich sogar noch viel schneller klargemacht. ;)

Es wirkt sehr realistisch, finde ich, so ertrinken Leute auch. Allerdings, wäre sie nicht gestorben, wäre die Geschichte zu alltäglich. So bleibt sie in Erinnerung.

Schön, wenn das Ende für dich passt. Hab da viel drüber nachgedacht, denk auch, das passt so. Die langweiligen, offenen, sich in nichts auflösenden Enden haben da irgendwie den Anspruch, irgendwie realitätsnaher und tiefgründiger und literarischer zu sein, und manchmal trifft das auch zu, aber manchmal ertrinken Leute auch einfach. Und in der Realität ist das ziemlich tragisch.

Vielen Dank für deine Kritik! Hat mich sehr gefreut.


MfG,

JuJu

 

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