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Wie Fred Yacobian das Universum zerstörte

ish

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31.01.2002
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Wie Fred Yacobian das Universum zerstörte

Fraglos hatte das Universum nicht weit genug gedacht, als es sich aus grauen Klumpen dunkler Materie zusammenballte, um genügend Masse anzusammeln, damit es einen Urknall auslösen konnte.
Fraglos hatte es damals niemals mit der Möglichkeit gerechnet, dass irgendwann nach vielen Milliarden Jahren ein einzelner Typ kommen könnte, der die ganze Arbeit auf einen Schlag zunichte machen würde.
Und vor allem hatte es nicht erwartet, dass dieser einzelne Typ nur durch das Anbohren einer einzelnen Sonne eine Kettenreaktion auslösen könnte, die niemals jemand hätte auslösen dürfen, weil es nicht geplant war, dass diese jemals hätte gefunden werden können.
Es war der einzige Fehler in dem großen Bauplan, den das Universum vor zig Milliarden Jahren auf einem großen Ball aus Nichts aufzeichnete. Eine winzige Ungereimtheit in den Zufallsroutinen - eine Eins, die zu Null wurde, obwohl das absolut unmöglich war.

Als dann die ersten intelligenten Zivilisationen entstanden und damit begannen, das Universum zu bevölkern, und diese Zivilisationen sich mit immer größer werdenden Feuerwerkskörpern gegenseitig immer effizienter auslöschten, wurde es dem Universum zu bunt und es beschloss, sich wieder einmal zurückzuziehen.
Dies war ungefähr zu der Zeit, in der sich einige helle Köpfe auf einem kleinen blaugrünen (und immer mehr zu braun tendierenden) Planeten fragten, wie das Universum entstand und wie es wohl enden würde - und ob es überhaupt irgendwann enden würde.
Die kleinen hellen Köpfe auf diesem kleinen hellen Planeten kamen dann irgendwann zu dem Schluss, dass alles, was beginnt, auf jeden Fall wieder enden müsste. Doch leider kamen sie auch zu dem Schluss, dass man jedes Ende ein wenig hinauszögern konnte.

So vergingen einige Tausend Jahre, die für das Universum ungefähr so lange dauerten wie für einen Menschen das Verschütten einer Tasse Kaffee, und irgendwann wurde Fred Yacobian geboren. Und dies auch nur, weil ein Mitarbeiter in einem Genlabor aus Versehen eine Probe auf den Boden warf, diese von einer mutierten Maus gefressen wurde, die wiederum von einer (ebenfalls mutierten) Katze gefressen wurde, die dann aus irgendeinem Grund, an dem die Wissenschaftler noch viele Jahrzehnte herumrätselten, größer wurde als ein Durchschnittsmensch, schließlich aus einem ebenso ungeklärten Grund schwanger wurde und ein menschlich aussehendes Wesen gebar, das seltsamer war als alle anderen menschlichen Wesen, die je in diesem Labor entwickelt wurden.
Ein Mitarbeiter schlug vor, ihn einfach "Katzenmensch" zu nennen, doch dies wurde kategorisch abgelehnt. Schließlich einigte man sich auf einen heroisch klingenden Namen, mit einem viel weniger heroisch klingenden Vornamen. Man wollte nicht übertreiben, hieß es danach.

Als Fred Yacobian die zweiwöchige Schulzeit beendet und die viertägige Pubertät überstanden hatte, dachte er darüber nach, wie er die Welt verändern könnte.
Für das Universum war es genau dieser Moment, der nicht geplant war und der nie hätte eintreten dürfen. Im Nachhinein fragte es sich, warum es nicht einfach die Sonne dieses mickrigen Planeten vorzeitig explodieren ließ (aus Notwehr natürlich). Doch dann erinnerte es sich wieder daran, dass es sich selbst Regeln gesetzt hatte, die es nicht brechen konnte. Eine dieser Regeln besagte, dass nach dem originären Bauplan nichts mehr geändert werden dürfte, auch nicht an einem winzigkleinen Teil des Gesamtkonzeptes. Eigentlich wollte es sich mit dieser kleinen Klausel nur gegen Schadensersatzansprüche der sich entwickelten Völker absichern, die möglicherweise auf die Idee kommen würden, das Universum wegen der von ihm ausgehenden Ungerechtigkeiten zu verklagen.
In diesem Moment hasste sich das Universum für seine Paragraphenreiterei. Doch es hielt sich an seine Regeln und wartete geduldig ab, was geschehen würde.

Fred Yacobian verbrachte genau drei Tage damit, sich zu überlegen, was das Universum wohl gedacht haben könnte, als es entstanden war. Er erweiterte seinen Geist um ein Vielfaches von Unendlich und kam doch zu keiner befriedigenden Lösung. Nach diesen drei Tagen setzte sich deshalb in ihm die Erkenntnis fest, dass das Universum einfach nur entstanden war, weil es den Gedanken hatte, entstehen zu wollen.
Nach dieser gedanklichen Meisterleistung begann er sich zu fragen, warum das Universum bald wieder in sich zusammenstürzen würde. Und vor allem plagte ihn die bohrende Ungeduld, diesen Zusammensturz noch vor dessen Eintreten aufhalten zu müssen.
Immerhin könnte es schon in 30 Milliarden Jahren soweit sein. Und wie sich Katzenmütter um ihre kleinen Jungen kümmerten, so hatte auch Fred vor, seinen eigenen Kindern - die in genau zwei Jahren, drei Monaten und fünf Stunden im Genlabor 57C geboren werden sollten - eine hoffnungsvolle und aussichtsreiche Zukunft zu schenken. Und dazu musste er das Ende des Universums verzögern.

Das Universum selbst reagierte auf diese Erkenntnisse dieses vergrößerten Katzenhirns mit einer immer stärker werdenden Wut, denn es konnte nicht eingreifen. Die einzige Änderung, die die Paragraphen erlaubten, war der einmalige und unumkehrbare Entschluss zum finalen Rückzug. Allerdings auch nicht plötzlich, sondern ganz gemächlich. Und dieser war ja schon getroffen.
Als das Universum also die Hälfte seines Lebens überschritten hatte und auf die wohlverdiente Rente zusteuerte, baute Fred Yacobian einen ultraschnellen, ultrakleinen, jedoch ultrastarken Gleiter, der ihn zu Alpha Centauri, dem zweitnächsten Stern zur Erde, bringen sollte. Er war sich seiner Sache absolut sicher.

Dort angekommen schwenkte er in eine Umlaufbahn um Proxima Centauri ein, den kleinen Ausreißerstern dieses faszinierenden Systems. Dann klinkte er eine Sonde aus, die sich tief in dessen Eingeweide bohrte. Diese Sonde fing nun an zu vibrieren, und zwar genau in der Frequenz, die für den Stern das Aus bedeuten sollte. Aus einem Grund, den nicht einmal Yacobian näher erklären konnte, schoss Proxima auf seinen großen Bruder Beta zu und kollidierte mit ihm, was eine wunderschöne Explosion verursachte.
Aufgrund dieser Explosion wurde Beta Centauri so aus seiner Bahn geworfen, dass er nun nicht mehr um Alpha Centauri kreiste, sondern dicht an diesem vorbeirauschte und in den unendlichen Tiefen des Alls verschwand.
Yacobian hatte ausgerechnet, dass Alpha Centauri nicht lange ohne seinen Partner überleben könnte, und genau dies war auch der Fall. Nach kurzer Zeit verblasste Alpha und wurde immer kleiner und kleiner. Er spuckte riesige Mengen Energie aus, die irgendwo in diesem Universum den Grundstein für neue Planeten und neue Zivilisationen gelegt hätte, wenn Alpha nicht zufälligerweise - aus dem ziemlich banalen Grund, weil selbst das Universum nicht perfekt war - Teil einer Reaktionskette gewesen wäre, die auch nach Abschluss der Entwurfsphase noch vorhanden war, obwohl sie eigentlich hätte entfernt werden sollen. Der Grund dieser Reaktionskette war nichts weiter als ein vorgezogener Abbruch und Übergabe der Kontrolle an den Entwurfsleiter. Aber immerhin mit Fehlerüberwachungsfunktion.

Als nun in Galaxie 4537221A dieses kleine Licht erlosch (was normalerweise niemanden gestört hätte), erlosch kurze Zeit später auch ein Licht in Galaxie 6533622C, und kurz darauf eines in Galaxie 2237742U (was zudem den Tod einer Zivilisation zur Folge hatte, die gerade dabei war herauszufinden, wie lange ihre Sonne wohl noch existieren würde), und dies setzte sich in immer schnellerer Folge fort, bis selbst Fred Yacobian in seinem kleinen Gleiter um den braunen Klumpen eines ehemaligen Sterns erkannte, dass irgendwo in seinem genialen Hirn ein Denkfehler existieren musste.

Wenn es einen Betrachter gäbe, der sich gleichzeitig in unmittelbarer Nähe aller Sonnen in diesem Universum aufhalten könnte, dann wäre es ihm möglich gewesen mitanzusehen, wie sich eine nach der anderen in einem zischenden Akt eines letzten Aufbäumens gegen die Ungerechtigkeit des Lebens in einen kleinen dreckigen Staubball verwandelte.
Doch da es diesen Betrachter nicht gab, wusste keine Zivilisation in keiner Galaxie etwas von dem Schicksal, das sie ereilen würde, bis es sie schließlich traf. Denn obwohl viele Sterne am Himmel der romantischen Nacht noch so beständig leuchteten wie in der Nacht zuvor, so hatten sich die meisten schon in ein dunkles, kaltes Etwas verwandelt.
So wusste auch auf der Erde niemand etwas von den Ereignissen, die sich bei Alpha Centauri abgespielt hatten. In etwa vierkommadrei Jahren hätte man es sehen können, wie sich Proxima auf Beta stürzte und Alpha völlig verstört verkümmern ließ. Doch schon nach nur zehn Minuten schaltete sich die Sonne aus und überließ die Erde nach weiteren acht Minuten einer neuen Eiszeit.

Die meisten Menschen erfroren innerhalb weniger Minuten. Viele erfroren innerhalb weniger Stunden. Einige erfroren innerhalb weniger Tage. Und ein paar wenige Präsidenten und Generäle saßen in ihren unterirdischen Bunkern und betrachteten die Monitore, die in wirren Zahlen die Aussage vermittelten, dass das Ende der Welt eingetroffen sein musste.
Nach einigen Minuten der Verwirrung begannen die Überlebenden auf den großen Kontinenten damit, sich gegenseitig des Abschusses der Sonne zu beschuldigen.
Auf dem Höhepunkt des Streits schwirrten ein paar wenige Finger über ein paar kleine rote Knöpfe und die großen Ultratom-Raketen, die jahrzehntelang auf diesen Tag gewartet hatten, verwandelten die Erde und alles, was auf ihr lebte, ebenfalls in einen dunklen staubigen Ball.

Auch Fred Yacobian wusste nicht auf Anhieb, was um ihn herum geschah. Alpha Centauri war wie geplant abgeschaltet worden, und eigentlich hätte diese Tat das Ende des Universums um etwa dreissig Milliarden Jahre in die Zukunft verschieben müssen. Doch als ihm seine Instrumente anzeigten, dass die Sonne seiner Heimat vernichtet wurde (obwohl er sie noch deutlich aus seinem Cockpit heraus sehen konnte) und alles Leben auf der Erde ausgelöscht war, wurde ihm bewusst, dass er einen Vorzeichenfehler gemacht haben musste.
Natürlich war Fred nicht so verrückt, allen Menschen vor seiner Abreise zu erzählen, was er vor hatte. Er hatte geplant, die Neuigkeit erst im zu 100% erwarteten Erfolgsfall und nach seiner Rückkehr großartig zu verkünden. Er hatte sich auf Sektparties gefreut, und auf viele Frauen, die ihn als Helden feiern würden. Und nun saß er da, in seinem kleinen Gleiter, der um einen grauen Klumpen Müll herumflog, und musste sich gedanklich mit der Vorstellung anfreunden, dass er das Universum vernichtet hatte.
Der Mann, der vor wenigen Jahren das Reaganzglas im Genlabor zu Boden fallen ließ, wäre wahrscheinlich auch froh darum gewesen, dass Yacobian seine Pläne für sich behalten hatte. Ansonsten wäre er wohl an einem ziemlich schlechten Gewissen noch vor dem Ende der Welt zugrunde gegangen.
Fred Yacobian musste grinsen, als sich sein Schiff und die Überreste von Centauri in Bewegung setzten und immer schneller auf einen kleinen Punkt in der Mitte des Universums zurasten. Der einzige Mensch, der den Untergang des Universums hautnah miterleben durfte. Für ihn war das der Sinn seines Lebens. Auch wenn es anders geplant war.

Das Universum fand dies alles gar nicht lustig, weil es sich einer Zeit beraubt fühlte, die für viele Sterbliche die schönste ihres Lebens war. Als es sich mit großem Getöse zusammenzog, überlegte es sich, ob das nächste Leben ein erholsameres Ende nehmen würde. Es verwarf den Gedanken, und alles was blieb, war nichts als Nichts.

 

Hallo ish,

meine ganz persönliche, subjektive, unmassgebliche, voreingenommene, etc. Meinung ist, dass dein Text in die Sparte fällt: "Humor ist, wenn man trotzdem lacht."

Die Grundidee wie auch die Ausführung ist albern - und "albern" gebrauche ich hier nicht im Sinne von "lustig".

Klaus

[Beitrag editiert von: StarScratcher am 05.02.2002 um 19:22]

 

Hi ish,

ich glaube du hast dich von einer sehr bekannten fünf-teiligen Trilogie inspirieren lassen. Denn der Stil der Geschichte und der Name Fred Yacobian erinnern mich zu sehr an Arthur Dent und Ford Prefect. Na ja alles in allem sehr lustig, wenn auch für meinen Geschmack etwas zu sehr abgeschaut.

In diesem Sinne.....zweiundvierzig

MfG nightboat

 

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