- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 4
Wie entsorge ich meinen Karsten?
Karsten versuchte so leise wie möglich zu sein, Martina sollte möglichst nicht mitbekommen, wann er nach Hause gekommen war. Sie nahm es ihm zwar nicht übel, schließlich mussten diese vielen Überstunden sein. Seine Karriere war für Martina das Wichtigste. Sie sonnte sich gern in seinem Erfolg, weil sie wußte, dass ihr Anteil daran nicht gerade klein war. Und sie ließ es auch den Rest der Welt gern wissen, was sie alles für Karsten tat. Auch Karsten selbst hörte es täglich bis zum Abwinken. Jedenfalls wenn er denn mal zu Hause war.
Aber er profitierte davon auch in vielerlei Hinsicht. Sie glaubte ihm immer, wenn er behauptete, er müsse Überstunden oder eine Dienstreise machen. Was wiederum seiner Beziehung zu Astrid sehr zugute kam. So kaufte Astrid ihm sogar ab, wenn er ihr vorlog, seine Frau wüsste von ihr, wollte es aber nicht öffentlich haben. Leider klammerte Astrid immer mehr, er würde sie wohl bald austauschen müssen, gegen ein neues Model. In seiner siebenjährigen Ehe wäre das der dritte Austausch und Martina hatte von keinem etwas mitbekommen. Überhaupt wusste sie von seinen nebenehelichen Aktivitäten immer noch nichts. Das sollte auch so bleiben.
Sie hatten sich vor vier Jahren ein villenartiges Haus in einem chicen Hamburger Vorort gekauft. Jeder nahm an, dass nun auch langsam Kinder kommen würden, aber Martina wollte noch warten bis Karstens Karriere gefestigter wäre. Und vor gut einem Jahr war Karsten nun auch vollberechtigter Partner in der angesehenen Hamburger Anwaltskanzlei geworden. Natürlich musste er jetzt noch mehr arbeiten und natürlich waren Kinder wieder einmal kein Thema.
Karsten war sich auch gar nicht sicher, ob er überhaupt jemals von sich aus den Wunsch haben würde, Vater zu werden. Aber Martina gegenüber wäre es wohl nur fair, wenn er ihr bei einem eventuellen Kinderwunsch entgegen kommen würde. Ihm war es eh egal, sie hatte alles so gut im Griff zu Hause, da würde auch ein Kind noch keine Gefahr für seine Ruhe und sein eigenes Leben darstellen. Eigentlich wäre nun der richtige Zeitpunkt gekommen, dachte Karsten sich.
Allerdings hatte er wie meistens keine Ahnung, was Martina wollte. Sie hatte überhaupt kein Interesse an Kindern. Sicher würde sie eine furchtbare Mutter sein; ungeduldig, zickig und vermutlich auch noch eifersüchtig, falls die lieben Kleinen den Vater lieber mochten. Außerdem würden Kinder ihre gesamte Lebensplanung durcheinander bringen. Endlich hatte sie das Haus vollständig eingerichtet, jede Wohnzeitschrift hätte sich um eine Reportage über die Inneneinrichtung geprügelt. Das würde sie sicher nicht von Kindern zertrümmern lassen.
Wenn sie schon die Gören ihrer früheren Freundinnen sah. Gut, die Kinder konnten nichts dafür, dass sie Eltern hatten, die ihnen keinerlei Grenzen aufzeigten. Aber würde sie selbst wirklich mehr Einsatz zeigen? Also keinesfalls Kinder. Es bestand natürlich die Gefahr, dass Karsten bei einer seiner Nebenfrauen, wie sie die Verhältnisse für sich nannte, eines Tages Vater sein würde. Sie wollte ihm jedoch dringend raten, vorsichtiger zu sein. Sonst würde ihm ein Racheengel noch nett erscheinen gegen Martina.
Der Garten war noch nicht perfekt, fand Martina. Aber jetzt wo Karsten als Teilhaber ein deutlich höheres Jahreseinkommen hatte könnten sie sich diesen extravaganten Gartenarchitekten leisten, den ihre Nachbarin Thea aus dem Hamburger Geldadel, ihr empfohlen hatte. Thea hatte ihr auch schon bei der Einrichtung geholfen. In den teuren Fitnessclub direkt an der Alster hatte auch Thea sie eingeführt. Inzwischen waren sie Freundinnen geworden, die alten Freundinnen hatte Martina nach und nach fallen lassen. Sie passten einfach nicht in das Gesamtkonzept für ihr Leben.
Karsten schlich sich in sein Bett. Martina lächelte in sich hinein und stellte sich schlafend. Ihr sollte es nur recht sein wenn er sie in Ruhe ließ und so tat sie ihm den Gefallen, nichts zu merken. Bald würde ohnehin wieder eine Veränderung bevorstehen. Sie merkte immer wenn Karsten von seiner momentanen Freundin genug hatte. Leider bemerkten auch die Frauen seinen Abschied auf Raten und wurden so verzweifelt, dass sie meinten, sie müssten das Verhältnis bei Martina verpetzen. Sie legte jedoch grundsätzlich auf und tat als würde sie die Berichte nicht glauben. Die momentane Trulla hatte offenbar noch nicht gerafft, wie nah das Ende der Beziehung war, sie rief nur bei Martina an und legte auf. Müßig fragte Martina sich von Zeit zu Zeit, was das für Frauen waren, die sich so verkaspern ließen.
Was konnte eine Frau schon von einem verheirateten Mann erwarten. Was hatte sie zu erwarten. Nicht einmal sein dickes Gehalt bekamen sie in die Finger, sie wurde nur alt während sie wartete. In der Öffentlichkeit konnte sie sich nicht mit ihm zeigen, sie durfte nicht einmal jemandem von ihrer „großen“ Liebe erzählen. Das war doch kein Leben. Nicht, dass Martina überhaupt an Liebe glaubte, aber sie glaubte an ein bequemes Leben, traumhafte Reisen, eine vorbildliche Absicherung für das Alter und das konnte Karsten ihr schließlich im Überfluss bieten. Und so liebte sie ihn auf ihre Art.
Sie hatte sich Karsten ganz gezielt und nach vielen Recherchen ausgesucht. Seine Professoren hatten ihm eine glänzende Zukunft voraus gesagt und die Partner aus der Kanzlei, bei der er heute ebenfalls Partner war, hatten ihm bereits eine Stellung in Aussicht gestellt. Ihr Auswahlverfahren war Karsten natürlich bis heute unbekannt. Nach seiner Erinnerung hatte er die schüchterne, blonde, ganz leicht mollige Frau beim Tennis getroffen und ihre unbeholfene Art, mit dem Schläger umzugehen, hatte ihn gerührt. So bot er an ihr Tennisunterricht zu geben. Und sie lernte schnell. Was kein Wunder war, spielte sie doch schon vor ihrer Bekanntschaft viel besser als er. Die blonde Haarfarbe war auch neu, sogar ein wenig Gewicht hatte sie zugelegt, nachdem sie sich seine früheren Freundinnen angesehen hatte. Bis zur Hochzeit hatte sie ihm diese Frau vorgespielt und sich dann so allmählich, ganz langsam wieder in sich selbst zurückverwandelt, das Karsten dachte, so wäre sie schon immer gewesen. Er konnte sich gar nicht mehr erinnern, warum er früher den Eindruck gehabt hatte, sie wäre unbeholfen und unsportlich.
Heute hatte sie sein Leben ganz klar in ihrer Hand und sie waren beide zufrieden damit. Er konnte tun und lassen was er wollte und sie war vollständig abgesichert. Eines Tages würde sie mehr wollen, das war ihr selber klar. So plante und arbeitete sie weiter an ihrer Zukunft. Karsten hatte ein sehr hohe Lebensversicherung, die aber gar nicht nötig gewesen wäre, um Martina abzusichern. Er war der Meinung eine Lebensversicherung gehörte sich einfach, wenn ein Mann Frau und Eigenheim zu versorgen hatte. Durch die Teilhaberschaft in der Kanzlei würde aber auch nach seinem Tod immer Geld fließen. Zumindest genug, damit Martina ein schönes Leben nach ihren Vorstellungen führen konnte.
Einzig die Gefahr eines außerehelichen Kindes machte ihr Sorgen. Eines Tages wird eine dieser Frauen gerissen genug sein um schwanger zu werden und Karsten nicht klug genug, einer solchen Falle aus dem Weg zu gehen. Dann müsste Martina im Falle eines Falles teilen. Und Teilen lag ihr nicht. Ganz und gar nicht. Sie schüttelte sich direkt bei dem Gedanken. Bisher hatte sie immer bekommen was sie wollte und niemals teilen müssen, das sollte auch tunlichst so bleiben. Sie konnte nicht einmal verstehen wieso einige Paare beim Frühstück grundsätzlich die Brötchen teilten.
Da sie keine Möglichkeit sah, ihn unfruchtbar werden zu lassen, außer vielleicht radioaktive Verseuchung, musste eben der ganze Karsten entsorgt werden. Dies wäre die beste Lösung. Martina hatte auch schon eine Idee, wie das zu bewerkstelligen wäre. Einzig der Zeitfaktor machte ihr Kopfzerbrechen. Sie wollte nicht überstürzt handeln, um keine Fehler zu machen, aber andererseits konnte natürlich auch jederzeit Karsten ein kleiner Fehler mit seiner Verhütung unterlaufen.
Einmal im Jahr, zu ihrem Hochzeitstag, gingen Martina und Karsten japanisch Essen. Da sie in Wirklichkeit den rohen Fisch nicht ausstehen konnte, machte sie zu Hause nie Sushi. Einer der wenigen Wünsche, die sie Karsten nicht erfüllte. In zwei Wochen wäre es wieder so weit. Martina fing an, sich im Internet über Kugelfisch zu informieren. Sie hatte mal irgendwo gelesen, das bestimmte Teile davon hochgiftig wären.
Am Tag vor dem Hochzeitstag ging Martina zum Fischmarkt, wie gut, dass sie in einer regelrechten Fischhauptstadt wohnten. Das Gift des Kugelfisches war hauptsächlich in Haut, Leber und Eierstöcken des Fisches enthalten, wie sie herausgefunden hatte. Tetrodotoxin, so hieß das Gift, wirkte auf die Körpernerven die das Opfer dann lähmten. Sie würden sich eine der nahezu uneinsehbaren Nischen beim Japaner geben lassen. Wohlmöglich bestände sonst bei rascher Hilfeleistung für Karsten die Chance zu überleben, was Martina natürlich nicht zulassen durfte.
Sie hatte also einen Fisch gekauft und zu Hause „fachgerecht“ verarbeitet. Fünf Häppchen sollten sicher ausreichend sein und wanderten somit gut verpackt, Tupper sei Dank, in ihre Handtasche. Bevor sie aufbrachen zum Restaurant, hatte sie noch eine Flasche Champagner geöffnet. Wusste sie doch, dass Karsten von Champagner ständig zur Toilette musste. Sie hätte natürlich auch ein Abführmittel reinmischen können, wollte aber nicht das er möglicherweise den Fisch wieder loswurde, bevor der zu wirken begann. Also reichte ein handelsüblicher Harndrang sicher für ihre Zwecke aus.
Scheinbar war dies einer ihrer Glückstage, sie bekamen die Nische im Restaurant, die am wenigsten einsehbar war. Karsten war richtig gerührt, dass sie so gern mit ihm allein sein wollte und durch den Champagner in richtiger Feierlaune. So bestellte er sofort noch Champagner und sie tranken auf ihre erfolgreiche Ehe. Kaum war das erste Sushi auf dem Tisch, musste Karsten zur Toilette. Das passt doch perfekt, dachte Martina, während sie ihm die mitgebrachten Häppchen Kugelfisch auf den Teller schob. Der einzige Minuspunkt des Abends, war die Tatsache, dass sie nun schnell sein eigentliches Sushi essen musste, damit der Teller nicht zu voll wäre.
Karsten schlang seine Vorspeise herunter, während Martina ihn gespannt beobachtete. Sie musste bei den ersten Ausfallerscheinungen rasch auf die Damentoilette gehen und dort eine Weile bleiben. Sonst würde sie sicher gefragt werden, warum sie nicht gleich um Hilfe gerufen hätte. Gut, dass sie nicht das Gleiche bestellt hatte wie Karsten. Plötzlich röchelte Karsten, Martina stand schnell auf und ging auf die Damentoilette. Sie hatte sich extra etwas zu lesen in ihre Handtasche gesteckt, sie musste mindestens zehn Minuten hier bleiben, dann wäre sie sicher. Falls in der Zwischenzeit niemand zufällig an ihrem Tisch vorbeikam, sollte sich Karsten dann erledigt haben.
Sie bekam das Buch nicht mehr aus der Handtasche, auf der Toilette sitzend war sie am ganzen Körper gelähmt und erstickte langsam. Karsten erging es am Tisch nicht besser. Gemeinsam wurden sie beerdigt, das Restaurant wurde geschlossen. Der Besitzer, der die Beiden auch bedient hatte, verstand immer noch nicht wieso Beide gestorben waren, sie hatten doch gar nicht das Gleiche gegessen. Aber nur eine Leiche hätte sein Geschäft auch nicht gerettet, also war die Grübelei müßig.
Die Kanzlei, in der Karsten gearbeitet hatte, löste den Haushalt auf und regelte die Abwicklung des Testaments. Nahe Verwandte gab es nicht. Bis die ehemalige Sekretärin von Karsten die gesamte Post gesichtet hatte. Dann war klar: es gab doch einen Erben. Eine Astrid Krüger hatte an Martina geschrieben und sie gebeten Karsten freizugeben, weil sie ein Kind von ihm erwartete.