Wie ein Schmetterling
Hin und wieder kommt ein Schmetterling vorbei geflogen. Du weißt, ihn einzufangen ist nahezu unmöglich, auch wenn es einige Unbelehrbare erfolglos versuchen. Also streckst du deine Hand aus. Einige Schmetterlinge fliegen einfach weiter, als würden sie die Einladung gar nicht zur Kenntnis nehmen. Andere wiederum wollen sich nur kurz ausruhen. Wieder andere sind neugierig auf deine Einladung und setzen sich erwartungsvoll auf deine einladende Hand.
Wie reagierst du, wenn ein Schmetterling sich dir nähert? Die meisten Männer schließen die Hand sobald er sich gesetzt hat. Sie wollen nicht, dass der Schmetterling wieder wegfliegt. Je schöner der Schmetterling, umso fester halten sie die Hand verschlossen. Sie hoffen ihn so bei sich behalten zu können. Doch es ist ein Verbrechen, nichts anderes. Diesem kleinen zerbrechlichen Wesen wird dabei jede Freiheit genommen. Und je länger der Schmetterling in diesem Griff feststeckt, umso mehr will er zurück in die Freiheit. Bei der ersten Gelegenheit wird er davon fliegen. Der Schmetterling ist unglücklich und gefangen. Allerdings gibt auch einige, die werden nicht mehr wegfliegen, weil sie sich irgendwann an die Gefangenschaft gewöhnt haben und gar nicht mehr wissen wie es ist frei zu sein. Sie reden sich vielleicht sogar ein, dass die Hand sie vor Gefahren schütze oder andere Orte ohnehin nicht viel besser seien. Sie arrangieren sich mit der Situation und geben sich zufrieden.
Und weil ich nicht wie all die anderen Männer sein wollte, ließ ich meine Hand offen. Wenn sich ein schöner Schmetterling auf meine Hand setzte, ließ ich meine Hand geöffnet. So konnte er jederzeit wieder davonfliegen und behielt jederzeit seine Freiheit. Ich freute mich solange er bei mir war. Ich wollte dass er bleibt, nicht jedoch, wenn er doch eigentlich ganz woanders sein wollte. Doch so völlig frei beginnt der Schmetterling sich zu fürchten. Denn er sitzt völlig ungeschützt auf meiner Hand. Sobald der erste Wind weht, wird er davon getragen, selbst wenn er bleiben will.
Deshalb schließe ich meine Hand nun ein wenig. So ist er geschützt, vor Wind und Wetter. Egal was passiert, er braucht sich keine Sorgen machen, er ist umgeben von meiner schützenden Hand. Er wird die Grenzen regelmäßig herausfordern und immer wieder gegen meine Hand laufen, sich drehen, sich bewegen. Und mir scheint es lästig und es stört mich, doch muss der Schmetterling diese Grenzen spüren, nur um sicher zu gehen, dass die schützende Hand noch immer da ist. Dann wird er auch bleiben wollen. Gleichzeitig lasse ich die Hand auch immer ein Stück offen, so dass der Schmetterling jederzeit zurück in seine Freiheit kann. Ich freue mich wenn er bleiben mag. Wenn er sich dazu entschließt davon zu fliegen, bin ich kurz traurig, weil er nicht mehr da ist, nicht mehr Teil meines Lebens ist. Doch freue ich mich, wenn er dort ist, wo er sein möchte, an welchem Ort, in wessen Hand das auch immer das sei.
Du warst mein Schmetterling, ich ließ meine Hand zu sehr geöffnet…