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Wie ein Augenblick
Wie ein Augenblick
Ich erwachte aus einem wonnevollen Schlaf an einem herrlichen Samstagmorgen. Ausgeschlafen und glücklich sprang ich aus dem Bett. Wie immer lasse ich während der ersten Minuten klassische Musik als meine Morgenbegleitung laufen und schreite so weiter vom Bett ins Badezimmer. Das Alltägliche fällt an. Klogang, Hände und Gesicht waschen, Haare zum Kämmen befeuchten und leicht trocknen, dann kämmen und schließlich noch Zähneputzen sowie Deo unter die Achseln sprühen und die rauen Hände eincremen. Nun noch schnell Socken über die beiden Füße stülpen und in die Hose schlüpfen, dann noch die Unterhose unter der Hose zurechtrücken, sodass sie möglichst lang bequem sitzt und dann ins große Zimmer zurück, ein T-Shirt aussuchen, es vom Kleiderbügel herunterziehen und über den Kopf werfen, dann noch einen Troyer oder einen Rollkragenpullover aussuchen und anziehen und schlussendlich noch in die Turnschuhe steigen. Fertig ist das Morgenfest – die Musik erlischt.
Die Treppen hinunter zu der Wohnung meiner Eltern – ja, ich lebe noch daheim. Alle in der Wohnung: Mutter, Vater sowie Schwester sind noch tief im Schlaf versunken, obwohl es schon sieben oder acht Uhr schlägt. Die Ferienzeiten sind immer schon sonderbarer als die Schulzeiten gewesen, dennoch wache ich, egal zu welcher Zeit, wesentlich früher als alle anderen im Hause auf und beginne meinen Tag wesentlich rasanter und positiver, vor allem wohlgestimmter ... Wie dem auch sei, ich schreite also durch den Flur zur Küche hin, möglichst leise, ich möchte ja niemanden absichtlich wecken, Licht an ... Wasserkocher an ... Tasse mit Teebeutel vorbereiten, meist eine Petersburger Mischung oder einen beliebigen Chai Tee, das kochende Wasser mit Bedacht in die tiefe Tasse gießen, bloß aufpassen, dass der Teebeutel mitsamt der Schnur und dem Papier nicht plötzlich ganz im kochenden Wasser verschwindet. Sechs oder acht Minuten in die digitale Uhr eintippen und mich setzen. Heute nahm ich mir kein Buch von oben mit. Ich warte gespannt auf das letzte Woche bestellte Novellenband von Mann ... Es soll am Montag kommen, daher fange ich heute nichts Neues an. Wenn es die Begierde verlangt, beglücke ich mich an kleinen, aber wunderbaren Novellen von Puschkin oder Gogol, damit vergeht die Zeit immer wie im Flug – heute Morgen aber nicht, dabei weiß ich keinen Grund aufzuführen ... Vielleicht unschuldige Faulheit – ist auch egal.
Die Uhr bimmelt nervig, immer und immer wieder derselbe Takt, in wiederholender Zeit, es wartet nur auf den genervten Menschen, der sich dazu bemüht, es schnellstmöglich abzustellen – mit Erfolg.
Den Teelöffel schon parat, schwenke ich ihn in der Tasse, fische den Beutel heraus und drehe die Schnur ein paar Mal um den Löffel herum, wringe und klopfe den Beutel in den Müll, danach hole ich mir den verdienten Zuckerwürfel aus dem Schrank, tunke ihn ein kleines bisschen ein und beobachte das Schauspiel, wie sich der kleine Würfel mit dem Wasser vollsaugt. Es ist brauner Rohrzucker, der löst sich nicht direkt auf, hat dazu noch eine sehr angenehme Karamellnote, schließlich lasse ich den Würfel in sein heißes Übel eintauchen und löse ihn vollends mit herumrühren des Teelöffels auf – weg ist seine feste Form.
Heiter von dem albernen Spiel nehme ich die Tasse am Henkel und gehe ins anliegende Esszimmer, schreite unter einem sehr breiten Bogen hindurch, früher war es Mal die alte Hausmauer und setze mich an meinen Platz, an den Tisch. Es dampft gewaltig, aber dennoch kann ich mich nicht zurückhalten, den Tee zu probieren, ich führe also den Streich an mir selbst aus, führe die Tasse zum Mund und schlürfe ein wenig, setze sofort wieder ab, viel schneller, als das Anheben geschah, wer verübelt es mir, ich hab mich natürlich böse verbrannt und fluche in Gedanken über meine Schusseligkeit, man kann diese auch Dummheit nennen, mit Verlaub, ich darf mir solches anlasten.
Eine halbe Stunde müsste ich nun schon wach sein und fühle mich allmählich munterer und bereiter für den trägen Samstag ... Wie dem auch sei, ich zücke mein Handy, die Quelle der Unterhaltung und schaue bei meinem Streaming-Dienstleister meine ausgewählte Serie weiter, ich schaue eine Folge, dann die nächste, es folgt eine weitere ... Da bekomme ich genug und lege das Handy beiseite und kehre in die Realität zurück: Mutter und Vater sind wach, der Tee ist eiskalt und der Morgen schon längst vorbei, allein der Vormittag blüht und alles lebt um mich herum, ich aber sitze am Tisch und verlor mich bereits am frühen Morgen; Da wird mir unwohl zumute, gerade das geschah schon häufiger – erschreckend!