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Wie DEUTSCHLAND gerettet wurde!

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26.08.2002
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Wie DEUTSCHLAND gerettet wurde!

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Berlin, im Mai 2045. Die irgendwann mal freie deutsche Journalistin und Schriftstellerin Ulrike Glas erinnert sich in ihrem Aufsatz „Vom Clou zum Schuh“ an die Rettung Deutschlands im Jahr 2006.
Hautnah dabei war Ulrike Glas oft, wenn es darum ging, über brandaktuelle gesellschaftliche Themen zu berichten. 2006 war sie eine der wenigen, die über einen geheimen Modellversuch der deutschen Regierung zur Rettung Deutschlands informiert wurde. Die heute 83-jährige verrät uns ein wenig, wie es damals war:

„Damals... wusste die Öffentlichkeit so gut wie nichts. Deutschland war schon seit Anfang 2003 gelähmt. Regierung und Opposition sprachen von Zusammenarbeit, aber sie hätten es nur mit Not geschafft, gemeinsam eine Knorr-Hühnersuppe aus der Packung zuzubereiten. Die Arbeitslosigkeit stieg in fröhlichem Einklang mit der Staatsverschuldung, die Kassen waren leer und es gab eine große Wirtschafts- und Steuerflucht ins Ausland. Ebenfalls ins Ausland geflohen (und untergetaucht) waren dann im Mai 2005 auf einen Schlag alle Mitglieder der damaligen Koalitionsregierung aus SPD und den GRÜNEN.
Auf Neuwahlen wurde verzichtet, weil sich die SPD und die GRÜNEN ersatzlos auflösten, was wenigstens konsequent war, und es bildete sich eine Regierung aus CDU/CSU und der F.D.P., die als erste Amtshandlung den Bundestag abschaffte, der ohne Opposition keine Funktion mehr hatte.

Im Januar 2006 erhielt ich dann eine Einladung der deutschen Bundeskanzlerin Angelika Eisenbock nach Bayern. Es ging um die Präsentation eines Modellversuchs zur Rettung Deutschlands mit dem Namen ‚Neuer Standort Deutschland Plan’. Auf dem Programm standen zuerst eine Expertenanhörung und tags darauf die Besichtigung einer Schuhfabrik in Weilheim. Außerdem sollte ich mich auf einen längeren Aufenthalt einstellen. Meine Person und andere herausragende Journalisten sollten mit Angestellten der Schuhfabrik zusammentreffen und diskutieren, um uns ein Bild vom ‚Neuen Standort Deutschland Plan’ zu machen.

In der Anhörung trafen wir Journalisten auf eine Reihe hochrangiger Wirtschaftsexperten wie den Arbeitgeberpräsidenten Dieter Köter und den hessischen Ministerpräsidenten Roland Cock.
Die Öffentlichkeit war ausgeschlossen. Fortschrittsfeindliche Organisationen wie Gewerkschaften, Kirchen und soziale Gruppierungen sollten anfangs an der Diskussion gehindert werden, um eine negative Voreingenommenheit in der Bevölkerung zu vermeiden. Eine positive Stimmung war wichtig. Ich war stolz, dabei zu sein.

Wir erhielten ein bahnbrechendes Thesenpapier. Es müsse darum gehen, so war zu lesen, die Deutschen aus der Depression zu führen. In einer zunehmend von materialistischem Denken dominierten kapitalistischen Gesellschaft war der Blick verbaut auf die grundlegenden emotionalen Bedürfnisse der Menschen.
War es nur Geld, das glücklich machte? War Freiheit eine Garantie für ein erfülltes Leben? Gab es nicht gesellschaftliche Modelle statischer Ordnung, in denen Menschen zufriedener waren als heute? Suchten nicht Menschen aller Epochen nach ihrem festen Platz in der Welt?

Wir erfuhren, man habe die Stadt Weilheim zu einer separaten Zone gemacht, in der seit kurzem ein innovatives wirtschaftliches System gelte, inklusive separater Steuergesetze und separatem Bürger- und Staatsrecht. Weilheim war abgeriegelt, es galt Telefon- und Handyverbot - es gab keinerlei Möglichkeiten, Informationen aus Weilheim nach draußen zu bringen. Panzerwagen bewachten die Zufahrtsstraßen. Es war wahnsinnig aufregend!

Am zweiten Tag gab es den berühmten Besuch der Weilheimer Schuhfabrik, den ‚Knobelbecher-Gang’ (wie er später in den Geschichtsbüchern genannt wurde), wo wir Journalisten Gelegenheit bekamen, mit Weilheimer ‚Arbeitnehmern’ (wie es damals noch hieß) zu sprechen.
Als Erstes hörten wir die Rede des Weilheimer Bürgermeisters Rudolph Riebel. Er informierte uns, dass Weilheim auf Grund des neuen Modells die Arbeitslosenquote auf null Prozent gedrückt habe: Vollbeschäftigung. Da fielen uns natürlich die Plomben aus den Zähnen.

Der Vorarbeiter der Schuhfabrikhalle, ein dicker Mann namens Bernhard Bündig in einem blaufarbenen Flanellhemd, betrat das Podium und erzählte mit breitem Gesicht und einer Miene, als hätte er kurz vorher draußen das Christkind getroffen, dass er endlich wieder ruhig schlafen könne: „Das Schlimmste für uns Schuhfabrikarbeiter war die Angst vor der Kündigung, dass wir kein Dach mehr über dem Kopf haben und unsere Kinder nicht mehr ernähren können“, sagte er. „Und ich sogar, obwohl ich gar keine Kinder habe.“ Aber das sei jetzt glücklicherweise vorbei, weil Deutschland sei jetzt zumindest in Weilheim wieder international wetterwerbsmäßig, sagte er und schaute zum Bürgermeister, als er fertig war.
„Er meint wettbewerbsfähig“, sagte der Bürgermeister. „Das Entscheidende für diese Menschen hier ist, dass sie Sicherheit haben und dass sie... dazu gehören. Das Schlimmste für einen Arbeitslosen oder auch Rentner ist doch das Psychologische... das Gefühl, überflüssig zu sein, nicht mehr gebraucht zu werden. Es ist menschliche Bindung, die zählt.“

Mich hielt es jetzt nicht mehr auf dem Sitz, ich sprang auf, ergriff das Wort und fragte Bernhard Bündig, ob er glaube, sich seines Arbeitsplatzes jetzt bis zur Rente sicher zu sein. Bündig schaute zum Bürgermeister. Blickte in die Runde der Journalisten und Kollegen und Politiker und sagte dann in eine gespannte Stille, die vollkommener nur in den Tiefen des Universums zu finden ist: Er wisse jetzt nicht so recht, was ich mit Rente jetzt genau meinte? Ich rief: „Na, eben Rente!“ Und als Herr Bündig nichts mehr sagte, sondern nur wieder zu seinem Bürgermeister schaute, erhob sich Bundeskanzlerin Eisenbock und ergriff ihrerseits das Wort in der Schuhfabrik, dem Geburtsort des Neuen Standort Deutschlands, - wie uns später für immer klar wurde.

Frau Eisenbock erklärte, dass endlich verstanden worden wäre, dass es die Politik - also der Staat - war, der Deutschland jahrelang gelähmt hatte - Regulation, Gesetze, pure Strangulation jedes Unternehmergeistes.
Da unterbrach ich: „Wie kann es in Weilheim Vollbeschäftigung geben, während deutschlandweit die Arbeitslosenquote bei 16 Prozent liegt?“ Ich war aufgeregt und wandte mich noch mal an den Vorarbeiter Bernhard Bündig, mit der Frage, wie viel er denn jetzt verdiene, aber statt zu antworten schaute er zum Bürgermeister, hob die Arme und ließ sie wieder sinken. Er sah aus, als hätte ich ihn gefragt, warum man nachts keinen Sonnenbrand bekommen kann. Dann fragte er mich, wie ich das jetzt genau meinte mit dem Verdienen?
Und ich rief: „Verdienen eben, Gage, Lohn, Gehalt!“ Aber die letzte Silbe meines Ausrufs zitterte noch in der Luft, als bei mir ganz langsam der Groschen fiel - wie wenn eine schwere, teure, chinesische Blumenvase aus einer Dynastie des 14. Jahrhunderts unerreichbar weit weg in Zeitlupe von der Kommode kippt.

„Kein Lohn - keine Lohnnebenkosten“, grinste Bundeskanzlerin Eisenbock. „Aber dafür Dazugehören. Wir müssen neue Wege gehen. Wir haben es geschafft in Weilheim, und wir werden es bundesweit schaffen. Kein Lohn - keine Streiks, keine Beschränkung der Arbeitszeiten, kein Altersruhestand und keine Rentenkassenproblematik mehr - nur noch die erfüllende Einheit von Betrieb und Mitarbeitern: Es ist das Wir-Gefühl, das zählt.“

Und sie stellte den politischen Plan vor: Den Unternehmen und Konzernen war ab sofort erlaubt, einfach zu machen, was sie wollten, und zwar uneingeschränkt.
Warum war denn die Beschäftigung von Maschinen und Computern so billig im Vergleich zu Menschen? Weil man für sie keine Steuern oder Lohnnebenkosten zu zahlen hatte und weil sie... Eigentum der Unternehmen waren!
Und genau das war der Clou beim aktuellen System, unübersehbar wie ein Rudel Flusspferde auf der Landstraße: Man hatte in Weilheim die Arbeitnehmer privatisiert und dem Unternehmenskapital hinzugefügt. Nach einem ausgeklügelten Schlüssel waren sie an die Unternehmen und Konzerne verteilt worden.

Neun Monate später installierte man dann das neue System in ganz Deutschland.
Mit einem Schlag waren alle Arbeitslosen untergebracht. So wie das Vieh auf einem Bauernhof musste ab sofort keiner mehr Angst haben, seinen ‚Job’ zu verlieren. Wie die Milchkühe im Stall und auf der Weide auch hatte jeder freie Kost und Logis.
Gleichzeitig konnte die ‚Regierung’ die Rentenkasse abschaffen, denn man arbeitete ab sofort bis zum Lebensende - solange man ‚Milch gab’ - eine Idee des Arbeitgeberpräsidenten Dieter Köter. Der Nachwuchs indes hatte seinen festen, gottgegebenen Platz in der Gesellschaft, indem er mit der Geburt in den Besitz des Eigentümers der Eltern überging. Wer gerade tatsächlich nicht zu gebrauchen war, konnte woanders hin verliehen werden. Die wirklich komplett Nutzlosen, darunter viele ehemalige Politiker der F.D.P., wurden ins Ausland transferiert, zum Beispiel in die USA verkauft oder in schwerwiegenden Fällen von Nutzlosigkeit (wie bei Guido Wellenwester) nach Afrika verschenkt (um in den Dürregebieten Spaß und Optimismus zu verbreiten).

Durch das neue Modell konnten selbst extreme Billiglohnländer nur noch schwer mit Deutschland konkurrieren: Massenhaft kehrten die Arbeitgeber ins Standortparadies Deutschland zurück und ‚schafften Arbeitsplätze’. Enorme Kostensenkungen ergaben sich zusätzlich durch die Auflösung der demokratischen Parteien und Organe zu Gunsten einer kompetenten Führungscrew aus Vertretern der Wirtschaft: Deutschland war gerettet! - Und jeder war direkt daran beteiligt, hatte seinen Platz und seine spezielle Verantwortung für die Gemeinschaft.
Ich zum Beispiel wurde verantwortlich dafür, dass die Weilheimer Schuhe Schnürsenkel haben. Man hat mich damals in der Schuhfabrik nämlich gleich da behalten. Es war für die Gesellschaft wichtiger, dass ich Schnürsenkel in Schuhe einfädle, statt Journalistin zu bleiben. Ich war schon lange unglücklich mit dem Schreiben, was ich aber all die Jahre einfach nicht gemerkt hatte. Erst die Weilheimer Arbeit hat mich wirklich frei gemacht. Und das bin ich jetzt: wirklich frei, obwohl es natürlich verboten ist, das Schuhfabrikgelände zu verlassen. Nun - ein wenig zittrig bin ich schon beim Schnürsenkelfädeln - wie es halt so ist, wenn man bald vierundachtzig wird.“

 

Ja, die liest sich sehr gelungen, kann ich da nur sagen! :thumbsup:

Eine Frage bleibt nur offen (oder hab ich die Antwort überlesen?): Wer kann denn dann die Waren noch kaufen? Geht alles ins Ausland? Aber das läßt sich sicher noch irgendwie einbauen. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Danke, Häferl!

Zu dem Warenkaufproblem... also natürlich ist Vorlliegendes keine Wirtschaftsstudie... dennoch funktioniert natürlich eine "Sklavengesellschaft"; - nehmen wir an wie eine - wie von Zukunftsforschern prognostizierte - 20:80-Gesellschaft; dass nur noch 20 Prozent verdienen und konsumieren, z. B. als Kapitalhalter, wird ausgeglichen durch eine enorme "Einsparung" an Produktions- und Dienstleistungskosten sowie Sozialleistungen, denke ich.

Ich schau's mir heute an und sage: Die Richtung haben wir schon.

 

Hallo Flicflac,

ich habe deine Geschichte auch gerne gelesen. Schlag dieses Modell doch mal auf dem nächsten CDU-Parteitag vor ;).

Lieber Gruß
bernadette

 

Leider nicht nur die CDU ist davon betroffen; wir haben uns doch schon stolz zu human ressources fortentwickelt ;-) und stehe bald mit den animal ressources zusammen auf der Weide.

 

Naja ich weiß nicht so recht Flic

Überspitzt ist der Text und ironisch auch; hat auch Handlungselemente einer Geschichte; ist somit eine astreine Satire; aber ich mag ihn trotzdem nicht so richtig :(
Liest sich zwar ganz gut, dennoch werd ich nicht froh damit. Warum ergeben sich die Menschen so schnell in ihre Versklavung? Gibt's da keinen Widerstand in der Gesellschaft? Werden Drogen verabreicht, oder wie ist es zu erklären, dass alle glücklich sind, selbst wenn sie früher studiert (= Bildung erlangt) haben und jetzt im Greisenalter immer noch Schnürsenkel einfädeln müssen.
Henry Ford, der amerk. Automobilpionier, sagte einst auf die Frage, warum er seinen Arbeitnehmern soviel Freiheit und Grundgehalt zugestand: "Autos kaufen keine Autos." Diese Einsicht fehlt mir in deiner Sklavengesellschaft.

Auch wenn es bei einer Satire mit all ihren Übertreibungen und Überspitzungen darf man grundsätzliche Logikprobleme nicht so einfach übergehen, finde ich. Die oberen Fragen haben mich jedenfalls bewegt und davon abgehalten, den Text in der vorliegenden Form so einfach hinzunehmen ;)


gruß
Hagen

 

Gibt's da keinen Widerstand in der Gesellschaft?

Das frage ich mich auch schon lange. Warum der so gering ist.

Des weiteren zu deinen Anmerkungen: Sind meine Protagonisten denn tatsächlich glücklich?

Ob sie Drogen verabreicht bekommen? Nun ja, wahrscheinlich Brot und Spiele; Schumacher und Beckenbauer.

Warum sie sich so schnell fügen? Vielleicht fügen sie sich Sachzwängen?

Wenn der Text solche Fragen aufwirft, bin ich schon ganz zufrieden. Es geht mir um den Hinweis auf eine Entwicklung - in eine Richtung, die etwas "wirtschaftsfaschistisches" hat. Es ist ja durchaus die Frage, warum "so viele mitmachen" und die kritischen Frager ungehört bleiben.

 

Textbezogen:

Wenn der Text solche Fragen aufwirft, bin ich schon ganz zufrieden.
Jetzt verwechsle aber nicht die Fragen, die ich zu deinem Text hab, mit Fragen über die Gesellschaft.

Sind meine Protagonisten denn tatsächlich glücklich?
Zumindest sind sie nicht unglücklich. Keiner hat Selbstzweifel. Keiner weint. Keiner versucht auszubrechen oder Selbstmord zu begehen. Die Menschen scheinen mit der Situation zu hamonieren, sind also offensichtlich glücklich.

Nun ja, wahrscheinlich Brot und Spiele; Schumacher und Beckenbauer
Das wäre ne gute Erklärung, wenn sie im Text vorkäme ;)

Themabezogen:

Es ist ja durchaus die Frage, warum "so viele mitmachen" und die kritischen Frager ungehört bleiben
Ich bin persönlich nicht der Meinung das absolute Systeme (Diktaturen, Monopolsituationen, darwinistischer Kapitalismus, Kommunismus, etc.) über einen größeren Zeitraum hinweg stabil funktionieren. Daher steh ich solchen dystopischen Zukunftsprognosen immer etwas skeptisch gegenüber.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi, und danke für die Diskussion...

Deine Fragen und Fragen zur Gesellschaft? Ich habe hier ein paar Überschneidungen gesehen, die mich - sorry - gefreut haben.

Die glücklichen Menschen hören sich so an (okay, Selbstzitat):

Ich war schon lange unglücklich mit dem Schreiben, was ich aber all die Jahre einfach nicht gemerkt hatte. Erst die Weilheimer Arbeit hat mich wirklich frei gemacht... obwohl es natürlich verboten ist, das Schuhfabrikgelände zu verlassen.


Nun ja, wahrscheinlich Brot und Spiele; Schumacher und Beckenbauer

Das wäre ne gute Erklärung, wenn sie im Text vorkäme


Eben das wollte ich nicht; ich wollte Fragestellungen induzieren; (man hat mir früher oft vorgewofen, ich erklärte zu viel). Ich finds inzwischen auch besser, einfach "zum Denken anzuregen" - und es hat ja selbst bei dir geklappt, der du den Text nicht magst.

Ob übrigesn eine Diktatur lange überstehen kann , abgesehen davon, dass man "lange" verschieden auffassen könnte - ist aucheine Frage. Das römische Reich hats relativ lang gemacht. Wichtiger erscheint mir die Frage, wie sich solche Systeme "schleichend" etablieren können, ohne dass jemand was "zu merken scheint". Dies geht einher mit einem veränderten Werte- und Menschenbild. Im vorliegenden Fall eine Objektivierung des Menschen - eine Reduzierung auf seine Funktion hinsichtlich eines Parameters. Ist ein solcher Parameter konkurrenzlos ("Gewinnoptimierung") verändert sich der "Wert" menschlichen Lebens auf die Funktionalität in diesem Prozess. Alles Unwerte wird aussortiert - deshalb der Vergleich mit dem Faschismus, und wenn auch nicht physisch, so doch sozial vernichtet. "Menschen" werden dann zu "human ressources", was man auch mit "menschlichem Rohstoff" übersetzen kann - oder zu Vieh auf der Weide wie in meiner Geschichte.

Über ihre psychischen und sozialen Wirklichkeiten kann man sich hinwegsetzen - Flexibilität verlangen zum Beispiel, der "moderne Mensch" muss von einer Stadt zur nächsten, wo das Unternehmen das Werkzeug Mensch gerade braucht - obwohl Menschen als Wesen sich nur in festen Kontexten wohl fühlen, einer stabilen Gruppe, und man die höchste Selbstmordrate bei Handelsreisenden vorfindet.

Aber das führt ja von der Textdiskussion weg hin zu einer Diskussion um das Gesagte....

Grüße,
Flic

 

Aber das führt ja von der Textdiskussion weg hin zu einer Diskussion um das Gesagte....
Ist doch gar nich schlecht.

Ohne da jetzt noch allzu genau daraufeinzugehen:
Ich hab vor einigen Tagen eine hochinteressante Berichterstattung über 1-Euro-Jobs und die Schattenseite dieser Medaile gesehen und muss dir daher im Groben zu stimmen. Es ist erschreckend wie mit einige wenigen Tintenstrichen die Erfolge 130 Jahre sozialer Gesetze im Bereich der Arbeitnehmersicherung zunichte gemacht werden, und niemand scheint sich darüber aufzuregen. Alles (Wirtschaft und Regierung) schielt über den großen Teich Richtung USA, aber dass es dort den Menschen im Schnitt nachweislich schlechter geht und die Bevölkerungs dort alles andere als frei ist, wird ignoriert.

Dein Text ist somit brandaktuell und den Nerv der Zeit treffend - aber literarisch genießen kann ich ihn immer noch nihct (das Ding mit dem Geschmack eben :) )

gruß
Hagen

 

Ich hab vor einigen Tagen eine hochinteressante Berichterstattung über 1-Euro-Jobs und die Schattenseite dieser Medaile gesehen und muss dir daher im Groben zu stimmen. Es ist erschreckend wie mit einige wenigen Tintenstrichen die Erfolge 130 Jahre sozialer Gesetze im Bereich der Arbeitnehmersicherung zunichte gemacht werden, und niemand scheint sich darüber aufzuregen. Alles (Wirtschaft und Regierung) schielt über den großen Teich Richtung USA, aber dass es dort den Menschen im Schnitt nachweislich schlechter geht und die Bevölkerungs dort alles andere als frei ist, wird ignoriert.

Dem stimme ich wiederum zu. Es ist ein Verteilungskampf, und die Kapitalhalter scheinen wieder mal nicht Maß halten zu können. Unter diesen Umständen ist es für jede Satire schwer, noch mitzuhalten. Interessant, wie durch Verdummungsstrategien in den Medien jeder Widerstand ausgeschlossen wird. Vor dreißig Jahren noch hätts das nicht gegeben. Besser noch, als Bücher zu verbrennen, ist, zu erreichen, dass keiner diese Bücher mehr lesen will - und viel eleganter. Gehirnwäsche.

Da dies nicht wirklich witzig oder amüsant ist, ist auch eine Satire darüber eher ätzend, meine ich. Aber vielleicht erreicht das Teil ja doch den einen oder anderen mit einem Gedanken.

Viele Grüße!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi!

Gutes Thema. Witzig und gar nicht unrealistisch umgesetzt.

Ein paar Takte zur Diskussion um den Widerstand: Politologen haben schon vor etwa 30 Jahren festgestellt, dass immer während einer Konjunktur ein Linksruck in der Gesellschaft stattfindet und umgekehrt während einer Rezession ein Rechtsruck mit Tendenz zu allgemeiner Angepasstheit.

Ist doch aber auch logisch: Wenn ich - falls ich wöllte - jederzeit nen Job kriegen könnte und ne billige Wohnung (weil dauernd neue gebaut werden), ist es ein Leichtes, mit Freunden im Park zu sitzen einen zu trinken und darüber zu diskutieren, dass man jetzt keinen Bock mehr auf diesen ganzen Stumpfsinn hat. Wenn du aber nicht weißt, wie du die Kohle für die nächste Miete reinkriegst und dir deine Kumpel auch nicht weiterhelfen können, wirst du einen Teufel tun und dich solidarisieren - sondern gucken wie du selber über die Runden kommst.

Witzig und sehr sinnig fand ich daher in dem Zusammenhang, dass Du den Wegbereitern des Neuen Deutschlands genau die Ideale der Hippies der 60er und 70er in den Mund legst: Sinnsuche, Sinnfindung, wir sind alle eine große Kommune, gehören zusammen und helfen uns gegenseitig, Geld ist nicht alles ...

Die tatsächliche Tendenz der aktuellen Politik ist genau das Gegenteil: Kontrolle, Isolation und Verwaltung der Einzelperson von oben herab (gläsernes Konto, Lohndumping, Abschaffung des Kündigungsschutzes usw.) Die Schwierigkeit besteht doch darin, sich mit Menschen zu solidarisieren, gegen die man gezwungen wird zu konkurrieren. Man wünscht es sich zwar, aber Sachzwänge halten einen ab. Solang man nen Job hat, kann man noch in der Stammkneipe solidarisch rumtönen. Ist der Job weg, sitzt man einsam daheim vor der Glotze und trinkt billiges Dosenbier vom Supermarkt. Und dann ist man genau das: Isoliert, kontrolliert und von oben herab verwaltet. Seit den frühen 90ern gibt es schon keine nennenswerte Subkultur mehr.

Wenn sich so eine Tendenz zuspitzt, würde ich anstelle eines Widerstandes eine enorme Zunahme der Kriminalität annehmen, etwa wie während der großen Wirtschaftskrise der 30er in den USA. Das entspricht auch dem Prinzip: Jeder guckt, wo er selber bleibt und Jeder gegen Jeden. Aber da war die Arbeitslosenzahl bei etwa 60%.

In diesem einen Punkt fand ich Hagens Einwand berechtigt: Bei nur 16% ist das Volk noch nicht verzweifelt (oder verblödet) genug für solch einen Schritt. Obwohl ich natürlich gut fand, dass Deine Politiker auf genau diesen Dreh kommen, nämlich die Menschen mit dem zu ködern, was ihnen während der ganzen Zeit der Rezession gefehlt hat: Wir-Gefühl, Geborgenheit, Solidarität. Und dass das Ganze dann in ein faschistisches Sklaverei-System mündet. Ich hätte den Anfang der story nur zeitlich später und die Arbeitslosenzahl drastisch höher angesetzt. Die story funktioniert aber auch so.

Jetzt sind's doch mehr als nur ein paar Takte geworden. Naja.

Gruß: splat

 

Hi Splat,


vielen Dank für die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Text.

Ja, ich sehe eine Art "wirtschaftsfaschistische Tendenz" aufkommen, die wieder Unterschiede im Lebenswert aufkommen lässt, wenn auch auf anderer Ebene; hohe Arbeitslosenzahlen können auch dazu führen, die Rattenfänger zu bevorzugen - und war es nicht ein gigantisches Wir-Gefühl, des Führers Volk zu sein?

Vielen deiner Äußerungen entnehme ich, dass du gut beobachtest, was passiert, und die Kommunikation dieser Tatsachen mit meinem Text sehen konntest. Das freut mich. Ich habe den Text zwei mal gelesen und bin einmal völlig untergegangen - allerdings sind auch schon einfachere Texte nicht verstanden worden.

Bei nur 16% ist das Volk noch nicht verzweifelt (oder verblödet) genug für solch einen Schritt.
Ja!

Der Text entstand aber schon vor 18 Monaten, als das noch viel zu sein schien; ich denke über eine Korrektur der Zahlen nach.


Herzlichen Gruß,
Flic

 
Zuletzt bearbeitet:

Diesmal wirklich nur ganz kurz.

Vollkommen Recht hast Du: Die derzeit zunehmende existentielle Erpressbarkeit der Arbeiterklasse macht aus deren Mitgliedern keine Bravehearts (wie Marx sie sich gewünscht hätte), sondern eher Heinz Rühmanns. Existentielle Erpressbarkeit ist nämlich nicht gerade förderlich für ein Gefühl von Selbstwert,Selbstbestimmung, innerer Freiheit - Lebenswert. Das macht anfällig für Rattenfänger. Arbeiter sind auch nur Menschen, nicht besser oder schlechter als die Menschen, von denen sie ausgebeutet werden. Deshalb gehen sie genauso Bündnisse ein, die für sie von Nutzen sind oder von Nutzen scheinen.

Bin selbst schon was über 40 und habe die allgemeine Stimmung in der Arbeiterschaft in meinem Berufs- und Davor-Leben noch nie so resigniert und ihrer tatsächlichen Machtlosigkeit bewusst erlebt. (Vielleicht wars in den 50ern schlimmer, aber das war vor meiner Zeit.)

Ach ja, Rattenfänger, drittes Reich. Was denkst Du wohl, warum die sich Nationalsozialisten nannten?

Danke fürs Gespräch (wörtlich gemeint). Schönen Gruß nochmal: splat

 

Sehr interessante Diskussion.

Da will ich mich auch mal einklinken.

Dem stimme ich wiederum zu. Es ist ein Verteilungskampf, und die Kapitalhalter scheinen wieder mal nicht Maß halten zu können. Unter diesen Umständen ist es für jede Satire schwer, noch mitzuhalten. Interessant, wie durch Verdummungsstrategien in den Medien jeder Widerstand ausgeschlossen wird. Vor dreißig Jahren noch hätts das nicht gegeben. Besser noch, als Bücher zu verbrennen, ist, zu erreichen, dass keiner diese Bücher mehr lesen will - und viel eleganter. Gehirnwäsche.

Da kann ich nicht ganz zustimmen.

Klar läuft viel schief und ich bin der Erste, der zum Bleistift gegen die Datenschutzverletzungen der Regierung protestiert.

Allerdings den Medien "Verdummungsstrategien" zu unterstellen, ihnen "Gehirnwäsche" vorzuwerfen ist ein wenig ... sagen wir mal abwegig.
Nix gegen Verschwörungtheorien, aber es ist nicht sehr realistisch, dass Regierung, Wirtschaft und Presse einen Masterplan zur Entmündigung der Bevölkerung hat.
Das schafft die Bevölkerung ganz von alleine. Der Durschnittsbürger WILL einfach billige Musik von der Stange und dumme Unterhaltung im Nachmittagsprogramm.
Die Medien bedienen dieses Interesse. Fertig aus.

Bis dann

 

re

Hallo und danke für deinen Beitrag - wenn es auch jetzt eine Diskussion wird, die mit dem Text nix mehr zu tun hat (weiß nicht, ob das für die Moderatoren ein Problem ist).


Zum Thema Verdummung möchte ich aber sagen, dass es sich dabei um ein Phänomen der Interdependenz zu handeln scheint. Insofern haben wir beide recht. Zwar geben die Medien (1) her, was die Leute wollen - schaffen aber dadurch mehr Leute die wollen, woran sie gewöhnt sind, woraufhin... Die Leute wollen aber dummes Zeuch, weil sie von den Medien (2)..., welche sich daraufhin orientieren. Die Kausalität 'fließt' in einem Kreis.
Und im Moment haben wir den positiv rückkoppelnden Effekt, dass die Folge ihre Ursache verstärkt.


Insgesamt scheint mir aber das Gejammer über Pisa etc. etwas heuchlerisch; auf der Handlungsebene werden weiter Gelder gestrichen. Ich denke, was her soll ist neben einer Elite eine breite Masse "Dummer", die sich gut handhaben lässt - eine breite Bildung wie zu Zeiten echt sozialdemokratischer Regierungsarbeit in den 70-ern ist nicht mehr gewollt. Auch hier orientieren wir uns an den Billiglohnländern - wo man machen kann mit den Leuten, was man will. Der Leiter der IHK Offenbach, weit entfernt davon, ein Linker zu sein, warnte Ende 2004, manche Manager verfolgten wohl das Ziel, Deutschland zu einem (!) Drittweltland zu machen.

 

Da hast du natürlich auch wieder recht.

Dieses Elitedenken kann nicht funktionieren. Eine Elite kann nur durch eine breite Masse an gut Ausgebildeten entstehen.


Das einzige, was bei uns richtig klappt ist die Facharbeiterausbildung. Dafür werden wir von allen Ländern beneidet, auch denen, die bei PISA weit vor uns lagen

Allerdings wird die Ausbildung immer weiter abgeschaft bsw. dem normalen Schulsystem angepasst.
Liegt wahrscheinlich daran, dass wir von Lehrern und Rechtsanwälten regiert werden.

Gruß
Leviathan

 

dass wir von Lehrern und Rechtsanwälten regiert werden.

Interessante Idee; wer könnte sich die in Wirklichkeit ausgesucht haben?


Ich habe ja nichts gegen Verblödung, so lange sie was mit Alkohol, Drogen, Tabletten und Sex mit Prostituierten zu tun hat.

 

@ FlicFlac

Im Bundestag sitzen kaum Vertreter der Wirtschaft, hauptsächlich ehemalige Rechtsanwälte, viele Lehrer und normale Beamte.

Ich denke, dass liegt zum Teil daran, dass es sich für wirklich fähige Leute aus der Wirtschaft nicht lohnt, für ein Abgeordnetengehalt ihren Beruf zu schmeißen.
Und wenn Wirtschaftunternehmen diese Leute unterstützen, dann ist das ein Riesenskandal.


Meiner Meinung nach sollten Politiker mehr bekommen. Ok, die Renten von denen sind zu hoch, die kann man zusammensreichen, aber das normale Gehalt sollte viel hörer angesetzt werden.
Dann hätte man auch fähige Politiker und nicht so viele Nullen.


Gruß
Matthias

 

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