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Wie der Olymp die Griechen retten wollte
Während man sich unten auf der arg gebeutelten Erde eifrig, aber bislang erfolglos bemühte, den Griechen zu zeigen, wo der Hellene den Most holt, herrschte auch im Olymp heller Aufruhr.
Gottvater Zeus persönlich hatte zu einer Sondersitzung gerufen und tatsächlich fanden sich auch einige geladene Götter, Halbgötter und andere privilegierte Wesen ein. Der Rest hatte Besseres zu tun.
Zeus, unzweifelhaft ein Mann der Tat, eröffnete die illustre Runde, kaum dass die Geladenen auf ihren Schäfchenwolken Platz genommen hatten:
„Meine Damen, meinen Herren, verehrte Tiere,
es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass sich unsere treusten irdischen Genossen in ernsthaften Schwierigkeiten befinden. Ich bitte daher um Ideen und Vorschläge, wie wir dem griechischen Volke zur Seite stehen können. Allerdings weise ich darauf hin, dass wir dort unten auf der Erde überwiegend als fiktive Gestalten betrachtet werden, was einerseits zwar etwas respektlos ist, uns anderseits in den letzten rund 3000 Jahren ein angenehm geruhsames Dasein bescherte,. Was ich übrigens ganz persönlich nicht missen möchte. Ich verbitte mir also persönliche Alleingänge und allzu deutliche Eingriffe, die nur irritieren würden: ich schlage Hilfe zur Selbsthilfe vor. Hiermit erteile ich Ihnen das Wort.“
Achilles war wie immer der schnellste und auch wenn er kein Gott war: wer hunderte von Tro-janern das Lebenslicht ausgepustet hatte, genoss nach allgemein anerkannter Auffassung einige Privilegien.
„Wenn wir es einrichten könnten, dass die Troika statt mit der Lufthansa mit der Ikarus-Airline zum nächsten Rettungsgipfel fliegen würden, tja dann .. ."
„Kommt überhaupt nicht in Frage“ unterbrach ihn rüde Hades, Gott und oberster Verwalter der Totenwelt. „Zwerge und Pastorentöchter kann ich bei mir hier unten nicht gebrauchen.
Außerdem muss ich noch ein paar Plätze freihalten, es kommt grade viel Nachschub aus dem nahen Osten und ich will keinen Aufruhr am Check-In.“
Zeus machte ein beschwichtigende Geste: „In Ordnung, wir wollen deine unterweltliche Logistik nicht durcheinanderbringen“. Andere Vorschläge? Odysseus, du hattest dich gemeldet ...?“
Odysseus, einst listenreicher Abenteurer und begeisterter Militarist, hatte auf seine alten Tage zum Pazifismus-Consultant umgesattelt und gehörte zu Zeus engsten Vertrauten.
„Ich schlage eine konzertierte Aktion vor: Kollege Auge wird sein erstes Licht etwas früher schicken und Kollege Arktos das letzte etwas später. So bleibt den griechischen Genossen weniger Zeit für den Schlaf, dafür mehr Zeit für die Arbeit: Für jene, die vergessen haben sollten, was das ist, schlage ich eine Intensiv-Schulung durch Sisyphus vor. Wo steckt der Kerl eigentlich?“
Alle – außer Kassandra der Seherin - blickten neugierig auf Zeus, der eine auffallend bedrückte Mine aufsetzte und sichtlich um Haltung bemüht war: „Sisyphos hat nen Termin bei der Gewerkschaft ..“
„Waaas“, rief Odysseus verärgert? Doch bevor er seinem Ärger Luft machen konnte, fuhr Zeus fort.„Es geht da um irgendeine arbeitsrechtliche Sache, hat wohl nen Antrag auf Teilzeit gestellt.“
Ein Raunen und Murmeln ging durch die Runde, schließlich ergriff Penelope, die Gemahlin des Odysseus, das Wort: „Wir sollten auf die tapferen und fleissigen Frauen Griechenlands setzen, schließlich waren es die Männer, die das Ganze in die Scheiße geritten haben.“
Tosender Beifall der Amazonen, die auf diesen Moment offensichtlich nur gewartet hatten. Jetzt gingen einige Transparente hoch, auf denen Dinge standen wie: „Setzt Zeus ab. Penelope for Präsident“ oder „Paritätische Mitbestimmung für Göttinnen und Tiere“ oder auch „Kastriert Achilles“.
Zeus, Macho alter Schule, hatte in den zurückliegenden Jahren schon heftigere Ausbrüche der Damenwelt erlebt und erging sich in demonstrierter Gelassenheit. Er langte in eine große Obstschale, griff sich einen der goldenen Äpfel aus dem Garten der Nymphen und warf ihn lässig der etwas verdutzten Penelope zu: „Hier iss mal, verleiht ewige Jugend und beruhigt die Nerven.“
Doch bevor Penelope irgendwie reagieren konnte, hatte ihres Gatten Lieblingshund Argos sich die Frucht schon im Fluge geschnappt und mit
einem Biss herunter geschlungen, was die Gesellschaft einschließlich
Penelope sichtlich erheiterte und den kleinen Anflug von Aufruhr schnell vergessen ließ.
Man wandte sich wieder dem Anlass der Zusammenkunft zu, der ja kein geringerer war als die Rettung des dahinsiechenden, einst so stolzen Griechen-Volkes. Zug um Zug wurden verschieden Ideen und Vorschläge eingebracht und in bester griechischer Tradition sowohl diskutiert als auch wieder verworfen.
Da war Asklepios, göttlicher Oberexperte für Heilkunst, der vorschlug etwas Nepenthes in das griechische Olivenöl zu verbringen. Nepenthes, das wusste jeder, hatte hervorragend gegen die Depressionen Helenas gewirkt, die es einfach nicht verkraftet hatte, das Paris die letzten Stunden vor seinem Ableben nicht mit ihr, sondern mit seiner Ex-Frau verbracht hatte.
Die Sache hatte nur einen Haken: wenn all das mit der Mir-doch-egal-Substanz angereicherte, exportierte Olivenöl reißenden Absatz fände, würde kaum noch jemand nach Griechenland in den Urlaub fahren, um mal richtig die Sau rauszulassen: das roch verdächtig nach einem ökonomischen Null-Summen-Spiel. Die Idee wurde fallengelassen.
Ödipus schlug schließlich vor, Sphinx, die Fachfrau für komplizierte Rätsel, mit der Errichtung eines Online-Dienst für Quiz-Aufgaben zu etablieren. Die Angesprochene fühlte sich durchaus geschmeichelt, schließlich war Ödipus der Einzige gewesen, der das ihm gestellte Rätsel gelöst hatte, was sie damals etwas voreilig dazu bewegte, sich von einer Klippe zu stürzen. Letzteres war dann auch ausschlaggebend, dass Sphinx dankend ablehnte. Auch wenn die medizinischen Künste von Asklepios ganze Arbeit geleistet hätten, sei ihre Reha-Kur noch nicht ganz abgeschlossen und danach wolle sie erst mal in den Urlaub fahren.
Herakles, Schirmherr und Beschützer der Sportstätten und Paläste meldete sich zu Wort. In einer kurzen, aber ausgesprochen leidenschaftlichen Rede ließ er keine Zweifel daran, dass er zu verhindern wüsste, das eine zu füllig geratene Ost-Tante und ein gallischer Schwächling sein Heiligstes den Kapitalistenschweinen zum All-you-can-eat-Fraß vorwarfen. Im Ernstfall würde er sogar soweit gehen, den marathonischen Stier wieder aus dem Käfig zu lassen. Danach wäre ohnehin alles platt und jegliche Privatisierung hätte sich dann erledigt.
Für solcherlei Radikallösung wollte sich dann doch keiner begeistern. Auch für die Idee, mithilfe der Sirenen das Aufkommen des Schiffsverkehr in griechischen Gewässern und Häfen etwas aufzupeppen, fand sich keine Mehrheit, da die Sirenen nicht bereit waren, auf den Spaß des Matrosen-Ab-Murksens zu verzichten. Dies ließ sich schlecht mit einer nachhaltigen Lösungsstrategie vereinbaren und war kontraproduktiv angesichts der Bewerbung des Olymps für das himmlische Ökosiegel. Kurz zog man als Alternative eine Ab-Murksquote in Erwägung, doch Hades erinnerte an die drangvolle Enge in seinem Totenreich und somit hatte sich die Sache erledigt.
Es vergingen noch viele, viele Stunden des eifrigen Diskutierens und Streitens bis Hypnos - der ungeduldig einem vielversprechenden Date mit einer der Amazonen entgegensah - dem Ganzen ein vorübergehendes Endes bereitete und die Anwesenden in sanften Schlaf und süße Träume versetzte.