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Wie bringt man Eberhard Kenkel um?

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12.04.2005
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Wie bringt man Eberhard Kenkel um?

Eberhard Kenkel war ein ganz normaler Mann mittleren Alters, Finanzbeamter, ledig, besaß eine Eigentumswohnung in der Innenstadt und war leidenschaftlicher Leser von Spionageromanen. Er verschlang Geschichten wie freßsüchtige Pizza oder Hamburger. Seine Lieblingsbuchhandlung war in der Nähe des Bahnhofes, gegenüber der Pizzeria und links neben dem Beate-Uhse-Shop. Jeden zweiten Tag ging er dort hin und suchte sich ein neues Buch aus. Da er auch dann nicht aufhören wollte zu lesen, wenn Fieberkrämpfen ihm schüttelten, schickte er sogar seine neunundsiebzig Jahre alte Mutter zur Buchhandlung.
Den Fernseher benutze er nur, um sich Sonntags morgens die heilige Messe anzuschauen. Diese ganzen neuen Event-Sender mochte er nicht. Seiner Meinung nach zeigten sie nicht die Realität. Dafür war Spionage für ihn schon Realität, so etwas passierte jeden Tag.
Sein Tagesablauf war eng strukturiert. Bei jeder Abweichung bekam Eberhard eine halbe Lebenskrise. Morgens um halb sechs stand er auf, sogar am Wochenende. Wenn er dann in das Badezimmer verschwand dauerte es zwei Stunden bis er wieder rauskam. Danach wurde ein neuer Anzug aus dem Schrank genommen und abgebürstet - auch am Wochenende. Nach dem Frühstück spülte er das Geschirr, bürstete nochmal seinen Anzug und fuhr mit seinem Volvo-Kombi zur Arbeit. Eberhard liebte seinen Wagen, es machte ihm Spaß so ein großes Auto sauber zu halten.
Eberhards Büro im Finanzamt war sehr ordentlich. Den Schreibtisch hatte er extra für seine Bedürfnisse anfertigen lassen. Dies verlangte schließlich das Arbeitsschutzgesetz. Der Stuhl, der Teppich, ja sogar der Computer passte zum Schreibtisch. Das Herzstück von Eberhards Büro.
Seine Kaffeetasse und das Geschirr, daß er für die Mahlzeiten im Büro brauchte, brachte er jeden tag von Daheim mit. Schließlich kamen nach Büroschluß die Reinigungskräfte, und denen sagte Eberhard eine gewisse Schlampigkeit nach.
Bei seinen Kollegen war Eberhard nicht sonderlich beliebt. Wegen seiner peniblen Art hatte er sich einige Male schon einen Kleinkrieg mit etlichen Kollegen eingehandelt. Zu einer Kollegin pflegte er jedoch einen guten Kontakt. Emilie aus der Personalabteilung war eine fünfunddreißgjährige alleinstehende Frau mit der sich Eberhard jeden Morgen um neun Uhr in ihrem Büro traf um eine Tasse Kaffee zu trinken. Es war übrigens das einzige Büro, außer sein eigenes, was Eberhard betrat. Ließ es sich jedoch nicht vermeiden hatte er für diesen Fall immer Reservekleidung im Schrank.
Als Eberhard wie jeden Dienstag zu seiner Buchhandlung fuhr, hörte er im Radio eine Kultursendung. Der Sprecher erzählte etwas über einen neuen Sensationsroman der am kommenden Donnerstag erscheinen würde. "Nur so viel sei verraten", sagte der Sprecher, "dieser Roman wird ihnen große Freude bereiten. Verpassen Sie auch nicht die Live-Sendung um 18 Uhr auf RDK 3, ihrem Event-Sender!"
Eberhard hörte aufmerksam zu und freute sich schon auf Donnerstag, er würde bis dahin mit seinem neuen Roman fertig sein. Das dieser Event-Sender RDK 3 damit zu tun hatte störte ihn ein wenig, aber einen solchen Sensationsroman würde er sich nicht entgehen lassen. Am Besten, er würde den Roman gleich vorbestellen.
Nachdem er wieder Daheim war und es sich gemütlich gemacht hatte, klingelte das Telefon. Es war seine Mutter. "Hallo mein Sohn", sagte sie, "wie war Dein Tag?"
"Gut Mutter, so wie immer."
"Bist Du alleine?", fragte sie ihn.
"Natürlich Mutter. Wer sollte denn bei mir sein?"
"Na ich dachte vielleicht diese Emilie. Ihr versteht Euch doch so gut."
"Nein", sagte Eberhard genervt," wir sind nur Kollegen. Laß uns morgen weiter reden. Ich habe mir ein neues Buch gekauft und wollte es lesen."
"Du und Deine Bücher, sieh mehr fern Junge. Das ist eine schöne Abwechslung."
"Gute Nacht Mutter", sagte Eberhard und legte auf.
Am Donnerstag um 15:55 Uhr wurde Eberhard unruhig. Andauernd sah er auf die Uhr. Er freute sich schon so auf den neuen Roman, daß er beschloß früher Feierabend zu machen.
Als er vor der Buchhandlung keinen Parkplatz fand, stellte er seinen Volvo auf dem Bahnhofsparkplatz ab. Er tat dies ungern, da in dieser Gegend eine Menge übles Volk wohnte. Aber das war ihm heute egal.
Er lief auf die Buchhandlung zu und hatte das Gefühl beobachtet zu werden. Eberhard meinte sogar zu sehen, daß die ihm entgegenkommenden Leute die Köpfe zusammensteckten und über ihn redeten. "Ich hätte das Buch über die Stasi nicht lesen sollen", sagte er zu sich und ging weiter.
Die Buchhandlung war gestopft voll. Eberhard hatte Mühe sich bis zur Kasse vorzukämpfen. Auch dort hatte er das Gefühl beobachtet zu werden. Er wartete darauf bedient zu werden doch stattdessen blieb die Verkäuferin in der hintersten Ecke der Ladentheke stehen, sah ihn an und tuschelte mit ihrer Kollegin. Was war denn jetzt los? Eberhard sah sich um. Alle Kunden in der Buchhandlung starrten ihn an. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner rechten Schulter. Er fuhr herum und sah in die Augen einer jungen Frau. "Entschuldigen Sie", sagte sie, "könnte ich ein Autogramm haben?"
Eberhard wußte nicht was er sagen sollte. Sein Unterkiefer fiel fast zu Boden. Dann nahm er der jungen Frau das Buch aus der Hand und bekam keine Luft mehr. Sein Foto war auf dem Cover abgebildet. Dann sah er den Titel: "Wie bringt man Eberhard Kenkel um?" Er schlug das Inhaltsverzeichnis auf: Kapitel 1 "Der Mensch Eberhard Kenkel", Kapitel 2 "Tagesablauf des Herrn Kenkel", Kapitel 3 "Wie man Herrn Kenkel am besten umbringt", Kapitel 4 "Nachwort des Autors".
Eberhard sah hoch zu der jungen Frau. Sie lächelte und hatte einen erwartungsvollen Blick. Die anderen Kunden waren näher zu Eberhard gekommen. Sie standen genau hinter ihm.
Was hatte das alles zu bedeuten?, fragte er sich. Schweiß rann ihm von der Stirn. Seine Hände hielten immer noch das Buch umklammert. Er mußte hier raus, so viel stand fest. Er quetschte sich durch die Menge. Es war gar nicht so einfach, die Kunden im Laden wollten ihn nicht vorbei lassen. Eberhard mußte etwas grober werden.
Eberhard fühlte sich schmutzig als er zu seinem Auto rannte. Seine Gedanken fuhren Achterbahn.
Kurz vor seinem Volvo stolperte er und fiel zu Boden. Er fluchte, rappelte sich hoch und lief einem alten Mann in die Arme. "Sie sind doch dieser Kenkel nicht wahr?", fragte der Mann.
"Nein Sie täuschen sich, der bin ich nicht", sagte Eberhard schnell, "lassen Sie mich durch!"
"Einen Dreck werde ich", raunte der Mann zurück", ich werde erst einmal ausprobieren was ich da gerade gelesen habe. Ich lese nicht viel, aber dieses Buch hat mich in seinen Bann gezogen", sagte der alte Mann und hielt das Buch über Eberhard hoch.
Eberhard wußte nicht was er tun sollte. Er sah sich um. Eine Menschenmenge kam auf ihn zu. Alle hielten das Buch in der Hand. Er stieß den alten Mann zur Seite, dieser konnte ihn noch am linken Arm packen, so daß sie beide zu Boden fielen. "Ich muß das jetzt ausprobieren Herr Kenkel, es ist nichts persönliches. Ich habe doch nur so lange nicht mehr gelesen."
Eberhard stieß ihn beiseite und konnte ins Auto flüchten. Als er losfuhr klopften die Menschen gegen sein Auto. Es fiel ihm schwer den Volvon durch die Menge zu steuern.
Eberhard schloß die Wohnungstüre zweimal ab, sah durch den Türspion und ging in die Küche. Er legte das Buch auf den Tisch und setzte sich.
War es eine Verschwörung? Solte er die Polizei anrufen? Sie würden sich kaputt lachen. Andereseits hatte er den Beweis das man ihn umbringen wollte in den Händen. Jemand wollte ihn umbringen. Aber wieso auf solch eine subtile Weise? Und wieso überhaupt?
Es klingelte an der Türe. Eberhard verharrte in der Küche und sah zur Wohnungstüre. Es klingelte nochmal, dreimal hintereinander. Er ging zur Türe und sah durch den Spion. Vor der Türe standen zwei Männer und eine Frau. Eberhard kannte sie nicht. Er legte die Kette in den Schlitten und öffnete die Türe.
"Ja", sagte er leise.
"Wir möchten mit Ihnen reden", sagte einer der Männer.
"Ich habe keine Zeit", sagte Eberhard barsch.
Als er die Türe schließen wollte nahmen die zwei Männer Anlauf und traten die Türe ein. Sie flog aus den Angeln. Dabei brach ein Stück Holz ab und flog in Eberhards rechtes Auge. Er hielt sich beide Hände vor das Gesicht, lehnte sich gegen die Wand und rutschte zu Boden. Die Männer packten ihn und zerrten ihn in die Küche. Die Frau lehnte die Türe gegen den Rahmen und blieb davor stehen.
"Und jetzt mal Klartext Freundchen", sagten die Männer fast im Chor, "was ist mit unserem Geld?"
"Was für Geld?", fragte Eberhard und bekam darauf einen Schlag ins Gesicht.
"Du weißt genau wovon wir reden."
"Bringt den Wichser um", schrie die Frau vom Flur aus.
"Nein, nein. Ich gebe ihnen alles, nur lassen Sie mich leben", winselte Eberhard. Einer der Männer zog einen Revolver aus der Tasche und hielt sie gegen Eberhards Stirn. "Sprich Dein letztes Gebet."
In diesem Moment wurde die Wohnungstüre beiseite geschoben und lauter Menschen liefen in die Wohnung. Alle hatten Filmkameras oder Mikrophone in den Händen. Sie kamen in die Küche gerannt und richteten die Kameras auf die Szene in der Küche. Die beiden Männer die ihn umbringen wollten gingen durch die Menge und waren verschwunden.
Eine Frau kam auf Eberhard zu und hielt ihm ein Mikrophon unter die Nase.
"Herr Kenkel, was ist das für ein Gefühl in solch einer Gefahr zu schweben?"
"Wwas", stotterte Eberhard und starrte in die Kameras.
"Was ist das für ein Gefühl gequält zu werden? Sagen Sie es Herr Kenkel, unsere Zuschauer haben ein Recht darauf es zu erfahren."
"Ich verstehe nicht", sagte Eberhard.
Die Reporterin wurde von einer Frau beiseite getsoßen. "Lassen Sie ihn doch erst mal Luft holen. Sie werden noch genügend Möglichkeiten bekommen mit ihm zu reden!"
"Guten Tag Herr Kenkel. Mein Name ist Wagner. Ich bin Geschäftsführerin der Buchhandlung am Bahnhof. Als unser Stammkunde und neuer Star der Sendung, "Wie bringt man mich um?", möchte ich ihnen zu ihrem Glück gratulieren."
Sie nahm seine Hand und lächelte in die Kameras. "Hier ist ihr Scheck über fünfzigtausend Euro."
"Wieso Scheck? Können Sie mir bitte erklären was hier los ist?", Eberhard bekam seine Fassung zurück.
"Der Fernsehsender RDK 3 und die Buchhandelsgesellschaft haben ein neues Event-Konzept entwickelt. Wir sind der Meinung, daß Buchverläge und das Fernsehen enger zusammenarbeiten sollten. Jeder kann von dem anderen profitieren."
"Ich verstehe immer noch nicht."
"Wir haben das Buch über Sie entwickelt und das Fernsehen ist live dabei, als die Maschine in Gang gesetzt wurde. Dieses Konzept ist einzigartig auf der Welt und wie ich gerade höre sind die Verkaufszahlen und die Einschlatquoten phänomenal. Ich gratuliere ihnen."
"Das war alles nur Show", sagte Eberhard.
"Ja. Und Sie sind der neue Star dieser Show. Ist das nicht wunderbar?, lächelte sie und sah in die Kameras.

 

Interessanter Plot, Menschenverachtung gut getroffen!

Sogar wenn er krank im Bett lag schickte er seine neunundsiebzig Jahre alte Mutter zur Buchhandlung, da er selbst in Fieberkrämpfen lesen mußte.
Das musste besser formulieren...
"Da er auch dann nicht aufhören wollte zu lesen, wenn Fieberkrämpfe ihm schüttelten" oder so, sonst ists ungenau.

Du und Deine Bücher, sieh mehr fern Junge. Das ist eine schöne Abwechslung.
So kann man es auch sehen ;-)) !

Leider hast du noch ein paar Rechtschreiberlingärgernisse drin, by the way.


MFG,
Flic

 

Hallo EddieVedder,

irgendwie beschleicht mich beim Lesen die Ahnung, ich hätte den Text nur mit anderem Namen auf diesen Seiten schon mal gelesen. Kann das sein?

LG, sim

 

Hallo Sim!

Das stimmt. Ich hatte die Geschichte vor zwei Wochen in die Runbrik "Gesellschaft" abgelegt. Du hattest eine Menge Fehler gefunden, die ich in der Zeit versucht habe zu bearbeiten. Wenn Dir noch was auffällt sag´s mir.

Gruß

Eddievedder

P.S. Ich hatte Eberhard damals keinen Nachnamen gegeben.

 

Tolle Geschichte. Ich kann sehr gut nachvollziehen, daß dem Fernsehen jedes Mittel recht ist, um die Einschaltquoten zu erhöhen.

 

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