Whiskey - Eine Katzengeschichte
Mein Name ist Whiskey und ich bin eine dreifarbige Hauskatze, schwarz, weiß und orange. Die Menschen sagen ja, dreifarbige Katzen seien Glückskatzen. Mit aller Bescheidenheit behaupte ich, dass ich eine der schönsten Hauskatzen der Welt bin.
Mein Revier ist die Wohnung von meinem Dosenöffner Uli, obwohl, jetzt bekomme ich meistens Trockenfutter. Das sei besser für Seniorkatzen. Naja, es schmeckt ja auch. Aber es macht durstig. Deshalb habe ich einen Fressnapf mit zwei Schälchen, eines für das Futter und eines für das Wasser.
Das ist schon die vierte Wohnung, in der ich gelebt habe. Geboren bin ich auf einem Bauernhof. Der Bauer wollte meine Geschwister und mich töten, dabei wäre es doch viel besser gewesen, er hätte unsere Mama sterilisiert. Zum Glück hat eine nette Frau, die ihr Pferd dort stehen hatte, uns mitgenommen. Das war die erste Wohnung, aber sehr lange war ich da nicht.
Eines Tages kam der Uli und hat mich in einen Katzenkorb gesteckt und mitgenommen. In der Wohnung hat seine Freundin Antje mich aus dem Korb geholt und gleich mit mir geschmust. Das fand ich toll, weil es mich an meine Mama erinnerte. Da war ich also ab da zuhause. Ich muss sagen, das Appartement war ziemlich klein, nur ein Zimmer, ein Miniflur und ein kleines Bad. Das habe ich erst einmal genau inspiziert.
Nach zwei Tagen wurde es aber unangenehm. Uli hatte sich den Katzenkorb von einer Freundin geliehen und die rief ihn an. Ich hätte Flöhe, wahrscheinlich noch von dem Bauernhof. Deshalb brachte der Uli ein Spray mit. Antje hat mich festgehalten und Uli hat mich eingesprüht. Ekelhaft! Wenn der Uli heute noch eine Spraydose in der Hand hat, flüchte ich so schnell ich kann. Man kann ja nie wissen!
An eine Sache erinnere ich mich sehr ungern. Während der Uli gebadet hat, bin ich oftmals auf dem Rand der Badewanne entlang spaziert. Einmal war der aber nass und ich bin ausgerutscht. Mit einem Platscher bin ich in die Wanne geplumpst. Der Uli hat mich zwar gleich herausgeholt, aber er hat gelacht und sich gar nicht mehr eingekriegt. Seitdem mache ich einen großen Bogen, wenn die Wanne voll ist. Aber wenn sie leer ist, springe ich schon mal hinein. Der Uli dreht dann den Wasserhahn etwas auf und die Tropfen fange ich mit meiner Zunge auf. Die gefällt dem Uli ganz besonders gut. Er mag es, wenn er schwitzt und ich seine Hand ablecke. Ich hätte eine Reibeisenzunge, sagt er dann.
Aber plötzlich ist etwas Merkwürdiges passiert. Dosenöffner Antje wurde immer dicker. Und eines Nachts ist sie mit dem Uli weggefahren. Am anderen Morgen kam der Uli alleine zurück. Die nächsten Tage kam er eigentlich nur noch zum Schlafen in meine Wohnung. Zwar hat er auch mit mir gespielt und geschmust, aber ich fühlte mich schon vernachlässigt.
Eines Tages kamen der Uli und die Antje beide wieder. Aber was haben sie da mitgebracht? In einem kleinen Sitz saß ein merkwürdiges Wesen, das ich noch nie gesehen hatte. Uli stellte den dann auf das Bett. Natürlich bin ich auch aufs Bett gesprungen, um mir das mal genauer anzuschauen. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, also habe ich es erst einmal angefaucht. Das fanden Antje und Uli wohl sehr witzig. Warum nur?
Nach einiger Zeit sind sie dann gefahren und für die nächsten Wochen kam der Uli wieder alleine zu mir. Gesehen habe ich die Antje und dieses kleine Wesen nur noch ab und zu. Franziska nannten sie es und es wurde immer größer. Jedes Mal schaute ich es mir genau an. Plötzlich bemerkte ich, das sieht ja fast so aus wie der Uli und die Antje, bloß viel kleiner.
Dann kam ein Samstag im April. Erst wurde es voll in der Wohnung. Uli, Antje und zwei Freunde. Ich habe mich schon gefragt, was die da machen, vor allem, als sie die Schränke und Regale ausräumten und nach unten trugen. Aber dann entdeckte ich etwas Aufregendes. Sie ließen nämlich die Wohnungstür auf. Die Gelegenheit musste ich natürlich nutzen. Vorsichtig erkundete ich das Treppenhaus. Meine Wohnung war im sechsten Stock. Ich lief also die Treppe herunter und schaute mich um. Vor einer Tür roch ich etwas, das ich kannte. Anscheinend wohnte hier die Elke. Die war einige Male in meiner Wohnung zu Besuch, aber anscheinend mochte sie mich nicht oder hatte Angst vor mir. Also habe ich mal die Tür von ihrer Wohnung angefaucht.
Mittlerweile wurde meine Wohnung immer leerer und am Abend wurde ich mal wieder in den Katzenkorb gesperrt und ins Auto gepackt. Nach einigen Minuten ließ mich die Antje in einer fremden Wohnung heraus. Aber die Möbel kannte ich, das waren meine. Ich habe mich auch gefreut, dass die Antje nicht wieder weg fuhr, sondern für mich da war. Auch an diese Franziska habe ich mich gewöhnt. Mein neues Reich gefiel mir immer besser, ich hatte viel mehr Platz als vorher. Drei Zimmer, ein großes Bad und ganz wichtig: die Küche mit meinem Futter.
Nach vier Jahren wurde die Antje wieder dicker und verschwand nochmals für einige Tage. Als sie zurückkam, hatte sie schon wieder so ein kleines Wesen dabei. Sie nannte es Philipp. Das kannte ich ja schon. Ich wusste, dass es wächst, aber ganz harmlos ist.
Jetzt komme ich zu etwas Unerfreulichem. Die Antje habe ich sauer gemacht, weil sie mich sauer gemacht hat. Ab und zu sind sie nämlich alle über das Wochenende weggefahren und haben mich alleine gelassen. Das ging doch gar nicht! Irgendwie musste ich das doch zum Ausdruck bringen, also bin ich mal auf das Fensterbrett gesprungen und habe in den großen Blumentopf gepieselt. Da war vielleicht was los! Erst hat sie mich gejagt und gefangen. Dann hat sie meine Nase in die vollgepisste Blumenerde gedrückt. Ekelhaft! Und wie sie geschimpft hat. Ich glaube, die Antje war so wütend, weil ich sie angeschaut habe, als ich das getan habe. Ganz frech hätte ich geguckt, hat sie gesagt.
Die nächsten Jahre verliefen ganz gut. Franziska und Philipp wurden größer, spielten mit mir, anstatt wie früher an meinem Schwanz zu ziehen.
Eines Tages brachte Uli einen Kratzbaum für mich mit. Er wollte damit wohl verhindern, dass ich meine Krallen an der Couch schärfe, aber der hat mir nicht gefallen. Die Antje hat mich zwar einige Male auf diesen Baum gesetzt, aber das wollte ich nicht. Das Hochbett in dem Uli und Antje schliefen, war viel höher und interessanter!
Ich war die Chefin der Wohnung, das war klar!
Dann passierte etwas Einschneidendes. Die Antje fuhr morgens weg und kam am Abend mit einem Hund zurück. Einem Hund, ich konnte es nicht fassen! Sollte der ab jetzt in meiner Wohnung leben? Anscheinend ja, das erklärte mir die Antje. Da konnte ich natürlich nichts machen. Also musste ich mich mit ihm arrangieren. Uli hatte von seiner Oma einen alten Sessel geerbt. Der war schon richtig durchgesessen. In der Kuhle war mein Schlafplatz. Eines Abends springt doch dieser Hund, der übrigens Kuni hieß, auf meinen Sessel und wollte es sich da gemütlich machen. Na gut, dachte ich, er ist ja auch viel größer als ich, und verzog mich auf mein Hochbett. Mit der Zeit verstand ich mich immer besser mit der Kuni und eines Abends sprang ich auf meinen Sessel, auf dem sie schon lag. Nachdem sie nicht reagierte, rollte ich mich neben sie zusammen. Ab da schliefen wir immer gemeinsam dort, Arsch an Arsch. Das war ein Zitat von der Antje.
Wir vertrugen uns ganz gut, außer wenn die Familie beim Essen saß. Da durfte ich nicht einmal in die Nähe des Tisches kommen. Ich wusste natürlich warum. Die Kuni spekulierte darauf, dass etwas herunterfiel und sie es fressen konnte. Das ist aber nie passiert.
Nach 11 Jahren gab es wieder etwas in meinem Leben. Plötzlich baute der Uli mit Antjes Vater mein Hochbett ab und lud es mit anderen Möbeln zusammen in einen Lieferwagen. Erst nach einigen Tagen kam er wieder und nahm mich einfach mit.
Ab da hatte ich also schon wieder eine neue Wohnung. Es war schon eine Umstellung, jahrelang hatte ich eine große Wohnung, hatte die Antje, den Uli, Franziska, Philipp und dann noch die Kuni um mich. Jetzt bin ich mit dem Uli allein und meine Wohnung ist viel kleiner. Besonders schlimm ist die Zeit tagsüber, wenn der Uli arbeiten ist. Da bin ich nun alleine. Gut, ich habe Zeit für Körperpflege und kann viel schlafen, aber ich bin doch froh, wenn er wieder da ist.
Wenn er tagsüber arbeitet, kann ich einer meiner Leidenschaften frönen, das ist nämlich die Neugierde. Dann kann ich alles genau untersuchen. Einmal hat Uli den Kleiderschrank nicht ganz geschlossen. Mit meiner Pfote kam ich in den Spalt und konnte so die Schiebetür aufmachen.
Er erzählt mir immer von einer anderen Katze namens Minka. Die gehörte ihm nicht einmal, sondern seiner damaligen Freundin. Aber sie muss richtig verschmust gewesen sein. Vor allem wäre sie sofort auf seinen Schoß gesprungen, wenn er sich hinsetzte. Dann musste er sie streicheln und wenn er aufhörte, stupste sie ihn sofort mit ihrem Köpfchen an, damit er weitermachte. Diese Story gefällt mir nicht besonders, ich bin jetzt da und keine andere Katze. Vor allem habe ich das Gefühl, er hat es gerne, wenn ich auch so verschmust wäre.
Ich schlafe am Fußende seines Bettes. Das findet er zumindest im Sommer nicht so gut. Wenn dann nämlich die Decke weggerutscht ist, sehe ich seine großen Zehen. Und die reizen mich irgendwie zum Festkrallen und Hineinbeißen. Irgendwann bemerkte ich, dass der Uli morgens barfuß im Bad stand und sich die Zähne putzte. Das habe ich dann gleich einmal ausgenutzt und in den Zeh gebissen. Ihr könnt Euch bestimmt vorstellen, was da los war.
Wenn der Uli in Urlaub fuhr, brachte er mich zu der Heike. Das war eine Kollegin vom Uli und wohnte in Dietzenbach. Da wurde ich vielleicht verwöhnt. „Wellness und Beauty“ nannte sie das dann. Sie hat extra eine kleine Bürste gekauft und kämmte mich jeden Tag. Das macht der Uli nie, er denkt wohl, für die Fellpflege bin ich alleine zuständig.
Ich durfte da alles, was ich zuhause nicht darf. Teller auslecken, aus denen die Heike gegessen hat und solche Sachen. Dazu konnte ich sogar auf den Tisch springen. Das haben die Antje und der Uli streng verboten. Als ich alleine mit dem Uli in der neuen Wohnung war, habe ich es mal probiert, aber er hat mich gleich herunter gejagt.
Natürlich hat die Heike auch mit mir gespielt. Besonders gerne mit einer Garnrolle oder einem Sektkorken.
Außerdem hat sie mich Joghurtbecher auslecken lassen. Das macht der Uli zwar auch, aber bei ihm ist nicht mehr viel in den Bechern.
Natürlich hat sie mir auch ganz leckere Sachen gekauft, obwohl der Uli mir mein normales Futter mitgegeben hat.
Dann haben mich die Heike und der Peter dauernd fotografiert, bestimmt hundertmal. Nein, Uli hat von der Heike einen Stick bekommen mit 321 Fotos, 320 von mir und eines vom Uli. Sie hat dann dem Uli zu Weihnachten tolle Kalender gebastelt mit den Fotos.
Natürlich habe ich mich bei der Heike auch gut benommen, ich weiß schließlich, was sich gehört. Fußzehen reizen mich ja, das habe ich schon geschrieben. Aber bei der Heike habe ich mich beherrscht.
Jetzt wieder zurück zu meinem normalen Leben mit dem Uli. Ich gewöhnte mich schnell daran, dass der Uli morgens wegfuhr und am Abend erst wieder nachhause kam.
Ich klettere dann auf das Hochbett und schlafe weiter. In meinem Alter braucht eine Katze viel Schlaf. Wie alt ich bin? 19 Jahre! Dafür habe ich mich gut gehalten. Vor allem bin ich immer noch gesund. Außer der Sterilisation und der Impfung musste mich der Uli noch nie zum Tierarzt bringen. Er sagt, das läge auch daran, dass ich eine Wohnungskatze sei, die nicht so viele Krankheiten bekäme, wie eine Katze, die draußen herumstromert.
Aber ich merke selbst, dass ich älter werde. Ich spiele nur noch kurz mit dem Uli, nicht mehr so häufig wie früher. Er hat eine kleine Plastikmaus an einer Schnur befestigt, die ich immer fangen muss, wenn er sie mir zeigt. Also jage ich einige Male hinter der Maus her, wenn er mit mir spielen will. Menschen sind ja so einfach zufrieden zu stellen, wenn man einen Augenblick das macht, was sie wollen.
Wenn er abends nachhause kommt, spüre ich das schon einige Minuten vorher, ich warte schon immer im Flur und begrüße ihn mit lautem Miauen.
Er setzt sich dann auf die Couch und ich springe auf seinen Schoß, um mich streicheln zu lassen. Aber er kommt schlecht damit zurecht, dass ich ihm einen Hieb mit meiner Pfote verpasse, wenn ich genug habe. Gut, ich kann vielleicht die Krallen einziehen. Ich bin aber halt keine Minka!
Ich sitze schon ganz gerne auf der Fensterbank und schaue heraus. Vor dem Fenster steht ein großer Baum und ab und zu springt ein Eichhörnchen von da auf den Balkon. Das würde ich schon ganz gerne fangen. Der Uli findet es ganz lustig, wenn er hört, was ich für Geräusche von mir gebe und mein Schwanz vor Aufregung zuckt.
Es gibt natürlich etwas, was ich gar nicht leiden kann. Das ist der „Blaue!“ Fast jeden Samstag holt der Uli ihn aus einer Ecke und schaltet ihn ein. Der gibt ein grauenhaftes lautes Geräusch von sich und Uli läuft damit durch die ganze Wohnung. Auch ins Schlafzimmer, wo ich mich auf das Hochbett geflüchtet habe. Erst wenn Uli ihn in die Ecke gestellt hat, komme ich wieder herunter.
Könnt ihr euch vorstellen, wie erschrocken ich war, als auch die Heike in meinem Urlaub bei ihr so ein Ding herausholte. Das war zwar nicht ganz so laut wie zuhause, aber mir reichte es auch so. Irgendwie riecht dann die Wohnung auch ganz seltsam.
Seltsam sind auch manche Menschen. Da hat doch tatsächlich eine sogenannte Philosophin im Fernsehen behauptet, Tiere können nicht genießen. Da hat sich der Uli richtig darüber aufgeregt. Das ist ja auch totaler Quatsch. Diese Minka hat es doch richtig genossen, wenn der Uli sie gestreichelt hat. Sonst hätte sie ihn ja auch nicht aufgefordert, weiter zu machen, wenn er aufgehört hat. Und ich mag das ja auch, nur nicht so lange. Außerdem genieße ich ja auch den Urlaub bei der Heike.