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Werbepause
Werbepause
Moment mal. Hab ich richtig gelesen?
Ich sah mir die Anzeige in der Tageszeitung noch mal genauer an.
Es kann doch nicht möglich sein.
Ich reib mir die Augen und lese mir die Anzeige zum dritten Mal durch.
Die Worte treffen jedesmal bis ins Mark.
Ich dachte er wäre tot. Ich war der letzte der ihn sah bevor er vom Erdboden verschwand.
Drei Jahre waren seitdem vergangen und ich war mit Jennifer sehr glücklich geworden.
Sie war so lebensfroh bis zu dem Zeitpunkt wo er verschwand. Er liebte sie bestimmt nicht, hat sie aber auch nie schlecht behandelt.
Wie sie zusammen kamen ist mir heute noch ein Rätsel und Jenny wollte nicht davon erzählen weil ihr die Erinnerungen an ihn zu sehr an die Nieren ging.
Ich tröstete sie in dieser schweren Zeit, wir kamen uns näher und nach einen halben Jahr schliefen wir das erste Mal zusammen. Kurz darauf heirateten wir.
Wie jedes normale Paar gab es Streitereien die aber durch unsere Kompetenz und Achtung voreinander schnell bereinigt wurden.
Ich dachte nicht mehr an ihn bis ich die Anzeige las. Da brachen die gesamten Erinnerungen in mir auf.
Wir waren nicht unbedingt Freunde, mehr Kollegen die gemeinsame Interessen hatten.
In unserer Firma, Digital Impressions, einer Instuition für Werbung, Musikvideos und sonstigen sinnlosen Schwachsinn, waren wir zwei der führenden Kreativen. Gutes Geld war die Devise.
Aber auch das Gefühl die Leute mit unseren Schund zu verarschen war andauernd in unseren Köpfen. Andauernd haben wir darüber beraten wie wir die Werbewelt in ihren Grundmauern erschüttern könnten.
Denn die Werbung ist nicht mehr das was sie mal war.
Früher war sie als Information gedacht, heute werden Sachen angeboten die kein Mensch braucht. Gutgebaute Menschen bewegen sich in den Spots durch eine perfekte Welt, machen uns was vor, lassen uns glauben das wir durch eine Zigarette frei wie ein Cowboy werden oder das unser Liebesleben durch ein Auto gesteuert wird.
Dann bekamen wir einen neuen Auftrag, der uns auf die Malediven führte.
Ein bekloppter Spot, in dem eine kaum bekleidete Strandschönheit ins Meer läuft und fast ertrinkt, von einen muskulösen Rettungsschwimmer a la David Hasselhoff gerettet und ihr eine Mund zu Mund Beatmung macht. Sie öffnet ihre Augen, die Gaffer stöhnen erlöst auf und der rettungsschwimmende Adonis sagt:"Sie sollten vorsichtig sein wenn sie ins Wasser gehen. Aber zum Glück haben sie einen angenehmen Mundgeruch." Sie sieht ihn in die Augen und küsst ihn. Dann kommt aus dem Off eine Stimme die behauptet: "No Smint no kiss"
Wir fuhren also hin, begutachteten unsere Hotelzimmer, tranken die Mini-Bar leer (die Spesenrechnung übernimmt die Firma) und fingen an uns den Spot vorzunehmen.
Jennifer war in der Hotelbar geblieben (höchstwahrscheinlich hat er ihr dazu geraten), doch nach vier Stunden endlosen Wein trinken, Tageszeitungen lesen und Kreuzworträtsel lösen hatte sie genug und ging nach oben.
Sie kam in sein Zimmer wo wir beide auf dem Boden lagen und uns über das beschissene Skript amüsierten.
"Ist es so schlecht?" fragte sie und fing leicht an zu grinsen.
"Schlechter Baby, schlechter. Ich glaub das ist der grösste Scheiss seit der Kampagne von ACE, der milden Bleiche." Er stand auf, torkelte durch den Raum und fiel ihr in die Arme. Er versuchte sie zu küssen, doch sie wehrte ab.
"Nein du Idiot. Du stinkst aus dem Hals wie eine Destillerie."
"Dann verpiss dich doch. Mach dir einen schönen Abend in der Stadt. Wir haben hier noch viel zu tun. Und seine Mini-Bar ist noch voll."
Sie verschwand, wir tranken, philosophierten über den Sinn der Werbung, schwelgten in Erinnerungen und benutzten das Skript um uns unsere Ärsche auf der Toilette abzuwischen.
Er sagte:"Irgendwann wird die Werbebranche auf ihrer eigens verzapften Scheisse ausrutschen und ich werde der Auslöser sein."
Ich nahm ihn nicht so ernst weil er bis obenhin dicht war.
An mehr erinnerte ich mich nicht. Der Abend war fast vollständig aus meinen Gedanken gelöscht.
Es ist ein Irrglaube das vom Alkohol nur die schwächsten und langsamen Gehirnzellen zerstört werden, damit irgendwann eine ausgereifte, perfekte Denkmaschine aus dem menschlichen Hirn wird.
Es sind meist die wichtigsten Dinge die aus den Zellen des Hirns gelöscht werden, im Gegensatz zu Windows ohne Nachfrage.
Ich wachte am nächsten Tag mit dem übelsten Kater meiner bisherigen Laufbahn durch die Bars, Kneipen und Nachtclubs der hiesigen Welt auf und musste erstmal alles sortieren. Musste feststellen das ich kaum was vom Vorabend weiss, das beide Mini-Bars leer waren, das Zimmer voll mit leeren Flaschen und das Skript voller Stuhl war.
Und er war weg.
Jennifer lag in ihrem Bett, ich war ja in meinen aufgewacht. Dort mussten wir auch die letzten Stunden der letzten Nacht verbracht haben.
Ich weckte sie und fragte ob sie weiss wo er ist?
Sie gähnte und streckte sich, bat mich darum meine Frage zu wiederholen und beneinte sie danach.
"Weisst du es denn nicht? Bis wann habt ihr denn gestern gemacht?"
"Ich weiss nicht, ichhab einen grausamen Kater und weiss nur das wir zuviel getrunken haben."
"Ich bin um 2 Uhr ins Zimmer gekommen und hab euch gehört. Ihr habt viel gelacht, manchmal hat er auch geschrien."
Wir warteten bis zum nächsten Tag, am Mittag wurde Jenny nervös. Sie fing an zu weinen und sie bat mich die Polizei zu benachrichtigen.
Die Polizei suchte drei Tage lang.
Ich versuchte Jenny zu beruhigen und unseren Arbeitgeber davon zu überzeugen, das es kein schlechter Scherz sei, das er nicht mehr da ist und die Kampagne verschoben werden muss und wieder mal mehrere tausende an Dollar den Bach runter gehen.
Das ist drei Jahre her.
Ich beendete meine Arbeit bei Digital Impressions und verklagte die Obersten auf Erpressung (ich hatte mir einiges an Beweisen gesammelt). Sie kamen leider nicht in den Knast, mussten aber ne Menge Geld abdrücken und ihre Firma schliessen. Ich hab es fast geschafft. Ich werde die Werbeindustrie immer weiter unterdrücken.
Und Jennys Liebe hilft mir dabei.
Und jetzt diese Anzeige.
Er hat sie geschaltet.
Ich erkenne seine Art die Sätze zu formulieren wieder.
Und was er geschrieben hat, machte mir Angst.
Er bewarb sich als Werbetexter. Es gibt keine Gerechtigkeit auf dieser Welt.
Wenn ich ihn sehe werde ich ihn töten.