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Wer zu spät kommt...

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23.11.2012
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Wer zu spät kommt...

Es war ein verregneter Märzmontag, als ich in meinen rostigen Kombi stieg. Das ausgeleierte Zündschloss knirschte und es schien riskant, den Schlüssel noch weiter zu drehen. Alles durfte passieren, nur eines nicht: Ich dürfte heute nicht zu spät kommen! Mutig biss ich die Zähne zusammen, wagte die letzte Viertelumdrehung des Schlüssels und der Motor sprang mit einem Husten an. Das darauf folgende Schnurren der vier geölten Zylinder, die über meinen kalten Füßen vibrierten, beruhigte mich und Erinnerungen an einen roten Kater aus Kindertagen erwachten. Der Gedanke gefiel mir und lockte ein Blitzen in meinem Augenwinkel hervor. Fünf Minuten später startete ich in Richtung München.

München! Noch nie zuvor war ich in einer Großstadt gewesen und noch nie zuvor ängstigten mich Menschen. Warum auch? Ich kannte jede verknöcherte Seele in meinem Ostfriesischen Heimatdorf und jede Seele kannte mich seit meiner Geburt vor 30 Jahren. Unter ihnen, die längst den Herbst des Lebens erreicht hatten, stach ich hervor wie die falsche Zahl in einer aufgehenden Gleichung. Die Alten spotteten, ich habe den Absprung verpasst; ich scheue das Leben. Ihr Verdacht prallte seit Jahren an mir ab. Was mich all die Zeit unter ihren warmen Septembersonnen hielt, nannte sich Familie. Und nun blieb ich allein zurück, weil meine Mutter als letzte Bastion meiner Vorfahren vor sechs Wochen viel zu früh verstorben war. Meine Zukunft hieß München und mit dieser Stadt wartete ein gutdotierter Job in der Softwareentwicklung auf mich. Schon immer lockte mich das Versteck, das sich hinter einem flackernden Bildschirm auftat, magisch an. Es bot mir Schutz vor der Welt da draußen, wenn ich hinter der Plasmascheibe in andere, logische Sphären abtauchte. Diese Höhle hatte einen wahren Meister meines Faches aus mir werden lassen und genau das war es, was im Tausch für eine neue Zukunft stehen sollte. Ich dürfte heute nicht zu spät kommen!

Nach vier Stunden verflog die knisternde Anspannung; wurde hinweggetragen vom Singen der Reifen auf dem grauen Asphalt. Gleichsam summend setzte ich den Blinker rechts, wechselte die Autobahn und hypnotisiert vom Klang der Zukunft fuhr ich entspannt bis … bis ich begriff, dass meine Zukunft längst ohne mich abgebogen war, als ich die falsche Abfahrt genommen hatte. Den Tränen des Versagens nahe, steuerte ich meinen Wagen zur nächsten Raststätte, um nach dem Weg zu fragen. Niemand half mir. Inzwischen schien es aussichtslos, pünktlich zum Bewerbungsgespräch zu erscheinen; aussichtslos und sinnlos zugleich. Mein Innerstes zeigte aufgewühlt, dass ich der Welt da draußen tatsächlich nicht gewachsen war und ich sank auf einer hellbraungepolsterten Sitzbank im Imbiss der Raststätte nieder und heulte. Mehr tat ich nicht; mehr konnte ich nicht tun.

Es mussten etwa zwei Stunden vergangen sein. Die erbarmungslos tickenden Zeiger der Uhr verrieten, drei Manager warteten in München vergebens auf mich. Mit roten, verquollenen Augen sah ich auf und ein Mann stand vor mir. Er schwieg. Dann ging er so wortlos, wie er aus dem Nichts meiner trostlosen, einsamen Welt erschienen war. Zehn Minuten später saß ich ihm wieder gegenüber und führte das einzige Bewerbungsgespräch meines Lebens: die Bewerbung um meinen zukünftigen Ehemann und Vater unserer Kinder. Jetzt verstand ich es: Ich durfte heute nicht zu spät kommen!

 

Mein Einstieg hier

Hallo an alle!
Die zuvor geschriebene 'sehr'-Kurzgeschichte soll mein Einstieg und gleichzeitiges 'Hallo' an alle sein!

Ich hoffe auf viele nette 'Gespräche' hier und hinterlasse
liebe Grüße
curiositas

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo curiositas
und willkommen auf kg.de :)

Hm, also ich bin mir da uneins mit deinem Einstieg. Das wirkt auf mich noch etwas beliebig. Also viel Text ist es ja nciht und ich habe mich die ganze Zeit über gefragt, ob das, was du denn da schreibst, überhaupt wichtig ist, für das, was du sagen willst. Also in meiner Lesart geht es hier um den EIngriff des Schicksals. Anscheinend sollte sie nicht zu dem Gespräch erscheinen, weil sie sonst nciht den Mann ihrer Träume gefunden hätte.
Okay, das finde ich eine legitime Sache, um darüber zu schreiben. Aber wer die Prota eigentlich ist, das erfahren wir nicht. Da weiß ich am Ende mehr über das Auto, das sie fährt. Damit verspielst du einen wichtigen Punkt, und das ist das EInfühlen können in deine Figur. Erst am Ende hatte ich bspw überhaupt eine Idee von dem Geschlecht, für mich las sich das eher männlich, aber das Ende dreht es für mich um.
Es gibt so Geschichten, bei denen ist es wirklich nciht wichtig, welches Geschlecht oder Alter die Figuren haben, aber das sind die wenigsten, weil es in der Regel einen klaren Rahmen benötigt, um sich in eine Figur einzufühlen und das Denken und Handeln quasi abzukaufen.
Dann die Sache mit dem Satz ich dürfte heute nicht zu spät kommen.
Ist das ein Wortspiel? Am Ende schreibst du es ja dann richtig. Ich durfte heute nciht zu spät kommen. Walls es eins ist, finde ich es misraten, denn der Sinn geht mirnicht auf. In dieser Form ist es eine Stelle, die mich aus dem Text wirft und das sollte immer tabu sein.
Also, ich denke, du solltest dem Leser mehr von deiner Figur zeigen, vll ein paar Erinnerungen szenisch machen. DIe Sache mit der Mutter zB. Einfach so hingeklatscht - aber kein Bild. Ergo: kein Gefühl.
Dann die Handlung an sich mit der Autobahn ... Weiß nicht, jemand, der sich lieber in der virtuellen Welt aufhält, hat heute doch ganz sicher ein Navi. Jedes Smartphone verfügt schon über diese Fähigkeit. Also das kam mir zumindest gleich hoch, vll schließe ich da zu sehr von mir auf andere, aber huch die falsche Ausfahrt alles pfutsch ... naja, damit machst du es dir in meine Augen etwas zu leicht.

Du siehst, hier sind noch einige Punkte, die mich stören. Mal schauen, was andere sagen. Am besten selbst aktiv werden hier, das erhöht auch die Wahrscheinlichkeit noch weitere Resonanz zu deiner Geschichte zu erhalten.
So oder so noch viel Freude auf kg.de :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo curiositas und herzlich willkommen im Forum :)

Nette "Gespräche" im Sinne von Kommentaren und Diskussionen zu deinen Geschichten kannst du am besten abgreifen, wenn du gleich selbst anfängst andere zu kommentieren - also, nicht schüchtern sein.

Ich habe den Eindruck, dass du dich um neue Formulierungen bemühst (was gut ist), aber bei deinem Text sind mir mehrere Formulierungen aufgefallen, die ich missglückt finde, da solltest du noch polieren.
Zum Beispiel:

Mutig biss ich die Zähne zusammen
Kann man Zähne mutig zusammenbeißen? Kann man auch feige die Zähne zusammenbeißen?
Der Gedanke gefiel mir und lockte ein Blitzen in meinem Augenwinkel hervor.
Eigentlich lockt man etwas AUS etwas hervor, nicht IN. Dann können zwar Augen blitzen und Blicke vielleicht, aber ein Augenwinkel?
Mit "blitzenden Augen" kann etwas Positives gemeint sein (es gibt auch bösartig blitzende Augen), aber deine Formulierung klingt nach Augen, die Blitze schießen - und das meint immer einen sehr wütenden Blick.
Noch nie zuvor war ich in einer Großstadt gewesen und noch nie zuvor ängstigten mich Menschen.
Ganz schräger Satz. Wo ist der Zusammenhang, worauf willst du hinaus? Wenn da jetzt so ein Nachsatz käme "noch nie zuvor ängstigten mich Menschen, aber an diesem Tag jagten mir alle Leute eine Heidenangst ein" ... aber so?
stach ich hervor wie die falsche Zahl in einer aufgehenden Gleichung.
Es ist eine gute Idee, ein Mathematiksprachbild zu basteln, wenn die Prota kurz darauf erzählt, dass sie Informatikerin ist. Aber dieses Bild hier funktioniert nicht richtig. Wenn man eine falsche Zahl in der Gleichung hat, geht die Gleichung nicht auf, bzw. es ist keine Gleichung mehr. "falsche Zahl in aufgehender Gleichung" ist kein Bild für etwas, das sehr auffällig ist und hervorsticht, höchstens ein Bild für etwas, das es gar nicht gibt :D
Ihr Verdacht prallte seit Jahren an mir ab.
Ein Verdacht kann nicht abprallen, denn man hat es nicht unter Kontrolle, ob andere einen verdächtigen oder nicht. Was abprallen kann sind Beleidigungen, Spott, Hohn, etc - also alles, wo man selbst entscheiden kann, ob man es an sich heranlässt oder nicht. Jemand kann eine Beleidigung gegen mich aussprechen, aber ob ich tatsächlich beleidigt reagiere ist meine Entscheidung und entzieht sich der Kontrolle anderer, deswegen kann eine Beleidigung an mir abprallen.

Das ist keine vollständige Liste, ich will nur generell sagen: Formulierungen hinterfragen, sprachlich hast du mich nicht überzeugen können.

Zum Inhalt:
Angelockt wurde ich ja durch den Titel ;), ich fühle mich allen Zuspätkommern emotional sehr verbunden. Auch was das Verfahren und Verlaufen angeht, halte ich mich für eine Art europäisches Referenzsystem. Mit meiner jahrelangen Erfahrung fällt es mir nicht leicht zu glauben, dass die Prota sich auf der Autobahn verfährt, der Spaß geht doch immer erst los, wenn man die Autobahn verlässt bzw. nicht wiederfindet ... aber okay.
Was störend ist: wir befinden uns im Zeitalter des Navigationssystems und du gibst im Text keinen Hinweis darauf, wann deine Geschichte spielt. Mein Vorschlag: irgendwo im ersten Absatz eine Zeitangabe verstecken, zum Beispiel ein "damals" in den ersten Satz schmuggeln oder so ein "es ist jetzt gut zwanzig Jahre her, dass ich und mein rostiger Kombi ..." oder irgendsowas.
Im Moment ist meine Leserreaktion nämlich: ohje, da fährt der letzte Mensch ohne Navi zu einem wichtigen Termin quer durch Deutschland und findet den Weg nicht - dann ist sie zu blöd mit dem Handy in München anzurufen und Bescheid zu sagen - wie dämlich ist diese Figur denn?
Die Figur zerbricht da an Problemen, die man heute einfach nicht mehr hat, nichtmal mit dem Bonus, in einem kleinen überalterten Dorf aufgewachsen zu sein. Da kriegt die Figur vom Leser kein Verständnis sondern Häme. Wenn im Text klargemacht wird, dass die Figur sich in dem dunklen Zeitalter ohne Navi und Handy bewegt, dann ist das vielleicht was anderes.
Übrigens, Ostfriesland-München? Für die Strecke würde ich so zehn Stunden schätzen (?), dann ist die Prota ja mitten in der Nacht losgefahren. Sowas könntest du erwähnen, ich hatte das Bild gar nicht vor Augen, dass die bei Nacht unterwegs ist.
Muss die Strecke so lang sein? Tut dem Text nicht gut. Auch von weltfremden Personen erwartet man, dass sie einen Zeitpuffer einplanen, wenn sie einmal durch ganz Deutschland rattern (Staus, Baustellen, ...). Also bei der Strecke und einem Bewerbungsgespräch würden viele schon eine Übernachtung einplanen ...
Wie wäre es, wenn die Prota aus dem Münchner Umland nach München rein muss und sich dabei verfährt? Da ist ne halbe Stunde weg wie nix und viel mehr Zeitpuffer plant man dann vielleicht nicht ein?

Den Tränen des Versagens nahe, steuerte ich meinen Wagen zur nächsten Raststätte, um nach dem Weg zu fragen. Niemand half mir. Inzwischen schien es aussichtslos, pünktlich zum Bewerbungsgespräch zu erscheinen; aussichtslos und sinnlos zugleich. Mein Innerstes zeigte aufgewühlt, dass ich der Welt da draußen tatsächlich nicht gewachsen war und ich sank auf einer hellbraungepolsterten Sitzbank im Imbiss der Raststätte nieder und heulte. Mehr tat ich nicht; mehr konnte ich nicht tun.
Nee, ich schaff's nicht, die Figur ernstzunehmen. Eine Frau, die der Welt so wenig gewachsen ist, dass sie zwei Stunden lang über eine falsche Abzweigung heult und nicht mal nach Hause fahren kann und dann im Handumdrehen begreift: ich muss mich verheiraten und Mutter werden, das ist die Lösung! :D :D :D
Das ist ja schon satirisch (sich um einen Ehemann "bewerben", hehe).
Zu welcher Zeit gehört denn die Denkweise, so 50er/60er Jahre? Dazu passt dann aber nicht die weibliche Informatikerin, hm.
Leider hörst du da auf, wo die richtige Geschichte anfängt, sehr sehr störend. Da geht es doch erst los, wie lernen die beiden sich jetzt kennen? Worüber reden sie? Was ist überhaupt so toll an dem Mann, dass er die Prota interessiert? (Der Text schweigt sich komplett darüber aus, da steht der Mann nur da und sagt nichts.)
Ich würde sagen, für die Rubrik R/E ist der Text nicht geeignet, der romantische Teil fehlt doch, der wird in zwei Sätzen berichtet und nicht erzählt.

Ich würde sagen, du solltest hier nachbessern, aber dafür ist das Forum ja da.

Viel Spaß hier! :)

 

Hallo curiositas,

ohne Möchtegerns Kommentar hätte ich nicht auf Anhieb verstanden, dass die arme Frau in Vor-Internet-Zeiten ihren Vorstellungstermin verpasst. Am Stil ist mir aufgefallen, dass du häufig dem Substantiv ein Adjektiv voranstellst:

Es war ein verregneter Märzmontag, als ich in meinen rostigen Kombi stieg. Das ausgeleierte Zündschloss knirschte und es schien riskant, den Schlüssel noch weiter zu drehen.
Wenn du alle unnötigen Adjektive einfach weglässt, wird der Text viel besser lesbar. ;)

Ich finde, alle interessanten Ereignisse spielen sich im letzten Absatz ab, den ich mehrmals lesen musste:

Es mussten etwa zwei Stunden vergangen sein. Die erbarmungslos tickenden Zeiger der Uhr verrieten, drei Manager warteten in München vergebens auf mich. Mit roten, verquollenen Augen sah ich auf und ein Mann stand vor mir. Er schwieg. Dann ging er so wortlos, wie er aus dem Nichts meiner trostlosen, einsamen Welt erschienen war. Zehn Minuten später saß ich ihm wieder gegenüber und führte das einzige Bewerbungsgespräch meines Lebens: die Bewerbung um meinen zukünftigen Ehemann und Vater unserer Kinder. Jetzt verstand ich es: Ich durfte heute nicht zu spät kommen!
Frau weint. Mann taucht plötzlich auf. Zehn Minuten später redet sie mit ihm und überzeugt ihn von sich. Dann kommt ein sehr geheimnisvoller letzter Satz, der sich meiner Vorstellung von Logik nicht erschließen will. ;)

Was dem Text auch guttun würde, wären Einzelheiten aus der damaligen Computer- und Geschäftswelt.

Freundliche Grüße,

Berg

P. S.: Willkommen hier!

 

Hallo curiositas,

und auch von mir ein Willkommen :).

Inhaltlich und stilistisch wurde ja schon einiges gesagt, da warte ich erst mal ab, was Du mit all den Informationen jetzt anfängst, oder ob die hier jetzt rumstehen und vom Staub berieselt werden. (Kommt leider sehr oft vor.)

Als Rubrik-Mod sehe ich die Geschichte allerdings nicht in R/E. Das romantische Element ist ja eher ein Fazitsatz am Ende. Ich schlage eine Verschiebung nach Alltag oder Sonstige vor. Teile mir in den nächsten drei Tagen Deine bevorzugte Rubrik mit, ansonsten verschiebe ich es am Dienstag Abend nach Alltag.

Viel Spaß Dir hier im Forum!

Beste Grüße Fliege

 

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