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Wer weiß denn schon ...?
Sein Name war Sam Pattoo. Sein Zuhause lag tief im Landesinneren, idyllisch gelegen im schottischen Fleckchen Erde namens Scordans Lands. Sam lebte hier seit er geboren wurde und wuchs behütet in einer großen Familie mit vielen Geschwistern auf. Sein Heim war stets gemütlich und warm und da das Landleben gute und reichhaltige Kost zu bieten hatte, wuchs Sam zu einem wahren Prachtkerl heran. Sam Pattoo konnte wirklich von sich behaupten, ein rundum zufriedenes, ja eigentlich sogar glückliches Leben zu führen.
Bis zu jenem Tag im September...
Sam schreckte hoch aus dem Schlaf. Was war passiert? Irgendetwas stimmte nicht. Seine Gedanken konnten sich so schnell nicht ordnen. Hatte er einen Albtraum gehabt? Nein, das war es nicht. Hier, hier in der Realität war etwas nicht in Ordnung, nicht so wie es sein sollte. Langsam kam Sam mehr und mehr zu sich und registrierte, was genau nicht stimmte: Um ihn herum bebte es! Alles bebte und bewegte sich! Die Wände seiner Wohnung vibrierten, seine ganze Umgebung zitterte wie von einem gigantischen Presslufthammer gerüttelt. Begleitet wurde dieses unheimliche Szenario von einem Chor aus angsterfüllten Schreien. Es waren die Stimmen seiner Geschwister, die aus den umliegenden Zimmern an sein Ohr drangen. Irgendjemand oder irgendetwas tat ihnen Gewalt an. Oh Himmel, was geschah hier nur?
Alle Wände um Sam herum bekamen riesige Risse und begannen zu bröckeln und dann passierte das Unfassbare. Durch die Decke des Raumes bohrten sich in kreisförmiger Anordnung fünf riesige, bedrohliche Pfeiler. Sie schoben sich weiter und immer weiter voran, direkt auf Sam zu. Diese Pfeiler schienen in sich beweglich zu sein, denn sie begannen, sich zu krümmen und schlossen Sam schließlich wie in einen Käfig in sich ein. Nun begann auch Sam panisch zu schreien. Er war sich sicher, gleich grausam von diesem Monster zerquetscht zu werden. Als das Etwas ihn dann gänzlich umfasste, war er überrascht, dass es warm und fast weich war. Der Druck auf ihn erhöhte sich nicht weiter, das Ding hatte scheinbar doch nicht vor, ihn zu töten. Sekundenbruchteile später fühlte Sam wie er hochgehoben wurde. Er schwebte fest eingeschlossen in diesen Käfig durch das Loch in der Zimmerdecke und durch die darüber liegenden Etagen, die alle zerstört und sich völlig zusammengefallen an ihm vorüberzogen. Das Monster entführte ihn in seine fürchterliche Welt.
An dem Ort, an welchem er jetzt angekommen war, gab es nichts, was Sam aus seiner bisherigen Umgebung kannte. Gleißendes Licht stach ihm schmerzhaft in die Augen und ein Wirbel von Geräuschen, die er keiner Quelle zuordnen konnte, hüllte ihn ein. Das Etwas, das ihn immer noch mit leichtem Druck umfasst hielt, hob ihn noch ein wenig höher und dann spürte Sam wie die Tentakel um ihn herum sich öffneten. Gleich, gleich würde er fallen. Es ließ ihn los, jetzt...
Hart schlug Sam auf. Er fühlte in sich hinein, Gott sei Dank, soweit schien ihm nichts passiert zu sein. „Sam! Sam, lieber Himmel, Sam, du bist auch hier?“. „Ja, Leute seht doch, auch Sam ist hier!“. „Sam, bist du o.k.?“. „Weißt du, was mit uns hier geschieht, Sam?“ „Sam, es ist ja alles so schrecklich“, die Stimmen prasselten von allen Seiten auf ihn herein und unendliche Erleichterung machte sich in ihm breit. Das waren seine Geschwister. Und sie lebten! Sam schaute sich um. Es war nicht nur seine Familie anwesend, es waren mindestens noch hundert andere Leute da. Teilweise kannte er sie, sie kamen auch aus Scordans Lands, andere wiederum waren ihm fremd. Eng aneinander gedrängt lag er mit ihnen zusammen in einer Art Kessel. Was war hier bloß los? Was war das für eine grausame Macht, die sie alle aus ihrem friedlichen Leben riss und hierhin entführt hatte? Und was hatte sie mit ihnen vor?
Es war die schrecklichste Nacht für sie alle. Man hatte sie bisher in Ruhe gelassen und ihnen kein weiteres Leid zugefügt. Aber die Angst ging durch alle Reihen. Die Angst davor, was mit ihnen passieren sollte. Manche weinten leise vor sich hin, die meisten jedoch schwiegen, qualvoll auf etwas wartend, von dem keiner wusste, was es sein würde.
„Sam, wach auf. Der Himmel öffnet sich!“ Sam war nach vielen Stunden in einen kurzen oberflächlichen Schlaf gefallen und sein Bruder Mac rief ihn wach. Den Blick hebend erkannte er, dass sich der verhangene Himmel über dem Gewölbe, in dem sie sich befanden, lichtete und wieder gleißend helles Licht freigab.
Alle starrten gebannt nach oben. Ein kurzer Schrei entfuhr den meisten als das Tentakelmonster hoch oben über ihnen erschien. Es öffnete seine Glieder und sauste zu ihnen in die Menge hinab und.... griff sich Mac! Sams Bruder schrie während seines in Krallen gefangenen Aufstiegs in einer derart schrillen Tonlage, dass alle erstarrten. Das Ding war mit Mac aus ihrem Blickfeld verschwunden. Nur Macs jammernde Stimme und die markerschütternden Töne, die er von sich gab waren noch eine Zeit lang zu vernehmen.
Dieses grausame Schauspiel setzte sich nun im Minutentakt fort. Immer wieder sauste das fünfgliedrige Monster in den Kessel und suchte sich einen von ihnen aus, um ihn für immer mitzunehmen. Jedes Mal war Sam solange nicht in der Lage zu atmen, bis die qualvollen Schreie verstummten. Er war sich sicher, dass jeder, der mitgenommen wurde dort oben auf eine grausame Art sein Leben ließ.
Sam wusste es bereits, als das Monster am Himmel erschien. Das war seine Fahrt, dieses Mal würde es ihn treffen. Und so war er wenig überrascht, als es ihn tatsächlich packte und mit nach oben nahm. Hier erwartete ihn ein zweites Tentakel-Ungetüm, das sich unmittelbar auf ihn stürzte und ihm dann in geübten Zügen Streifen für Streifen die Haut vom Leib herunterschnitt. Jetzt verstand Sam, wie die Schreie seiner Vorgänger zu Stande kamen. Es ging schnell. Für die Schmerzen, die nach jedem entfernten Streifen Haut zu ertragen waren, wurden jedoch aus Sekunden Ewigkeiten. Die Erlösung kam erst, als Sam Pattoo bar jeder Außenhülle in das siedende Salzwasser glitt.
ENDE