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Wer schreibt heute die Groschenromane?
Gefühle kann man lesen – Werbeslogan des Kelter Verlags.
Hedwig Courths-Mahler ist seit 60 Jahren tot, aber diese Romane haben anscheinend nach wie vor Konjunktur – Zitat aus der Webseite:
Insgesamt bieten die Frauenromane so eine konstante monatliche Auflage von 3.300.000 Exemplaren.
Allerdings ist der Begriff „Roman“ hier ein dehnbarer: Auf der ersten Seite stirbt die Mutter bei der Geburt eines Mädchens, auf der zweiten heiratet der Vater ein zweites Mal, und auf der dritten ist das Mädel 18 Jahre alt – weiter habe ich nicht gelesen, weil die Wartezeit im Krankenhaus zu Ende war, aber vermutlich ging’s ab da mit den Gefühlen los.
Der Verlag sieht sich im Dienst des Lesers bzw. vor allem der Leserin – Zitat:
Der Liebesroman steht gattungsunabhängig am Beginn und im Zentrum von Literatur. Jede Rückbesinnung auf berühmte Dichter verschiedenster Epochen mag dies verdeutlichen; die Namen Homer, Shakespeare, Goethe usw. mit so unterschiedlichen Werken wie der Ilias, Romeo und Julia, Faust mit seinem Gretchen usw. behandeln das Thema Liebe als Hauptmotiv. Ein Streifzug durch die Epochen der Weltliteratur wäre auch und ganz entscheidend ein Streifzug durch die unerschöpflichen Facetten der Liebe und ihrer Darstellung in Gedicht, Schauspiel und Roman. Letzterer gewinnt mit dem Erwerb von Lesekompetenz der Menschen zunehmend an Bedeutung.
So haben sich im deutschen Sprachgebiet des 19. Jahrhunderts zwei Romanformen herauskristallisiert, die woanders kaum getrennt voneinander wahrgenommen werden – der sogenannte "hochwertige" und der sogenannte "niedere" Roman. Von Seiten der Literaturkritik wird eine Normenbildung im Sinne der Wertigkeit von Literatur vorgenommen, in der Folge werden immer wieder Beurteilungskriterien eingeführt, professorale Wertungsnormen gesetzt, die eine Instanz bewusst vernachlässigen: den wirklichen Leser. Resonanz beim Lesepublikum, verlegerischer Erfolg werden von einem mythisch überhöhten Elfenbeinturm aus als Schwäche, Verständlichkeit wird als literarische Minderwertigkeit gebrandmarkt – eine fragwürdige ideologische Einengung in sogenannten Fachkreisen.
Mich würde interessieren, wer heute all diese Geschichten schreibt? Vielleicht jemand, der auch auf kg.de veröffentlicht? Oder hat das schon jemand von uns versucht?