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Wer hat Angst vor kleinen Tieren?
Wer hat Angst vor kleinen Tieren?
Da saß schon wieder eines von diesen ekeligen Dingern! Langsam reichte es! Was Tap´ti auch tat, sie schien ihnen niemals zu entkommen. Diese merkwürdigen bunten Viecher tauchten manchmal wie aus dem Nichts auf. Sie konnte es nicht leiden, die Situation nicht unter Kontrolle zu haben, selbst wenn sie sich auf eine faszinierende Weise von diesen Wesen angezogen fühlte.
Sie schaute hinauf, um es einmal näher zu begutachten. Von hier unten wirkte es irgendwie größer, als wenn man es von oben aus betrachtete.
Es bewegte sich nicht, wahrscheinlich ruhte es sich eine Weile aus. Die Zeit war ideal für eine genauere Inspektion, denn wenn sie sich bewegten, waren sie dermaßen schnell, dass ihnen kaum zu folgen war.
Dieses Ding hatte vier Beine, die vorderen waren etwas kürzer als die beiden hinteren und besaßen am Ende eine Art Kralle, die die gleiche Farbe hatte, wie der pelzige Kopf.
Der restliche Körper war bunt gemustert. Je nach Geschlecht oder Alter gab es wohl mehrere Farbvarianten. Tap´ti hatte schon viele gesehen, doch nur selten welche, die sich gleichten.
Sie schlich einige Schritte über den Boden, um es auch von der anderen Seite anzusehen. Es war eines der kleineren Exemplare, Tap´ti versuchte seine Größe zu schätzen.
Plötzlich bewegte es sich. Hatte das Wesen sie bemerkt? Schnell huschte sie ein Stück zurück. Sie ekelte sich bei dem Gedanken, es könne sie berühren.
“Tap´ti, was machst du da schon wieder?“ Die Stimme ihrer Mutter ließ sie ein weiteres Mal aufschrecken.
“Gar nichts!“, antwortete sie mürrisch in Gewißheit, ihre Beobachtungen ein weiteres Mal abbrechen zu müssen.
“Wie oft habe ich dir gesagt: gehe nicht so nah da ran! Wir wissen noch zu wenig von ihnen, was ist, wenn sie gefährlich sind? Du bist bald erwachsen, du solltest es besser wissen!“
“Ach Mutter, ich passe schon auf. Findest du sie denn nicht interessant? Sieh dir doch nur ihre Farben an. So etwas hatten wir Zuhause nicht. “
“Schatz, was damals war ist vorbei. Nun leben wir hier, und im Moment ist es wichtiger uns etwas zu essen zu besorgen. Komm schon mit.“
Gekränkt folgte Tap´ti ihrer Mutter. Sie hatte nicht von Zuhause weg wollen, sie war nicht einmal nach ihrer Meinung gefragt worden.
Alles hier war ihr noch so fremd, glatt und kalt. Noch vor einigen Tagen spielte sie noch allein auf der großen Wiese. Ein warmer Wind wehte ihr ins Gesicht und sie hatte Spaß daran gehabt, an den Bäumen hochzuklettern.
Hier hatte sie wenigstens eine Beschäftigung gefunden, die sie mochte, doch sie wurde ihr verboten.
Tap´ti war satt. Zugegeben, das Essen war hier besser und reichhaltiger. Manchmal war die Auswahl so groß, dass sie sich nicht entscheiden konnte, womit sie sich vollstopfen sollte. So nahm sie meist von jedem ein bißchen.
Gegessen wurde hier oft mit mehreren zusammen. Fremde, die kamen und gingen, aber auch einige, die Tap´ti nun schon mehrmals gesehen hatte.
Auch heute war er wieder da gewesen und hatte ihr für kurze Zeit tief in die Augen geschaut.
Nun saß sie da und grübelte vor sich hin. Es begann zu dämmern. Tap´ti schaute hinaus und begann zu träumen.
Ganz leicht war sie und ließ sich von Wind davontragen, hin zu der Wiese, auf der sie gespielt hatte, und zum Ufer des großen Wassers.
Auch dort war ihr verboten worden sich aufzuhalten. Mutter hatte ihr von den Gefahren, die da lauerten erzählt, doch manchmal war ihre Neugier größer gewesen.
Plötzlich ließ sie eine Berührung hochschrecken.
Er saß neben ihr!
“Hallo, ich bin Riek.“, stellte er sich vor und sah sie freundlich an.
“Ha...hallo!“, stammelte Tap´ti aufgeregt. Wie gut er doch aussah! Riek war einer von diesen dunklen, kräftig gebauten Typen.
“Hast du Lust mich zu begleiten?“, fragte er, “Ich würde dich gern mit meinen Freunden bekannt machen. Du bist neu hier, nicht war?“
“Ja, wir sind noch nicht lange hier. Mutter war davon überzeugt, dass ich hier bessere Chancen hätte einen...“, verlegen senkte sie den Kopf, “...einen Partner zu finden.“
Riek lachte laut. Tap´ti bereute kurz, im die Wahrheit gesagt zu haben. Doch dann schaute er sie ernst an und meinte: “Mach dir keine Sorgen, das kenne ich. Viele sind aus diesem Grund hergekommen. Das ist schon in Ordnung. Wie ist dein Name?“
“Tap´ti.“
“Oh, das klingt sehr hübsch!“ Fröhlich wandte er sich ab und gab ihr zu verstehen mit ihm zu kommen. Tap´ti nahm ihren Mut zusammen und folgte ihm.
Der Weg war nicht sehr weit. “Wir sind gleich schon da!“, rief Riek ihr zu. Er war sehr schnell, Tap´ti hatte für kurze Zeit Mühe gehabt mit ihm mitzuhalten.
Die beiden bogen um eine Ecke. Da waren sie, dies mussten seine Freunde sein. Riek steuerte auf die riesige Gruppe zu und begrüßte sie laut. Einige sahen auf und hießen ihn willkommen.
“Darf ich euch Tap´ti vorstellen?“, fragte er und wies in ihre Richtung. Sie hatte sich noch ein wenig abseits gehalten, aus Angst in der großen Menge verloren zu gehen. Riek winkte sie heran.
Ihre Scheu war unbegründet. Alle waren sehr nett und stellten sich freundlich vor.
Da waren Biggs, ein etwas stämmigerer Bursche mit einem breiten Grinsen im Gesicht, Lo´oke, schmal und lang, ein hellerer Typ, Rinoza, eine sympathische junge Dame ihres Alters, Simp´al, ein schon etwas Älterer, doch er sah unheimlich lieb aus, und viele andere.
Es stellte sich heraus, dass Riek und sie gerade dazugekommen waren, als eine Beratung im Gange war.
“Also weiter!“, meinte Simp´al, “Wenn du möchtsest, Tap´ti, kannst du gern hierbleiben, es geht auch dich nun etwas an, da du ja jetzt hier lebst.“
Gespannt nickte sie und setzte sich dazu.
“Nun gut.“, fuhr er fort, “wie wir nun wissen sind diese bunten Dinger, die ab und zu hier auftauchen gefährlich!“
Ein Raunen ging durch die Menge. Tap´ti riß erschrocken die Augen auf. Wenn das so war hatte sie bisher großes Glück gehabt und ihre Mutter hatte recht.
Simp´al senkte den Kopf, seine Stimme war leise, aber stark. “Zu meinem Bedauern muss ich euch mitteilen, dass einige von uns nicht mehr unter uns weilen. Sie wurden von diesen Wesen angegriffen, und wie man mir sagte, ging alles ganz schnell.“
“Das gibt es doch nicht!“
“Wir müssen fliehen!“
“Was sollen wir bloß tun?“
“Wir müssen uns wehren!“
Die Rufe aus der Menge überlappten und verwirrten Tap´ti.
“Richtig!“, griff Simp´al auf, “Wir müssen uns wehren, oder wir alle gehen von hier fort. Nun beruhigt euch! Lo´oke und ich haben bereits an einem Plan gearbeitet und Kontakt zu anderen Gruppen aufgenommen, die das gleiche Problem haben. Nur müssen wir vorher alles genau ausarbeiten, sonst könnte die Aktion zu einem Fehlschlag führen! Diese Dinger scheinen sehr robust zu sein, und sie sind schnell. Das macht sie gefährlich!“
In dieser Nacht schlief Tap´ti nicht gut. Ständig hatte sie Angst, eines der Wesen könne plötzlich auftauchen und sie angreifen, obwohl sie hier nachts noch nie eines gesehen hatte.
Beim ersten Essen am Morgen war sie müde und schaute nicht von ihrer Mahlzeit auf. “Was ist los mit dir, mein Kind?“ Ihre Mutter wirkte besorgt. “Es ist nichts.“, antwortete Tap´ti. Sie wollte ihre Mutter nicht beunruhigen, bevor sie nicht Näheres von Simp´al gehört hatte.
Später wollte sie sich mit Riek treffen, an dem Platz, wo er sie zum ersten Mal angesprochen hatte.
So aß sie ruhig auf und verabschiedete sich dann von ihrer Mutter.
Riek erwartete sie bereits.
“Schön, dass du gekommen bist!“, begrüßte er sie, als sie sich neben ihn setzte, “Sieh mal dort drüben, dort sitzt eines!“
Ihr Blick folgte seinem. Tatsächlich. Ein Stück entfernt ruhte sich wieder eines aus. Es hockte da und bewegte sich kaum. Ab und zu hob es eines seiner vorderen Beine, wedelte damit in der Luft herum und senkte es dann wieder.
“Eigentlich sehen sie ganz ungefährlich aus.“, bemerkte Tap´ti, “Vielleicht war alles nur ein Gerücht?“
“Könnte schon sein, wollen wir es uns aus der Nähe ansehen?“ Gespannt wartend trat Riek von einem Fuß auf den anderen und sah sie an.
Tap´ti überlegte kurz, schüttelte dann aber die restlichen Bedenken ab und stimmte zu.
Langsam liefen sie zu dem Wesen hinüber. Es schien sie nicht zu bemerken. Dieses war ein größeres Exemplar, als das, was sie gestern beobachtet hatte. Es war auch nicht ganz so bunt. “Wahrscheinlich werden sie dunkler, je älter sie werden!“, teilte Tap´ti ihrem Freund ihre Beobachtung mit.
Sie blieben stehen und sahen es sich nun aus nächster Nähe an. “Hm, ganz schön groß, die Dinger, nicht war?“ Riek war fasziniert und hatte nun jede Warnung vergessen.
“Riek! Geh nicht so dicht ran!“ Erschrocken schrie Tap´ti auf, als sie sah, dass ihr Freund das Wesen schon beinahe berühren konnte.
“Ach was, sei doch nicht so ängstlich, es tut doch gar nichts!“, antwortete er und streckte sich mutig dem Ding entgegen, als wollte er gleich versuchen es anzufassen.
Ganz plötzlich kam Bewegung in das bunte Wesen. Riek und Tap´ti erschraken und setzten zur Flucht an, doch es war zu spät.
Eine seiner Krallen berührte Riek, es gab ein seltsames lautes Geräusch. Tap´ti wagte es noch nicht, sich umzusehen.
Erst als sie ein Stück entfernt war und sich sicher, dass sie von dem Ding nicht verfolgt wurde, drehte sie sich um.
Sie traute ihren Augen nicht. Riek lag bewegungslos da. Seine Beine..., nein, sein ganzer Körper hatte sich merkwürdig verkrampft und sein Blick war starr nach oben gerichtet.
Tap´ti war sich sicher. Riek war nicht mehr am Leben.
Entsetzt und voller Angst konnte sie sich nicht bewegen. Sie sah zwei weitere Dinger sich auf das andere zu bewegen, ein kleines sehr buntes war eines von ihnen.
Abwechselnd brummten sie einander an. Es war, als würden sie miteinander kommunizieren. Nach einer Weile verschwanden die beiden Wesen wieder und das dunkle blieb allein zurück.
Nun konnte Tap´ti ihre Furcht überwinden. Sie war nicht mehr beachtet worden. Ihr Entschluß schnellstens Simp´al aufzusuchen ließ sie alles andere vergessen. Eisern suchte sie ihn und schaute in jedes Gesicht, dass ihr begegnete.
Da war Lo´oke!
Auch er hatte sie bemerkt und lief ihr entgegen: “Hallo Tap´ti! Wie geht es dir?“ Atemlos stand sie nun vor ihm, zitternd suchte sie nach Worten. Lo´oke sah sie kurz an. “Herrje, was ist dir denn passiert? Du siehst ja schrecklich aus! Was ist denn los?“
Tap´ti schnappte nach Luft. Sie blickte zu Boden, dann auf Lo´oke und wieder auf den Boden.
“Riek ist tot!“, brach es dann aus ihr heraus.
Lo´oke hatte sie zu Simp´al gebracht, dort konnte Tap´ti schließlich erzählen was geschehen war.
“Es ist also wahr.“ Nachdenklich wanderte Simp´al umher. “Wir müssen zuschlagen. Diese bunten Wesen werden zu einer großen Gefahr für unsere Kolonie. Bisher hatte ich angenommen, viele von uns seien geflohen. Seit gestern fehlen wieder einige, doch sie könnten ebenso gut auch getötet worden sein.“
Ernst blickte er zu Lo´oke hinüber: “Geh und lass sich alle versammeln. Es werden noch einige fehlen, doch wir sind sicher genug!“
Die Gruppen hatten sich formiert. Die meisten waren Flieger, sie sollten von oben angreifen, zu ihnen gehörten auch Tap´ti, Lo´oke, Biggs und Rinoza. Dann gab es noch Läufer, die eines der bunten Dinger zuerst einkreisen sollten, bevor der eigentliche Angriff stattfinden sollte, damit es nicht so einfach flüchten konnte. Schließlich sollten die Krabbler als Rückendeckung und Lückenfüller zur Stelle sein.
Simp´al baute sich vor seinen Truppen auf: “Hört mir alle gut zu! Wir sind eindeutig in der Überzahl! Seid furchtlos und kämpft stark! Wir gehen systematisch vor, erst eines, dann das nächste. Keiner verläßt die Formation, nur gemeinsam können wir etwas erreichen! Diese Wesen sind schnell, ihr müßt schneller sein! Seid auf alles gefasst und deckt euch gegenseitig, so gut ihr könnt!“
Dann schaute er in die Richtung, aus der Tap´ti vor einiger Zeit gekommen war. “Dort hinten ist das erste! Es hockt immer noch da, wo es Riek erwischt hat. Also, es geht los!“
Henning saß auf der Couch vor dem Fernseher. Er telefonierte. “Ja, Barbara, ist gut, in zwei Stunden also. Und bringe bitte vom Landhandel noch ein paar Käfer- oder Schabenfallen oder sowas mit. Die Viecher sind echt lästig. Eine zusätzliche Fliegenklatsche wär auch nicht schlecht. Wenn du sie in der Küche hast, bin ich im Wohnzimmer aufgeschmissen. Ja...! Ja, dieses Jahr ist es wirklich schlimm mit diesen Biestern! Also gut...ja, ja bis dann!“
Er legte auf und wollte gerade aufstehen um sich ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen, als sein Blick auf seine Füße fiel.
“Igitt, das ist ja widerlich!“ Mit einem spitzen Aufschrei versuchte er die Käfer von seinen Schuhen zu schütteln.
Doch es gelang im nicht mehr als zwei oder drei loszuwerden. Angeekelt suchte sein Blick nach der Fernsehzeitschrift, die er aufrollen und als Klatsche einsetzen wollte.
Natürlich war sie mal wieder nicht an ihrem Platz.
Henning hob den einen Fuß um mit der Schuhsohle die Käfer von dem anderen Fuß abzustreifen.
Plötzlich stolperte er dabei über die hochstehende Teppichkante und konnte sich durch seinen akrobatischen Einsatz nicht mehr abfangen.
Mit einem dumpfen Aufprall fiel er lang auf den Boden. “Au! So ein Mist! Das gibt es doch nicht!“
Als er sich fluchend auf den Bauch drehte um wieder aufzustehen, sah er plötzlich eine riesige Menge Spinnen und Käfer von unterhalb des Fernsehschranks auf sich zulaufen.
“Was zum...?“ Schnell wollte er auf die Beine springen, doch ein Stich in seinem Nacken ließ ihn wieder zurückweichen.
Henning drehte den Kopf herum. Sein Blick viel auf die Decke. Erschrocken riß er die Augen auf. Sein Mund stand weit offen und er stammelte: “Da...da...das gibt´s nicht!“
Er konnte kaum noch einen hellen Fleck an der Zimmerdecke ausmachen, sie war über und über mit schwarzen Tierchen bedeckt.
Panik stieg in ihm auf.
Er holte tief Luft und sprang hoch. Als er gerade den ersten Schritt machen wollte, sah er aus den Augenwinkeln eine schwarze Wand auf sich zurasen.
“Nein! Verschwindet ihr Scheißviecher!...Nein!...Ihh!...Barba...!“ Sein Ruf verstummte abrupt, als ihm einige Fliegen in den Mund gerieten. Spuckend versuchte er sie loszuwerden.
Es wurde dunkel um ihn herum. Eingehüllt in tausende fliegende Tiere kämpfte er sich durch das Wohnzimmer. Er spürte, wie sich immer mehr auf ihn niederließen. Es krabbelte und pikte ihm im Gesicht, im Nacken, an Armen und Beinen.
Wild fuchtelte Henning um sich und stürzte wieder zu Boden. Wenn sie ihn ließen versuchte er zu schreien.
“Was ist denn bei den Friedings wieder los?“ Anna schaute von ihrer Gartenarbeit auf und blickte zu ihrem Mann hinüber, der etwas Laub zusammenfegte.
“Ach, was weiß ich. Wahrscheinlich streiten die mal wieder.“, antwortete er gelangweilt.
“So laut? Hör mal, wie der da drinnen rumschreit! Sollen wir nicht mal nachsehen?“
“Anna, jetzt hör aber auf! Wir können uns doch da nicht einmischen!“ Georg hob lauschend den Kopf. “Siehst du Schatz, ist schon wieder ruhig.“
Er wollte sich gerade wieder dem Laub zuwenden, als ihn irgend etwas an dem Anblick des Hauses seines Nachbarn irritierte.
Georg kniff die Augen zusammen. Er konnte es nicht genau erkennen, doch aus einem der offenstehenden Fenster kam etwas heraus. Es sah aus wie eine große schwarze Wolke. “Anna...?“
“Was ist, Schatz?“, fragte sie, wieder in ihrer Arbeit vertieft.
In kurzem Schweigen hielt er inne. Dann schrie er:
“Lauf!“