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- 20.12.2001
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Wer einmal aus dem Walde frißt
"Na dann." sagte sie.
"Na dann." entgegnete ich freundlich, den Blick nicht lösen könnend.
Sie lächelte, starrte zurück, kein Abschied.
"Also gut. Seh´n uns ja nachher." unterbrach ich die Stille ausgedehnt und hob vorsichtig die Hand, noch einmal zu winken.
"Ja. Nachher." Ein liebevoller Augenschlag.
Wir rührten uns nicht, nur Lächeln und Stille. Die Welt dahinter verschwand, grau nur noch.
"Wir stehen noch immer hier, nicht wahr?"
"Hm." antwortete ich, die Worte kaum wahrnehmend.
"Haben uns nicht ein Stück bewegt..."
Ich sah auf den staubigen Grund auf dem ich stand, nichts bewegte sich und ich konnte nur Stimmen aus der Ferne hören, die auf dem Weg zu mir zerfielen. Dann sah ich ihr wieder in die Augen.
"Lustig, oder?" Ein kurzer Tusch. Pointe verfehlt, nicht lustig.
"Ich muß nu´ zu den anderen zurück - er vermißt mich schon."
Ein blödes Grinsen im Hintergrund. Meine Faust wollte in sein Gesicht. "´Ne wahre Frohnatur..." wollte ich sagen. Verkniff es mir, war besser so. Er grinst nur. "Fröhliches Paar..." grollte eine Stimme in mir, die ich unterdrückte.
"Ich werd dann wohl auch." quälte ich mich. Kurzer Tusch. Als wär ich dort allein stehen geblieben, so ein Unsinn. Doch wir rührten uns nicht, konnte von den Augen nicht lassen, wollte ich auch weichen. Dann wurde es dunkel und der Mond begann zu husten. So trennten wir uns - für einige Minuten. Nach einer halben Stunde noch ein kurzer Dialog, meine Augen wichen aus, es ging mir schlecht. Grinsen direkt hinter ihr. War überfordert, veralbert hat sie mich - völlig verwirrt. Ihre Hand ruhte auf meiner Schulter, Sarkasmus stichelte ins Herz und ich benahm mich dämlich. Gefleht habe ich, daß jemand vorbeikäme, mir ein schweres Stück Metall ins Gesicht zu schlagen, doch nichts geschah. Nichts geschah, nur wehleidig dumpf und stumm stand ich da und ertrug mich selbst. "So wie man in den Blechnapf ruft, tönt es auch heraus." Ich mußte lachen - auslachen. "Wer einmal aus dem Walde frißt..." fiel es mir ein und ich sah mir den Himmel an. Kurzer Tusch. Nicht lustig.
Die Zeit verging und die Welt mit ihr. Jäger und Beute, nah bei einander. Doch wer ist die Beute? "Wer ist die verdammte Beute?" frage ich den Himmel trocken, der über mir thront und sogleich regnete er auf mich nieder. Er drückt herab, obwohl er schön blau ist - drum seh ich durch das Grün der Bäume. Dort drüben steht sie, Blicke suchend. Ich reagiere nicht, warum auch, stehe mit sechshundert anderen da. Bekannten Schritten folge ich noch einige Meter, dann winken, ein Lächeln - ein freundliches Grinsen. Sie reißt die Arme hoch. Überfordert, halte meine vor´s Gesicht - Tusch. Zu ungeschickt für eine Umarmung. Ein Tritt läßt mich zu ihr stolpern, dreh´mich um. Niemand da.
"Hallo..." sagt sie. Sie lächelt, fand´s vielleicht komisch. Nicht lustig.
"Hallo." Ich blicke etwas herab, seh´ ihr in die Augen, wir wechseln ein paar Worte, reden etwas, bin verwirrter als sonst und beginne zu tanzen, leider immer nur die selben Schritte, nicht schön, aber spaßig sind sie wohl, denn sie beginnt zu lachen.
"Nein." lacht sie. Ich lache mit. Wir sehen gemeinsam einer fremden Person nach. Ich mache mich lustig über sie, finde das fremde etwas zu komisch. Tanze und rufe seinen Namen drei Mal. Kurzer Tusch. Ohrfeige, jemand hat mir eine Narrenkappe aufgesetzt.
"Was denn?" fragt sie still. Da schäm ich mich. Schon albern wir wieder herum.
"Du mußt Dir unser´n Auftritt ansehn, beginnt um sechs."
"Ich weiß." versichere ich und lächle, sie auch.
"Um kurz nach sechs..."
"Also....so gegen...kurz nach sechs..."
"Kann mir nur den Anfang ansehn, weil um kurz nach sechs..." Eine Herde Stachelschweine hinter ihr. Sie laufen Ski. Ich bin verwundert, verwirrt sogar. "So kurz nach sechs muß ich..." nehme ich erneut Anlauf. Hab vorher noch nie derartig gestockt, blöde Stachelschweine. "Gruselig." meine ich. Sie findest´s komisch - oder peinlich. Ich rede Schwachsinn.
"Gru-sellig" fällt mir da ein. Ein Tusch.
"Ein Königreich für einen schweren Gegenstand auf meinem Kopf."
Meine Gedanken sind weiter als die Stimme. Ich bin nicht mehr ich selbst; hab ihr das später gesagt - ihr fiel das alles gar nicht auf. Vielleicht bin ich verliebt - und weiß es gar nicht. Sowas sollte man doch wissen, oder? "Sicher...das sollte. Was wollte ich sagen?" sprudelt es aus mir heraus. Ein Tusch ertönt. Sie sieht mich fragend an. Eine bekannte Person erscheint, sie umarmt sie, ruft laut und freudig ihren Namen. Ich kenn ihn gut - leider. Zirkusmusik ertönt. Plötzlich trage ich die bunte Kleidung eines Clowns. "Nette Musik." denke ich unschuldig. Im selben Moment fangen meine Schuhe Feuer. Brenn´ganz gut. Ich springe auf und ab. Soviel Unsinn in solch kurzer Zeit. Feuer unter Kontrolle - ein Fehler vielleicht. Sie reden kurz miteinander - er geht. Das Grinsen ist nicht in der Nähe, so wundere mich, seh mich um, dann wieder in ihre Augen - verlier mich da ständig; ständig den Verstand. Ein anderer kommt vorbei und ärgert sie. Das macht mich wütend, doch bin verklemmt. Jemand spannt das Gummiband, das meine große, dicke, rote Nase hält und läßt es mir ins Gesicht schnellen. Man tritt mir auf den Fuß, helfe ihr durch Ablenkung und schreie kurz etwas. Der Störfaktor geht schließlich - eher ahnungslos, als verunsichert. Wir reden weiter, die Zeit steht still. Wir schweigen, sehen uns an. Ich bin glücklich. Ich bin glücklich. Doch man zertrümmert einen Stuhl auf meinem Kopf - falscher Augenblick. Ich gehe zu Boden - ist staubig da, furchtbar dreckig auch. "Liebe mich, wie ich dich - hoppsala, Gedankenstrich." sage ich beinahe. Es wird peinlich. Glöckchen schellen an meiner Kappe.
"Also um kurz nach sechs, da muß ich leider gehn, weil ich mich auf meinen Auftritt vorbereiten muß, der is um neunzehn Uhr - sehe mir aber die ersten Minuten an." Sie lächelt. Vielleicht hat sie was übrig für Narren? Muß wohl so sein. Ich tröste mich.
"Na dann." sagte sie.
"Na dann." entgegnete ich freundlich, den Blick nicht lösen könnend.
Sie lächelte, starrte zurück, kein Abschied.
"Also gut. Seh´n uns ja nachher." unterbrach ich die Stille ausgedehnt und hob vorsichtig die Hand, noch einmal zu winken.
"Ja. Nachher." Ein liebevoller Augenschlag.