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Wer bin ich?

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01.03.2011
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Wer bin ich?

Nachweis von Existenz und deren Berechtigung online.
Oder:
“Für mich gibts bei Google dreihunderteinundzwanzig Treffer, zwei News-Ergebnisse und drei Anzeigen…!”


Eines Tages machte ich beim Blick zum Himmel die Augen zu, öffnete sie wieder und wußte nichts mehr von mir.
Auf das erste vage Gefühl von Erleichterung und totaler Befreiung, endlich mußte ich mir keine Pin-Nummern, Passwörter, ja nicht einmal mehr die Namen meiner Freunde merken, kam die Ernüchterung, ich kam nicht mehr ans Konto und damit auch nicht mehr ans Geld.
Nicht daß das Geld viel gewesen wäre, aber die EC-Karte fiel nun einmal wegen der just vergessenen Pin-Nummer insgesamt als Zahlungsmittel aus und, bei der Sparkasse begegnete man mir äusserst mißtrauisch auf meinen geäusserten Wunsch hin, man möge mich zu meinen Besitztümern führen, bzw. diese vorführen und aushändigen, meinen Namen würde ich nachliefern, irgendwas mit Gates oder so…

Daß man sich bei den Banken schon nach ein bißchen Finanzkrise gleich als derart zögerlich erweist und die Prüfung von Fakten vor die Verschiebung von Geld stellt, das hätte ich nicht gedacht, muß sie doch nachhaltig verschreckt haben, das alles… jedenfalls solange es um Kleinkredit- und Disponehmer geht.

Ausweise, gibts die noch? Meiner war bereits eine Legislaturperiode abgelaufen, was mich irgendwie zum Staatenlosen macht, im Land unter dieser Regierung bin ich jedenfalls nicht mehr staatlich akkreditiert.
Aha, ich erinnere mich also zwar noch ans Verfallsdatum meiner Ausweispapiere aber nicht mehr an deren Inhalte, ein bißchen wie bei diesen undurchsichtigen Tupperschalen im Kühlschrank, wo man sich nur noch durch einen winzigen Spalt im Deckel zu schauen traut, bevor man sie im ganzen in den Müll wirft…ein Schicksal, das ich mir so für mich nicht unbedingt wünschte, also zurück zum Ausweisthema, ach würde ich ihn doch, abgelaufen oder nicht wenigstens bei mir tragen….

Wozu Ausweise, wo es doch Facebook gibt?

Wozu braucht man die sonst auch schon, es gibt doch Facebook.
Man brachte mich zu einem Rechner.
“Jetzt sehen Sie mal nach, ob Sie jemanden finden, der Ihnen ähnlich sieht…”
Ich fand Leute, deren irritierter Blick meine Gefühle widerspiegelte, deren Hobby “Leute verkloppen und Party!” mir im weiteren Verlauf immer plausibler erschien, ich fand Menschen, die Nacktmull als Lieblingstier angegeben hatten und “Mucke@Fuck_Hot” als den bedeutendsten Menschen des 20.Jahrhunderts, aber schlesslich blieben alle Gemeinsamkeiten stets nur Schnittmengen.

Alle zwischenzeitlichen Anfragen bei Sportswire, meinem diffus empfundenen Arbeitgeber, einer Online-Sportzeitung wurden von den priveligierten Selbstkennern am Telefon abschlägig bis genervt beantwortet.
Wer ich denn bitte schon sei, man vermisse niemanden, es gäbe da wohl einen Zwerg, Gnom oder so etwas, der sich länger nicht gemeldet habe...die Redaktion feiere...mit Meeresfrüchtebuffet!
Ansonsten könne man mir eben nicht einfach so eine Mal- und Schreibberechtigung überlassen und woher ich überhaupt wisse, daß ich die einmal besessen habe, wenn ich mich doch nicht einmal an mich selber erinnere.
Ich antwortete, ich tränke gerne Tee und ässe dazu gerne ein paar Kekse und schriebe hin und wieder ein bißchen Quatsch mit viel Text, oder wenig Quatsch mit viel Bild drumherum, ob es denn nicht jemanden gäbe, auf den die Beschreibung passe.
Fortan war man für mich nicht mehr erreichbar.

Mir war klar, daß ich schnell würde handeln müssen, nicht nur, daß ich ohne Geld, EC-Karte, Identität und jede Kenntnis an der Pan-Flöte elendiglich würde verhungern müssen, bei Sportswire bleibt man für noch viel mehr unkommentiert, vergessen und eh man sich`s versieht wird man per Versturztechnik in der "Damals vor 17 oder so ähnlich vielen Jahren"-Rubrik gelagert...die Blog-Asse.

Das falsche Leben im richtigen Social Network

So ähnlich funktioniert das Leben, kaum hat man es ins Ziel geschafft wird man ins Subearthbackup oder, wenn man nur oft genug das Wort “Bombe” in seinen eMails untergebracht hat, auf eine große CIA-Festplatte verschoben, der Account wird gelöscht und einem neuen Lebenssimulationsspieler angeboten, zumindest dort wo man an Systemreset und Wiederherstellungspunkte unter Windows noch glaubt, wohl dem der lang und erfolgreich genug mitgespielt hat, um genug Verlinkungen und damit noch ein paar Jahre Googlebarkeit zu erlangen, dem, was unter uns Ungläubigem dem ewigen Leben wohl am nächsten kommt.

Ich verscheuchte die düsteren Gedanken.

Einen Moment versuchte ich mich meinem Problem über die Mengenlehre zu nähern. Ich hatte doch in der Schule (Die frühen Jahre der Bildungsbürgerwerdung…) Wochen damit verbracht und immer hatte man mir gesagt, daß es mein Gehirn auf abstrakte Problemlösung vorbereiten würde.
Noch nie war der Moment gekommen. Diese Situation war nun aber so neu, daß es vielleicht die war, auf die ich immer gewartet hatte…nee, doch nicht!
Mengenlehre und Kurvendiskussion, wußte ich es doch, da wartet man sein Leben auf die eine Situation, die derart merkwürdig ist, daß man erwartet endlich so etwas gebrauchen zu können und dann…doch nicht.

Ich versuchte es mit “Twitter”, was war das für ein merkwürdiger Gehirnschaden, der mir sämtliche Kenntnis über mich selbst raubt, nicht aber das Wissen um die angesagtesten Internetdienste.
Konnte es wirklich sein, daß das eigene Leben soweit in die Peripherie gedrängt wird, daß ein banales Ereignis wie ein Augenschliessen, es vom Deck spült.
Ich über Bord? Save Our Selbst!

Werbebanner als Leuchttürme im Datenozean

Ich twitterte also ich besuchte StudiVZ, MySpace und die Ponyhofsimulation, deren Werbeanzeige ich zufällig am Rand einer Seite fand.
Was hatte das Internet in der kurzen Zeit, in der ich online war darauf schliessen lassen, daß ich die Zielgruppe sein könnte?

Jetzt war der Weg zum Wiederfinden meiner selbst klar, ich mußte mich treiben lassen, Seiten aufsuchen, Links nutzen, weiter immer weiter mich vom Bauch leiten lassen.
Nach drei Stunden erschien oben rechts ein Werbebanner, welches für mich warb, ich drückte, ich wurde weitergeleitet direkt zu mir.
Ich bin eine ziemlich beschissene Website, auf der ich mich mit abstrusen Betrachtungen von so ziemlich nichts beschäftigte und der Besuchercounter anscheinend bei “0003 seit dem 1.1.2005″ auf bescheidenem Niveau stagnierte.

Jetzt fehlte noch meine Rückkehr zu Sportswire, Einloggen, in die “Administration” und “HIER BIN ICH WIEDER!” gerufen…

die Luftschlangen sinken zu Boden, die Gesichter der befreit Auffeiernden strafen ihre lustigen Partyhütchen, die roten Nasen und die Tröten Lügen.
Der Sekt in den Kelchen wird schal, der Zwerg ist wieder da…

 

Hallo sauzwerg,

diese Geschichte ist merkwürdig: Die ironische, teilweise geschliffene Sprache transportiert naive Inhalte, die fast kindlich anmuten. Gut fand ich die bildhafte Sprache und Vergleiche wie diesen:

ein bißchen wie bei diesen undurchsichtigen Tupperschalen im Kühlschrank, wo man sich nur noch durch einen winzigen Spalt im Deckel zu schauen traut, bevor man sie im ganzen in den Müll wirft…

Aber Szenen wie die folgende bringen mich normalerweise dazu, sofort mit dem Lesen aufzuhören:
Wozu braucht man die sonst auch schon, es gibt doch Facebook.
Man brachte mich zu einem Rechner.
“Jetzt sehen Sie mal nach, ob Sie jemanden finden, der Ihnen ähnlich sieht…”
Bei mehreren hundert Millionen Mitgliedern dürfte das ja kein Problem sein...

Nach drei Stunden erschien oben rechts ein Werbebanner, welches für mich warb, ich drückte, ich wurde weitergeleitet direkt zu mir.
Ich bin eine ziemlich beschissene Website, auf der ich mich mit abstrusen Betrachtungen von so ziemlich nichts beschäftigte und der Besuchercounter anscheinend bei “0003 seit dem 1.1.2005″ auf bescheidenem Niveau stagnierte.
Soso, keine Besucher auf der Website, aber ein Werbebanner, das für "mich" wirbt.

Überhaupt frage ich mich, was dieser Text dem Leser sagen soll: dass wir trotz der sozialen Netzwerke einsam sind und uns selbst verlieren? Es fehlt an Relevanz und Plausibilität, die IMHO zündende Pointen erst möglich machen.

Last, but not least: Willkommen hier! ;)

Und beste Grüße,

Berg

 

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