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Wenn
Er starrte fassungslos auf das kleine Stück Papier in seinen Händen. Dass er seine Frau betrogen hatte, war der größte Fehler seines Lebens gewesen, er war sich sicher. Wie konnte er nur? Wenn er sich doch nur besser unter Kontrolle gehabt hätte, dann wäre er wahrscheinlich immer noch glücklich verheiratet. Dann hätte er keine schmerzhafte Trennung durchmachen müssen. Fast ein ganzes Jahr lang war er totunglücklich gewesen. Dann hätte er auch nicht diese verdammte Reise buchen müssen, um sich selbst zu finden. Nach Spanien ist er geflogen, für vier Monate, zum pilgern. Er war nie religiös gewesen, es hatte ihn nie interessiert. Aber zu diesem Zeitpunkt, hielt er es für eine gute Idee. Er hätte auch nie den Pater getroffen, der ihn so nachhaltig beeindruckte, dass er sich entschied, Christ zu werden. Und wenn er nicht Christ geworden wäre, hätte er nie diesen ganzen Nächstenliebe-Scheiß kennengelernt. Dann hätte es gar keine Diskussion gegeben. Dann hätte er unter keinen Umständen seinem aufgeblasenen, arroganten Kollegen seinen einzigen Kugelschreiber ausgeliehen. Und wenn er das nicht getan hätte, wäre dieser heute Abend mit Sicherheit nicht leer gewesen. Ausgerechnet heute Abend. Heute Abend, als er kurz vor Ladenschluss in den kleinen Kiosk nebenan ging, sich ein Los kaufte, und dieselbe Zahlenkombination wie seit dreiundzwanzig Jahren eintrug. Dann wäre sein letztes Kreuz eventuell deutlicher zu lesen gewesen und er würde sich jetzt auf den Weg machen, um seinen sechsstelligen Kontostand zu bewundern, anstatt apathisch einen kleinen Vermerk „ungültig weil nicht lesbar“ anzustarren. Dann würde er mit Sicherheit auch seine Frau zurückbekommen.