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Wenn zwei sich streiten, ventiliert der Dritte.

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25.03.2014
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Wenn zwei sich streiten, ventiliert der Dritte.

Ich hatte sie beide furchtbar gern. Jeden auf seine eigene Art und Weise. John mochte ich aufgrund seiner genauen Berechenbarkeit. Wenn man Menschen eine sehr lange Zeit kennt, dann weiß man über ihre Zu-und Abneigungen bescheid. Man weiß bescheid, wie sie in bestimmten Situationen reagieren und, wenn man sich was aus dem Analysieren von Personen macht, dann weiß man irgendwann auch den Verlogenheitsgrad einer Reaktion zu deuten. Ich weiß genau, wann John sich wirklich aufregt, oder wann er nur so tut. Letzteres tut er beispielsweise oft bei Dingen, die die Allgemeinheit als “moralisch verwerflich” einstufen würde. Und ersteres verdächtig oft bei Kleinigkeiten. Mal ist es das leere Marmeladenglas, das Betty wieder einmal nicht rechtzeitig entsorgt hat. Dann die eiskalte Luft, die durch das offene Fenster seinen behaarten Arsch frieren ließ. Das war nicht die geheuchelte Wut, die John dann monoton und emotionslos,wie ein Nachrichtensprecher, aus sich raus ließ, weil er wieder einmal gehört hatte, dass in Somalia kleine Mädchen beschnitten worden waren. Das war blanke, ehrliche, guttuene Wut. Und die Empfängerin war Betty.
Bei Betty hatte ich den Eindruck, dass sie sich mit der Zeit daran gewöhnt hatte, die Empängerin zu sein. Johns Ventil. Und ich hatte auch den Eindruck, dass das in einer Partnerschaft einfach so war. Man war nicht mehr und nicht weniger als ein Ventil. Man war ein Ventil für den sexuellen Druck, man war ein Ventil für den beschissenen Tag. Und auch wenn es einem blendend ging, brauchte man ein Ventil. Niemand fühlt sich gut, wenn er sein erlebtes Glück nicht der Menschheit mitteilen kann. Ein Rockstar ohne minderjährige, tränenüberzogene, kreischende Mädchen in der ersten Reihe, ist kein Rockstar. Wir alle brauchen Fans und Leute, die uns beglückwünschen und bestätigen.
Deshalb entschied ich mich, allein bei Betty und John zu wohnen. Ich wollte kein Teil dieser Groupie Bewegung werden.
“Musst dich fühlen wie n fünftes Rad am Wagen, Michael” war einer der vielen Standdartfloskeln, mit denen ich mich in jeder Bar beschäftigen musste. Die Leute konnten einfach nicht verstehen, dass es Menschen gab, denen das Liebesglück anderer Menschen nicht gleich das Blut in den Venen zum kochen brachte. Oder einen vor Neid erzittern ließ.
“Und wie ist das so, mh, wenn sie’s treiben? Ist’s laut? Muss laut sein, mh. Sind junge Leute, sagtest du doch so, oder Michael?” Dieses Gesprächsthema blockte ich in Kneipen immer ab. John und Betty waren Freunde und deren Fickereien gingen niemanden was an. Ausserdem zahlte ich keine Miete bei Ihnen, daher war Schweigen wohl das Mindeste meiner Dankbarkeit. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst wahr, dann ging es mir anfangs schon ziemlich auf die Nerven. Es war nicht die Geräuschkulisse, nicht das quietschende Bett, nicht die aus vollem Halse brüllende Betty, mal glücklich, weil sie gekommen war, mal unglücklich, weil John sie im Auge getroffen hatte. Es war, weil ich nicht mitmischen konnte. John war gut. Aber mit mir wäre er besser gewesen.
Heute kam John sichtlich genervt nach Hause. Sein zu großer Anzug hing ihm schwer auf den schmalen Schultern und sein Gesicht wirkte müde und abwesend. Es war das farblose Gesicht eines Mannes, der seine Arbeit tat, aber sie nicht liebte. Er warf die mit dem Firmenlaptop gefüllte Tasche zu Boden und bewegte seinen behaarten Arsch in die Küche, wo Betty stand und mit aller Intensitvität versuchte, Johns schlechte Laune mit einem guten Essen wieder aufzubessern. Leider war Betty eine hundsmiserable Köchin. Manchmal waren beide so gnädig und ließen einem einsamen Junggesellen wie mir etwas übrig. Dann durfte ich mich meistens selbst davon überzeugen. Selbst die einfachsten Sachen gelangen Betty nicht. Als Gott die Fingerfertigkeit fürs Kochen verteilt hat, hat er Betty absichtlich übergangen und stattdessen mehr in ihren wunderschön geformten Busen investiert.
Tja, John, alter Freund. Schließen sich die Türen des Kochens, öffnen sich die Türen der busigen Vollkommenheit. Ein Deal mit dem er gut leben konnte, denke ich.
Beide machten es sich im Wohnzimmer gemütlich. John ächzte unzufrieden, hörbar laut für jeden, als Zeichen dafür, dass er gefragt werden wollte. Er wollte gefragt werden, wie denn sein Tag heute so gewesen war. Ich kannte John. Ich konnte seinem Gesicht so viel ablesen. Schon als ich allein mit ihm gewohnt hatte, wusste ich die Miene die er gerade aufgesetzt hatte, zu interpretieren. Oft war das unser einziger Weg, miteinander zu kommunizieren. Nur damals, zu seinen Solozeiten, wurde er diese Fratze einfach nicht los. Heute hatte er sein Ventil, die vollbusige Betty, gefunden.
“Was ist los Schatzi Pupsi, du wirkst heute so träge…” piepste Betty mitfühlend und kraulte John zart den Rücken. Dabei erhaschte ich einen Blick auf ihr tiefes Dekolté. John, du weißt ja nicht, was für ein Glück du hast.
“Ach..” stöhnte John. “Dieser Eselssohn von Chef. Ich hab’ ihn heute mal wegen Urlaubtagen und so angesprochen und meinte, dass du und ich ein prima Angebot erwischt hätten. Und ich hatte doch im letzten Quartal wirklich gute Leistungen gebracht, also frage ich ihn, ob er mir vielleicht n paar Tage frei geben könnte. Und er wirkt erst total interessiert und fragt mich aus, was für n Angebot denn und wie und bla. Ich erzähle ihm davon, von dem guten Preis, dem schönen Hotel, dem märchenhaften Ausblick vom Balkon und das wir die Letzten waren, die den Spaß ergattern konnten. Erst schien er sich für uns zu freuen, aber dann…” John ließ die flache Hand auf den Tisch knallen und wütete weiter: “Dann setzt er plötzlich wieder seine ernste, strenge Bossfratze auf. ‘John’, sagte er, ‘Wir können sie nicht entbehren. Sie sind unser stärkster Mann! Hier würde es drunter und drüber gehen, wenn wir sie nicht hätten.’”
John verzog das Gesicht und versuchte beim Erzählen den osteuropäischen Dialekt seines Vorgesetzten zu imitieren.
“Und dann klopft er mir auf die Schulter und sagt ganz beiläufig: ‘Aber im Winter, ja, hab gehört, Dubai soll schön sein. Also John, ran an die Arbeit’. Und dann verschwindet der Wichser einfach und lässt mich statt genehmigten Urlaub, zurück mit nem Stapel Papier!”
Das, aus Johns Lippen gepresst und amateurhaft geschauspielert, war keine geheuchelte Wut. Das war die Wut eines Mannes, der im Moment des Auslösers für seine Wut, kein Ventil gefunden hatte. Stattdessen hatte er die Abweisung seines Chefs schlucken müssen und sich aufgehoben. Und jetzt würgte er es Betty auf den Schoß und ließ sich dafür von ihr am Rücken streicheln.
John war so schwach. Aber er tat mir Leid. Er hatte sich dieses Jahr wirklich den Arsch aufgerissen. Und dabei hatte er einfach verpasst, mit der gleichen Motivation auch sein Maul aufzureissen. Das veranlasste seinen Chef das Urteil zu fällen, dass da hieß: Prolteriat. Lebenslänglich. Schuften, schuften, schuften. Um im Winter wieder einen Anlauf zu nehmen und um Urlaub zu betteln. Um Urlaub in einer grauenhaften Stadt, wie Dubai eine war.
Als guter, starker und loyaler Freund, tat ich das, was ich zu tun hatte. Ich half meinem schwachen, kleinen, streichelbedürftigen Freund. Ich wartete bis Betty und er zu Ende gegessen und ins Fitnessstudio verschwunden waren. Das schien neuerdings wohl der Place-to-be zu sein, bei glücklichen Paaren, unglücklichen Halbstarken, möchtegern Ernährungswissenschaftlern und sonstigen bemitleidenswerten Figuren. Dann schlich auch ich mich, spurlos und leise wie immer, aus dem Haus.
Johns Chef war Arthur Blimanski, ein Pole, der es durch Fleiß und Disziplin in die Selbstständigkeit geschafft hatte. John erzählte oft über ihn. An seinen guten Tagen sprach er voller Bewunderung von dem Immigranten, der durch starken Fleiß zum Millionär geworden war. Und an Schlechten mit blankem Haß über den dreckigen Polaken, der seine Mitarbeiter zum Spaß demütigte. So konnte ich mir nie ein vollständiges Urteil über seinen Boss bilden. Was war er jetzt? Der Selfmade-Man, vom Bordstein bis zur Skyline? Oder einfach nur ein erbarmungsloser Kapitalisten-Diktator? Bis vor kurzem tendierte ich noch zu Ersterem. Schließlich hatte er John und Betty vor einiger Zeit zu sich zum Essen eingeladen und Beide waren total begeistert gewesen. Betty schwärmte noch Tage danach von dem schönen Appartment in der Vierundzwangisten.
Aber jetzt hatte er sich meinen Freund John zum Feind gemacht.
Und die Feinde meiner Freunde sind meine Opfer.

Ich nahm ein Taxi und ließ mich zur Vierundzwanzigsten chauffieren. Blimanskis Appartment war kaum zu verfehlen. Nicht in Zeiten von Klingelschildern. Ich tippte auf seinen Namen und wartete. Nichts geschah. Ich blickte auf die Uhr. Es war kurz vor 8. Ein fleißiger, disziplinierter Chef würde jetzt noch arbeiten. Ein Arschloch würde jetzt seine Frau mit seiner Sekretärin betrügen. Was würde Blimanski tun?
Ich klingelte nochmal.
Ein Mann mit osteuropäischem Akzent begrüßte mich durch den Lautsprecher. Er wirkte, als hätte er gerade einen Halbmarathon gelaufen und kurz vor dem Ziel hatte ihm jemand ein Bein gestellt.
“Wer chist da, he?”
“Schönen Guten Tag Herr Blimanski. Mein Name ist Peter DeMenan und ich bin von der Behörde für Steuerhinterziehung, hätten sie einen kurzen Moment Zeit?”
“Steuer was? Ich bezahlen Steuern immer pünktlich, also verpissen sie sich von meiner Marmortreppe!” brüllte er.
“Herr Blimanski, so beruhigen sie sich doch. Ich möchte nur kurz mit ihnen reden. Reines Routienegespräch.”
Er schnaufte und betätigtige den Summer und ich wandelte über seine Marmortreppen zu seinem Appartment im vorletzten Stock. Der vorletzte Stock, der nicht für den Reichsten, aber immer für den Zweitreichsten im Hause reserviert war.
Ein Mann im Unterhemd lukte misstrauisch aus dem Spalt seiner Tür. “Sie Arsch sehen gar nicht aus wie ein Steuerarsch” sagte er und öffnete die Tür ganz. “Kommen sie rein, wollen sie was trinken? Auch für Steuerärsche gibt es Gastfreundlichkeit”
“Ich nehme einen Kaffee, danke.”
Sein Gürtel klimperte als er in die Küche ging und ich vermutete, dass er sich erst kurzfristig entschieden hatte, sich diese zerknitterte, alte Anzughose anzuziehen.
Aus der Küche begann er dann einen lauten Monolog, der offensichtlich an mich addressiert war. Er beschwerte sich über Ausländerfeindlichkeit, die Regierung, über den Sinn von Steuern. Und das er aber bezahle. Trotz seiner Ablehnung. Und er erzählte von seinem Fleiß. Er vergaß dabei nicht zu erwähnen, wie er, der Ausländer, hier Arbeitsplätze geschaffen hätte. John hatte bei seinen Geschichten nicht übertrieben. Dann saß sich Blimanski zu mir auf seine Ledercouch. In seiner linken hielt er meinen Kaffe und in seiner Rechten ein durchsichtiges Getränk. Klischeebelastet wie ich wahr, tippte ich auf Vodka.
“Chalso” sagte er und grinste. “Was chab ich verbrochen, mh?”
Ich nahm einen Schluck von meinem Kaffe und schmeckte den Discounter heraus. So viel zu Gastfreundlichkeit.
“Sie haben da einen Mitarbeiter…” fing ich an, aber er protestierte.
“Ich habe alle angemeldet, ich chabe keine Schwarzarbeiter. Warum glaubt ihr Steuerärsche immer, wir Ausländer würden..-”
“Herr Blimanski, wir..-” versuchte ich mich rechtzufertigen.
“Ich kennen mehr Steuerhinterzieher von ihrem Volk, warum sind sie nie bei denen? Sind das cheine Krimnellen? Gelten eure Gesetze nicht für Jeden gleich? Immer kommt ihr nur zu uns, ihr..-”
“HERR BLIMANSKI!” unterbrach ich seine Tirade. “Ich bin kein Steuerarsch.”
“WAS MACHEN SIE DANN VERFLUCHT NOCHMAL IN MEINER WOHNUNG, SIE NICHT STEUERARSCH?!?” brüllte er und schleuderte mir seine Spucke im Gesicht. Das war mir zu viel. Er hatte sich schon zu viel erlaubt. Er war zu frech gewesen. Ich ließ meine Hand in meine Innentasche gleiten und zog einen Teleskopschlagstock hervor.
Blimanski schaltete schnell. Er versuchte mit seiner wurstigen Faust meinen Schädel zu erwischen, aber ich war schneller. Ich klappte den Schläger im Bruchteil einer Sekunde aus, holte aus und traf seine Schläfe. Übung machte nicht den Meister, aber Übung brachte Reaktion. Das dumpfe Geräusch des Aufpralls hätte jeden Italiener, jeden Deutschen, jeden Türken Schlafen geschickt. Aber nicht den Polen. Er hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Schläfe, aus der jetzt dunkelrotes Blut sickerte. “DU BEFICKTER VERLOGENER STEUERARSCH”. Ich versetzte ihm noch eine für seine unterirdische Aufnahmefähigkeit. Und noch eine. “DU VERDAMMTER…”. Dann schwieg er und schlief. Aber, wer es vermochte, das Baby meiner Cousine zum Schlafen zu bringen, der lachte über Blimanski.
Ich fesselte ihn an Händen und Füßen und, um sicher zu gehen, dass ich nicht überrascht werden würde, fesselte ich ihn gleich ein zweites Mal. Als ich mit meinem Werk zufrieden war, sah ich mich etwas in seiner polnischen Edelbutze um.
Ich konnte Bettys Begeisterung für das Appartment nicht wirklich nachvollziehen. Neureiche packten alles immer mit teuren, sinnlosen Sachen, oder Sachen, die nach teuer und sinnlos aussahen, voll. Offensichtlichkeit traf nie meinen Geschmack. Ich war ein Fan vom Versteckten. Vom Verborgenen. Vom Geheimnis.
In Blimanskis protzigen Schlafzimmer fand ich dann, wonach ich unterbewusst Ausschau gehalten hatte. Den Gegenstand meiner Verhandlungen mit Blimanski.
Anschließend gönnte ich mir noch etwas Vodka aus seinem Kühlschrank und würgte ein Stück Fleisch, oder Wurst, oder was auch immer, wieder aus. Ekelhaft.
Aus der Küche hörte ich dann Blimanski, der sich als wach zu erkennen gab. Wie das Baby meiner Cousine. Nur frecher.
“DU ARSCH, DU VERDAMMTER HURENARSCH…”
Ich sah ihn hilflos auf dem Bogen liegen.”So” sagte ich. “Jetzt können wir sprechen.”
Er zuckte zusammen, als ich mich zu ihm hinunterbeugte.
“Sag mal, Blimanski, was ist das eigentlich für ein ekelhaftes Stück Fleisch in deinem Kühlschrank? In Thailand hab ich mal Heuschrecken gefressen, die waren dagegen ein Gaumenschmauß.”
“Was geht dich mein scheiß Kühlschrank an, du Fotze? Bind mich hier los, sonst….”
“Erst wenn wir zu Ende verhandelt haben, Mister CEO.”
“WAS WOLLEN SIE VERHANDELN? ÜBER WAS? WAS WOLLEN SIE?” Er verlangte nach Aufklärung.
“Ach Blimanski. Und ich dachte du könntest mir einen Tipp geben, wie ich diesen obszönen Geschmack wieder aus meinem Rachen kriege. Also – es geht um einen deiner Mitarbeiter. John Teshy.”
“Und, du Arsch? Was geht dich mein Mitarbeiter an? Was willst du von ihm? Hat er deine Frau gefickt? Deine Schwester?”
“Nein.”
“Hat er dich gefickt? Willst du ihn ficken?”
Dafür haute ich ihm die Faust ins Gesicht.
“Nein, Blimanski. John ist mein bester Freund.” Ich studierte sein Gesicht. Es war immer eine Herausforderung, das Gesicht eines Osteuropäers zu lesen. Sie waren schwer zu durchschauen. Ich hatte plötzlich Mitleid mit allen Psychologen im Ostblock. Das war bestimmt ein kochenharter Job. Aber nicht bei Blimanski. Er hatte offensichtlich geschaltet und das hatte ich bemerkt.
“Sein Urlaub? Der Hurenbock schickt seine…was bist du überhaupt? N Mafiosi? Ne Schwuchtel?…Er schickt mir seine Schwuchtel-Mafia-Freunde hierher um seinen Urlaub genehmigt zu bekommen?”
“Seinen Urlaub?” hakte ich nach. Aus Johns Erzählungen, aus der Art, wie sein Boss reagiert hatte, entnahm ich, dass Blimanski, Johns Urlaub nicht aus Willkür abgelehnt hatte. Er selbst hatte sich das Schnäppchen unter den Nagel reißen wollen. Mit seinem selbstgefälligen Grinsen bestätigte er meine Hypothese.
“Und, was willst du jetzt machen? Weiterhin Fesselspiele mit mir spielen?”
“Gerade, als du geschlafen hast, habe ich mich etwas in deiner Wohnung umgesehen. Hässliche Einrichtung, wenn du mich fragst. Erst dachte ich mir, das wars. Hier findest du n feuchten Scheiß. Aber dann hat mir doch tatsächlich etwas die Aufmerksamkeit geraubt.”
Ich zückte das Foto aus meiner Tasche, dass ich seinem Schlafzimmer entnommen hatte.
“Sergej und Angelina sind ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Welche Sternzeichen haben sie eigentlich? Also der Sohn meiner Cousine ist Widder.”
“Für einen beschissenen Urlaub? Ihr Wichser seid doch krank, ihr scheiß Ärsche, ihr…”
Nur die krankesten Menschen nannten andere Menschen krank. Aber dieser hier war trotz seiner Krankheit klug genug zu kooperieren. Ich musste ihm nicht wehtun. Nicht mehr.

“Schatz!!!” Diesmal kam John mit einem breiten Grinsen nach Hause. Sein Gesicht wirkte wie das Gesicht eines Mannes, der seine Arbeit hasste, aber heute überwog seine Liebe zum Leben. Es wirkte wie das Gesicht eines Mannes, dessen Hoffnung gesiegt hatte. Wie das Gesicht eines Proltetariers, der seinen Ausbeuter enteignet hatte.
“SCHATZ! BABY! KUBA! WIR KOMMEN!”. Sie fielen sich noch in der Küche in die Arme und John begann, sich seiner Männlichkeit entsinnend, Betty auf der Arbeitsfläche ranzunehmen.
Ich war ein guter Freund gewesen und genehmigte mir die Show. Ich sah Johns Rücken mir zugewandt und Betty, wie sie sich mit geschlossenen Augen an seinen Rücken krallte. John war gerade in höchstform, als ich aufflog. Ich hatte es nicht mehr ausgehalten und hatte selbst angefangen, an mir rumzuspielen. Zur Feier des Tages. Aber ich war zu hastig gewesen. Betty öffnete erschrocken die Augen, die mich sofort im Visier hatten. Ein lauter, schriller Schrei von ihr brachte Johns behaarten Arsch augenblicklich zum Stillstand.
“Was ist los Baby, hab ich was falsch gemacht?”
“JOHN, DA IST EIN MANN IM SCHRANK!” kreischte sie.
Auch John blickte jetzt zu mir. Sein ratloses Gesicht war weder voller geheuchelter, noch voller echter Wut. Nur das blanke Entsetzen und die nackte, unverständliche Angst waren ihm ins Gesicht geschrieben.
“We-We-Wer sind sie? Wa-Wa-Was machen sie hier?” stotterte er.
Anscheinend war die Zeit gekommen, sich vorzustellen.
Mein armer Freund John.
Er war so schwach.

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus MrMncni,
eigentlich sollte ich mich im Namen der Wortkrieger bei dir entschuldigen, dass dein Text seit Tagen unbeachtet – zumindest ohne Kommentar - geblieben ist. Zu Unrecht nämlich, meine ich, fand der bisher keine Resonanz.

Ich selbst begann die Geschichte schon Donnerstagabend zu lesen, allerdings kam ich nicht über den allerersten Absatz hinaus. Nicht, weil danach mein Interesse am Text erlahmte, sondern weil mich just da ein wahrhaft hirnwegsprengendes Unwetter zwang - obwohl ich momentan inshore bin - mich um Wichtigeres zu kümmern: um wild tobende Plastikplanen und herumfliegendes Kleinwerkzeug, um erbarmungswürdige Möwen, die der Sturm gegen die Bordwand schmetterte und um den verschreckten Kater Charlie, der sich vor Angst beinahe in die Hosen schiss, usw. Lauter Offtopic-Kram in Wahrheit.
Wie auch immer. Die ersten Zeilen deiner Geschichte waren mir vielversprechend erschienen, und heute las ich auch den Rest der Geschichte.
Vorweg will ich dir gleich mal sagen: mein Resümee fällt zwiespältig aus, meine Erwartungen wurden nur zum Teil erfüllt.
Schon der erwähnte erste Absatz:

dann weiß man über ihre Zu-und Abneigungen bescheid. Man weiß bescheid [weiß Bescheid], wie sie in bestimmten Situationen reagieren und, wenn man sich was [etwas] aus dem Analysieren von Personen macht, dann weiß man [hier passt das Präsens] irgendwann auch den Verlogenheitsgrad einer Reaktion zu deuten. Ich weiß genau, [ab hier solltest du aber wieder ins Präteritum wechseln]
... monoton und emotionslos,[Leerzeichen]wie ein … Das war blanke, ehrliche, guttuene [guttuende] Wut..

Einerseits sind die ersten Zeilen sprachlich einigermaßen, ich sag mal, unperfekt, vor allem wegen des etwas fragwürdigen Tempusgebrauchs, aber gleichzeitig haben sie einen gewissen Charme und schaffen es auch, anhand der undurchsichtigen Figurenkonstellation meine Neugier zu wecken.
Zuerst dachte ich, das Ding würde auf ein Beziehungsdrama hinauslaufen, so ein Art Ménage-à-trois. Als Leser wird man anfangs ja nicht recht schlau, wie John und Betty zu Michael stehen, aber es lässt sich durchaus originell an. Und plötzlich dreht sich die Geschichte in Richtung Gewalt und Erpressung, ziemlich eigenartig das alles.
Die Szene bei dem Polen war mir allerdings etwas zu bemüht reißerisch, vom Jargon her zu sehr den einschlägigen Genretexten nachempfunden, wie überhaupt mir vorkam, du seist dir selbst nicht ganz sicher gewesen, wohin du mit der Geschichte eigentlich willst.
Also ich fand es schon witzig, wie der Typ da einfach den Chef seines Freundes aufmischt, einfach so, eines Urlaubs wegen, aber irgendwie kam ich mit der Figur des Michael nicht recht klar. Ein Kleinkrimineller? Schlicht ein aufopferungsvoller Freund? Man weiß nicht recht, ob man mit ihm sympathisieren oder ihn einfach für einen armen Irren halten soll.
Na ja, und dann der Schluss. Den fand ich in seiner Rätselhaftigkeit echt klasse. Der verpasste der ganzen Geschichte noch einmal einen zusätzlichen Dreh.
Alles in allem ein durchaus originelles Leseerlebnis, charmant auf eine gewisse Art, trotz oder wegen der Unbekümmertheit und Schludrigkeit, mit der der Text hingeworfen zu sein scheint.

Apropos schludrig: Dein Text strotzt vor Fehlern jeder Art: Kommafehler, Tippfehler, Fall- und Tempusfehler, ss/ß usw.

die Emp[f]ängerin,
Standdart[Standard]floskeln
zum kochen [zum Kochen]
Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst wahr [war],

Usw.
Also ein konzentrierter Korrekturdurchgang würde dem Text nicht schaden.

offshore

PS
Kennst du übrigens „Outland Rock, fünf starke Thriller“ von Pino Cacucci? Dein etwas abgedrehter Michael erinnerte mich nämlich sehr an die meist etwas unbedarften und naiven Helden des Italieners, die meist vollkommen unverschuldet in die ärgste Bredouille geraten.

 

Hallo MrMncni

Schade - das war so der erste Gedanke, der mir durch den Kopf ging, als ich deine Geschichte gelesen hatte. Nicht, weil sie mir nicht gefallen hätte, sondern weil ich finde, dass du viel Potential ungenutzt lässt und - wie ernst das schon bemerkt hat - ziemlich schludrig verfasst hast. Das Thema und die Art, wie du es aufziehst, gefällt mir nämlich gut, und mit ein wenig mehr Mühe und Konzentration hätte das ein sehr lesenswerter und origineller Text werden können.

Anders als ernst musste ich mich durch den ersten Absatz quälen und hätte die Geschichte danach fast nicht weiter gelesen. Ich finde es keinen gelungenen Einstieg.

Man weiß bescheid, wie sie in bestimmten Situationen reagieren und, wenn man sich was aus dem Analysieren von Personen macht, dann weiß man irgendwann auch den Verlogenheitsgrad einer Reaktion zu deuten. Ich weiß genau, wann John sich wirklich aufregt, oder wann er nur so tut. Letzteres tut er beispielsweise oft bei Dingen, die die Allgemeinheit als “moralisch verwerflich” einstufen würde. Und ersteres verdächtig oft bei Kleinigkeiten.

Finde ich umständlich formuliert - "der Verlogenheitsgrad einer Reaktion". Das Wort Verlogenheitsgrad gibt es nicht, auch wenn natürlich klar ist, was du meinst, aber generell solltest du versuchen, in Geschichten dich auf die Verben zu konzentrieren - solch sperrige Substantive sollten wissenschaftlichen Texten vorbehalten sein. Dann hast du hier auch die unschöne Dopplung "reagieren" und "Reaktion". Dann zweimal "tut", finde ich auch problematisch, "es tut mir leid", "es tut mir weh", da kann man es verwenden, aber anstelle von "so tun als ob" gibt es bestimmt elegantere Lösungen, und für "Dinge tun" sowieso. Die Anführungszeichen um "moralisch verwerflich" stören mich, und besser wäre es sowieso, du würdest hier mit Beispielen rüberkommen, sonst ist das halt auch eher allgemeines blabla als ein fesselnder Einstieg. Bei den Kleinigkeiten machst du es besser, da kommst du dann mit Beispielen, da kann man sich dann konkret was vorstellen.

Das war nicht die geheuchelte Wut, die John dann monoton und emotionslos,wie ein Nachrichtensprecher, aus sich raus ließ, weil er wieder einmal gehört hatte, dass in Somalia kleine Mädchen beschnitten worden waren.

Gefällt mir auch nicht - Wut lässt man nicht monoton und emotionslos "aus sich raus", Wut ist doch immer emotional. Auch wenn man sie heuchelt, also vorgibt. Wenn ich etwas im Tonfall eines Nachrichtensprechers sage, dann ist das keine Wut.

Deshalb entschied ich mich, allein bei Betty und John zu wohnen. Ich wollte kein Teil dieser Groupie Bewegung werden.

Das war der Teil, der mich dann trotz des holprigen Beginns weiterlesen ließ. Solche Dreieckskonstellationen haben durchaus ihren Reiz und jede Menge Konfliktpotential. Natürlich bin ich zu dem Zeitpunkt davon ausgegangen, Betty und John wüssten von ihrem Mitbewohner, und ich muss sagen, du verbirgst das auch geschickt. Hier schreibst du: "Deshalb entschied ich mich ...", nicht "Betty und John fragten mich ...". Da kann man beim ersten Lesen schon draufkommen, hab ich aber an der Stelle nicht bemerkt, und es gibt noch weitere Stellen, wo du ganz geschickte Formulierungen wählst, so dass man das Ende eigentlich absehen kann - mich hast du dennoch damit überrascht; ich finde die Idee gut und die Umsetzung gerade mit diesen Formulierungen auch originell.

Allerdings setze ich da auch gleich einen Kritikpunkt an: Du findest in deiner Geschichte keine Auflösung. Geht er da so einfach ein und aus, und wenn ja, wie gelingt ihm das? Wer sind die anderen Leute, die mit ihm darüber sprechen:

“Musst dich fühlen wie n fünftes Rad am Wagen, Michael” war einer der vielen Standdartfloskeln, mit denen ich mich in jeder Bar beschäftigen musste. Die Leute konnten einfach nicht verstehen, dass es Menschen gab, denen das Liebesglück anderer Menschen nicht gleich das Blut in den Venen zum kochen brachte. Oder einen vor Neid erzittern ließ.

Bildet er sich die ein? Klar kann man bestimmte Dinge in einer Geschichte auch unerwähnt lassen, aber du erschaffst hier ein Szenario, das mit dem Ende doch einige Fragen aufwirft. Da wäre es gut gewesen, das eine oder andere doch noch zu erklären oder zumindest deutlicher herauszuarbeiten, damit man sich als Leser ein klareres Bild machen kann.

Was ich auch nicht so mochte waren die ganzen Klischees in deinem Text. Vor allem was den Chef von John angeht, hast du den absichtlich als Karikatur angelegt oder war es dein Ernst? Ich denke ja, diese Übertreibungen sollen irgendein Stilmittel sein, mich hat das nicht so erreicht. Mir hätten da bodenständigere Figuren besser gefallen in deinem Setting, auch die Dialoge zwischen John und Betty sind irgendwie so - weiß nicht, so extrem gekünstelt irgendwie:

“Was ist los Schatzi Pupsi, du wirkst heute so träge…”

"Schatzi Pupsi"? Ernsthaft?

“Schönen Guten Tag Herr Blimanski. Mein Name ist Peter DeMenan und ich bin von der Behörde für Steuerhinterziehung, hätten sie einen kurzen Moment Zeit?”

So so, die Behörde für Steuerhinterziehung? Ich habe das Gefühl, der Text nimmt sich hier selbst nicht mehr ernst, oder das ist alles echt schlampig, ich kann es nicht sagen weil ich dich nicht kenne und das der erste Text ist, den ich von dir lese.

Ich kanns nur nochmal wiederholen - schade. Aus der Idee und der Art und Weise der Umsetzung hätte man durchaus was herausholen können, aber in seiner Gesamtheit funktioniert der Text leider nicht für mich. Da blitzen ein paar gute Stellen auf, ich denke auch an der einen oder anderen Formulierung hast du länger gefeilt (auch wenn die Rechtschreibung größtenteils einen anderen Eindruck hinterlässt), aber insgesamt ist mir das zu schludrig und zu oberflächlich, und ich sehe das wie ernst: Der Text weiß nicht so recht, in welche Richtung er will. Er torkelt so ein wenig hin und her, eine stringentere Ausrichtung in die eine oder andere Richtung hätte ihm gut getan.

Was du aber trotz alldem mit dem Text erreicht hast, ist mein Interesse an weiteren Texten von dir.

Bis dahin,
Grüsse Schwups

 

Hallo MrMncni
Hallo MrMncni!
Servus MrMncni,

Heyho!

Ich finde Leute die auf konstruktive Kritik gar nicht, oder nur bedingt eingehen, immer respektlos, also möchte ich mich für ein paar Punkte rechtfertigen, oder besser gesagt, sie schönreden.

Der größte Kritikpunkt an meiner Story ist im Großen und Ganzen die Grammatik. Witzigerweise hatte ich die Story einem Bekannten gegeben und er hatte sie korrigiert. Nur leider hatte der Gute sich etwas übernommen und angefangen, ganze Wörter aus meiner Geschichte mit Wörtern aus seinem eigenen Vokabular zu ersetzen. Teilweise ersetzte er sogar die ehrlichen, direkten Wörter mit bürgerlichen Floskeln. Damit blieben mir zwei Möglichkeiten: Entweder nehme ich die grammatikalisch einwandfreie, verfälschte, nicht-MrMncni-Form oder ich behalte die einzigwahre Mncini-Form, die euch das Lesen allerdings zur Hölle macht.

Ich habe mich für Letzteres entschieden. Nehmt es nicht persönlich; der Schuldige ist meine Faulheit.


Zum Inhalt:

Ich habe Lehrer immer gehasst, die nur eine Interpretation einer Geschichte zuließen. Lehrer, die an literarische Kunst wie Matheaufgaben rangingen: Richtig, oder falsch.
Deshalb habe ich meinen Schreibstil dieser Abneigung angepasst. Viele Interpretationen sind möglich und nur die Phantasie des Lesers entscheidet, welche für ihn die Richtige ist.

Natürlich habe ich mir trotzdem Gedanken während des Schreibprozesses gemacht. Meine Auflösung:

Michael, der Protagonist, ist der geisteskranke, versteckte Mitbewohner von John. John weiß nichts von Ihm, denn Michael ist gut, in dem was er tut.
Michael halluziniert sich eine Freundschaft zu John, deshalb erzählt er zum Beispiel Leuten in der Bar gerne von seinem besten Freund. Wenn ihn die Leute dort fragen, wo denn sein bester Freund, von dem er immer spricht, ist, antwortet er meist, das sein bester Freund ein vielbeschäftigter Mann ist. Oder das Michael ein Date hat. Entspannt. Fußball spielt. Kackt.
Ich habe bei dem Chef von John an einen bestimmten Menschen gedacht, der Osteuropäer und selbstständig ist. Also einen, den ich auch kenne. Steuerarsch in seinen Mund zu legen, gewürzt mit seinem Akzent...herrliches Kopfkino. :-)

Freunde, denen ich diese Geschichte gezeigt habe, haben allerdings auch die coolsten Dinge hineininterpretiert. Von "Michael ist eine verstorbene Seele, ein Geist" bis "Michael/John bildet sich alles ein" war alles dabei.

In dem Sinne wünsche ich Jedem von euch so einen guten Freund wie Michael. Danke und bis zur nächsten Geschichte.

PS: Mein Bekannter hat mir versprochen, in Zukunft seine Finger von meinem Stil zu halten. Somit wird die nächste Geschichte (grammatikalisch jedenfalls) feiner.

 

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