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Wenn Menschen anders sind

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21.03.2003
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Wenn Menschen anders sind

Wenn Menschen anders sind

Das struppige, fellige Etwas lag zusammengerollt auf dem Kopfsteinpflaster, zitternd, neben Ihr, einer Decke und der kleinen Schale mit dem Schild.....

Ich steige aus dem Bus, überquere die Straße wie jeden Tag, alles alltäglich, alles normal,... bis......... ich hebe den Kopf, sehe auf, sehe sie und das Knäuel den Hund, beide zusammengekauert an die Hausmauer gelehnt.
Das schmale, bleiche Gesicht, umrandet mit kurzem struppigem Haar, die paar zerfetzten Kleidungsstücke die die dünnen knöchernen Glieder umhüllen und die großen dunkel umrandeten Augen. , Nein, die beiden passen nicht in das Bild der ordentlichen Straße und dem modern eingerichteten Möbelhaus hinter ihnen, dessen große flauschigen Sessel im Schaufenster zum „hinein kuscheln „ einladen.

Ich sehe den Ausdruck ihrer Augen, das zitternde Fellknäuel neben ihr und bin getroffen von meiner Unfähigkeit nachzudenken.
Ich starre auf den Boden, sehe die verdreckte Rinne zwischen den Steinen und untersuche sie mit den Augen, sie sehen aus wie immer,.....verdammt was ist das für ein Gefühl das sich da in mir breit macht?
Der Blick wandert nochmals zu den zwei Gestalten, meine Augen sehen lange Knochenfinger die zwei 5 Centstücke aus der Schale greifen, die Schale ist leer.
Die Finger umklammern das Geld wie einen Schatz und tragen sie langsam zur Bäckerei an der Ecke.
Ob sie weiß wie viele Blicke ihr folgen? Bestimmt. Solche Blicke spürt man, es sind verachtende Blicke, Blicke von Mitleid getränkt oder von Vorurteilen beladen.
Hinzu kommen die Worte, leise fast geflüsterte Worte, sie breiten sich langsam um mich herum aus und überrollen mich wie eine Welle schlechter Luft. Es sind Worte wie „dreckig“, “Schmarotzer“, “selbst schuld“.....“arm dran “......

Die Finger umklammern noch immer die kleinen Münzen, ein Brötchen kostet mehr als 10 Cent, und sie nimmt wieder ihren alten Platz an der Mauer ein.
Die Worte der anderen verstummen, die Augen starren geradeaus und ein eisiger Wind zieht über uns hinweg. Er rüttelt mich wach, weckt mich aus meiner Trance und zwingt mich hinzuschauen, in ihre Augen, in diese tiefen, verzweifelt stillen Augen der beiden.
Die Blicke fangen mich ein, zwingen dazu mich loszureißen und zum Laden an der Ecke zu gehen.
Drei Worte.....“ Zwei Brötchen bitte!“
Der Rückweg ist schwerer als ich dachte, doch ihre Augen helfen mir, lassen mich die anderen Leute vergessen und mit zittrigen Fingern gebe ich ihr die Tüte. Es ist kein Mitleid!
Ein warmes Gefühl durchströmt mich als sie mich anblickt, sprachlos stammelt sie ein paar Worte...“das kann ich nicht annehmen.“
Auch ich kann kaum sprechen aber ich spüre wie es in mir zu brodeln anfängt, vor Wut dass das hier nicht selbstverständlich ist, das es so etwas überhaupt gibt.
Mühsam gebe ich Antwort, „doch, das können Sie“
In ihre glänzenden Augen treten Tränen, rollen langsam über das bleiche Gesicht und tropfen auf die Straße. Ein paar Meter weiter stehen die Leute, starren mich an, bewerfen mich mit ungläubigen Blicken. Sie prallen an mir ab.

Die Frau gibt mir ihre Hand, sie ist kalt und dünn, mit abgebrochenen Nägeln und Schmutz unterm Rand. Doch ihr Händedruck ist ehrlich, drückt aus was sie mir nicht sagen kann.

Und die Leute schauen, treten verlegen hin und her, und einige ziehen wie unter Zwang ihre Geldbörsen aus der Tasche, legen Scheine in die leere Schale und gehen peinlich berührt mit raschen Schritten fort.
Die Frau kann es nicht fassen, steht weinend da und ihre Hand greift suchend nach Halt, fasst den Hund und streichelt sacht über das Fell.

Ich steige in den Bus, wie jeden Tag, sehe ein letztes Mal aus dem Fenster und in ihre Augen, die mir für einen winzigen Moment etwas zeigen.
Das Leben ist etwas Besonderes, und wir alle gehören zusammen, egal welches Schicksal wir durchleben sollen, müssen, dürfen.

 

Hallo Imke,

an einer alltäglichen Situation zeigst Du, wie einfach und auch wie schwer es ist, seinen Nächsten als Mitmenschen wahrzunehmen. Eine gelungene Beschreibung von Gedanken und verschiedenem Verhalten. Trotzdem - die Ablehnung der Brötchen wirkt auf mich unpassend (selbst wenn das ein Tatsachenbericht ist), schließlich bettelt hier jemand, um etwas zu bekommen.
Am Schluß, glaube ich, müßte es heißen: „ihre Augen, die mir für einen winzigen Moment etwas zeigen.
Hoffentlich bleibt es nicht bei dem winzigen Moment...

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

Danke für deine Antwort, freu mich:-)
Tja das mit den Brötchen ist sone Sache, leider war es wirklich so und deshalb werde ich es wohl auch nicht umändern, denn die Geschichte entspricht der Wahrheit, ich hab mich auch gewundert, aber die Frau war auch irgendwie keine normale Bettlerin, ich weiß nicht ,da gibt´s ja auch Unterschiede, auf jeden Fall war´s so.
Den Fehler werde ich natürlich beheben:-)
Danke nochmals

liebe Grüße

Imke

 

Schalom Imke,

Dank Deiner Worte konnte ich mir die Situation gut vorstellen. Besonders die Beschreibung der zwei fünf Centstücke hat mich berührt.

Möglicherweise ist es etwas anderes anonym Geld in einem Becher zu empfangen, als von einem anderem Menschen direkt etwas zu Essen anzunehmen?

Deine Geschichte gefällt mir.


Alija

 

Schalom Alija,

Ich wiederhole mal dein erstes Wort weil es im moment so gut passt, naja eigendlich passt es ja immer. Vielen Dank für deine Antwort, ich freu mich das dir meine Geschichte gefallen hat und ich die Situation die ich da erlebt habe deutlich machen konnte.

Der Vergleich Essen und Geld, den du da angedeutet hast ist wohl richtig, wenn ich genauer darüber nachdenke, nun, es ist glaube ich schwierig sich in die gleiche Lage hineinzuversetzten.Nochmals danke

Alles Gute

Imke

 

Hallo Imke,
deine Geschichte hat mir wirklich gut gefallen.
Sie ist ergreifend, gut geschrieben und wenn du das alles erlebt hast-Respekt!
Man braucht Mut um sich so etwas zu trauen,
nicht weil es etwas Schlimmes ist, sondern weil man nicht nach der Norm handelt.
Im Leben ist es schon schwierig, aus einer Gruppe heraus zu tretten und eigenständig zu handeln.
Ich selber habe auch eine Geschichte über das "Normale" geschrieben. In dieser Beziehung musste ich mich in einen Menschen hineinversetzen, der sich nicht traut aus der Gruppe heraus zu tretten.
Jedenfalls hat mir deine Geschichte gut gefallen.

Gruß
David E.

 

Hallo David,
Schön, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Das sie dich ergreift, liegt vielleicht daran, dass viele Leute eben nicht so gehandelt hätten. Es stimmt zwa, dass es einfacher ist, beliebt und einer Gruppe angehörig zu sein, aber andererseits gibt man dabei dann sich selbst auf, das könnte ich nicht, und deshalb>>>>>> lieber Außenseiter mit Achtung vor sich selbst, als mitten in einer Gruppe, ohne eigene Meinung.Das scheint zwa am Anfang schwieriger,hat aber im Endeffekt mehr Wert für den eigenen Charakter.

Grüße

Imke

 

hallo!
deine geschichte hat mir sehr gut gefallen! mir ist nur ein kleiner fehler aufgefallen: "Der Blick wandert nochmals zu den zwei Gestalten, sehen lange Knochenfinger die zwei 5 Centstücke aus der Schale greifen, die Schale ist leer."
Der Blick wandert, sehen lange knochenfinger...??? ein Blick sieht nicht! aber trotzdem eine super geschichte!
mfg onida

 

Hallo onida!

Danke für deinen Beitrag, freut mich, dass dir die Geschichte gefällt:-)
Den Fehler hab ich gleich korrigiert.

Liebe Grüße

Imke

 

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