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Wenn Menschen anders sind
Wenn Menschen anders sind
Das struppige, fellige Etwas lag zusammengerollt auf dem Kopfsteinpflaster, zitternd, neben Ihr, einer Decke und der kleinen Schale mit dem Schild.....
Ich steige aus dem Bus, überquere die Straße wie jeden Tag, alles alltäglich, alles normal,... bis......... ich hebe den Kopf, sehe auf, sehe sie und das Knäuel den Hund, beide zusammengekauert an die Hausmauer gelehnt.
Das schmale, bleiche Gesicht, umrandet mit kurzem struppigem Haar, die paar zerfetzten Kleidungsstücke die die dünnen knöchernen Glieder umhüllen und die großen dunkel umrandeten Augen. , Nein, die beiden passen nicht in das Bild der ordentlichen Straße und dem modern eingerichteten Möbelhaus hinter ihnen, dessen große flauschigen Sessel im Schaufenster zum „hinein kuscheln „ einladen.
Ich sehe den Ausdruck ihrer Augen, das zitternde Fellknäuel neben ihr und bin getroffen von meiner Unfähigkeit nachzudenken.
Ich starre auf den Boden, sehe die verdreckte Rinne zwischen den Steinen und untersuche sie mit den Augen, sie sehen aus wie immer,.....verdammt was ist das für ein Gefühl das sich da in mir breit macht?
Der Blick wandert nochmals zu den zwei Gestalten, meine Augen sehen lange Knochenfinger die zwei 5 Centstücke aus der Schale greifen, die Schale ist leer.
Die Finger umklammern das Geld wie einen Schatz und tragen sie langsam zur Bäckerei an der Ecke.
Ob sie weiß wie viele Blicke ihr folgen? Bestimmt. Solche Blicke spürt man, es sind verachtende Blicke, Blicke von Mitleid getränkt oder von Vorurteilen beladen.
Hinzu kommen die Worte, leise fast geflüsterte Worte, sie breiten sich langsam um mich herum aus und überrollen mich wie eine Welle schlechter Luft. Es sind Worte wie „dreckig“, “Schmarotzer“, “selbst schuld“.....“arm dran “......
Die Finger umklammern noch immer die kleinen Münzen, ein Brötchen kostet mehr als 10 Cent, und sie nimmt wieder ihren alten Platz an der Mauer ein.
Die Worte der anderen verstummen, die Augen starren geradeaus und ein eisiger Wind zieht über uns hinweg. Er rüttelt mich wach, weckt mich aus meiner Trance und zwingt mich hinzuschauen, in ihre Augen, in diese tiefen, verzweifelt stillen Augen der beiden.
Die Blicke fangen mich ein, zwingen dazu mich loszureißen und zum Laden an der Ecke zu gehen.
Drei Worte.....“ Zwei Brötchen bitte!“
Der Rückweg ist schwerer als ich dachte, doch ihre Augen helfen mir, lassen mich die anderen Leute vergessen und mit zittrigen Fingern gebe ich ihr die Tüte. Es ist kein Mitleid!
Ein warmes Gefühl durchströmt mich als sie mich anblickt, sprachlos stammelt sie ein paar Worte...“das kann ich nicht annehmen.“
Auch ich kann kaum sprechen aber ich spüre wie es in mir zu brodeln anfängt, vor Wut dass das hier nicht selbstverständlich ist, das es so etwas überhaupt gibt.
Mühsam gebe ich Antwort, „doch, das können Sie“
In ihre glänzenden Augen treten Tränen, rollen langsam über das bleiche Gesicht und tropfen auf die Straße. Ein paar Meter weiter stehen die Leute, starren mich an, bewerfen mich mit ungläubigen Blicken. Sie prallen an mir ab.
Die Frau gibt mir ihre Hand, sie ist kalt und dünn, mit abgebrochenen Nägeln und Schmutz unterm Rand. Doch ihr Händedruck ist ehrlich, drückt aus was sie mir nicht sagen kann.
Und die Leute schauen, treten verlegen hin und her, und einige ziehen wie unter Zwang ihre Geldbörsen aus der Tasche, legen Scheine in die leere Schale und gehen peinlich berührt mit raschen Schritten fort.
Die Frau kann es nicht fassen, steht weinend da und ihre Hand greift suchend nach Halt, fasst den Hund und streichelt sacht über das Fell.
Ich steige in den Bus, wie jeden Tag, sehe ein letztes Mal aus dem Fenster und in ihre Augen, die mir für einen winzigen Moment etwas zeigen.
Das Leben ist etwas Besonderes, und wir alle gehören zusammen, egal welches Schicksal wir durchleben sollen, müssen, dürfen.