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Wenn man gezwungen wird

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01.07.2002
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Wenn man gezwungen wird

Unruhig war sie schon immer. Während andere Mädchen in ihrem Alter sich die Fingernägel lackierten, kaute sie nur daran. Wenn ein Gewitter ausbrach war sie die erste die entweder unter ihren oder in unseren Bett lag. Sie hatte vor allem und jeden Angst. Selbst der Eismann erschreckte sie als sie das erste Mal Eis kaufen wollte. Er stand mit dem Rücken zu ihr, sie trat vorsichtig an ihn ran und sagte mit kleiner, leiser Stimme:"Eine Kugel Schokolade." Der Eisverkäufer drehte sich langsam um und in ihrem Gesicht entfloh das Blut. Sie hatte vorher auch noch nie einen Menschen mit einer Verbrennung im Gesicht gesehen. Nun ja, wir hatten sehr schwere Zeiten, schöne natürlich auch, wie mit jeden Kind, aber die schweren überwiegten halt. Und dann stand sie da vor uns im Wohnzimmer, in ihrem Nachtkleid, völlig am zittern. Meine Frau bemerkte sie zuerst und nahm sie in die Arme.
"Was ist los, mein Schatz?"
"Etwas ist in meinen Zimmer."
Ich ging nach oben in ihr Zimmer, ein Zimmer wie es sich wohl jedes Mädchen wünscht. Ein Spitzencomputer mit Pentiom-Prozessor, Dolbi-Digital-Anlage, DVD-Spieler und so weiter und so fort. Ich schaute mich im ganzen Zimmer um, unterm Bett, im Schrank. Ich schloss das Fenster, zog den Vorhang zu und machte die Nachttischlampe an.
"In deinen Zimmer ist niemand," sagte ich ihr und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
Sie ging nach oben und wir setzten uns wieder vor den Fernseher. Es lief eine alte Folge von Tatort mit Schimanski. Völlig gespannt von der Story über einen Kindermörder bemerkten wir nicht das sie schon wieder in der Tür stand. Als ich sie bemerkte bekam ich zuerst einen Schreck. Ihre Arme waren voller Blut.
Meine Frau sprang auf, sah sich die Arme an und schrie:"Was hast du gemacht?"
"Da ist etwas in meinen Zimmer."
Wir gingen zu dritt nach oben, meine Frau betrat zuerst das Zimmer.
"Wo ist es denn, Schätzchen?"
"Ich weiss es nicht. Zuerst war es im Schrank, dann ist es unter mein Bett gelaufen. Es ist schnell."
"Bist du dir sicher das du es dir nicht einbildest," fragte ich.
"Du siehst doch ihre Arme, bildet sie sich das nur ein?" Meine Frau war sichtlich mit den Nerven fertig.
Ich zeigte auf das Bett, wo eine Nagelschere lag, überall im Bett war Blut verteilt.
"Warum hast du das gemacht?"
"Es zwingt mich dazu."
"Weisst du was es ist?"
"Nein."
Ich entschloss mich zu einen Versuch.
"Du wirst heute nacht bei deiner Mutter schlafen und ich schlafe in deinen Bett. Dann werden wir ja sehen, was dich so erschreckt."
Meine Frau war mit diesen Vorschlag zufrieden. Sie verband unserer Tochter die Arme, gab ihr einen Kuss und legte sie in unser Ehebett. Dann küssten wir uns.
Ich legte mich in das Kinderzimmer, beobachtete leise den gesamten Raum, nichts rührte sich. Irgendwann bin ich dann eingeschlafen. Ich wachte auf in einen hellen Zimmer, darin nur eine Tür und ein Schrank. Plötzlich ging der Schrank auf. Die Schwärze innendrin liess mich einen Moment blinzeln und als ich wieder klar sah, war es schon kurz vor mir. Ich sah nur einen Moment in die Augen dieses Ding, dieser Kreatur, dann war es verschwunden. Dann kam meine Tochter durch die Tür, stellte sich vor das Bett, hob ihr Nachthemd und fing an zu urinieren. Doch es war kein Urin. Sie pinkelte Blut.
Dann wachte ich auf.
Ich stand auf, ging die Treppen runter, öffnete die Schlafzimmertür, schaltete das Licht an. Ich übergab mich, ich kann immer noch nicht glauben, was ich damals sah, dieses Blutbad, meine Frau mit den Einstichen in Kopf und Hals, meine Tochter mit der Nagelschere in der Hand.
Ich nahm meine Frau in den Arm, sprach zu ihr, schüttelte sie und drückte sie an mich. Doch sie war tot.
Ich schaute meiner Tochter in die Augen und sie weinte. Ich sah sie fragend an.
"Es zwingt mich dazu."

Oliver Engelberg
Resident2000Production

 

Hi Bonedust und herzlich willkommen hier.

Den Plot Deiner Geschichte finde ich ganz ok. Aber an der Ausarbeitung könnte noch gefeilt werden. Was mir extrem fehlte, sind die Gefühle des Erzählers. Er klingt mir zu kalt, zu unbeteiligt, und das amcht die ganze Story für mich unrealistisch.

Wenn man das Ende kennt, dass seine Tochter seine Frau erstochen hat, dann klingt der Stil viel zu harmlos. Ich würde ihn eher verzweifelter klingen lassen. Es soll natürlich nicht verraten werden, was am Ende Schreckliches geschieht, aber vielleicht kann man ihm einen Tonfall verleihen, der irgendwie ... hastiger klingt. So, als zittert er beim Erzählen, als leidet er darunter was er von sich gibt, aber er muss es tun weil es gleichzeitig ein Befreiung bedeutet.. Ich frage mich einfach, wie erzählt ein Mann davon, dass einst seine kleine Tochter seine Frau umbrachte, weil sie irgendetwas "gezwungen" hat.

Deutlich fielen mir solche Stellen auf:

"Bist du dir sicher das du es dir nicht einbildest," fragte ich.
Da gebe ich seiner Frau schon Recht, daraufhin hysterisch zu werden. Wenn ein Kind mit blutüberströmten Armen vor den Eltern steht, dann flippt man wahrscheinlich eher aus und ruft "Oh mein Gott, was ist passiert" und denkt daran den Arzt zu rufen, und wenn man dann sieht, dass es nicht so schlimm ist wie befürchtet schüttelt man das Kind und fragt es immer wieder, wo es das her habe ... Aber man ist nicht so unbeteiligt, verstehst Du?

Auch das hier, nachdem er seine Frau tot auffindet, kommt mir nicht realistisch vor:

Ich nahm meine Frau in den Arm, sprach zu ihr, schüttelte sie und drückte sie an mich. Doch sie war tot.
Ich schaute meiner Tochter in die Augen und sie weinte. Ich sah sie fragend an.
Mir reagiert der Erzähler einfach nicht menschlich genug. Entweder würde ich ihn weinend zusammenbbrechen lassen, oder hysterisch werden, Polizei rufen, Tochter anschreien was passiert ist. So etwas in der Art.

Der Inhalt ist ok meiner Meinung nach, daraus lässt sich eine schockierende Geschichte bauen, aber die Geschichte berührt den Leser viel mehr, wenn er den Horror der Personen und besonders des Erzählers auch spüren kann.

 

Hi,

Ginnyrose hat gute Arbeit geleistet. Kann mich ihrer Kritik nur anschließen. Die Story hat durchaus Potential, doch die emotionslose Erzählung vermag keinen Gruseleffekt zu erzielen.
Ich würde dir raten, die Charaktere etwas mehr auszubauen, an dem Erzählstil zu arbeiten und die Story insgesamt etwas mehr auszubauen.
Gegen Ende hat man das Gefühl, dass du nur schnell fertig werden wolltest.

So long, Pandora

 

Hallo Ginnyrose und Pandora,
erstmal danke für eure Kritik.
Zu den Punkt das der Erzähler nicht hysterisch oder verrückt geworden ist, fällt euch nicht auf das er die Namen seiner Lieben nicht weiss. Er erzählt diese Geschichte sich selbst, sitzt wahrscheinlich in einer geschlossenen Anstalt. Ich finde diese Erklärungen aber nicht gut weil man sich selbst Gedanken machen soll, seine Phantasie benutzen. Denn die ist das beste was uns Menschen gegeben wurde.
Aber das ich noch an den Gefühlen feilen muss versteh ich, werde mal sehen wie ich das Ende weniger plump hinkriege.
Auf denn und recht vielen Dank

Oliver Engelberg

 

Hi Olli,

nunja, wenn dem so ist, hättest du das vielleicht irgendwie rüberbringen müssen.
Wenn er verrückt ist, muß das klar werden.
Wenn er in der Anstalt sitzt, muß ein Hinweis dafür da sein.

Wie soll der Leser sonst darauf kommen?

Gruß, Pandora

 

Also ich hatte den Eindruck, als lese ich in einem Tagebuch.
Aber in einen Tagebuch, dass nicht mit Gefühlen geschrieben wurde. Wenn er wirklich verrückt war, hätte der Stil nicht so klar und unbeteiligt sein dürfen.
Ein Tipp vieleicht. Wie wäre es wenn der Verrückte plötzlich im körper seiner Tochter auftaucht und aus deren Sicht schreibt?
Ausserdem kommt mir der Plot etwas bekannt vor.
Irgendwie glaube ich mal einen kurzfilm von Steven King gesehen zu haben, der ähnlich war.
Aber das ist nur eine Vermututng.
Du hast die Möglichkeit, dich sehr gut und klar auszudrücken.
Versuch doch mal von der Klarheit weg zu kommen und mehr Gefühl einzubringen.

nichts für ungut

 

Erst einmal zur Geschichte:

Das Mädchen wird als schreckhaft bezeichnet, etwa auf Grund dieses Vorfalls:

Der Eisverkäufer drehte sich langsam um und in ihrem Gesicht entfloh das Blut. Sie hatte vorher auch noch nie einen Menschen mit einer Verbrennung im Gesicht gesehen.
Ich behaupte mal, JEDES Kind würde da erschrecken.

Ein Spitzencomputer mit Pentiom-Prozessor, Dolbi-Digital-Anlage
Der Prozessortyp heißt Pentium und das Rauschunterdrückungssystem Dolby Surround.

Ihre Arme waren voller Blut.
Meine Frau sprang auf, sah sich die Arme an und schrie:"Was hast du gemacht?"
"Da ist etwas in meinen Zimmer."
Wir gingen zu dritt nach oben, meine Frau betrat zuerst das Zimmer.
Ja klar - wenn mein Kind voller Blut ist kümmer ich mich um diese Kleinigkeit auch nicht erst.

"Bist du dir sicher das du es dir nicht einbildest," fragte ich.
"Du siehst doch ihre Arme, bildet sie sich das nur ein?" Meine Frau war sichtlich mit den Nerven fertig.
Nochmal: Vater und Mutter schwafeln herum, anstatt sich irgendwie um ihre Tochter zu kümmern, die blutbesudelt ist???

"Du wirst heute nacht bei deiner Mutter schlafen und ich schlafe in deinen Bett. Dann werden wir ja sehen, was dich so erschreckt."
Was für eine Logik ist das???

Schade um die total vergebene Plotidee! Daraus ließe sich eine bessere Geschichte machen als diese hier.

Ziemlich merkwürdig finde ich dein Posting:

Zu den Punkt das der Erzähler nicht hysterisch oder verrückt geworden ist, fällt euch nicht auf das er die Namen seiner Lieben nicht weiss. Er erzählt diese Geschichte sich selbst, sitzt wahrscheinlich in einer geschlossenen Anstalt.
"Wahrscheinlich" bedeutet, dass du es selber nicht genau weißt. Und dann soll ich es merkwürdig finden???

Ich finde diese Erklärungen aber nicht gut weil man sich selbst Gedanken machen soll, seine Phantasie benutzen.
Ja klar! :susp: Zeig mir bitte EINE Textstelle, EIN WORT das impliziert, dass der Typ "wahrscheinlich" in einer Geschlossenen sitzt und sich diese Geschichte selber erzählt.

Unterschätze niemals die Schlauheit deiner Leser... ;)

@ henna
Du meinst "Bogeyman". Fair muss fair bleiben - ich sehe keine Parallelen zu der Story von King, schließlich ist "Das Ding aus dem Schrank" genau so Folklore wie Vampire oder Werwölfe.

[ 06.07.2002, 17:12: Beitrag editiert von: Rainer ]

 

@Rainer

Ich schrieb:

Irgendwie glaube ich mal einen kurzfilm von Steven King gesehen zu haben, der ähnlich war.
Aber das ist nur eine Vermututng.
Ich wollte durch diese Worte eigentlich nur ausdrücken, an was ich beim lesen der Geschichte erinnert wurde.

Fair muss fair bleiben - ich sehe keine Parallelen zu der Story von King, schließlich ist "Das Ding aus dem Schrank" genau so Folklore wie Vampire oder Werwölfe.
Ich wollte ja fair bleiben und m.E. war ich es auch.
Ich schrieb nur meinen Eindruck.
Dass das Ding aus dem Schrank ein uralter Teil vieler Geschichten ist, ist nicht mal für mich was neues.

 

Okay, ich wollte nur nicht, dass möglicherweise schon wieder eine Diskussion darüber aufflammt. :)

 

Also ich muß mich den vorherigen Kritiken anschließen - vor allem Ginny hat es auf den Punkt gebracht. Du sagst, der Leser soll seine Phantasie benutzen (weil sie das Beste ist, was man hat) - da hast Du nicht ganz unrecht. Aber trotzdem; die Gefühle kommen hier einfach zu kurz. Wenn ich da meine Phantasie "benutze", dann sehe ich einen kalten Mann vor mir, dem alles Scheißegal ist - erst recht der Tod seiner Frau. Und das ist wahrscheinlich nicht beabsichtigt, oder?

Die Geschichte hat wirklich Potential, obwohl sie ein Thema behandelt, das im Horrorgenre mehr als nur ausgelutscht ist (Ding im Schrank, Etwas benutzt die eigene Seele, um böse Sachen zu tun...). Aber Du hast Talent - mach doch was draus!

Gruß,
stephy

 

Ihr scheint recht zu haben das etwas Gefühl in dieser Geschichte fehlt. Ich mache mich auch so schnell wie möglich über diese Geschichte her um ihr das gewisse Etwas zu geben.
Ich bin in der Charakterisierung einfach noch nicht so in Form.
Allen vielen Dank für die Kritik (ob gut oder schlecht).
Friede.

Oliver Engelberg
Resident2000Production

 

Ach so hab ich noch vergessen.
Die Markennamen habe ich absichtlich verändert. Will kein American Psycho schreiben.

Bye

 

:confused: Aber Schimanski hast du doch richtig geschrieben? Na, is ja auch egal...

 

Stimmt Rainer, aber Schimanski ist auch kein Produkt sondern eine Figur.
Andere Autoren nehmen ja auch nicht die richtigen Namen von Firmen oder so, aber wenn der fernseher läuft, wird oft von bekannten Persönlichkeiten geredet.
Und bei American Psycho schaut er sich jeden Tag eine Sendung an die es im wirklichen Leben nicht gibt.

Aloha

 

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