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Wenn ich ein Vögelchen wär

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12.10.2010
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Wenn ich ein Vögelchen wär

Wenn ich ein Vöglein wär´

Lotte sitzt nun schon beinah zehn Minuten vor ihrer Suppe ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Das kleine Mädchen mit den blonden Haaren mag nämlich gar keine Suppe. Und schon gar nicht Gemüsesuppe, bäh. Bin ich denn ein Kaninchen, denkt Lotte sich und beginnt langsam mit ihrem silbernen Löffel in den kleingeschnittenen Möhrchen lustlos herumzustochern. Ihre beiden Geschwister haben schon aufgegessen, nur Lotte muss noch bleiben. „Wenigstens ein paar Löffelchen“ hat die Mutter verlangt. Und nun sitzt sie hier und möchte viel lieber draußen spielen. Draußen ist es warm und sonnig und aus dem geöffneten Fenster vor ihr dringt der Duft nach Raps und Pferden. Plötzlich fliegt ein kleiner Vogel direkt auf das Fensterbrett vor ihr. Er hat einen roten Hals und sieht wunderschön aus. Seine kleinen Knopfaugen mustern das kleine blonde Mädchen neugierig und dann fliegt er davon. Wenn ich doch ein Vöglein wär, denkt Lotte, dann müsste ich diese doofe Suppe jetzt nicht essen und würde stattdessen fortfliegen. Traurig sieht sie dem kleinen Rotkehlchen hinterher, wie es auf einen Zweig in die große Kastanie vor ihrem Haus fliegt. Als die Mutter aus der Küche kommt sitzt Lotte nun schon fast eine halbe Stunde vor dem Teller, ohne ihn angerührt zu haben. Dann nimmt sie angeekelt drei winzige Happse und verschwindet mit einem schnellen „Tschüß, Mama!“ in den Garten. Ihre Mama sieht Lotte hinterher. Immer dieses Theater mit der Suppe, denkt sie und räumt den Teller kopfschüttelnd ab.

Von da an denkt Lotte viel an den kleinen Vogel mit dem roten Hals. Wenn ich doch fortfliegen könnte, dann würde ich alles machen, wozu ICH Lust habe, denkt sie unentwegt.

Lotte bekommt ein paar Bonbons von Mama in die Hand und soll sie mit ihren Geschwistern teilen? Wenn ich ein Vöglein wär, könnte ich alles für mich behalten, denkt das kleine blonde Mädchen dann und gibt die Bonbons schweren Herzens ab.

Ein paar Tage später wird es abends sehr dunkel. Viel dunkler als sonst um diese Zeit und ein starker Wind weht um das Haus. Aus der Ferne hört die Familie Donnergrollen. Lotte sieht aus dem Fenster während sie und ihre Geschwister Pudding essen und da sieht sie ihr Rotkehlchen. Der kleine Vogel hat etwas zu fressen gefunden, doch die Spatzen versuchen es ihm abzujagen. Das Rotkehlchen wehrt sich vergeblich, denn die Spatzen sind in der Überzahl. Der kleine Vogel bleibt einsam und hungrig zurück und fliegt traurig auf die große Kastanie. Armes Rotkehlchen, denkt Lotte sich und möchte ihm am liebsten etwas von ihrem Pudding abgeben. Aber Rotkehlchen fressen nun mal keinen Pudding. Und da findet Lotte das erste Mal, dass so ein Vogelleben auch ganz schön schwer sein kann.

Als Lotte ins Bett geht, ist das Gewitter bereits über ihrem Haus. In der Dunkelheit zucken immer wieder grelle Blitze und dann donnert es gewaltig. Unheimlich ist das, denkt Lotte und drückt sich im Bett an ihre große Schwester, die sie eigentlich doch ganz gerne mag. Besonders jetzt. Nach dem Gewitter kommt der Regen. Er kommt ganz plötzlich und prasselt so stark auf das Haus ein, dass es scheint, als ob das Haus bestimmt bald weggespült würde. Das Rotkehlchen! denkt Lotte und läuft aus ihrem Bett noch einmal zum Fenster. Dort sieht sie den kleinen Vogel tropfnass in der Eiche sitzen. Er lässt die Flügelchen hängen und zittert am ganzen Leib. Das arme Vöglein, denkt Lotte und geht wieder in ihr Bett. Dort, im warmen trockenen Bett, kuschelt sie sich ganz eng an ihre Geschwister, die auch nicht alleine einschlafen können und möchte plötzlich doch gar kein Vöglein mehr sein. Eigentlich sind Geschwister und Gemüsesuppe gar nicht so schlimm, denkt sie noch. Dann nimmt sie sich ganz fest vor, mit Papa am nächsten Tag ein kleines, wunderbares Vogelhäuschen für das Rotkehlchen zu bauen und ist im nächsten Moment auch schon eingeschlafen.

 

Hallo tobilinski,

deine Geschichte liest sich leicht und hat für kleine Zuhörer auch die richtige Länge. Geschichten, die kids mit dem erhobenen Zeigefinger kommen, sind ja nicht mehr angesagt. Ich finde allerdings, der Zeigefinger ist nett in Vogelform verpackt. :)

Was mich stört, ist das fehlende "Happy End" für den armen Vogel. Er bekommt nichts ab vom Fressen, keinen Schutz bei Sturm und muss auch noch frieren. Nenn mich sentimental :D ,aber ich würde mir wünschen, dass Lotte mit ihren Eltern ein Vogelhaus baut, dann kann sie künftig beim Mittagessen den satten und zufriedenen Vogel beobachten. Sonst hast du zwar die Lehre rübergebracht, aber für Kinder hat die Geschichte kein rundes Ende.

Viele Grüße

bluebird

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo tobilinski,

Mir hat die Gescichte auch gut gefallen, sie lässt sich flüssig lesen und ist für Kinder gut geeignet, denke ich doch.

Kennst du den Film bandits? In dem einen Lied singen die inhaftierten Frauen "Wenn ich ein Vöglein wär..." diese Zeile hatte ich sofort im Ohr, als ich deinen Titel gesehen habe, nur das der ein kleines bisschen abweicht. In dem Lied geht es ebenfalls um die Sehnsucht nach Freihet, wenn auch in einem anderen Kontext, vielleicht passt diese Assoziation ganz gut zur Geschichte? Dann würde ich "Vögelchen" in "Vöglein" umändern, das ließt sich sowieso besser.

Im Text schreibst du einmal Vögelchen und einmal Vöglein, ich würde das vereinheitlichen, weil es (wenigstens für mich, weil ich den Film kenne) wie ein Refrain in dem Text wieder auftaucht, was mir sehr gefällt.

Der kleine Vogel bleibt einsam und hungrig zurück und fliegt mit hängenden Flügeln auf die große Kastanie.

Mit hängenden Flügeln fliegen, das geht nicht. Und später im Text hat der Vogel wieder hängende Flügel, diese Wiederholung fällt negativ auf.

Der Zeigefinger stört mich in dieser Geschichte übrigens auch nicht, ist elegant verpackt :)

Gruß!

PS: das Lied ist eigentlich ein Liebeslied, aber in dem Film gehts halt um Freiheit, deswegen. Ob ein Kind diesen Film kennt ist natürlich mehr als fraglich, tja, aber das Lied könnte ihm schon jemand vorgesungen haben... Naja, wie gesagt, Vöglein klingt meiner Meinung nach eh besser.

 

Vielen lieben Dank für Eure Anregungen. Das mit der Vereinheitlichung des Vögleins finde ich im Nachhinein auch. Es klingt wirklich stimmiger....- und ein schöneres Ende werde ich mir auch noch ausdenken. Der Abschluß ist vielleicht etwas zu "erwachsen"? Das mit den hängenden Flügeln beim Fliegen hätt nich nie gemerkt! Ist natürlich unglücklich beim Fliegen.**

Herzliche Grüße
Tobilinski

 

Alles schon gesagt,

lieber tobilinski?

Mit Neffen un d -nichten:

Das kleine Mädchen mit den blonden Haaren mag nämlich gar keine Suppe. ... Bin ich denn ein Kaninchen, denkt sie sich und beginnt langsam ...
, ...

Dem Mädchen wird das falsche Personalpronomen ("sie") zugestanden. Nun, ich werde nicht behaupten, auch nur ein Kind sei geschlechtslos, aber in der Grammatik kümmt's halt vor: ..., denkt ES sich ... usw. Der Schnitzer ist Umgangssprache und die "umgeht" halt mancherlei gramm. Problem.

Gruß

Friedel

 

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