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Wenn es doch alle machen...MASSAKER!
Ich beobachtete ihn eine ganze Zeit beim Frühstück und stellte skandalöses fest. Er köpfte sein Hühnerei nicht, wie andere es gemäß der Vorschriften gewohnt waren, nein er schlachtete es geradezu. Er hielt das bedrohlich funkelnde Messer ins Licht, begutachtete es kritisch und hieb das Ei dann ohne große Empathie in zwei Hälften. Meine Freundin verzog ihr Gesicht und schrie schockiert auf. Ich war entsetzt. Die übrigen Gäste waren unserer Meinung. Sie straften den Barbaren mit geradezu verächtlichen Blicken. „Dass du mir nicht auch so wirst“, meinte meine Freundin und sah mich besorgt an mit ihren treublauen Augen. „Wohl kaum“, entgegnete ich selbstsicher und öffnete mein Ei mit bemerkenswerter Sensibilität, die der Kalkschale kaum splittern ließ und in zwei perfekt ausgemessene Hälften teilte. Ich grinste stolz. Das schmerzverzerrte Brechen der Schale zerstörte die Idylle. Der Barbar hatte wieder zugeschlagen. Ich rechnete erneut mit pikierten Blicken. Die gab es zweifelsohne auch, doch waren auch einige unter den Gästen, die nun ähnlich mit ihrem Hühnerei verfuhren, wenn sie auch nicht ganz an die Raubeinigkeit ihres Mentors heranreichen konnten. Etwas hemdsärmelig schlugen sie es in zwei Stücke. Ich war zutiefst entsetzt, meine Freundin begann zu weinen. „Wie können die nur so grausam sein“, fragte sie, „ist die Welt nicht schon grausam genug.“ „Du hast recht. Eier sind auch nur Menschen.“ Der Spruch verlieh mir den Glanz des Anständigen. Die folgenden Minuten verliefen jedoch äußerst unerfreulich. Der Barbar richtete ein Frühstücksei nach dem anderen hin – fast demonstrativ – und je häufiger er das tat, desto mehr Anhänger konnte er für seine Idee gewinnen. Fröhlich säbelten einstige Sensibelchen die Köpfe der Eier ab und löffelten sie triumphierend aus, während ihnen die Begleitung auf die Schulter klopfte. „Die Welt ist schlecht“, stöhnte meine Freundin und schüttelte den Kopf. Ich nickte resigniert. „Du hast mal wieder recht. Mit Menschlichkeit hat das nicht mehr viel zu tun (Oh doch!). Das 18. Ei brachte keinen Umschwung, sondern den Anfang vom Ende. Der Mann atmete mittlerweile schwer, doch die Menge skandierte seinen Namen: „Eddie, The Ei“ und nach gierte nach einer neuerlichen Bluttat. Noch einmal setzte er sein Messer an und durchtrennte eine weitere Kehle. Die anderen folgten seinem Beispiel. Sie wären ihm in den Tod gefolgt. „Schrecklich“, meinte mein Freundin. „Das hast du...“ „Schrecklich schön.“ Der ganze Saal bestand aus eiskalten Schlächtern. Mein drittes Ei tat mir nur kurz leid. Die Schale war ziemlich unsanft gesplittert.