Mitglied
- Beitritt
- 20.09.2008
- Beiträge
- 44
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 4
Wenn einer fällt....
„Schon wieder ne 5! Ich kann lernen so viel ich will, es wird einfach nicht besser!“ Jenny schaute mich unglücklich an.
Tröstend legte ich den Arm um sie. Meine eigene 4-5 spielte zur Zeit keine Rolle. Meine Aufgabe war es für meine Freundin da zu sein. Bei mir war das ein Ausrutscher, der mir höchstens zwei mal im Jahr passierte. Bei Jenny war das anders. Sie brachte regelmäßig eine Note schlechter als fünf nach Hause.
„Mein Vater wird stocksauer sein! Das gibt Hausarrest für mindestens einen Monat!“
Seit ihre Mutter nicht mehr lebt war bei ihr zu Hause alles anders geworden. Ihr Vater arbeitet den ganzen Tag und auch ihre kleine Schwester Cindy ist nicht zu Hause. Da sie erst neun ist bleibt sie den Tag über bei einer Pflegemutter. Wenn Jenny nach Hause kommt, dann schiebt sie sich eine tiefgekühlte Pizza in den Ofen, schaltet den Fernseher, den Computer und die Stereoanlage ein und legt sich auf das Sofa, schiebt sich ein Stück Pizza nach dem anderen in den Mund und macht den Rest des Tages nichts. Ab und zu geht sie in das Zimmer ihrer Mutter, nimmt deren Kleider aus dem Schrank, hält sie sich vor das Gesicht. Einfach nur um den Duft ihrer Mutter wahrzunehmen. Einfach nur, um sie nicht völlig zu vergessen. Sie fängt an zu weinen, legt sich auf das Bett und betet. Betet, warum Gott es zugelassen hat, dass ihre Mutter starb. Warum er es zulässt, dass bei ihr seit diesem Tag alles nur noch bergab geht.
Dieses Zimmer ist für sie wie ein Heiligtum. Außer ihr und ihrer Familie darf es von niemandem betreten werden.
Ihre Hausaufgaben macht sie seit diesem Tag auch nicht mehr. Entwerder schreibt sie diese morgens noch schnell von mir ab oder sie macht sich gar nicht erst die Mühe damit anzufangen. Deswegen gab es mit unseren Lehrern auch schon oft Auseinandersetzungen. Doch ihr kann niemand ins Gewissen reden. Sie sieht in der Schule keinen Sinn mehr. Es ist ja zuhause niemand da, der ihr bei den Hausaufgaben hilft oder kontrolliert.
„Hörst du mir überhaupt zu?“ Jenny unterbrach meine Gedanken. Sie schaute mich sauer an.
„Doch...... schon..... ich hab grad nachgedacht... und...“ sagte ich noch etwas geistesabwesend.
Doch sie ließ mich gar nicht erst ausreden: „Ach, sei doch ruhig! Du hörst mir doch nie richtig zu! Was ich sage ist dir doch völlig egal!“
Mit diesen Worten rannte sie den Flur in Richtung Ausgang entlang.
„Jenny!!! Jetzt warte doch!!!“ keuchend rannte ich ihr hinterher.
Doch als ich schließlich vor der Tür stand war sie schon aus meinem Blickfeld verschwunden.
Tuuut......tuuut......tuuuuut......tuuuuut.....
Einmal, zweimal, dreimal..... insgesamt acht mal ließ ich es klingeln. Niemand hob ab.
„Oh nee, Jenny! Verdammt noch mal, jetzt heb endlich ab!“
Tuuuut....tuuuut.......tuuut......
Noch fünf Mal ließ ich es klingeln, bis ich schließlich aufgab und auflegte. Ich setzte mich an die Hausaufgaben, aber so richtig konzentrieren konnte ich mich nicht. Schon nach zehn Minuten versuchte ich gar nicht erst mich weiter zu konzentrieren. Das hatte ohnehin keinen Sinn. Jenny war meine beste Freundin und wir machten fast alles zu zweit. Ein Streit mit ihr ging mir immer sehr nahe.
Seufzend lehnte ich mich in meinem Sessel zurück. Sollte ich noch mal versuchen sie anzurufen? Eine gemeine, kleine, aber doch deutlich zu vernehmende Stimme meldete sich in meinem Kopf. Warum solltest du ihr denn schon wieder nachlaufen? Du bist doch nicht ihr Eigentum, das sie behandeln kann wie sie will. Du musst dich nicht wie Dreck behandeln lassen. Lass sie ruhig mal spüren wie das ist von der Freundin immerzu missachtet zu werden. Und dann immer ihre Eifersucht! Nie darfst du auch nur fünf Minuten mit jemand anderem sprechen. Nie darfst du mal für eine Minute nicht zuhören. Du wirst ständig angemotzt! Das ist doch keine Freundin!
Schon oft kamen mir solche Gedanken und wie jedes Mal hörte ich nicht auf die Stimme. Natürlich stimmte das alles, aber ich war nun mal ihre Freundin und Freunde gehen durch dick und dünn. An so etwas zerbricht eine echte Freundschaft nicht. Außerdem hatte es Jenny nun wirklich schon schwer genug in ihrer Vergangenheit gehabt. Da brauchte sie eine Freundin, die sie ab und an aufmuntert und für sie da ist. Da kann man schon mal über den ein oder anderen Wutausbruch oder Streit hinwegsehen. Also beachtete ich die Stimme in meinem Kopf nicht weiter, überwand meinen Stolz und griff nach dem Hörer. Ich tippte die Nummer von Jenny ein und klemmte mir den Hörer zwischen Kopf und Schulter. Während es immer weiter klingelte räumte ich meinen Schreibtisch auf und versuchte diesmal nicht das Klingeln mitzuzählen. Natürlich gelang mir das nicht. .... Neun.....Zehn....Elf......
Spätestens jetzt war mir klar, dass sie nicht rangehen würde. Da es sowieso keinen Sinn hatte mich weiter verrückt zu machen, beschloss ich auf den Sportplatz zu gehen. Das war einer meiner Lieblingsplätze. Und da mich ein bisschen Bewegung ablenken würde, packte ich meine Spikes ein, zog meinen Trainingsanzug an und nahm die Stopuhr mit. Nach zehnminütigem Fußmarsch kam ich an meinem Ziel an. Ich lief mich eine Runde ein, dehnte mich und lockerte meine Muskeln. Als ich gerade zum ersten 100 Metersprint ansetzen wollte, rief eine Stimme meinen Namen.
„Hey Julia, was machst du denn hier?“
Als ich mich umdrehte stand mein Trainer vor mir und grinste mich an.
Schlagfertig antwortete ich: „Hmmmm, mal überlegen..... Was mache ich nur auf einem Sportplatz? .....Hmmm, ich weiß wirklich nicht...“
Zum Glück ist mein Trainer einer der wenigen, die meine Ironie verstehen und damit umzugehen wissen.
„Ich würd` auf Sport tippen... meinst du nicht auch?“ antwortete er mir mit einem leisen Lachen in der Stimme. „Ne, jetzt mal Spaß bei Seite: Was machst du hier so allein?“
„Ach, ich musste mal raus.... und außerdem muss ich noch trainieren...“
„Dreimal die Woche reicht dir wohl noch nicht, wie? Ach egal...... Übrigens: Jenny sitzt da drüben auf einer Bank. Die sieht ziemlich fertig aus....“
Ich sagte ihm, dass ich ihm was schulde und ging langsam zu Jenny.
„Hey.“ sagte ich.
„Hey.“ antwortete sie mir.
Ich blieb vor ihr stehen und schaute sie an. Es gab so Augenblicke, da konnten wir uns ohne Worte verständigen. Dieser war so einer. Ich wusste, dass es ihr leid tat und sie wusste, dass ich es ihr nicht übel nahm. Sie stand auf und wir umarmten uns.
„Warst du überhaupt zu Hause?“ fragte ich sie.
Sie schüttelte mit dem Kopf.
„Martin hat mit mir Schluss gemacht.“ Ganz leise hatte sie diese Worte gesprochen, fast schon geflüstert.
„Oh nein. Warum denn?“ Mitfühlend legte ich einen Arm um sie und versuchte sie zu trösten.
„Er...er hat gesagt es gäbe.....es gäbe eine Andere! Und....und er würde mich schon lang.....lange nicht mehr lieben....“ Sie schluchzte und konnte vor Tränen keinen vollständigen Satz mehr bilden.
Ich nahm sie in den Arm und schmiegte meine Wange an ihre.
„Du Arme.... Komm...“ ich redete beruhigend auf sie ein bis sie sich soweit beruhigt hatte, dass sie wieder normal sprechen konnte.
Martin war ihr erster Freund gewesen und etwas ganz besonderes. Ihre erste große Liebe. Sie waren seit dem Tod von Jennys Mutter zusammen und sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Es war ein wirklich schwerer Schlag für Jenny. Am liebsten wäre ich zu Martin, diesem Blödmann, hingegangen und hätte ihm eine gescheuert. Doch ich wusste, dass Jenny ihn noch immer liebt und sie das sicher nicht gut finden würde. Also saß ich einfach nur neben ihr und war für sie da. Doch ich hatte meiner Mutter gesagt ich sei in einer Stunde wieder zurück und musste deshalb schon bald wieder gehen. Mir war mulmig bei dem Gedanken Jenny in dieser Situation allein zu lassen.
Bevor ich ging, sagte sie noch zu mir: „Ich will nicht mehr, Julia. Es reicht mir! Ich kann das so nicht mehr. Manchmal wünsche ich mir es wär alles vorbei. Dass ich wieder bei......“
In genau diesem Augenblick klingelte mein Handy und ich musste abheben. Es war meine Mutter, die mich drängte endlich nach Hause zu kommen, es sähe nach einem kommenden Gewitter aus. Ich hatte noch nicht aufgelegt, als es auch schon zu Regnen begann. Jenny schnappte sich ihre Sachen und rief mir zu sie wäre dann weg. Bevor ich sie nach der Bedeutung ihrer Worte fragen konnte, war sie schon verschwunden. Bevor meine Sachen völlig durchweicht waren, packte ich alles zusammen und rannte den Weg nach Hause. Total durchnässt, aber nun in der Lage meine Hausaufgaben fertig zu machen, kam ich zu Hause an.
Die zwei darauffolgenden Tage verliefen ohne weitere Auseinandersetzungen mit Jenny und es schien alles in Ordnung. Das einzig auffällige war, dass die sonst so regsame Jenny viel stiller und geistesabwesend war, als gewöhnlich. Doch ich dachte mir nichts weiter dabei; schließlich hatte ihr Freund erst vor kurzem mit ihr Schluss gemacht.
Doch als ich am dritten Tag nach unserer Auseinandersetzung in der Schule ankam, war Jenny nicht da. Sie tauchte auch in der zweiten und den darauffolgenden Stunden nicht auf. Normalerweise rief sie mich an, wenn sie krank war, damit ich sie in der Schule entschuldigen konnte. Doch das hatte sie an diesem Tag nicht getan. Als ich nach Hause kam, hatte ich ihre Nummer schon in unser Telephon eingegeben, bevor ich überhaupt die Schuhe ausgezogen hatte. Doch bei ihr zu Hause nahm niemand ab. Ich ließ es mehrere Male klingeln, doch dann gab ich es auf. Ich ging in die Küche und fragte meine Mutter, ob sie etwas von Jenny gehört hätte. Ob sie angerufen hätte oder gestern noch da war.
Sie antwortete mir: „Ja, sie hat angerufen. Sie wolle heute nicht zur Schule kommen; jetzt wäre die Zeit gekommen zu gehen. Ein Jahr wäre schon zu lange gewesen. Ich weiß nicht genau was sie damit gemeint hat. Hey, Julia! Blei doch da! Was ist denn los?....“
Doch ich achtete nicht auf sie, zwängte mich wieder in die Schuhe und stürmte aus der Wohnung. Ich schwang mich auf mein Rad und obwohl es in Strömen regnete nahm ich meine Geschwindigkeit nicht zurück. Im Gegenteil; ich erhöhte sie sogar noch. Den Weg, für den ich normalerweise fünfzehn Minuten brauchte, legte ich an diesem Abend in nur acht Minuten zurück. Als ich das Tor von dem Friedhof erreicht hatte, auf dem ihre Mutter begraben lag, schmiss ich mein Rad ins Gras und rannte die Reihen entlang. Schon von weitem sah ich die unzähligen Kerzen, die auf dem Grab von Jennys Mutter standen. Da viel es mir wie Schuppen von den Augen: Genau vor einem Jahr war Jennys Mutter gestorben. Heute war ihr erster Todestag! Da jedoch Jenny nicht da war wollte ich schon umdrehen als ich ein Stück Papier unter einer Kerze entdeckte. Ich erkannte Jennys Handschrift und rannte zu dem Grab zurück. Ich zog den Zettel unter der Kerze hervor und begann zu lesen:
„Liebe Julia!
Es tut mir leid, dass ich dich nun allein lassen muss. Aber ich kann das alles nicht mehr. Ich will wieder zu meiner Mutter. Ich vermisse sie so stark; das kann man sich nur vorstellen wenn man das gleiche erlebt hat. Mir fällt es nicht leicht meine Familie und auch meine Freunde zurückzulassen. Cindy, jetzt musst du auf Papa aufpassen und den letzten Wunsch von Mama erfüllen. Und Papa, ich erzähl Mama von dir und grüße sie ganz lieb von der Familie. Es hat rein gar nichts mit euch zu tun, aber ich brauche Mama einfach wieder. Und Julia, du bist meine allerbeste Freundin und das weißt du auch. Und ich weiß auch, dass wir überall zusammen hinwollten, aber auf diese Reise kann ich dich nicht mitnehmen. Pass auf dich auf und achte auch ein bisschen auf Cindy.
Es tut mir leid.
In aufrichtiger Liebe
Jenny“
Meine Tränen tropften auf das Blatt und ließen die Tinte verblassen. Ich konnte es nicht fassen und musste die Zeilen nochmals lesen. Nur langsam reagierte mein Körper auf das, was mein Verstand mir schon längst klar gemacht hatte. Ich ließ das Blatt fallen und rannte so schnell ich konnte. Ich raste mit meinem Fahrrad die Straßen entlang, bis ich endlich vor Jennys Haus ankam. Ich hatte nicht genau auf den Weg geachtet, dafür war ich viel zu aufgeregt gewesen, aber ich hatte wohl instinktiv diesen Weg eingeschlagen. Ich hämmerte gegen die Haustür, aber mir war klar, dass mir niemand öffnen würde. Jennys Vater musste arbeiten, Cindy war bei ihrer Pflegemutter und wenn Jenny das vorhatte, was ich annahm, dann würde sie nicht mehr in der Lage sein mir zu öffnen. Ich überlegte nicht lange, rannte um das Haus und versuchte es an der Hintertür. Abgeschlossen. Ich wusste, wo Jenny immer einen Ersatzschlüssel hatte und rannte zu dem kleinen Busch neben der Eingangstür. Doch da war nichts. Also beschloss ich ein Fenster einzuschlagen. In dem Moment war es mir egal, ob ich Ärger dafür bekommen würde; für mich zählte nichts mehr als Jenny von ihrer Wahnsinnstat abzuhalten. Ich schnappte mir einen Stein, der in einem Blumenbeet lag und warf ihn durch das Fenster. Die Scheibe zerbarst in sekundenschnelle. Mit der Hand griff ich durch das so entstandene Loch und machte das Fenster auf. Ich kletterte so schnell ich konnte durch das Fenster; ich zog mir dabei etliche Schnittwunden an Armen und Händen zu aber das war mir egal. Das einzige was ich wollte, war Jenny rechtzeitig zu finden. Ich rannte durch das untere Stockwerk, rief Jennys Namen. Immer und immer wieder rief ich ihn, flehte sie an damit aufzuhören und zu mir zu kommen. Ich riss jede Tür auf, schaute in jedes Zimmer. Nun stand ich vor der Treppe. Jenny hatte mich sicher gehört und daher kam es jetzt auf jede Minute an. Hoch? Oder doch eher runter in den Keller? Mein Blick viel auf ein gerahmtes Foto an der Wand. Es zeigte Jennys Mutter, in der Blüte ihres Lebens, bekleidet mit ihrem Lieblingskleid. Jenny hatte mir mal erzählt, dass, wenn sie stirbt, sie dieses Kleid tragen will. Ich schaute Jennys Mutter in die schönen, blaugrünen Augen. Mir war noch nie aufgefallen wie ähnlich sich Jenny und ihre Mutter eigentlich sahen. Spontan und ohne zu wissen warum nahm ich den Weg nach oben, in das zweite Stockwerk. Ich rief wieder Jennys Namen, rannte von einem Zimmer ins nächste. Während meiner gesamten Suche hatte ich nicht aufgehört zu weinen. Die Tränen liefen mir wie ein kleiner Bach das Gesicht entlang, sammelten sich an meinem Kinn und tropften dann auf den Boden. Ich war in fast allen Zimmern gewesen und hatte Jenny nicht gefundne. Nun stand ich vor der einzigen Tür, die ich noch nie hatte öffnen dürfen. Da durchzuckte mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Wo sonst, als in dem Zimmer von ihrer Mutter, konnte Jenny noch sein? Auch wenn ich damit Jennys Wunsch nicht respektierte, riss ich die Tür auf und trat in das Zimmer ein. Das erste, was mir in den Blick viel, waren die unzähligen Kerzen, die im gesamten Zimmer verteilt waren. Vanille, Jennys Lieblingsduft, erfüllte das Zimmer. Ich fürchtete mich vor dem Anblick, der sich mir gleich bieten würde. Doch ich zwang mich, meinen Blick weiterschweifen zu lassen. Als mein Blick auf das Bett viel, riss ich entsetzt die Augen auf. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Jenny lag auf dem Bett, ganz friedlich. Sie hatte die Augen geschlossen, sah aus als würde sie nur schlafen. Mein Blick verschwamm von den Tränen, die sich in meinen Augen sammelten. Ich schwankte und konnte mich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Ich rannte zu dem Bett, schüttelte Jenny an ihren Schultern, streichelte ihr das Gesicht, flüsterte ihren Namen. Auf nichts reagierte sie. Ganz klein und regungslos lag sie auf dem rieseigen Bett. Sie hatte das Kleid ihrer Mutter angezogen und ihr Haar war hochgesteckt. Ihre sonst so aufdringliche Schminke hatte sie abgewischt und auf das allernötigste reduziert. Sie sah so schön aus, wie noch nie in ihrem Leben. Ich wusste, dass es zu spät war, doch so konnte es doch nicht enden. Ich legte mich neben sie, umarmte sie, strich ihr über das Haar und weinte. Ich konnte es nicht fassen. Meine allerbeste Freundin, mit der ich durch dick und dünn gegangen war, war tot. Wir hatten uns geschworen uns überall hin mitzunehmen, immer zusammen zu bleiben, uns nie zu verlassen. Wenn die eine fällt, dann ist die andere da um sie aufzufangen. So hatten wir uns geschworen. Und ich war nicht da gewesen um sie aufzufangen. Ich hatte sie auf ihrem letzten und schwersten Weg nicht begleiten können. Es war einer der schlimmsten Tage meines Lebens. Aber noch schlimmer war der Tag ihrer Beerdigung. Ihren Vater und ihre Schwester zu sehen, wie sie engumschlungen an ihrem Grab standen, Taschentücher gegen die Gesichter gepresst. Die tiefe Trauer in ihrem Blick zu sehen, die pure Verzweiflung. Aber am schlimmsten waren die unausgesprochenen Fragen in ihren Blicken:
Was hatten sie falsch gemacht? Warum musste sie von uns gehen?
Auch ich stellte mir diese Fragen. Hätte ich es nicht verhindern können? Hätte ich ihren Worten mehr Beachtung geschenkt, würde sie dann noch leben? Hätte ich ihrem seltsamen Benehmen vor diesem Tag mehr Bedeutung gegeben, hätte ich ihren Tod dann nicht verhindern können?
Meine beste Freundin war tot. Sie würde nie mehr neben mir sitzen, nie mehr würde irgendjemand ihr lachen hören, niemand in ihre sonst so strahlenden Augen blicken. Wir würden uns niemals wieder in den Armen halten können, niemals miteinander lachen oder weinen können. Das alles würde es nicht mehr geben.
Freunde sind etwas kostbares. Nur mit jemandem an seiner Seite kann man leben. Es ist nicht leicht einen wirklich guten Freund zu finden. Aber noch schwerer ist es, ihn dann zu verlieren.