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Wenn ein kleines Lichtlein leuchtet
Ein Lichtlein war traurig, weil es nicht so groß und hell leuchtete wie die anderen. Es war ein kleines Lichtlein, dessen Flamme mehr ein Flämmchen war und kaum Licht spendete. Es wünschte sich nichts mehr auf der Welt, als so zu leuchten, wie alle anderen, sodass sich die Menschen auch an ihm wärmen und seinen Schein bewundern. So machte es sich auf eine Reise, um das zu finden, was die anderen schon lange hatten: Seinen hellen Schein.
Rastlos wanderte es durch die Dunkelheit, doch nur sehr wenig konnte es erkennen, da seine Flamme so klein und schwach brannte. Bald kam es in einen Wald, wo es noch düsterer und finsterer war. Es verirrte sich und wusste nicht mehr wohin es laufen wollte und woher es gekommen war.
Nach einem langen mühsamen Marsch kam es zu einem Dorf mit vielen Häusern. Durch jedes der Fenster strahlte ein helles Licht. Sogar die Straßen waren beleuchtet und das gesamte Dorf erschien in einem gelben Schein. Das Lichtlein kam sich noch kleiner und unbedeutender vor und deshalb beschloss es weiter durch die Dunkelheit zu wandern, denn wahrscheinlich würde es an so einem beleuchteten Ort nicht einmal wahrgenommen werden.
Der Wind zog auf und wehte heftig. Das kleine Lichtlein musste vorsichtig sein, um nicht zu erlöschen und deshalb kam es nur sehr langsam voran.
Schließlich kam es an einem Schloss vorbei. Es war auf einem Hügel und ragte hoch in den Himmel hinauf. Von außen betrachtet schien es nur schwach beleuchtet zu sein.
„Vielleicht finde ich dort oben meinen hellen Schein.“, dachte das kleine Lichtlein und machte sich daran den Berg hinaufzusteigen. Dort angekommen war es sehr erschöpft und es musste sich für einen Augenblick erholen. So lehnte es sich an die massive Schlossmauer und atmete tief durch. Eine Wachlaterne, die das hörte und vom Schloss herunterblickte fuhr das kleine Lichtlein böse an: „Was will ein so kleines Lichtlein bei einer so großen Burg! Schau, dass du weiterkommst, wir brauchen kein mickriges Glühwürmchen, wie dich.“
Das Lichtlein erschrak als die Wachlaterne so heftig Feuer spuckte und sprang ruckartig zurück.
Traurig beschloss es weiter zu gehen und als es sich die Worte der Laterne nochmals in Gedanken rief, wurde das kleine Lichtlein noch trauriger und seine Flamme brannte noch kleiner als zuvor.
Das Lichtlein konnte deshalb noch weniger sehen und stolperte über Wurzeln und Steine. Bald hatte es keine Kraft mehr weiterzuwandern. Mühsam und ausgelaugt taumelte es durch eine große weite Wiese.
Anfangs trieb der Wind einzelne Schneeflocken durch die Luft, dann fielen immer mehr vom Himmel: Es schneite und jedes Mal, wenn eine Schneeflocke auf die kleine Flamme fiel, zischte das Lichtlein auf.
„Lange kann ich dem Schnee nicht mehr standhalten“, beklagte das Lichtlein und verzweifelt blickte es sich um.
Das, was sein sprunghafter Blick erhascht hatte, erfüllte das kleine Lichtlein mit einem winzigen Funken Hoffnung. Es beschloss seine letzten Kräfte zu sammeln und los zu laufen. Auf eine winzige Holzhütte zu, die einsam auf der Wiese stand.
Unter dem Vordach stehend, schritt es einmal um die vier hölzernen Wände und blickte durch jedes Fenster. Es war dunkel drinnen und keiner schien zu Hause zu sein. Dann klopfte das Lichtlein an die Tür. Einen unendlichen Moment lang passierte nichts und als es sich schon daran machte unter dem Vordach zu ruhen, hörte es schwache Schritte. Sie kamen immer näher und bald ging die Tür zögernd auf. Ein kleiner Junge stand im Eingang. Er war nur mit einem schmutzigen Hemd bekleidet, das ihm bis zu den Füßen reichte. Sein Gesicht war blass und abgemagert und er blickte lange auf das, was vor ihm stand.
Ohne etwas zu sagen, nahm der Junge das kleine Lichtlein und brachte es in die Hütte. Dort saßen eine Frau, ein Mann und ein kleines Mädchen am Boden. Es war finster und feucht, doch das Lichtlein freute sich aufgenommen worden zu sein und als es die arme Familie sah, wie sie sich um seine kleine Flamme versammelte und wie sie mit glänzenden Augen ihre Hände in Richtung des kleinen Lichtleins ausstreckten, erfreute es sich sehr. Seine Flamme begann zu pulsieren und je mehr es die vor Freude glänzenden Augen der notdürftigen Familie anblickte, desto größer und heller begann sie zu leuchten. Schon bald war die winzige Holzhütte von der Kälte befreit und ein heller Schein erfüllte den gesamten Raum.