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Wenn ein gläserner Mensch zerbricht

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14.07.2015
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Wenn ein gläserner Mensch zerbricht

Ich saß wie jeden Abend an meinem Schreibtisch. Der Mond dieser erstaunlich warmen Sommernacht schien durch das offene Fenster.
Neben dem Mond war mein Laptop das Einzige, was mein Zimmer erhellte, während ich eifrig darauf für meinen Blog tippte.
Ich hatte eigentlich keine Ahnung, weshalb ich damit angefangen hatte. Vielleicht war es der Ersatz für ein Tagebuch, in das ich alles hineinschreiben konnte, was ich wollte, wobei es niemand je lesen würde.
Und jetzt saß ich hier und gab meine Erfahrungen und meine Erlebnisse der ganzen Welt zum Besten.
Was allerdings noch viel erstaunlicher als die Tatsache, dass ich überhaupt schreibe, ist, dass sich Leute diesen Blog wirklich durchlasen, eifrig auf den neusten Eintrag warteten und kommentierten, Fragen stellten.
Fragen, die sich allesamt nur auf das beziehen, was ich schrieb. Also über meine Reisen, oder was ich gerade zum Mittag gegessen hatte.
Das Internet war eine Bibliothek, ein Spielplatz und ein gottverdammtes Grab, wenn man nicht aufpasste.

Während ich an meinem Getränk nippte schoss mir die Tatsache in den Kopf, wie beängstigend es ist, dass die, die meinen Blog lasen, fast alles über mich und ich nichts über sie wusste.
Aber mit diesem Risiko musste ich als „Blogger“ leben, oder?

Das Internet vergisst nicht, so sagt man. Es macht Menschen gläsern und speichert Dinge, an die wir uns auf ewig erinnern oder auf immer vergessen wollten.
Ich drückte auf „Enter“ und der Eintrag war nun in diesem chaotischem Gewirr, was uns Segen und Fluch sogleich ist, dachte ich.
Ich lehnte mich zurück und schaute aus dem Fenster.
Es war Vollmond, Wolken zogen gelegentlich an ihm vorbei, und auch die Sterne erleuchteten den Nachthimmel.
Es ist schon seltsam, so dachte ich, ein „gläserner Mensch“ zu sein. Wahrscheinlich weiß irgendwer auf dieser Welt, wo du wohnst, wo du arbeitest, wo und wann du isst, wen du kennst, und das, obwohl du diesen jemand nicht kennst.
Aber das war der Fluch, der sich hinter dem gewaltigen Wirrwarr aus Informationen verbirgt, Informationen, die uns bereichern, uns lehren, uns mahnen.
Nur wenige wissen sich in diesem buchstäblichen Chaos zurechtzufinden, dachte ich. Und diese Leute sind es dann, die wissen wo du wohnst, wo du arbeitest, wo und wann du isst, wen du kennst.

Ein Geräusch unterbrach mein Starren auf den Mond.
Nur wenige Minuten nach dem Erstellen meines Eintrages war bereits ein Kommentar geschrieben worden, obwohl es so verdammt spät war.
Es war „der Editor“ - ein Nutzer, der meine Einträge immer als Erster kommentierte, allerdings nichts zum Beitrag selbst schrieb, sondern banale Fragen stellte, etwa, wie mein Tag gewesen sei.
„Der Mond ist faszinierend, oder?“
Ich hatte nie etwas über den Mond geschrieben, warum also sollte jemand genau jetzt einen Kommentar darüber schreiben?
Perplex las ich meinen gerade erst verfassten Eintrag abermals, vielleicht hatte ich ihn dort erwähnt.
Bevor ich fertig war, den Eintrag zu überfliegen, ertönte abermals das Geräusch.
„Was, erstaunt? Erspar dir die Arbeit, ich kann dir gleich mit Gewissheit sagen, dass nichts über den Mond in deinem Eintrag steht.“
Panisch stand ich auf, trat zum Fenster und schaute in die Nacht.
Es war der typische Vorort einer Großstadt;
Haus an Haus gereiht, jeder erpicht darauf, dass der Rasen seines Vorgartens millimetergenau getrimmt war.
Doch stach nichts aus der Masse heraus, nichts, was außergewöhnlich war.
Ich beschloss, den Laptop auszumachen.
Sobald der aus ist, bin ich offline, und das alles geht mich nichts mehr an, dachte ich.
Aber wusste ich verdammt nochmal, dass es mich sehr wohl etwas anginge.
Ich öffnete meine Zimmertür, vor mir der dunkle Flur. Mein Herz schlug immer höher.
Ich wollte mir einreden, dass ich nicht wusste wieso, aber insgeheim wusste ich es genau.
Unbewusst stieß ich die Tür zum Badezimmer förmlich auf, doch es war alles so, wie es immer war.
Mit mulmigen Gefühl putzte ich mir die Zähne, immer einen Blick zum Fenster auf die von einer Laterne beleuchteten Straße.
Schnell eilte ich danach wieder in mein Zimmer, verschloss die Tür und legte mich in mein Bett.
Mulmig war mir, doch irgendwann gelang es mir, Schlaf zu finden.

Die Schlüssel auf meinen Schreibtisch geworfen war ich nach einem langen Arbeitstag wieder zu Hause angekommen.
Ich hatte heute früh nicht einmal die Zeit dazu gehabt, nach meinem Blogeintrag zu schauen.
Es hielten mich seltsame Träume davon ab, besonders langen oder erholsamen Schlaf zu finden, sodass ich später aufwachte, als geplant.
Heute war es eine wolkenbedeckte, pechschwarze Nacht.
Nichts außer den Straßenlaternen erhellte die Häuser, und dieser Vorort schlief bereits.
So schaltete ich den Laptop an, rief meine E-Mails ab und öffnete zu guter letzt meinen Blog.
Es waren die üblichen Kommentare von den üblichen Leuten über die üblichen Themen.
Kurz bevor ich anfangen wollte, die Neusten zu beantworten, drang der Signalton aus den Lautsprechern.
Ein neuer Kommentar.
Ich hatte die Ereignisse der letzten Nacht wohl verdrängt und öffnete ihn wissbegierig. Der Absender war „der Editor“.
Plötzlich schien es mir wieder einzufallen, und meiner Wissbegier wich ein Gefühl der Vorsicht und Angst.
„Du bist zu Hause? Gut, vielleicht solltet du dann endlich mal deinen Teller von heute morgen abwaschen, der neben dir steht.“
Ich schluckte.
Panisch sah ich mich in meinem Zimmer um, blickte in alle Ecken und erst dann viel mir ein kleines rotes Licht auf.
Prompt als ich es anschaute, tönte es wieder.
„Ahh, du hast sie gefunden. Siehst du auch die anderen?“
Auf einmal erschienen überall an den Wänden diese roten Punkte. Hastig schlug ich den Laptop zu, griff nach meinen auf dem Tisch liegenden Schlüsseln und eilte die Treppe hinunter.
Als ich dann hastig die Haustür öffnete hörte ich, wie Glas splitterte und klirrend zu Boden fiel.


Ende

 

Hi MorusLP,

und herzlich Willkommen bei den Wortkriegern.
Gutes, ergiebiges Thema, das taugt, um den Leser abzuholen, hat sich doch jeder schon mal ähnliche Fragen wie dein Prota gestellt. Gebe ich vllt zu viel über mich preis im Internet? Ich empfand es jedoch als störend, dass die Geschichte so offensichtlich von dieser Intension getragen wird. Du wolltest auf jeden Fall was Sozialkritisches schreiben, eine Metapher auf die achtlose Netzgemeinde im Krimigewand, so mein Gefühl beim Lesen. Leider war das zu offensichtlich und so blieben Spannung und Charakterentwicklung weitgehend auf der Strecke.
Worüber schreibt denn der Blogger? Hier solltest du ansetzen, finde ich. Reisen und Alltägliches, das bringt mir die Figur nicht näher. Hier kannst du doch perfekt schildern, was ihn bewegt. Auch bei diesem Editor frage ich mich als Leser natürlich, warum er genau diesen Blog ins Visier nimmt.
Ich stelle mir dieses Szenario so vor: Der Blogger wollte unbedingt eine Ausbildung zum Polizisten machen und später bei der Mordkommission arbeiten, hat aber den Eignungstest nicht bestanden, was ihn wahnsinnig macht. Um seinen Ärger ein wenig zu kompensieren, schreibt er über ungeklärte Mordfälle und seine Meinung, welche Fehler die Ermittler gemacht haben. Der Editor ist dann ein Ex-Mörder über den er geschrieben hat oder der Bruder eines Opfers oder was weiß ich. Ist jetzt auch nicht besonders inspiriert, sehr Standardkrimi, aber es würde einen inneren und äußeren Konflikt aufbauen.

Man merkt auf jeden Fall, dass du nicht erst seit gestern schreibst, aber an einigen Stellen liest es sich noch etwas holprig.

Die einzige Lichtquelle in diesem Zimmer war mein Laptop
Das passt nicht so recht, weil du im Satz davor noch beschreibst, dass der Mond ins Zimmer scheint.

in das ich alles hineinschreiben konnte[Komma] was ich wollte

Das Internet war eine Bibliothek, ein Spielplatz und ein gottverdammtes Grab[Komma] wenn man nicht aufpasste.
Guter Satz.

Sein Benutzername war „der Editor“, und ich hatte keine Ahnung wer er war. Er war immer derjenige gewesen, der zuerst kommentierte. Doch waren es nicht Dinge, die zum Eintrag passten über die er schrieb, sondern andere, banale Fragen, etwa, wie mein Tag gewesen sei.
Timing ist auch so ne wichtige Sache beim Schreiben. Also es würde besser kommen, wenn der Editor durch seinen Kommentar eingeführt wird. Das war nämlich der Höhepunkt dieser Erzählung für mich, wie der Editor das mit dem Mond schreibt, schaurig.

Auf einmal erschienen überall an den Wänden diese roten Punkte, und mein Zimmer wurde zu einem Raum der das Wort „Privatsphäre“ nicht mehr kannte.
Ein Raum der keine Privatsphäre mehr kennt, klar, man weiß, was gemeint ist, aber es klingt schräg. Würde ich einfach rauslassen.

Wahrscheinlich weiß irgendwer auf dieser Welt, wo du wohnst, wo du arbeitest, wo und wann du isst, wen du kennst, und dass, obwohl du diesen jemand nicht kennst.
Das

Hastig schlug ich den Laptop zu, griff nach meinen auf dem Tisch liegenden Schlüsseln und eilte die Treppe herunter.
Auf "hin" und "her" achten.
Er eilte die Treppe zu mir herunter.
Er eilte die Treppe Richtung Tür hinunter.

Ich war gerade im Begriff, die Haustür zu öffnen, um dann zu meinem Auto zu eilen, da erklang abermals ein Ton.
Es war das schrille Klirren splitternden Glases.
Etwas umständlich formuliert. Besonders wenn es so hochdramatisch zugeht, sind knappe Sätze gefragt, komprimieren wo nur geht.
Ich öffnete die Haustür, als Glas splitterte und klirrte.
Schade, dass die Geschichte hier abbricht, wo sie doch gerade an Fahrt aufnimmt. Und gut, dass dein Nickname nicht "der Editor" lautet, sonst hätte ich wahrscheinlich nicht kommentiert. :D

Schöne Grüße und viel Spaß hier auf der Seite

Hacke

 

Hey Hacke!

Vielen Dank erst einmal für das durchlesen meiner kleinen Geschichte und auch für das die Verbesserungsvorschläge (die ich dann auch sogleich umgesetzt habe ;)).

Ich muss auch sagen, dass es bereits ein gutes Jahr her ist, dass ich diese Kurzgeschichte hier geschrieben habe, jedoch hatte ich sie damals nirgendwo veröffentlicht. Gestern hatte ich sie dann nochmal rausgekramt, einiges angepasst und dann hier auf die Seite gestellt.

Im Nachhinein sind mir die Dinge, die du auch in Sachen Charakterentwicklung und Spannung auch aufgefallen, für diese Geschichte möchte ich sie allerdings nicht ändern. Denn wenn man diese Erzählung weiter ausbauen würde, eben mit Hintergrundgeschichte des Protagonisten und des Antagonisten, dann könnte man damit durchaus - ich will jetzt nicht sagen Krimi (obwohl ich schon mal eine längere, kohärente Erzählung geschrieben habe, wobei sie mir jetzt, ein paar Jahre nachdem ich sie geschrieben habe, recht, nennen wir es dürftig, vorkommt) - aber eine längere Erzählung machen, als nur diese Kurzgeschichte.

Insofern noch einmal vielen Dank für dein Feedback und wer weiß - vielleicht kann ich ja bald schon mit einer längeren Erzählung mit mehr Finesse aufwarten ;).

Viele Grüße

MorusLP

 

Hallo Morus und herzlich Willkommen,
deine Geschichte ist sehr kurz und in einem Rutsch zu lesen - größere Schnitzer haben mich nicht aufgehalten.

Da aber die Geschichte wirklich sehr kurz ist, ist es natürlich umso schwieriger, "tiefere" Gefühle zu ihr zu entwickeln.

Die Idee an sich gefällt mir ganz gut - ich denke, da könnte man eine richtig böse kleine Geschichte draus machen, wenn man ein wenig mehr auf die Pointe hin arbeiten würde und sie nicht so im Vorbeigehen serviert.
Auch wenn das ganze natürlich nicht super originell ist - manchmal ist das gar nicht nötig. Mit ein bisschen mehr Länge und ein wenig Hinarbeiten auf eine Pointe (mit der Idee von Hacke könnte man das toll vorbereiten) - auch wenn sie vorhersehbar ist - kann man einem Horror-Leser schon Freude bereiten.

Aber natürlich wäre das dann eine vollkommen eigene Geschichte. Und manchmal will man das ja selber nicht.

So bleibt: Deine Geschichte hat mich kurz unterhalten, wird mir aber nicht länger im Gedächtnis bleiben.

LG
Tamira


Kleinigkeit:

Der Mond dieser erstaunlich warmen Sommernacht schien durch das offene Fenster herein.
Kann man streichen.

 

Hey Tamira,

auch dir danke ich erst einmal sehr für das Durchlesen meiner kleinen Geschichte und für das Geben von Feedback.

Wie du ja bereits geschrieben hast ist diese Geschichte hier sehr kurz, weshalb es durchaus verständlich ist, dass man weder eine Beziehung zu den Charakteren (zumal es hier ja auch nur 2 Charaktere gibt) aufbauen kann, noch das einem diese in Erinnerung verbleiben.

Im Grunde habe ich diese Geschichte hier auch nur als einen kleinen Happen für zwischendurch geschrieben und damit ich selbst mal schauen konnte, wie mir dieses Genre liegt, da ich sonst eher ein Fantasy-Schreiberling bin und in Horror / Thriller eigentlich so gut wie gar nicht bewandert bin - das hat man hier wahrscheinlich auch gemerkt.

Diese Erzählung hier zu einer längeren auszubauen ist momentan auch mein Plan, und ich arbeite daran so ich Zeit finde - gerade mit den Vorschlägen von Hacke und Dir lässt sich da gut was machen ;).

Viele Grüße,
MorusLP

 

Hi MorusLP.

Ich habe deine Geschichte mit etwas gemischten Gefühlen gelesen.

Gut gefallen hat mir das Tempo und die Dynamik mit den kurzen Sätzen, die wirklich eine gehetzte Atmosphäre ermitteln, die außerordentlich passend ist für deine Thematik. Dir gelingt es, dem Leser immer nur so viel zu verraten, wie er gerade benötigt (Ich persönlich finde es unerträglich, wenn man als Leser als dumm verkauft wird.), ohne dabei unlösbare Mysterien zu schaffen. Z.B.: die roten Lichter, die im Zimmer aufleuchten.
Auch die Thematik selber gibt viel her und so finde auch ich, dass man daraus eine längere Erzählung machen kann. Zudem finde ich die Idee des zerbrechenden gläsernen Menschen wirklich cool.

Meine negative Kritik bezieht sich auf das Ende deiner Geschichte. Das ist mir an dieser Stelle etwas zu nüchtern und nicht dramatisch genug. Es wirkt auf mich fast schon wie ein Stilbruch. Deine gesamte KG arbeitet auf eine Klimax hin, einen großen Knall am Ende, der dann aber irgendwie ausbleibt. Deinen letzten Satz sehe ich eher am Ende einer melancholischen Geschichte. Ich glaube, dass das auch der Grund dafür ist, dass wie Tamira schreibt, die Geschichte "nicht länger im Gedächtnis [bleibt]". Gerade das Zerbrechen des gläsernen Menschen solltest du mE ruhig viel dramatischer und ausführlicher schildern. Das ist ja der zentrale Aspekt deiner gesamten Geschichte.
Zusammengefasst: Deine Geschichte ist gut gelungen. Nur am Ende wünsche ich mir, einen letzten großen Knall vor dem Nichts des Endes.

Grüße
Arete

 

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