Wenn die Zeit stehen bleibt
Die Straßen in ihrem Viertel sind überfüllt.
Tausende Menschen rennen jeden Tag an ihrer Haustür vorbei, nur um an irgendeinen Ort, zu irgendeiner Zeit, zu erscheinen.
Sie lässt sich nicht hetzen.
Langsam schlendert sie durch die kleinen Gassen, wobei sie immer wieder angerempelt wird. Auf dem kleinen Marktplatz gleich um die Ecke schreien Verkäufer die aktuellen Angebote in die Menge.
Sie setzt sich in das kleine Café am Fluss und schaut dem Treiben belustigt zu.
Ein Junge verkauft Rosen an frisch verliebte, die im Café sitzen. Zu ihr kommt er nicht.
Sie sitzt alleine da.
Aber das stört sie nicht.
Alleine sein ist etwas tolles, findet sie. Niemand der sie hetzt, keiner, der an ihrer Figur herumnörgelt oder der pünktlich zum Fußball zu hause sein will.
Wie oft saß sie schon in diesem Café? Sie weiß es nicht. Es ist hier wunderschön, doch noch nie hat sie einen Mann mit hierher genommen. Dieses Café ist ihr Ort.
Der Ort, an dem sie alleine sein kann.
Oftmals beobachtet sie stundenlang die Menschen. Manchmal schaut jemand kurz herüber.
In seltenen Fällen passiert es dann:
Ihre Augen treffen sich mit jemandem aus der Menge und die Zeit steht still. Nur dieser Moment zählt. Zwei Augenpaare, die einander in die Seele schauen können. Zwei Menschen, die sich so unbekannt sind, aber sich trotzdem zu kennen scheinen. Bis die Person auf der Straße weiter zieht. Der Blickkontakt bricht ab, die Welt läuft weiter.
Nichts auf der Welt kann diesen Moment der totalen Stille und Bewegungslosigkeit ersetzen.
Heute ist wieder einer dieser Tage. Ein junger Mann schaut ihr tief in die Augen – die Zeit steht still. Doch irgendetwas ist anders. Er schaut nicht wieder weg. Ganz im Gegenteil.
Er kommt direkt auf sie zu.