Fast verplant euch zu antworten!
Nun gut, auf zum Gefecht:
Tag Katla!,
ich denke, hier ist Potential verschenkt worden. In zweifacher Hinsicht: einmal rutscht die naive Betrachtung/Ausdrucksweise des Kindes in die Erzählstimme des auktorialen Erzählers. Das scheint mir nicht beabsichtigt. Damit wird die bedrohliche Stimmung vollkommen gebrochen, und versandet ohne Wirkung.
Da hast du Recht, der Erzähler sollte hier über den Dingen stehen und ein Abrutschen in naive Betrachtungsweisen war zu keinem Zeitpunkt der Geschichte (außerhalb der Dialoge) beabsichtigt, nein.
Zitat:
Entnervt schmiss er sich auf den Rücken und seufzte.
Paßt zu einem bockigen Mädel, die nicht bei einer Pyjamaparty mitmachen darf, oder kein zweites Eis bekommt. Kollidiert unschön mit der ruhigen, eher literarisch klingenden Erzählstimme aus den Sätzen zuvor:
Ich habe es ersetzt, da ich dir in dem Punkt zustimme. Vielleicht gefällt dir die Alternative ja auch besser.
Und bevor ich die anderen in diesem Zusammenhang von dir angesprochenen Punkte ebenfalls zitiere, auch diese habe ich versucht mit anderen Begriffen und Ausdrucksweisen zu ändern.
Zitat:
Ungewiss über seine nächste Handlung verharrte der Junge vor der Tür. Seine Blase drückte. Nervosität.
Ja, oder auch Angst. Das könntest Du glatt streichen, und unsere eigenen Schlußfolgerungen wären intensiver, als uns das so hintendrein geschoben auf's Brot zu schmieren.
Hm, jetzt im Nachhinein betrachtet. Ich habe mich dazu entschieden, es gleich ganz wegzulassen.
Zitat:
zwischen Todesangst, Verwirrung und Panik konnte der Junge die rot gesprenkelten Fließen des Bades erkennen.
Ersteres klingt nach einer Ortsangabe, dadurch wird der Satz schräg. (und ja, s)
Das mit dem s hab ich verbessert, aber zu Ersterem muss ich gestehen, ist mir nichts eingefallen, was mir besser gefallen würde. Deshalb lasse ich das so erstmal stehen. Wenn du eine Idee hast, immer gerne her damit, Katla.
Und genau hier wird er richtig gut:
Zitat:
Es brauchte fünf kräftige Schläge mit der Faust bis der Junge regungslos auf dem Flurboden lag. Er zog ihn hinter sich her, bis sie am Zimmer des Jungen angekommen waren. Dann hob er ihn in sein Bett und deckte ihn sorgfältig bis zur Stirn hin zu. Er achtete darauf, dass die Füße des Jungen fest von der Decke umschlossen waren. Sein Sohn mochte es nicht, wenn sie frei lagen.
Dann schloss er die Tür.
Eine klare Stimme, harsche Wortwahl, knapp getimt. Das engagiert. Das ist interessanter, als das gefühlt tausendste Kind, das mißhandelt wird und in der eigenen Wohnung Angst hat. Weil es einen vielschichtigen Charakter andeutet.
Danke dafür. Ich hatte gehofft mit dem letzten Absatz etwas "Anderes" in die Geschichte zu bringen und bin froh, wenn das anerkannt wurde.
Und: leider nur andeutet, denn so hätte die story gefluppt. Denn genau sowas macht psychologische Tiefe einer Figur aus. So bleibt der Vater als Täter vage, und die story läßt mich mit einem Schulterzucken zurück.
Die Erklärung wird oft benutzt, dessen bin ich mir bewusst und ich bin mir auch bewusst, wie das auf Leser wirken kann, denn nicht nur du (siehe anderen Kommentar von Freygut) haben das kritisiert, jedoch war es meine volle Intention erst im allerletzten Abschnitt vom Vater zu sprechen. Ich wollte nicht das der Vater eine durchsichtige oder "besser zu verstehende" Figur ist. Wenn das zum Nachteil des Lesers geschehen ist, war das nicht meine Absicht und irgendwie ist das Schade. Eine Neufassung der Geschichte mit dem Vater im Mittelpunkt werde ich aber nicht schreiben, da mir persönlich damit der "Sinn" der Geschichte verloren geht. Mir ging es ja hauptsächlich um die Angst des Jungen, der nicht weiß, was auf der anderen Seite der Tür ist und ihn nicht schlafen lässt.
Erinnert mich stark an einen russischen Dokumentarfilm, Love Letters from a Children's Prison. Darin erzählt ein Junge, er habe als junger Teenager einem Erwachsenen helfen müssen, einen Dreijährigen zu vergewaltigen und zu töten. Am Ende sollte das Kind an der Heizung aufgehängt werden, überlebte aber dies wie auch unzählige Messerstiche. Das sterbende Kind wird in die Badewanne verfrachtet. Und der Teenager-Täter sagt, ihm sei plötzlich aufgefallen, daß das Kind dreckige Füße hätte, und habe sie vorsichtig und sanft mit einem Tuch gesäubert. Sowas vergißt man nicht. Und dieselbe Dynamik hat Deine Geschichte durch die Geste des Vaters am Ende.
Kenne ich nicht, aber hört sich genau nachdem an, was ich gerne sehe (wie das jetzt klingt...), deshalb werde ich mal auf Youtube suchen, ob ich da nicht was zu finde. Und ja, wie du es schilderst, klingt es in der Tat ähnlich wie meine Geschichte.
Es würde sich - zumindest in meinen Augen - wirklich lohnen, die story nochmal unkonventioneller zu erzählen. Nicht aus der Sicht des ängstlichen Kindes, sondern aus der des Vaters. Sicher nicht einfach. Die sprachlichen Mittel hättest Du, mach mehr draus!
Es ist schade, dass ich diese Bitte ablehnen muss, da du wirklich der Überzeugung bist, damit könnte die Geschichte eine bessere werden, aber wie ich oben geschrieben habe, ging es mir hauptsächlich darum, die Angst eines Jungen (der weder Alter noch Namen braucht) zu schildern, weil Nachts komische Geräusche aus anderen Zimmern des Hauses kommen. Aus der Sicht des Vaters hätte die Geschichte außer den zwei bis drei Morden nicht das Geringste zu tun. Du magst Recht haben, dass das eventuell eine bessere Geschichte werden kann, aber damit würde ich dieser Geschichte und das was ich damit sagen wollte Unrecht tun.
Aber: wirklich ein fettes Lob für den Abschluß! Begeistert mich, so isoliert betrachtet.
Dafür trotzdem ein Danke. Ich bin froh, dass dir dieser Abschnitt so gut gefallen hat. Wirklich...
So, vielen Dank fürs Lesen und den ausführlichen Kommentar, Katla. Es ist natürlich Schade, dass dir der Rest nicht halb so gut gefallen hat wie der kurze Absatz am Ende, trotzdem freut mich, dass dir überhaupt was Gefallen hat, hehe. Danke nochmal.
Es grüßt dich herzlich und sich Tinte von der Hand waschend,
Jekyll and Hide
Tach Freygut!,
hat mir gefallen deine kleine Schaudergeschichte. Die Charakterisierung des Jungen ist dir gelungen. Man kann gut mitfühlen, wie er sich ängstigt, und auch die Reaktion auf den Mord seines Bruders fand ich genau richtig.
Vielen Dank dafür. Das war die Intention meiner Geschichte und wenn sie so bei dir ankam, dann bin ich sehr froh drüber. Genau das wollte ich erreichen, das man es versteht und eventuell mitfühlen kann, wie er Angst hat.
Der Vater bleibt meiner Ansicht nach hingegen ein bisschen blass. Im Prinzip begeht er zwei Morde und das wars.
Hm, ich habe dazu ja bereits bei Katlas Antwort entwas geschrieben, im Grunde könnte ich dir dasselbe Schreiben. Aber ja, du hast Recht... er begeht zwei (eventuell drei, wenn man in die Blutspritzer im Bad zuviel hineininterpretieren möchte) Morde und das war alles. Keine Erklärungen.
Zitat:
Er lauschte dem Knacken des alten Fußbodens.
Knarren finde ich hier angebrachter
Ich hab das so übernommen, danke dir.
konnte der Junge die rot gesprenkelten Fließen des Bades erkennen.
Fliesen
Auch das wurde verbessert.
Ansonsten sehr gern gelesen.
Das freut mich sehr.
Auch dir Freygut, Danke fürs Kommentieren und natürlich fürs Lesen. Mich freut, dass dich die "Botschaft" so erreicht zu haben scheint, wie ich mir das beim Schreiben dachte. Das ist ja im Grunde die höchste Errungenschaft einer jeden Geschichte.
Es grüßt dich herzlich und Kaugummipapier zusammenrollend,
Jekyll and Hide
Tag Phino!,
ich möchte die Antwort jetzt nicht unnötig in die Länge ziehen und alles kopieren, aber nur soviel, ich habe nahezu jede deiner Anregungen so im Text übernommen, da ich denke, du hast durchaus Recht damit, dass einige Formulierungen den Lesefluss stören und das ist in einer Horrorgeschichte ja fatal, wenn man so etwas wie eine "Atmosphäre" aufbauen möchte. Deshalb, vielen Dank dafür.
Insgesamt lässt sich Deine Geschichte gut lesen. Trotz der unnötigen Wörter.
Aber die Lesbarkeit wird noch mal besser wenn das Gerümpel draußen ist.
Das du sie trotzdem gut lesen konnte, freut mich, gott sei Dank, wat? Hehe... sonst wäre es ein Totalreinfall meiner Meinung nach geworden. Und ich hoffe auch, dass es durch die Änderungen tatsächlich zu einem angenehmeren Lesefluss kommt, wenn du es möchtest, würde ich mich sehr freuen, ob das wirklich was gebracht hat und dir einige Formulierungen nicht mehr so ins Auge stechen, wie gerade. Wäre interessant zu wissen...
Ein letztes noch: Da du aus der Sicht des Kindes erzählst eignen sich auch entsprechende Begriffe wie z.B. „Papa“ statt „Vater“.
Das hier ist das Einzige, dass ich aus deiner Antwort nicht übernehmen möchte, da das Wort "Vater" nur vom Erzähler benutzt wird, der sowieso Wörter benutzt, die der Sohn nicht einmal denken würde. Vielleicht kam deine Antwort ja auch auf Reaktion darauf, was Katla sagte, dass sich das Naive des Kindes mit der Erzählstimme vermischte, wenn ja, dann sei auch dir gesagt, dass ist nicht beabsichtigt gewesen.
Der Sohn redet ja nicht wirklich viel in der Geschichte und in keinem seiner Sätze fällt das Wort "Vater", deshalb auch nicht "Papa". Und wenn der Erzähler plötzlich "Papa" sagen würde, wäre das doch etwas, was meiner Meinung nach die Atmosphäre dämpft.
Hm, das mag jetzt vielleicht etwas anmaßend klingen, aber dass dir einige Formulierungen nicht gefallen haben (also das Handwerkliche), das habe ich zur Kenntnis genommen, leider finde ich nur wenig auf die Geschichte selbst. Hm, entweder du hast einfach nicht viel zur Handlung zu sagen, oder du hast es einfach vergessen. Mich würde ja schon interessieren, ob der Plot der Geschichte bei dir ankam, du es Quatsch fandest, langweilig oder was auch immer... doch, das interessiert mich mindestens genausoviel wie die Tatsache ob der Text sich durch die Änderungen leichter von dir lesen lässt.
So, auch hier, Phino, danke ich dir herzlichst fürs Lesen und fürs Kommentieren. Ich bin dankbar für deine handwerklichen Tipps und hoffe, sie machen den Text runder und einfacher zu lesen.
Es grüßt dich herzlichst und unter Anstrengung meinen Arm dank Muskelkater hebend,
Jekyll and Hide