Was ist neu

Wenn der Goldfisch träumt

Mitglied
Beitritt
17.06.2018
Beiträge
93

Wenn der Goldfisch träumt

»Jetzt«, schrie das Kind mit den drei Stimme, und wir liefen los. Wir sprangen durch das goldene Licht, doch wies es uns ab. Wir versagten. Das goldene Licht wurde schwarz.

Unsere Mission war gescheitert. Aber wir wusste nicht, warum. 13 Köpfe und keiner von uns hatte den Schimmer einer Ahnung. Wir waren uns so sicher: Würden wird die Wächter passieren, könnten wir zum goldenen Licht gelangen, dann wüssten wir, was zu tun war. Wir würden den Kreis schließen und springen. Und doch versagten wir.
Unser Anführer, das Kind mit den drei Stimmen, machte sich alleine dafür verantwortlich. Wir anderen redeten ihm gut zu, versicherten ihm, er habe keinen Fehler gemacht und dass wir doch alle Eins seien. Doch er ließ von seiner Schuld nicht ab – am Ende war er es gewesen, der sich sicher war, wir würden es schaffen. Am Ende war er es gewesen, der versagt hatte.

Einige Tage später saßen wir gemeinsam beim Essen. Wir versuchten es zu genießen, versuchten zumindest für diesen Moment den Druck abzulegen. Aber wir wussten gleichzeitig, mit jedem Bissen legte die Zeit eine Sekunde auf den Erledigt-Stapel.
Und da kam es mir. Ein Stapel. Wir hatten versucht den Kreis zu schließen, um zu springen. Aber es war kein Kreis. Es waren Schichten. Layers.
Ich sprang auf. Das Kind mit den drei Stimmen sah mich mit demselben verzweifelten Blick an, der seit Tagen sein Antlitz zierte. Ich lief zu ihm voller Freude. Ich wusste, ich hatte das Problem gelöst.
»Es ist kein Kreis, es sind Layers!«, rief ich. Die anderen sahen mich mit Verwirrung an, aber bei unserem Anführer wich die Verzweiflung der Angst und heute ist mir klar, dass er wusste, dass ich Recht hatte. Doch er fürchtete sich zu sehr.
»Nein«, sagte er bestimmt. »Das ist ein zu großes Risiko.«
»Wie kann es ein zu großes Risiko geben, bedenkt man, was auf dem Spiel steht?«
»Würden wir deinem Vorschlag folgen«, sagte der Anführer, »müssten wir mit ihm zusammenarbeiten. Nur er kann durch Layers reisen. Das ist ein Risiko, das ich nicht eingehe. Wir müssen es alleine schaffen.«
»Aber die Layers sind unsere einzige Chance!«
»Genug! Ich erlaube keine weitere Diskussion.«

Mir ließ es keine Ruhe. Die anderen standen natürlich auf der Seite des Kindes mit den drei Stimmen. Und ich kreide ihnen das nicht an – er ist der Anführer. Auch ihn konnte ich verstehen. Nach unserem Versagen war jeder weitere Versuch noch riskanter. Die Wächter erwarteten uns nun. Doch für persönliche Befürchtungen durfte kein Platz sein. Die Mission war zu wichtig, sie weiter aufzuschieben.
So beschloss ich, es alleine zu tun. Meine Verbündeten zu hintergehen, meinen Anführer zu verraten. Ich konnte nicht auf etwas hören, woran ich nicht glaubte – selbst dann nicht, wenn es von einem Verbündeten kam.
Am nächsten Abend beschwor ich also MIRAK, den Dämon vergangener Ängste. Ihm war nicht zu trauen und seine Hilfe würde einen Preis haben. Aber das war gleich.
MIRAK erschien jedem anders, mir als übergroßer Mann mit breiten Schultern, dunklen Augen und dem Grinsen eines Totempfahls. Mit seinen unendlichen Fühlern krallte er sich wie die Hyphen eines Pilzes in meinem Geist fest. Er genoß es, dass ich ihn brauchte und als ich ihn nach seinem Preis fragte, lachte er nur und meinte, er wäre mir nicht erschienen, wäre ich nicht bereit, alles zu zahlen.

Nun war ich also bereit, durch das goldene Licht zu springen. Doch noch bevor ich mich heimlich auf den Weg machen konnte, orderte das Kind mit den drei Stimmen einen Angriff auf mich an. Ich weiß nicht wie er erfahren hatte, dass ich MIRAK auf eigene Faust nutzen wollte, um zu vollbringen, wozu das Kind zu feige war.
Und so musste ich gegen meine Freunde kämpfen, gegen die zwölf, die mich ein ganzes Leben lang schon begleiteten. An diese Kämpfe habe ich nur noch bruchstückhafte Erinnerungen. Diese Stücke sind beschämend und brutal. Durch MIRAK war ich unbezwingbar und fähig, meinen Verbündeten Leid anzutun, das so unvorstellbar ist, dass ich es vergessen habe. Das war notwendig.

Dann, als sich der Staub der Schlacht legte, war ich endlich bereit, zu springen.
Durch das goldene Licht.
Und ich vergaß.

Mit 13 Jahren saß ich in der Englischklasse. Meine Hände klebten vor Schweiß. In meinem Magen wuchs ein Knäul aus Stacheldraht heran, das sich daran labte, dass ich den nächsten Absatz lesen musste.
»Tim«, kreischte meine Lehrerin. »Schläfst du? Du bist dran!«
Ich schluckte, MIRAKs stummen Atem im Nacken.
Was tat ich da? Ich war keine 13 mehr. Was war hier los? Ich konnte damals kein Wort Englisch, ja. Aber heute? So viel Zeit war vergangen. Genug Zeit, zu lernen.
Feierlich stand ich auf, das Buch in der Hand. Ich verlaß den Text in bestem Englisch. Ich besiegte MIRAK. Meine Angst von früher, heute konnte sie mir nichts mehr anhaben. Heute war ich besser.

Doch noch gab er nicht auf.

Mit zehn stand ich am Beckenrand.
»Spring!«
Aber ich konnte nicht schwimmen. Als einziger in der Klasse.
»Schwimm, Tim! Schwimm, Tim!«, sang MIRAK und der Kinderchor stimmte mit ein.
Was tat ich hier? Es gab doch etwas zu tun! Was? Meine Angst, sie vernebelte meinen Geist. Ich war nicht mehr zehn! Ich musste nicht schwimmen.
Ich schloss die Augen, atmete durch.

1995. Das goldene Licht. Eine Zeitreise und die Mission, das Mädchen zu finden. Ich wusste wieder alles, ich war wieder ich selbst, wusste, was ich geopfert hatte. MIRAK, immer noch hinter mir, lachte über mich, schickte mir die Ängste meiner Vergangenheit hinterher, mich zu jagen. Aber jetzt war ich stärker. Ich erlaubte ihm nicht, mich zurückzuhalten. Ich sah ihn nicht mehr an. Ich war, wo er mich hinbringen sollte. Ich brauchte ihn nicht mehr.
Endlich stand ich vor dem unendlichen Haus, klopfte und die gesichtslose Mutter öffnete. Freundlich bat sich mich herein. Sie wusste, was ich wollte.
Marina war damals neun. Sie freute sich, mich zu sehen, obwohl sie mich nicht kannte. Das musste sie auch nicht. Aber ich wusste, wer sie war.
Sie war die Hoffnung der Zukunft.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Alveus Jekat

ich habe deinen Text gelesen, ihn aber nicht verstanden. Ist das ein Teil eines größeren Textes? Ich sehe hier zumindest keinen Goldfisch ;)

Im Einzelnen:

»Jetzt«, schrie das Kind mit den drei Stimme, und wir liefen los.
Stimmen

Aber wir wusste nicht, warum.
wussten

13 Köpfe und keiner von uns hatte den Schimmer einer Ahnung.

13 Köpfe, und keiner
oder besser: 13 Köpfe - und keiner

Würden wird die Wächter passieren, könnten wir zum goldenen Licht gelangen,
Würden wird? wir

am Ende war er es gewesen, der sich sicher war, wir würden es schaffen. Am Ende war er es gewesen, der versagt hatte.
Wer ist "er"? Vorher hieß es "das Kind" (Neutrum)

Ich lief zu ihm voller Freude. Ich wusste, ich hatte das Problem gelöst.
Ich ... Ich ... Ich
Vorschlag:
Voller Freude lief ich zu ihm. Ich wusste, ich hatte das Problem gelöst.
Voller Freude lief ich zu ihm. Wissend, das Problem gelöst zu haben.

Doch noch bevor ich mich heimlich auf den Weg machen konnte,
"Doch noch": "Noch" oder "Doch" reicht

Endlich stand ich vor dem unendlichen Haus, klopfte und die gesichtslose Mutter öffnete.
So eine Stelle, wo ich mir nichts drunter vorstellen kann.

Wirkt auf mich wie ein wirrer Traum. Wer/was ist MIRAK?
Bin gespannt, wie andere den Text interpretieren.

Nicht ungern gelesen. :)

Gruß, GoMusic

 

Hey @Alveus Jekat! :)

Ich steige direkt ein:

Würden wird die Wächter passieren, könnten wir zum goldenen Licht gelangen

Hmm, was für Wächter?

Wir würden den Kreis schließen und springen

Was für einen Kreis schließen? Tut mir leid, ich kann mir darunter wenig vorstellen.

mit jedem Bissen legte die Zeit eine Sekunde auf den Erledigt-Stapel.

Diese Formulierung hat mich ziemlich verwirrt. Würde ich vereinfachen.

Und ich kreide ihnen das nicht an – er ist der Anführer.

Hier wechselst du die Zeit.

Die Mission war zu wichtig, sie weiter aufzuschieben.

Vielleicht: "...wichtig, um sie weiter..."

seine Hilfe würde einen Preis haben. Aber das war gleich.

Warum war das gleich?

Ich verlaß den Text in bestem Englisch.

Du meinst sicher: "verlas"

Eine Zeitreise und die Mission, das Mädchen zu finden.

Alles klar, ihre Mission ist es also in der Zeit zurückzureisen, um etwas Schlimmes zu verhindern? Ich denke dabei spontan an so eine Art Young-Adult-Dystopie-Geschichte im Stil von "The Maze Runner". Lieg ich da richtig?

Ich muss leider sagen, dass mich insgesamt dein Text etwas ratlos zurückgelassen hat. Wer ist "das Kind mit den drei Stimmen", was ist ein "unendliches Haus" usw.? Da muss ich mir zu viel selbst zusammenreimen. Vielleicht magst du dich hier mal zu dem Inhalt äußern? Würde mich jedenfalls interessieren.


LG, Markus

 

Wovor fliehstu,

Alveus,

Angst vorm pluralistischen Endungs-n?

»Jetzt«, schrie das Kind mit den drei Stimme, …

Aber wir wusste nicht, warum.
kann's ja eigentlich nicht sein. Flucht vor
, was immer da im Traum personifiziert wird. Vielleicht auch ein schlechtes Gewissen (das gute ist ja bekanntermaßen ein gutes Ruhekissen)


Die Vorredner (ich muss den Ausdruck verwenden, Vorschreiber sind sie nur in dem korrigierenden Sinne, da es die Pluralendungen wie ...en nicht erst seit Luthers Zeiten gibt. Das überflüssig ...d

Würden wird die Wächter passieren, könnten wir zum goldenen Licht gelangen, dann wüssten wir, was zu tun war.
am Pronomen, das Du sonst textsicher verwendest, belegt es. Und dann die Vermischung von Konjunktiv und Inidkativ
könnten wir zum goldenen Licht gelangen, dann wüssten wir, was zu tun war. Wir würden den Kreis schließen und springen.

Der Konjunktiv hat nix mit der Zeitenfolge und folglich dem Indikativ zu tun. Er kennzeichnet in einfacher Form indirekte Rede - ob mündlich oder schriftlich wiedergegeben – wie z. B. in Protokollen und sonstigen Niederschriften - und als Konj. II ist er ein Art grammatischer Wahrscheinlichkeitsrechnung zwischen „real“ (= 1) möglich oder unmöglich/unwahr (= Wahrscheinlichkeit = 0), folglich „wüssten wir, was zu tun wäre“

Und dann –

Unser Anführer, das Kind mit den drei Stimmen, machte sich ...alleine dafür verantwortlich. Wir anderen redeten ihm gut zu, versicherten ihm, er habe keinen Fehler gemacht …
oder weiter unten noch auffälliger
Die anderen standen natürlich auf der Seite des Kindes mit den drei Stimmen. Und ich kreide ihnen das nicht an – er ist der Anführer.

Das Problem fällt halt nicht sofort auf, wenn „das Kind“ zunächst im Dativ auftritt. Da wurde schon draufhingewiesen. Ähnliches geschieht i.d. R. nur mit dem Mädchen, weil man es früh, manchmal allzu früh reifen lässt (grammatikalisch gesehen, zur Gleichberechtigung fehlt dann aber immer noch genug. Bis heute vor allem immer noch in der Lohntüte)

Doch er ließ von seiner Schuld nicht ab – am Ende war er es gewesen, der sich sicher war, wir würden es schaffen.
„Gewesen“ - an sich nicht falsch, kann aber gestrichen werden, weil „am Ende“ die Konstruktion Hifsverb + Partizip II erspart.Der Fall wird auch in der Wiederholung nicht besser …
Aber dann stört wieder Konj. II von werden, wo das Futur I genügte (siehe zuvor den Unterschied zwischen Indikativ „werden“ und Konjunktiv „würden“). Im heutigen mal so dann so ist Zukunft schwer vorauszusagen und gerät wie "können" zur binären Weritgkeit, wie es kann (so werden/sein) oder auch eben nicht. Und dazwichen ist immer so "ein bisschen", wenn auch nicht insgesamt.

Einige Tage später saßen wir gemeinsam beim Essen.
Warum die Substantivierung, wenn die verbale Fassung einfacher und schlicht elganter ist „Einige Tage (saßen wir zusammen und) aßen gemeinsam“, wobei jeder sich denken kann, dass man sich nicht am Stehimbiss traf.

Auf Zeichensetzung bei Infinitivsätzen wurde schon hingewiesen

Er genoß es, dass ich ihn brauchte …
„genoss“, übrigens eine gelungene Reform, die kurzen Silben mit doppel-s zu schreiben und die langen, gedehnten mit ß, wie zB Fuß und Fluss.

In meinem Magen wuchs ein Knäul aus Stacheldraht heran, …
„Knäuel“

Über einen SuperGAU der schreibenden Zunft, Wörter wie „lesen“ (= las) und lassen (= ließ)

Ich verlaß den Text in bestem Englisch.
Sollte man am besten schweigen ...

Warum also bistu auf der Flucht? Mirak - eine Fantasy-Figur oder gar Horror, ich kenn sie halt nicht - kanns ja eigentlich nicht sein.

Ich jedenfalls weiß, dass mein Bruder (oder doch ich oder wir beide? Wer weiß das heute noch so genau ...) einen Goldfisch im Klo abgezogen hat/haben, in dem Verdacht, ihn aus der Enge zu befreien ...

Wie dem auch sei, wird schon wieder werden, meint der

Friedel

 

Meine Lieben,

vielen Dank für eure Anregungen und das Fehlerchen Picken (: Natürlich werde ich, wie immer, gerne auf jede Wortmeldung einzeln eingehen – allerdings darf ich euch um Geduld bitten. Ich begebe mich übers Wochenende auf Reisen und die Vorbereitung hat mehr Energie in Anspruch genommen, als gehofft. Sobald ich nächste Woche wieder bei mir im Lande bin, werde ich mich wieder in die Schreibarbeit stürzen und hier bei euch anfangen.

Bis dahin liebe Grüße,
Alveus

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom