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Wenn der Briefträger keinmal klingelt!

Beitritt
09.08.2004
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Wenn der Briefträger keinmal klingelt!

Herr Sonderegger ist ein zuverläßiger, pünktlicher Briefträger, welcher sich im ganzen Quartier großer Beliebtheit erfreut. Ich mochte ihn auch. Früher. Ein eingeschriebener Brief hat die Beziehung zwischen uns nachhaltig verändert.

Am ersten Tag, als es zwischen uns zu kriseln beginnt, warte ich ungeduldig, nägelkauend und fast schon etwas verzweifelt auf das Klingeln von Herrn Sonderegger, welches die Ankunft des für mich so wichtigen, eingeschriebenen Briefes ankündigen soll. Es geschieht nichts. Kein Klingeln, kein Herrn Sonderegger, kein eingeschriebener Brief. Nichts.
Beim späteren Durchsehen meiner Post entdecke ich eine Abholungseinladung für eine Einschreibsendung. Dieser zuverläßige, allseits so beliebte Postbote hat nicht geläutet. Hat bei mir nicht geläutet. Ich fühle mich persönlich angegriffen. Ein Griff zum Telefonhörer, die Nummer vom Zustellamt gewählt und schon habe ich den Anrufbeantworter am anderen Ende der Leitung.
“Bitte haben Sie etwas Geduld...Ihr Anruf ist uns wichtig....sie befinden sich in der Warteschlaufe auf Position 175.” Zwei Minuten später habe ich mich um zwei Ränge auf “173” hochgearbeitet. Meine Geduld hat sich ausbezahlt. Am nächsten Morgen, nachdem ich mich übers Handy bei meinem Arbeitgeber krankgemeldet habe (schließlich will ich Position 13 nicht gefährden), komme ich dem Podest langsam, aber stetig näher.
“Zustellamt St.Gallen, Brülisauer”. Ich werde aus meinen Träumen gerissen. Ich habe es geschafft !
Fast schon euphorisch ob meiner erfolgreichen Beharrlichkeit schildere ich Herrn Brülisauer meinen Wunsch nach Zweitzustellung meines eingeschriebenen Briefes. Um meinen allseits beliebten Pöstler Herr Sonderegger bei seinen Vorgesetzten nicht zu diskreditieren, erwähne ich nichts von dessen Versagen.

Wieder warte ich...und warte....,diesmal dicht bei der Wohnungstüre, mit einem Ohr an der Türglocke, mit dem anderen in Richtung Anfahrtsweg meines Briefträgers. Eine halbe Stunde später halte ich die zweite Abholungseinladung für denselben Brief in Händen. Ich spüre einen gewissen Zorn in mir aufsteigen. Zuerst telefoniere ich mit meinem Arbeitgeber, um mich für einen weiteren Tag krankzumelden und reihe mich anschließend in Position 233 in der Warteschlange ein.
Wenige Stunden später spreche ich wieder mit Herrn Brülisauer. Diesmal deute ich zumindest an, dass ich in diesem speziellen Fall nicht ganz auf derselben Linie mit Herrn Sonderegger stehe. Ich bekräftige aber auch meine grundsätzliche Zufriedenheit mit der Postzustellung. Meine Bitte um Drittzustellung der Sendung wird erhört.

Diesmal warte ich gleich bei den Briefkästen und reihe mich schon mal telefonisch in die Warteschlange beim Zustellamt ein. Herr Sonderegger muss den Moment, als ich verklärt und glücklich ob dem Sprung von Position 443 auf Position 441 vor mich hintriumphiert habe, dazu genutzt haben, die Abholungseinladung zu schreiben und zusammen mit meiner Post in den Briefkasten zu stecken.

Zwei Wochen später (die Arbeitsstelle wurde mir zwischenzeitlich gekündigt) stehe ich, bleich und ausgemergelt, mit dem Handy am Ohr (auf Position 1763) beim Ausgang des Postamtes, um diesen Mann zu stellen, der mir das Leben zur Hölle gemacht hat.
Zügigen Schrittes erreicht er mich. Ich versuche, mich an seinen Oberschenkeln festzukrallen. Ich bin zu schwach. Er schüttelt meinen von den letzten Wochen arg in Mitleidenschaft gezogenen Körper ab und verschwindet, vermutlich mit meinem eingeschriebenen Brief in seiner Tasche, um die nächste Ecke.

Weitere zwei Wochen später sitze ich in einem leicht abgedunkelten Raum. Man sagte mir, dass es einige Zeit dauern könne, bis ich, dank den Medikamenten und dem steten Reizüberflutungsabbau, als ersten Schritt wieder alleine in die Cafeteria dürfe.
Nach der Entlassung werde ich mein Leben von Grund auf ändern: Als erstes nehme ich mir ein Postfach.

 

Moin!

Zunächst einmal: Herzlich willkommen bei KG.de! :)

Kommen wir zu Deiner Geschichte: Ich will einfach mal beiseite lassen, dass das Thema nun nicht gerade rasend originell ist - ich hab nämlich mal kurz in Dein Profil geschmult... da sag noch einer, die Leute schreiben nicht über das, was sie tagtäglich beschäftigt! :D

Okay, der Text: Sprachlich sehr sauber, mit einigen schönen Stellen, an denen man durchaus schmunzeln darf. Größtenteils sehr flüssig und kurzweilig zu lesen - ich musste mich nicht durchackern, sondern konnte fröhlich pfeifend durchmarschieren, das ist schon mal viel wert! ;)
Ein paar Dinge sind wahrscheinlich schweizerische Sprachbesonderheiten? Wir z.B. telefonieren i.d.R. mit jemandem, der reine Dativ wirkt etwas befremdlich. Vielleicht bügelst Du da noch ein bisschen, es sei denn natürlich, Du legst gesteigerten Wert auf Schweizer Authentizität im Sprachduktus.
Eines allerdings lässt mich stolpern: Was ist ein "Natel"? Ich vermute mal, ein Telefon. Dieser Begriff ist doch arg erklärungsbedürftig, vielleicht ersetzt Du ihn einfach durch "Telefon", um auch die anderen angeschlossenen Leser der Eurovision nicht dumm sterben zu lassen? ;)

Die Mankos: Die erste Hälfte ist vom Aufbau noch okay, wenngleich sie ein wenig bieder und gemächlich daherkommt, ein kleines Quentchen mehr an Sprachwitz dürfte da noch reingewürzt werden. Soll heißen: Die Formulierungen etwas pointieren, schon der erste Satz gehört entstaubt, der trödelt recht langweilig daher.

"Herr Sonderegger war nicht wie die Bahn - er war pünktlich wie eine Atomuhr, völlig von seiner Aufgabe durchdrungen, durch absolut nichts aufzuhalten, der nichtflüssige Terminator unter den Postzustellern! Allerdings weniger mordlustig, weshalb ihn alle mochten..."

Okay, das ist jetzt mal eben schnell dahinskizziert, aber Du verstehst, worauf ich hinaus will? Diese Pointierung, eine Schärfung der beteiligten Charaktere, noch stärkere Forcierung des Konflikts, ruhig ein bißchen ins absurde abdriften, wenn es der Pointierung dient - all das würde dem Text etwas Würze geben und dazu beitragen, ihm satirisches Flair und eine gewisse Bissigkeit zu geben.

Denn all das geht im letzten Drittel spätestens komplett flöten, da stolpert der Text plötzlich in wenigen Sätzen einem doch recht platten und unverständlichen Ende entgegen - sieht für mich nach einem typischen Fall von "Luft ausgegangen" aus. Die Geschichte sollte dann doch mit aller Konsequenz und nötiger Ausführlichkeit zu Ende erzählt werden. So sieht's aus, als hätte er noch schnell vorm Abendessen fertig werden müssen oder sowas.

Insgesamt würde ich sagen: Gute Ansätze, aber im Detail noch stark ausbaufähig. Und nicht schüchtern sein dabei, sei ruhig skrupellos und gemein - das ist der Sinn von Satire! ;)

Gruß,
Horni

 

Grüezi !

Vielen Dank fürs Willkommenheissen und für die ausführliche Kritik !

Trotz der obigen Anrede bestehe ich keineswegs auf die sprachlichen Schweizer Besonderheiten. Schliesslich bin ich hier nicht auf auf Kurzgeschichten.ch und bin deshalb froh, wenn man mich auf solche Fehler wie z.Bsp. “jemandem telefonieren” aufmerksam macht. Danke ! Das Natel ist übrigens “das Handy”. Hätte ich aus den unzähligen T-Com-Werbungen eigentlich wissen müssen. Werde ich schnurstracks korrigieren.

„Okay, der Text: Sprachlich sehr sauber, mit einigen schönen Stellen, an denen man durchaus schmunzeln darf. Größtenteils sehr flüssig und kurzweilig zu lesen - ich musste mich nicht durchackern, sondern konnte fröhlich pfeifend durchmarschieren, das ist schon mal viel wert!“

Dieses Lob von dir hat mich schon mal sehr gefreut. Da es erst meine zweite Kurzgeschichte in meinem nicht mehr so jungen Leben ist, bin ich im Moment schon mal sehr zufrieden, den Leser mindestens nicht zu langweilen oder ihn mit ortographischen und stilistischen Kataströphchen abzuschrecken.

„Denn all das geht im letzten Drittel spätestens komplett flöten, da stolpert der Text plötzlich in wenigen Sätzen einem doch recht platten und unverständlichen Ende entgegen - sieht für mich nach einem typischen Fall von "Luft ausgegangen" aus. Die Geschichte sollte dann doch mit aller Konsequenz und nötiger Ausführlichkeit zu Ende erzählt werden. So sieht's aus, als hätte er noch schnell vorm Abendessen fertig werden müssen oder so was.“

Das stimmt leider auch. Obwohl der Grund für die fehlende Ausführlichkeit weniger das Abendessen war, welches kalt zu werden drohte, sondern die Bedenken, den Leser bei zuviel Ausführlichkeit zu langweilen. Ich werde wohl künftig etwas mutiger an die Sache herangehen müssen. Auch betreffend der fehlenden Bissigkeit versuche ich mich bei meiner nächsten Satire (wie du schreibst: „eine Schärfung der beteiligten Charaktere, noch stärkere Forcierung des Konflikts“) zu verbessern. Skrupelloser und gemeiner als gemein (nach dieser US-Wahlnacht wäre ich grad so in entsprechender Stimmung). :)

Dein Beispiel für den ersten Satz ist zwar deutlich lustiger als meiner (auch wenn du ihn nur schnell dahinskizziert hast), aber ist es bei einer Satire ev. auch ganz amüsant, mal etwas bieder zu beginnen, um dann im Verlauf der Geschichte diese Biederkeit Schritt für Schritt abzulösen (natürlich nicht unbedingt durch noch mehr Biederkeit) ?

Keine Angst, die nächste Geschichte wird nicht von bissigen Hunden oder allzukitschigen Postboten, welche von einer Oma für das tägliche Ueberwinden von vier Stockwerken, mit „Mon Chérie“ und einem seligen Lächeln beschenkt werden, handeln. Aber für den Anfang war mir ein naheliegendes Thema eben ganz sympathisch.

Vielen Dank für deine Mühe und sehr konstruktiven Vorschläge !! Es wäre toll, wenn ich auch bei weiteren Geschichten deine Meinung hören, resp. lesen könnte !

En herzliche Gruess Rolf

 

Hallo Rolf,
hach, eine Eigensatire? :lol: Nachdem ich auch in dein Profil gelinst habe, käme man da auf diese Idee. ;)
Mein Mitstreitermoderator in Sachen Satire hat bereits schon alles recht umfassend zusammengesammelt, was dir zu deiner Geschichte zu sagen ist, ich verweise insoweit auf ihn und wiederhole mich nicht.

Aber mir sind noch folgende Gedanken so durch den Kopf, die ich dir hier aufzeigen möchte:
zunächst einmal fand ich deinen Plot schon deswegen nicht, absolut nicht, langweilig, weil er mich selbst so oft in der Woche betrifft wie ich nicht pünktlich im Büro bin.
Unsere Postbotin, leider noch jung an Jahren, so dass eine Ablösung durch eine andere Kollegin noch lange nicht in Frage kommt, hat nämlich den sturen Kopf sich zu weigern, auf dem Rückweg, welcher sie an unserem Büro vorbeiführt, nochmals den zweiten Versuch zu unternehmen, Zustellungsurkunden und Einschreiben loszuwerden.

Etliche, im übrigen fast genauso beschriebene Telefonate mit dem zuständigen Postamt führten nur dazu, dass der Dienstvorgesetzte meinte, es sei nicht in seiner Macht sie zu zwingen. Schön fände er das auch nicht.
Vor Jahren wars sogar noch schlimmer, da hatte Madame eine so gute Zustelltour, dass sie weit vor 9.00 Uhr im Büro auftraf und somit NIE jemanden antraf, wir waren meistens dann zwei-bis dreimal die Woche unterwegs, um beim Postamt diejenigen Zustellungen abzuholen, die sie uns nicht auf ihrem Rückweg in die Hand drücken mochte. In Deutschland kann man übrigens Zustellungen nicht nochmals vornehmen lassen, sondern sie nur auf dem Postamt dann abholen.

Deine Geschichte hat mir daher vom Thema her komplett aus dem Herzen gesprochen und ich fand den Plot gut, bei mir selbst liegt bereits seit geraumer Zeit ein Plot in der Schublade, welcher dasselbe Thema (allerdings mit einem anderen Sachverhalt) betrifft.

Als Verbesserungsvorschlag würde ich es noch gut finden, wenn du die Lösung, was denn nun das für eine Zustellung war, noch bringst, z.B. könnte die Lösung doch sein, dass das Postamt den Kunden darüber informiert, dass nur noch benachrichtigt wird in Zukunft und nicht mehr direkt geklingelt wird und man sich darauf einstellen möge.
:D Dann wäre es eine Satire mit feinem Ende.

Aber, der Boss der Geschichte bist du! Ich freue mich schon auf deine nächste Geschichte und ach so, hätts fast vergessen: auch von mir willkommen hier auf KG!

Lieben Gruß
lakita

 

Hoi Lakita

Vielen Dank fürs Lesen und für deinen Kommentar !
Es freut mich sehr, dass du meine Geschichte nicht langweilig gefunden hast und sie dir aus dem Herzen gesprochen hat. Man verzeiht fehlende Originalität noch eher, wenn es einen kleinen Teil des eigenen Lebens betrifft.

Da hast du mit deiner “Zustell-Madame” aber eher Pech gehabt. Ich kenne zwar einige Briefträger bei uns, die ähnlich wie sie handeln würden und unser Chef hätte vermutlich weniger charmant als der Eurige reagiert, will heissen, er hätte sich beamtenmässig auf die Vorschriften berufen (was für dich als Kundin schlussendlich aber auf dasselbe hinauskommt). Im Normalfall gibt es aber auch bei uns Postboten ungeschriebene Gesetze, an die man sich (Stress hin oder her) ganz einfach hält. Und da gehört dein Problem bestimmt dazu. Wie auch kaum ein Logistikassistent (heisst es neu bei uns) :) die Pensionsauszahlungen für die älteren Generationen, welche teilweise immer noch an der Haustüre erfolgen, nur am Haupteingang vornimmt. Da nehmen wir auch das Ueberwinden von ein paar Stufen einmal im Monat auf uns. Sind wir nicht nett ? :)
Für dein Problem gibt es in diesem Fall nichts wirksameres, als jeden Fehler gleich ihren Vorgesetzten zu melden. Auge um Auge...Zahn um Zahn....(das mit der anderen Wange hinhalten, würde bei ihr vermutlich nichts nützen, sie würde bestimmt gleich ein zweites Mal...)

Dein Schluss für meine Geschichte ist ein guter Vorschlag. Für diese Satire vermutlich die bessere Lösung als mein überhasteter Abschluss.
Auch könnte man jedem Postboten eine Trillerpfeife, und den Kunden einen Tourenplan in die Hände drücken. Nach dem Zustellen der “normalen” Post, könnte er mit einem Pfiff den Kunden kurz und knapp darüber informieren, dass noch eine eingeschriebene Sendung vorliegt. Er würde so keine Zeit verlieren und du als Kunde hättest mit etwas sportlichem Ehrgeiz und dem Tourenplan die Chanche, ihn, resp. deine Sendung irgendwo abzufangen. Na ja, da ist das Postamt vielleicht doch die bessere, berechenbarere Lösung. :)

Vielen Dank fürs “Willkommenheissen” und die motivierenden Worte !

En liebe Gruess Rolf

 

Hoi Marius

Vielen Dank fürs Ausgraben und deine konstruktive Kritik!


Das Thema „ss / ß“ fiel mir viel auf.
Ich habe versucht, die „ß“ richtig zu setzen. Gar nicht so einfach, wenn man damit nicht aufgewachsen ist.

Unglaublich, was du bei diesem kurzen Text noch alles an Fehlern gefunden hast. Ich habe alles übernommen und umgesetzt.

(Diesen letzten Satz würde ich aussparen, vielleicht dem vorigen Satz noch ein wenig Würze verleihen.

Die Geschichte ist witzig aber ein wenig zu „abgebrochen“. Schenk ihr noch ein wenig Skurriles, bevor Du zum Schluss kommst, damit sich auch diejenigen mit dem Protagonisten identifizieren können, die keine Probleme mit ihrem Briefträger haben / hatten.

Das Ende solcher Geschichten scheint schon nicht so meine Stärke zu sein :D
Ich versuch’s besser hinzukriegen. Werde mir das in den nächsten Tagen mal überlegen und dir nach der Aenderung eine PN schicken. Wenn du dann Lust und Zeit hast, kannst du mir ja mitteilen, ob sich das Ende der Geschichte verbessert hat.

Freut mich, dass du es im Großen und Ganzen witzig gefunden hast!

Gruß Rolf

 

Ich fands gut und amüsant und ... es hat hohen Wiedererkennungswert.

Die lakonischen Einstreuungen wirken gut (die Arbeitsstelle wurde mir zwischenzeitlich gekündigt). Selbige hätte ich mir am Schluss noch gewünscht - zur Beschreibung der Eskalation, die mir zu bieder war.

So long!

 

Hallo FlicFlac

Freut mich, daß du meine Geschichte gelesen und auch für gut befunden hast.
Den nicht nur von dir kritisierten Schluss habe ich etwas "aufgemotzt" und hoffe, daß es nun eine Spur weniger bieder klingt.

Danke für deine Antwort!

Gruß Rolf

 

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