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Wenn das Warten ein Ende hat...
Wie hatten sie sich kennengelernt? Durch eine oberflächliche Begegnung hinten am See, des kleinen Dorfes am Rande der malerischen Kleinstadt, in er geboren war und auch aufwuchs. Hier an diesem kleinen fast zu sauberen See hatten sie sich das erste mal gesehen. Damals konnte natürlich noch niemand wissen, dass aus ihrer oberflächlichen Freundschaft mal mehr werden würde.Damals unterhielten sie sich über Dinge, die von geringer Bedeutung waren. Ihn störte es nicht. Schon lange hatte er nach ein wenig Oberflächlichkeit gesucht, in dieser pingelichen, genauen und berechnenden Welt, in der er lebte.
Heute nach genau vier langen Jahren, in denen sie sich oft unterhielten, Erfahrungen austauschten und miteinander Freude hatten, war ihm klar, dass er sie nun schon so lang kannte, dieses außergewöhnliche Mädchen, doch irgendwie nichts über sie wusste. Doch sollte er daran wirklich etwas ändern? Wollte er das überhaupt noch? Wollte er wirklich mehr über sie erfahren oder würde das ihre Freundschaft zerstören und wie ein Kartenhaus zerfallen lassen? Nein dieses Risiko war er nicht bereit einzugehen. Dafür war ihm dies alles viel zu wichtig. So beschloss er weiterhin die Geheimnisse, die das Mädchen sicher in sich verbarg, im Stillen ihrer noch jungen Seele zu belassen. Manchmal ist es besser nichts zu machen...
Lange Zeit verging... unzählige Treffen, die von Gesprächen über den Alltag geprägt waren. Es sollte Schicksal sein, dass sie sich nie aus den Augen verlieren würden. Diese Freundschaft, egal wie unbedeutend sie doch schien, sollte wohl lebenslang halten. Doch immer wieder fragte er sich wie lange er es noch aushalten würde, ohne zu wissen woher sie kam und wer sie eigentlich war. Doch er wollte sie nicht in Verlegenheit bringen, sie nicht einschüchtern. Nein, dies war das Letzte, was er ihr antun wollte.
Und so kam es, dass er auch weitere Jahre ins Land streichen ließ, in denen er nie genau wusste, wer ihm denn da gegenüber sitzt, mit wem er da spricht, redet, lacht oder weint. Die Angst diese Freundschaft zu verlieren war einfach größer, als die Neugier, sie persönlich kennenzulernen mit all` ihren Geheimnissen und Fehlern.
Eines morgens sollte er wieder einmal in Ruhe die Zeitung lesen und nebenbei seinen Kaffee schlürfen, dabei aus dem Fenster gucken und das kleine Stoppelfeld sehen, welches sich gleich hinter seinem Haus befand. Dahinter war der Weg, auf dem er und sie immer langgingen, wenn es das Wetter zuließ.Wie jeden Tag fragte er sich ob, er es wagen sollte sie auf ihre Vergangenheit und ihre Familie anzusprechen. Doch immer kam er darauf, dass es die ganze Freundschaft zerstören könnte, die er und auch sie sich mühsam aufgebaut hatten. Doch auch heute beschloss er, dies irgendwann einmal nachzuholen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war.
Heute war der Tag gekommen, heute würde er sie endlich fragen woher sie kommt und wer sie eigentlich ist. Denn mittlerweile waren ganze 7 Jahre vergangen. Jahre der Ungewissheit und der Angst davor, wie sie auf diese Fragen reagieren würde. Wie jeden Morgen las er Zeitung schaute dabei aus dem Fenster und guckte sich das verwunschene Stoppelfeld an. Daraufhin schaute er zu dem Weg, auf dem er und sie immer gingen, wenn es das Wetter zuließ.
Langsam und behutsam las er dabei Zeitung...
"Tödlicher Autounfall auf der A2"
"Gestern verunglückte eine 36jährige Frau mit ihrem Auto auf dem Weg zur Arbeit. Erste Untersuchungen ergaben, dass die Frau die Kontrolle über ihr Auto verlor und frontal in einen Baum raste. Die Frau starb noch am Unfallort."
Das kleine malerische Dorf, am Rande einer Kleinstadt, gibt es wirklich. Auch der Zeitungsbericht entspricht der Realität. Er wurde letztes Jahr von der Süddeutschen Zeitung verfasst. Was in ihm nicht hervorgeht ist, dass sich der Mann, von dem hier die Rede ist zwei Tage nach der Schreckensnachricht umbrachte. Wahrscheinlich konnte er die Trauer um die Person nicht verkraften, die er nie richtig kennengelernt hatte...
Das Leben ist zu kurz, um zu warten...