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Weniger reden, mehr Sex

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10.10.2006
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Weniger reden, mehr Sex

Sebastian wischte sich mit dem Schweißband über die Stirn, unter seinen Armen blitzten Gebüsche auf, so als hätte jemand ein Paar schlecht frisierter Pudel dort abgestellt. Er dribbelte den Ball. Einmal, zweimal. Wieder mit dem Schweißband über die Stirn. Er atmete ein, kniff ein Auge zu, visierte den Korb an und warf den Ball in die ungefähre Richtung des Korbes, viel zu hart, ohne jede Flugbahn, ohne Effet, eigentlich ohne alles. Es machte Klonk, als der Basketball vom Brett abprallte.
Sven hatte das vorausgeahnt, sprang mit dem rechten Fuß vom Boden ab, schraubte sich hoch und pflückte den abprallenden Ball mit einer Hand aus der Luft, zog die andere zur Hilfe heran, packte ihn nun mit beiden, landete wieder auf dem Hallenboden, bückte sich schützend über den Ball, ging dabei in die Knie, schleuderte mit dem Oberkörper nach rechts und links, wie ein Hund, der Wasser abschütteln will, und ließ die Ellenbogen fliegen. Sven präsentierte den Ball, indem er ihn mit einer Hand hielt – er hatte riesige Hände – und ihn triumphierend schwenkte.
„Scheiße“, sagte Sebastian. „Kein Wunder, dass du so viel Energie hast. Wenn ich mit so ner frigiden Ziege zusammen wäre, könnte ich auch einen auf Dirk Nowitzki machen.“
Svens Gesicht zog sich zusammen, als hätte er auf eine Zitrone gebissen.
Sebastian fasste sich an den Schritt und imitierte vorsichtig Michael Jackson. Svens Gesicht wurde zitroniger. Sebastian schnellte auf ihn zu und tauchte nach dem Ball. Er versuchte, ihn Sven aus der Hand zu schlagen, doch der drehte sich mit dem Ball zur Seite; Sebastian glitt ins Leere und rutschte bäuchlings auf seiner eigenen Schweißspur den Hallenboden entlang.
„Tu nicht so“, sagte Sven. „Wann hast du denn das letzte Mal einen weggesteckt? Da war doch Kohl noch Kanzler.“
Sebastian rappelte sich auf und murmelte zurück: „Was kann ich dafür, dass alle gute Frauen weg sind? Laufen doch nur noch Freaks draußen rum. Du triffst dich mit einer und sie bestellt eine Pizza Vier Jahreszeiten! Ich meine: Hallo? Vier Jahreszeiten. Da weiß ich doch schon alles. Das sind die, die früher immer Quaddro Stackione bestellt haben und dann hat sie der Kellner schief angeschaut und seitdem haben sie nen Knacks fürs Leben und bestellen nur noch auf deutsch. Da weiß ich doch schon alles!“
„Du bist doch nicht ganz knusper.“
„Ich hab einen Blick dafür“, sagte Sebastian und hielt seine Hände in perfekter Fangstellung vor seinen Brustkorb. Die Daumen berührten sich fast. Sven dribbelte auf ihn zu, sprang vor ihm ab, sein Bauchnabel war dabei auf der Höhe von Sebastians Nase, und warf im Sprung.
Sebastian drehte sich nicht um, er hörte das satte Swutsch auch so.

„Gestern hatte ich eine“, sagte Sebastian, während er nach Luft schnappte und sich mit beiden Händen auf den Knien abstützte, „American Werewolf, sag ich nur. Ich weiß nicht, was die auf ihrem Foto gemacht hat. Augenbrauen retuschiert oder vorher mit nem Mähdrescher drübergefahren, aber echt. Zusammengewachsene Augenbrauen, das geht mal gar nicht. Die sah aus wie so ein Bond-Schurke, du weißt schon, aus dem kalten Krieg.“ Sebastian fasste sich mit zwei Fingern an die Augenbrauen und drückte sie so fest zusammen, wie es ihm möglich war. Dabei rann Schweiß aus dem weißen Band an seinem Handgelenk seine Wange hinunter. „Die musst du echt bei Vollmond einsperren, sonst reißt sie Schafe, oder so.“
Sven warf derweil einen Korb, holte sich den Ball, sprang aus dem Stand nach oben, legte ihn sanft gegen das Brett und netzte ein.
„Oder die andere. Die sagt mir, ich hätte sehr gütige Augen. Hallo? Was ist das denn für ein Text? Die sieht mich und ihr fällt nichts Besseres ein, als zu sagen: Du hast gütige Augen? Ich bin doch kein Bernhardiner.“
„Ja, ja. Aber ewig mach ich das nicht mehr. Ich kann dich doch nicht bis zum Rest meines Lebens jeden Abend anrufen, nur damit du sagen kannst, dass deine Mutter Probleme mit dem Bauch hat. Wir sind doch keine achtzehn mehr.“
„Stell dich nicht so an, du musst ja nicht mit denen ausgehen.“
Sven ging wieder in Wurfposition.
„Du kannst dir doch jeden Abend schön die Patina von der Stoßstange lutschen lassen.“
Der Ball rollte ungünstig von Svens Fingerspitzen ab und heraus kam ein viel zu kurzer Wurf, der den Korb nicht einmal erreichte.
Sebastian gluckste und lächelte, bis Sven sich zu ihm umwandte und fragte: „Wie war das noch mit der einen, die nur Donnerstag in der Mittagspause Zeit für ein Date hatte?“
Sebastian winkte ab.

Sven stand schon fertig geföhnt und geduscht vor ihm, während Sebastian noch auskühlte. Er fand es wichtig, dass man nach anstrengendem Sport dem Körper erst einmal die Zeit gönnte, sich zu regenerieren, auch wenn man dabei stank wie ein Eber.
„Heute Abend wieder?“, fragte Sven.
„Ja, ja, und du gehst heute auch mal in die Offensive. Ich meine, wie lange ist das her? Zwei Wochen?“
Sven wandte sich zum Gehen.
„Zieh sie mal richtig durch. Knick-Knack und so. Lass dir nichts bieten. Du wohnst mit der zusammen, mein Gott! Du bist Sir Popp-a-lot, ein wildes Raubtier, der Sven-i-nator, der große, böse Wolf. Wooooooooooooooooohoooooooooo.“
Sven schloss die Tür hinter sich und Sebastians Heulen erstarb.

Sebastian wippte auf den Zehenspitzen auf und ab und zog an einer West-Ice. Die größte Erfindung der Menschheit. Rauchen und Zähneputzen gleichzeitig. Er schaute auf die Uhr. So langsam wurde es Zeit. Fünf Minuten Verspätung, da machte man sich nicht zum Affen, und konnte wenigstens ehrlich sagen: Nein, noch nicht so lange. Und wenn sie viel später kam, konnte man immer noch sagen: Die ist es ohnehin nicht wert. Und gleich gehen und nur das Wasser bezahlen. Sebastian zog noch einmal das Handy aus seiner Hosentasche und kontrollierte, ob er hier auch wirklich Empfang hatte. Er hatte. Und so drückte er die Zigarette in dem Steh-Aschenbecher aus und betrat das Schlachtfeld.
Luigi oder Alessandro - Sebastian hatte es nicht so mit ausländischen Gesichtern, für ihn sahen sie alle nicht gleich, aber doch äußerst ähnlich aus – führte ihn zu seinem Tisch. Und dort saß, mit dem Rücken zu ihm, die Hinterpartie einer Göttin. Langes, rotbraunes Haar, das ihr in perfekten Wellen vom Kopf fiel. Und Sebastian meinte auch sofort einen Duft wahrzunehmen. Rosenduft durchsetzt mit frischer Minze.
Er schluckte, wahrscheinlich Haarmodell und Gesichtsbaracke. Er schlich sich an sie heran, bis er hinter ihr stand, schaute dann vorsichtig über ihre Schulter – natürlich zwei, drei Handbreit Abstand lassend - und sie sah ihn an, aus grünen Augen. Ihre Brauen waren zwei vollkommene Striche und sie schenkte ihm ein Lächeln, für das andere Frauen töten würden: „Suchen Sie mich?“
Sebastian nickte einige Male und so wie seine Wangenmuskeln schmerzten, mussten ihm die Gesichtszüge zu einem Grinsen entgleist sein.
Kaum hatten sie sich gesetzt und in der Karte geblättert – sie hatte geblättert, Sebastian hatte über den Kartenrand gelinst und versucht, auszumachen, ob ihre Brüste gleichgroß waren – stand auch schon Luigi beziehungsweise Alessandro an ihrem Tisch und fragte, ob man schon gewählt habe. Noch während Sebastian „Laahsahnaggne dreikolohre“ hinausstotterte, entfleuchte ein gehauchtes „quattro stagione“ einem Mund, wie ihn Michelangelo nicht besser hätte modellieren können.
Sie sprach leise und zurückhaltend, hörte ihm aufmerksam zu und lachte an den richtigen Stellen. Als ihm ein kleines, wirklich nur winziges Fitzelchen Lasagne von der Gabel glitt, schaute sie aus dem Fenster, gerade lange genug, damit er seinen Fauxpas beseitigen konnte. Und unter dem Tisch drückte sie, sehr angenehm und unaufdringlich, mit dem rechten Fuß gegen seine Wade, scheinbar jederzeit bereit, höher zu gehen. Sehr viel höher.
Sebastian brach der Schweiß aus. Allein wie sie ihr Besteck hielt, diese Filigranität. Unglaublich. Und erst diese Nase und wie dezent alles an ihr war, aber doch verführerisch. Und wie sie ihn mochte! Er spürte es, vor allem an ihren Augen. Das war nicht so wie damals auf der Universität, als sich die eine mit ihm getroffen hatte wegen dieser dummen Wette. Die hier mochte ihn wirklich. Die Augen waren ganz warm und weich, nicht gütig, oder so.
In seiner Jacke spürte er das Vibrieren des Telefons.
„Entschul-ul-ul, würden Sie mich für einen Moment, äh, Sie wissen schon.“
Sie lächelte kokett und machte so ein Geräusch wie „Mm-Hä.“ Also praktisch ein mäusisches Geräusch der Bestätigung, das vor allem aus der Nase kam. Aus der Nase!
Erleichtert ging Sebastian mit dem Telefon in der Hand nach draußen.

„Gut, dass du anrufst.“
„Was ist es diesmal?“
„Ist doch egal. Aber - du heute. Sven-i-fiziere sie, ja? Tu es für mich, für Volk und Vaterland!“
Sven legte auf. In der Wohnung roch es nach Kerzen, ein schwarzer Slip lag auf dem Wohnzimmertisch. Mit viel Spitze.
„Kommst du?“, flötete es aus dem Schlafzimmer.
„Ich hab grade mit Sebastian gesprochen, ich muss noch mal dringend in die Firma. Tut mir leid.“ Sven musste nun lauter sprechen, da er schon an der Tür war. „Wirklich leid! Morgen, ja?“

 

hallo quinn,

fand die geschichte ziemlich gut! sehr unterhaltsam, tolle dialoge, sehr lustig!

das zum großartigen pudelvergleich sich auch noch der berhardiner gesellte, fand ich klasse. vielleicht könnte noch ein hundevergleich als running gag auftauchen.

Zitat von C. Seltsem
Hallo Quinn,

so ganz kapiere ich die Geschichte noch nicht, Sebastian ist ein Aufreisser, der aber Hemmungen hat, in medias res zu gehen und sich deswegen immer von Sven anrufen lässt. Und Sven hat eine Freundin, nutzt aber ebenso die Chance, den Anruf als Alibi für sexuelle Verweigerung auszugeben ?!
Würde das aber nie vor seinem Freund zugeben. Genau.


die pointe klar herausgearbeitet und die geschichte wäre 1a. so steckt noch viel ausbaupotential drin.

"effet"
> was ist das?!

schöne grüße petdays

 

Hi,

vielen Dank für deinen Kommentar, ist ja schon eine recht betagte Geschichte, heute würde ich die auch anders schreiben, denke ich (oder wahrscheinlich gar nicht eher :) ).
"Effet" ist ein Wort aus dem Sport, mit "Effet spielen", bedeutet soviel wie "den Ball anschneiden, ihm einen bestimmten Spin geben".

Gruß
Quinn

 

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