Hallo!
Oder fahrt ihr eure Schiene, ohne darauf zu achten, Hauptsache es wird gut?
Äh ... hm?
Klar wird es gut, hoffe ich. Also hoffe ich immer.
Jedenfalls!
Das kann man doch so gar nicht verallgemeinern. In Kurzgeschichten ists knapper immer besser, weil einfach nicht der Platz da ist, großartig Szenen auszubreiten. Wenn ein Roman ein Ozeandampfer ist, der ne Weile braucht, bis er in Fahrt kommt, viele Kojen hat, viele Leute, die drauf rumfahren, dann ist eine Kurzgeschichte ne kleine, schnittige Yacht mit nur einer Handvoll Leuten, mit starken Motoren und Ambitionen, ganz toll, schnittig und weiß zu sein.
Hängt ja nicht unbedingt vom Thema ab. Zum Beispiel handelt das Buch, das ich gerade lese, davon, dass man eine Reise tun muss um zu sich zu finden. Das gleiche Thema hätte man mit einem Bruchteil der Besetzung und der Szenen auch in einer Kurzgeschichte abhandeln können.
Im Roman gibts aber Platz für Nebenschauplätze, für kleine, verwinkelte Gassen, für den Rotwein am Abend und den Latte im Stehcafé an der Ecke. Abenteuerlich, was man da an Leuten trifft!
Grundsätzlich schreibt man halt nicht mehr als unbedingt nötig. Will ich eine Familiensaga schreiben, dann MUSS ich viele Personen haben. Will ich darüber schreiben, wie mein Nachbar sich eine Pizza kauft, dann muss ich das nicht. Viele Personen bedeuten viel Text, denn es will ja jeder, der wichtig ist (!) vorgestellt werden. Der bekommt dann ne Seite, oder zwei, bei zehn Leuten kommen dann schon alleine fünfzehn, zwanzig Seiten daher, nur um alleine die Personen einzuführen. Dann kommen noch Szenen dazu, Beziehungen, all den Kram. Alles muss rein, wenn es wichtig ist.
Und wenn nicht, dann halt nicht.
Ein Text wirkt "zu lang" wenn nicht genug Interessantes (!) passiert in der Zeit, die man fürs Lesen braucht. Wenn ich drei Seiten über die Beschaffenheit der Rinde eines Baumes lese, langweilt mich das, falls ich nicht gerade Botaniker bin. In einem Krimi ist da also verkehrt. Außer natürlich, die Rinde hat was ganz extrem Wichtiges mit dem Plot zu tun.
Dann: Wenn eine Sache viel Text bekommt, dann muss sie wichtig sein. Das meint zumindest der Leser. Denn warum sollte sich ein Autor so viel Mühe mit etwas geben, wenn es dann eine Nebensächlichkeit ist? Das wirkt aber nur dann, wenn unwichtige Sachen wenig Text bekommen.
Guck:
Jerg betrat das Zimmer, und was ihm zuerst auffiel, war das große, offene Buch auf dem Schreibtisch. Er wusste, dass sein Vater gestern noch bis spät in die Nacht gearbeitet hatte, er wusste aber auch, dass sein Vater ein penibler Mensch war, der alles ordentlich aufräumte, bevor er zu Bett ging. Sonst schien alles unberührt, die Vorhänge waren zugezogen, alle Schranktüren geschlossen.
Ganz automatisch weiß man, dass das Buch was Wichtiges sein muss. Es hat auch viel Text!
Im Gegenteil hier:
Jerg betrat das Zimmer, die Vorhänge waren zugezogen, es waren teure Vorhänge, nicht solche, die man beim Ikea kaufen konnte. Jerg wusste, dass sein Vater die Möbel vom Ikea nicht wirklich mochte, er war ein Mensch, der Qualität zu schätzen wusste. Als er sich den Schrank ansah, fiel ihm auf, dass alle Türen geschlossen waren, nicht eine war auch nur angelehnt. Auf dem Schreibtisch lag ein offenes Buch, was so gar nicht die Art seines Vaters war.
Und gleich wird man verwirrt, weil man nicht weiß, was man sich merken muss. Ist das wichtig, das mit den Schranktüren? Oder muss ich mir merken, dass der Vater die Sachen vom Ikea nicht mag? Oder wie oder was? Da zerfasert es, und ich habe das Gefühl, der Autor war sich unsicher und hat mal lieber ein paar Sachen mehr aufgeschrieben, als sinnvoll waren.
Lies mal ganz aufmerksam in deinen Büchern und guck, was dir auffällt. Wie werden die Szenen erzählt? Was liest du aus dem Text, ohne dass es in Wörter drinsteht?
Beispiel:
Sein Atem kondensierte in der Luft und er rieb sich die Hände, doch sie blieben taub. Vor Stunden war er gegen einen unter der Schneedecke begrabenen Stein gestoßen, doch er hatte nur das dumpfe Echo eines Schmerzes gespürt. Er wusste nicht, wie viele Tage er nun schon durch die Ödnis geirrt war - aber er wusste, dass er nur noch für drei Tage Dosenfleisch hatte.
Oder das ganze in länger:
Ihm war kalt und er fror erbärmlich. Seine Hände taten ihm weh und seine Füße schmerzten. Sicher hatte er sich Erfrierungen zugezogen und bald würde auch seine Nase abfallen. Vielleicht war sie sogar schon schwarz geworden. Überall lag Schnee, bis zum Horizont, seit Tagen schon war es kalt. Er hatte natürlich Proviant dabei und das hatte er auch die letzten Tage verzehrt, so dass nur noch ein kleiner Rest von dem Dosenfleisch übrig war. Momentan wusste er nicht, wie viele Tage er schon unterwegs war. In der Gegend sah alles gleich aus und es gab nichts, woran man sich orientieren konnte. Nur in der Nacht gab es die Sterne, die ihn leiteten. Er erschrak, als er daran dachte, dass er nur noch für drei Tage Dosenfleisch hatte. Was sollte er nur danach machen? Ob er irgendwo unterkommen würde? Oder nicht?
Ich hab das eine da oben mal ganz knapp gehalten und das darunter aufgeblasen. Sicher liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Wenn es spannend wird, dann erzählt man halt schneller, wenn man Szenen beschreibt, lässt man sich Zeit und holt Luft. Abwechslung ist wichtig.
Nur halt einfach den Leser nie langweilen! Das ists eigentlich.
Bis bald,
yours