Wengors Schuld
Hallo!
Dies ist meine erste Kurzgeschichte. Also bitte nicht zu hart mit der Kritik!
Wengor und das Mädchen
Wieder einmal streifte Wengor durch den Wald. Er genoss die Morgenstunden in denen der Tau noch auf den Pflanzen glänzte und sog die kühle Luft ein. Es gab für ihn nichts erfrischenderes als einen Spaziergang, umgeben von der duftenden Natur.
Die ersten Vögel zwitscherten, doch ansonsten herrschte wohltuende Stille.
Fröhlich pfeifend schlenderte der Zwerg auf den Waldrand zu.
Dort befand sich ein armseliger Bauernhof. Soweit Wengor wusste, hatte Albert das Grundstück erst vor wenigen Tagen erworben. Das Haus und die angeschlossene, kleine Scheune waren in einem sehr schlechten Zustand. Lange Zeit hatte hier niemand gelebt. Fensterläden hingen schief in den Angeln und das Dach leckte durch mehrere Stellen. Ein Grossteil der Bretter an der Scheune waren morsch und mussten ausgetauscht werden. Auch der kleine Acker, nur einen Steinwurf vom Haus entfernt, sah vernachlässigt aus. Bevor ein Pflug eingesetzt werden konnte, gehörten Steine und Unkraut entfernt.
Wengor näherte sich vorsichtig einem Ginsterbusch, hinter dem er sich versteckte. Durch die Zweige spähend beobachtete er den Hof. Er wollte nicht entdeckt werden.
Die alten Zwerge sprachen meist sehr schlecht über die Menschen.
Sie sind gefährlich! klangen ihre Stimmen in seinem Kopf. Die Menschen nehmen uns gefangen und beuten uns dann aus! Wenn die Menschen uns sehen, dann erschlagen sie uns, weil sie vor uns Angst haben!
All dies hörte er immer wieder. Vielleicht gab es auch solche Menschen, doch er hatte stets gute Erfahrungen mit ihnen gemacht. Er hatte noch keinen Menschen gesehen, der bösartig gewesen wäre.
Daher half er ihnen wo er konnte. Das hatten schon seine Vorfahren vor Urzeiten getan. Aus Erzählungen und alten Lehrbüchern der Magie, dessen Studium er sich seit kurzer Zeit widmete, hatte er erfahren, dass Menschen und Zwerge vor vielen Hundert Jahren friedlich zusammengelebt hatten. Man achtete einander und half sich gegenseitig.
Aus den Büchern hatte er erfahren, dass die Menschen das Bergbauhandwerk von den Zwergen erlernt hatten. Und die Zwerge wiederum den Ackerbau und die Urbarmachung von Land von den Menschen. Doch immer öfter geschah es dann, dass die Zwerge gefangen genommen und zur Sklaverei gezwungen wurden. Den Menschen wurde ihr Profit und die Vergrösserung ihrer Macht wichtiger, als ein friedliches Zusammenleben. Daher entfernten sich die Rassen immer weiter voneinander und die Zwerge zogen sich in die Wälder zurück. Heute galten sie gar als Fabelwesen und nur noch sehr wenige Menschen glaubten an ihre Existenz.
Wengor war noch sehr jung und hatte sich vorgenommen die alte Tradition des Zusammenlebens wieder herzustellen. Doch die Warnungen der Ältesten gingen nicht spurlos an ihm vorüber. Voll und ganz traute er den Menschen nicht. Daher hatte er sich bislang stets im Verborgenen gehalten und nur heimlich geholfen. Doch das reichte ihm nicht mehr. Um die alte Tradition wieder ganz aufleben zu lassen, wollte er endlich wieder mit den Menschen zusammen arbeiten. Daher hatte er Albert die letzten Tage genau beobachtet um sich ganz auf ihn einstellen zu können. Heute wollte er den ersten Versuch wagen, sich ihm gegenüber zu stellen.
Als er vorsichtig durch den Ginsterbusch lugte, hörte er leise die Tür von Alberts Haus knarren. Doch nicht der, sondern ein junges Mädchen trat heraus. Sie hatte einen hölzernen Eimer in der Hand. Wengor stockte der Atem. Er hatte nicht gewusst, dass Albert eine Tochter hatte und sah sie interessiert an. Sie ging zum Brunnen der vor dem Haus stand und trug die schlichte Bekleidung der armen Bauern hier in der Gegend. Ihr strohblondes, lockiges Haar fiel dem Mädchen auf die Schultern und tanzte lustig in der leichten Brise die sich erhoben hatte. Anmutig näherte sie sich dem Brunnen und begann die alte, rostige Kurbel zu drehen.
Wengor neigte den Kopf ein wenig und beobachtete sie begeistert.
Wie schön sie ist! Dachte er und er spürte, wie sein Herz anfing heftiger zu schlagen.
"Geht es Gwenda, oder soll ich dir helfen?" tönte Alberts Stimme aus dem Haus.
"Nein Vater, ich schaffe es alleine!"
Wengor schloss die Augen als er den Klang ihrer Stimme vernahm. Noch nie in seinem Leben hatte er eine so helle und klare Stimme gehört. Auf der Stelle erfüllte sich sein Herz mit Liebe. Nur mit Mühe konnte er sich zurückhalten aus dem Busch zu treten, um sie besser sehen zu können. Von seinen Gefühlen aufgewühlt wartete er ab, bis das Mädchen wieder ins Haus gegangen war.
Mit zitternden Knien schlich er zurück in den Wald und machte sich auf den Heimweg.
Wegen dem Mädchen hatte er vollkommen vergessen, dass er gekommen war um Albert zu helfen. Gwenda ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Tag und Nacht dachte er an sie und vergass dabei, sich weiter seinem Studium zu widmen. Er vergass alle seine Pflichten und konnte sich auf nichts mehr konzentrieren. Jeden Tag schlich er zu Alberts Haus und beobachtete Gwenda. Sein Herz hüpfte jedesmal vor Freude, wenn sie erschien.
Wengor galt aufgrund seiner Vorliebe für die Menschen ohnehin schon als merkwürdig.
Als er sich aber nun nicht einmal mehr um sein Studium der Magie kümmerte, um das er die Ältesten lange angebettelt hatte, redeten sie von ihm schon als Spinner. Niemand wusste den Grund dafür, denn Wengor konnte ihnen nicht erzählen, dass er sich in eine Menschenfrau verliebt hatte. Jeder Zwerg hätte ihn daraufhin ausgelacht und er wäre nur mehr gehänselt worden.
Es war ihm durchaus bewusst, dass seine Liebe für alle Zeiten unerwidert bliebe, doch das störte ihn nicht. Es war Erfüllung genug für ihn, Gwenda nur betrachten zu dürfen.
Eines Tages, etwa zwei Wochen nachdem er sie zum ersten Mal gesehen hatte, wartete Wengor bereits den ganzen Vormittag sehnsüchtig auf Gwenda. Als sie, mit einem geflochtenen Weidenkorb in der Hand aus dem Haus trat, seufzte er tief.
Nachdem sie sich von ihrem Vater verabschiedet hatte, bewegte sie sich langsam auf den Waldrand zu. Genau zu der Stelle, an der Wengor sich versteckte. Der machte sich ganz klein und ihm stockte der Atem, als Gwenda dicht an ihm vorbei ging. Mit geschlossenen Lidern sog er den Duft ihres Körpers ein, der nach Blumenextrakten roch. Ein wohliges Zittern lief durch seinen Körper. Aufgeregt folgte er dem Mädchen in den Wald.
Bald stellte sich heraus, dass sie Pilze und Beeren sammeln wollte. Leise singend ging sie von Busch zu Busch und pflückte mit ihren schlanken Fingern geschickt die Früchte herunter. Hin und wieder kniete sie sich auf den Waldboden und schnitt mit einem kleinen Messer, dessen Griff kunstvoll von Albert aus einem Hirschgeweih geschnitzt worden war, Pilze ab.
Wengor begleitete sie die ganze Zeit und konnte sich nicht satt sehen an ihrer Erscheinung.
Sie waren nun schon fast zwei Stunden unterwegs und Gwendas Korb quoll über von Waldfrüchten und Pilzen, da vernahm Wengor einen leisen Pfiff. Zunächst ignorierte er ihn und hatte weiterhin nur Augen für das Mädchen, welches sich anschickte zum Haus ihres Vaters zurück zu kehren. Doch bald schon, folgte ein zweiter, diesmal lauterer Pfiff.
Wengor hatte ihn schon beim ersten Ertönen erkannt. Die Pfiffe stammten von Kogran, einem der wenigen Freunde von ihm. Kogran pfiff immer, wenn er in Schwierigkeiten war. Und er pfiff oft. Der junge Zwerg war im gleichen Alter wie Wengor und hatte ein sehr loses Mundwerk. Gerne legte er sich mit Waldgeistern an, um denen seine körperliche Überlegenheit zu demonstrieren. Kogran war sehr gross gewachsen und kräftig gebaut. Dadurch kam er nicht selten in schwierige Situationen und zwar immer dann, wenn er auf Wesen traf, die über Magie verfügten. Kogran verstand nichts von Zaubersprüchen und verliess sich daher auf seine Muskeln. Er war der Meinung, dass körperliche Kraft der geistigen überlegen war. Und obwohl sich diese Einstellung schon mehr als einmal als grosser Fehler erwiesen hatte, lernte Kogran nicht daraus.
Immer wieder brachte ihn sein 'grosses Maul', wie Wengor es nannte in Situationen, aus denen er alleine nicht mehr herauskam. Dann musste Wengor immer eingreifen. Er wusste zwar noch nicht viel über Magie, aber es reichte bisher immer aus um Kogran bei zu stehen. Doch Wengor hatte es langsam satt, seinem Freund ständig aus der Patsche zu helfen.
Als er einen dritten, diesmal besonders langen Pfiff vernahm, entschied er missmutig diesem doch zu folgen. Gwenda hatte sich bereits auf den Heimweg begeben und er würde sie morgen sicher wiedersehen. Er warf noch einen kurzen Blick auf sie und wandte sich dann in die Richtung, in der er Kogran vermutete.
Schon nach wenigen Minuten konnte er ihn auf einer Lichtung entdecken.
"Was ist denn nun schon wieder passiert? Und wieso stehst du da so stocksteif herum?" fragte Wengor vorwurfsvoll.
"Frag nicht, Wengor! Frag nicht. So gefährlich sah er gar nicht aus. Sicherlich weiss jeder, dass sie gefährlich sein können. Aber bei dem hatte ich nicht das Gefühl!"
"Ja ja, wie immer. Hat dein grosses Maul sich mal wieder selbständig gemacht?" Das war mehr eine Feststellung, als eine Frage.
"Ich sagte doch, dass er klein und irgendwie unbedeutend ausgesehen hat."
"Wer denn nun?"
"Kennst du dich mit Leshyzauber aus?"
"Leshyzauber? Du hast dich mit einem Leshy angelegt? Das ist doch nicht dein Ernst?"
Wengor war fassungslos. Kogran hatte recht, jeder wusste, wie gefährlich diese kleinen Waldgeister waren. Auch Kogran selber. Daher verstand Wengor ihn um so weniger. Sie hatten nicht nur gefährliche Zauber, sondern liebten es andere Wesen in die Irre zu führen. Nur zauberkundigen gelang es, sich deren Willen zu entziehen.
"Was um alles in der Welt, hast du dir dabei gedacht?" Wengor schüttelte den Kopf.
"Du wirst aber auch nie schlau aus deinen Fehlern werden. Der Leshy hat also den Unbeweglichkeitszauber auf dich ausgesprochen, habe ich Recht?"
Kogran sah seinen Freund missbilligend an.
"Was meinst du warum ich hier sonst so herumstehe? Kennst du nun ein Mittel dagegen?"
Wengor lachte innerlich. Ja, er kannte einen Gegenzauber. Aber diesmal wollte er Kogran noch ein wenig zappeln lassen. Das sollte eine Lehre für ihn sein.
"Mit welchen Worten hat der Leshy dich gebannt?"
"Wie, mit welchen Worten? Er hat drauflosgeredet und ich konnte mich danach nicht mehr bewegen! Glaubst du ich habe dabei auf jedes einzelne Wort geachtet?" Empörung schwang in seinen Worten.
"Das ist aber wichtig. Es gibt nicht nur einen Unbeweglichkeitszauber. Und um dich befreien zu können muss ich wissen, welchen er bei dir angewandt hat."
"Na dann wende doch alle Gegenzauber an. Bestimmt ist es der schwierigste, denn der Leshy ist sehr wütend gewesen. Sogar als er davongestapft ist, hat er noch wilde Flüche ausgesprochen. Und nun mach schon. Ich will nicht ewig hier herumstehen!"
Gerade wollte Wengor ihn von dem Fluch befreien, da fiel ihm Gwenda ein.
"Bei meinen Ahnen! Wohin ist der Leshy verschwunden?" Voller Sorge drehte er sich nach allen Seiten um.
"Ist doch egal! Er ist weg und nun fang endlich an!"
"In welche Richtung ist er gegangen?" fragte Wengor, diesmal eindringlicher als zuvor.
Kogran deutete wage in die Richtung, aus der Wengor gekommen war.
"Du hättest ihm fast begegnen müssen, als du hergekommen bist. Was ist denn so wichtig ... "
Er stockte mitten im Satz, denn Wengor hatte sich auf der Stelle umgedreht und war davongeeilt.
Gwenda! Bei meinen Ahnen, hoffentlich ist ihr nichts zugestossen. Die Angst in seinem Gesicht war deutlich zu erkennen. Wengor hastete durch das Unterholz zu der Stelle, an der er Gwenda zuletzt gesehen hatte. Er suchte ihre Spur. Doch so sehr er sich auch bemühte, konnte er auf dem Waldboden keinen Hinweis finden. So beschloss er zum Hof ihres Vaters zurückzukehren um zu sehen, ob sie sicher nach Hause gekommen war.
Als er dort mit keuchendem Atem ankam, sah er Albert auf der Türschwelle stehen. Offensichtlich wartete er auch auf Gwenda, denn er schaute sich immer wieder nach allen Seiten um. Sie war noch nicht zu Hause! Wengor bekam es mit der Angst zu tun. Immer wieder versuchte er sich selber zu beruhigen.
Sie wird einen anderen Weg gegangen sein. Bestimmt wollte sie noch Blumen auf der Wiese pflücken. Frauen machen soetwas oft!
Doch je länger der Tag andauerte, um so grösser wurde seine Angst um Gwenda. Es dämmerte bereits und sie war noch nicht zurückgekehrt. Auch Alberts Mine zeigte sich immer sorgenvoller.
Wengor hielt es nicht mehr aus. Er lief zurück in den Wald und suchte alle Plätze ab, an denen er sie vermutete. Die ganze Nacht verbrachte er damit und rannte zwischendurch immer wieder zu Alberts Hof. Doch auch dort tauchte sie nicht auf.
Niedergeschlagen kehrte er in seine Höhle zurück und überlegte, was er nun machen sollte.
War sie wirklich dem Leshy begegnet? Oder gab es eine andere, viel einfachere Lösung?
Wengor fand keinen Schlaf. Nicht in dieser Nacht und nicht in der nächsten. Er begann sich schwere Vorwürfe zu machen. Warum hatte er sich bloß hinreissen lassen, diesem Trottel von Kogran zu helfen? Ohne ihn hätte er bei Gwenda bleiben und ihr helfen können. Aber nun war sie verschwunden. Immer wieder durchkämmte er die Gegend, immer noch hoffend seine Liebste zu finden. Doch er blieb ohne Erfolg. Wengor hatte auch überlegt sich von einem der Ältesten helfen zu lassen. Doch er schämte sich seiner Liebe zu sehr. Er verfluchte sich, dass er sich nicht intensiver dem Studium der Magie gewidmet hatte. Es gab mehr als einen Zauber, mit dessen Hilfe man Etwas oder Jemanden aufspüren konnte.
Als er nach einer Woche immer noch keinen Erfolg gehabt hatte, hielt er es nicht mehr aus. Seine Verzweiflung hatte sich so sehr gesteigert, dass er nun doch einen der Ältesten um Rat fragte. Er wandte sich an Torkul, den mächtigsten Magier, den er kannte. Zwar war es ihm immer noch peinlich in eine Menschenfrau verliebt zu sein, doch seine Sorge um Gwenda war stärker. Torkul hatte weder Hohn noch Spott für ihn übrig, sondern wollte sofort zu der Stelle, an der Wengor das Mädchen zuletzt gesehen hatte. Schnell fand er dort dessen Spur und mit Hilfe seiner Magie konnten sie ihr folgen.
Bald darauf erkannte der Magier noch eine zweite Spur, diesmal von einem Leshy!
Also doch! Wengors schlimmste Befürchtungen, waren eingetreten und er trieb Torkul zur Eile. Immer tiefer drangen sie in den Wald ein und in Wengor stieg großes Unbehagen auf.
Sie befanden sich mittlerweile an einer der unzugänglichsten Stelle des Waldes. Dichtes Gestrüpp erschwerte ihr Vorkommen und der Zwerg war sich sicher, dass Gwenda nie und nimmer freiwillig hierher gegangen wäre. Seine Angst um sie wuchs von Minute zu Minute.
Schließlich blieb Torkul, der mehrere Meter vor Wengor ging, an einem kleinen Abhang stehen. Er wandte sich um und schaute Wengor traurig an.
"Was ist? Warum bleibst du stehen?" fragte er voller Angst. Doch er ahnte es bereits.
Langsam trat er an den Abhang heran und schaute hinunter.
Sie hatten Gwenda gefunden.
Regungslos lag sie am Boden und als Wengor sie erblickte, konnte er sich aus Angst und Sorge zunächst nicht bewegen. Torkul stieg vorsichtig hinab und untersuchte das Mädchen. Wengor litt schwere Qualen, denn sogar von hier oben war ersichtlich, dass sie nicht mehr lebte. Wengor hielt es nicht mehr aus. Er stieg den Abhang herunter. Torkul trat einen Schritt zur Seite und schaute ihn traurig an.
Gwenda lag mit dem Gesicht am Boden. Ihre Kleidung war an mehreren Stellen eingerissen und ihr einst lockiges, blondes Haar klebte verdreckt und platt an ihrem Kopf.
In der Hoffnung, dass sie selbst im Tode noch wunderschön sei, drehte Wengor sie vorsichtig um. Als er in ihr Gesicht blickte, zerbrach etwas in ihm. Mit offenen Augen starrte sie ihn an und er konnte Entsetzen darin sehen. Ihre Wangen waren zerkratzt und aus ihrem verzerrten Mund hing ihre Zunge heraus. Wengor schloss die Lieder und fühlte Tränen in sich aufsteigen. Was war bloss geschehen? Fragend sah er Torkul an.
"Sie muß tagelang herumgeirrt sein. Soweit ich es feststellen konnte, ist sie erst vor kurzem gestorben. Bei dem Sturz hier runter, hat sie sich das Genick gebrochen. Es tut mir leid."
Erst vor kurzem! schoss es Wengor durch den Kopf.
Diese Erkenntnis, traf ihn wie ein Axthieb.
Es ist alles meine Schuld. Wäre ich bei ihr geblieben, dann lebte sie noch. Hätte ich eifriger studiert, hätte ich sie alleine finden können. Warum nur, bin ich nicht früher zu Torkul gegangen? Auch damit hätte ich ihr das Leben gerettet.
Doch alle Wenn und Aber halfen nun nichts mehr.
Torkul erkannte den Schmerz Wengors und ließ ihn alleine. Er wusste, dass es keine tröstenden Worte für ihn gab.
Unter Tränen fing Wengor an ein Loch zu graben. Er hatte beschlossen Gwenda hier zu beerdigen. Er brachte es nicht übers Herz ihren toten Körper zu Albert zu bringen.
Auch er gäbe ihm die Schuld an dem Tod seiner einzigen Tochter.
Nachdem er die Arbeit erledigt hatte, kniete er sich vor das kleine Grab und nahm Abschied.
Voller Trauer machte Wengor sich dann auf den Heimweg. Unterwegs quälten ihn seine Gedanken und die Schuld die er sich aufgeladen hatte beugte seinen Rücken. Immer wieder blieb er stehen und versuchte sich Gwendas liebliches Gesicht in Erinnerung zu rufen.
Statt dessen sah er immer nur, wie er sie umdrehte und dann in ihre entsetzten Augen schaute.
Du bist schuld an ihrem Tod! war alles was er denken konnte.
Er zog sich in seine Höhle zurück und verbot allen außer Torkul sie zu betreten.
Von ihm ließ er sich Bücher und Schriftrollen bringen.
Wengor hatte einen Entschluß gefasst. Nichts und niemand sollte ihn mehr ablenken, von seinem Studium. Vielleicht konnte er so einen Teil seiner Schuld abtragen, die nie aufhörte ihn zu quälen. Wie besessen lernte er fortan und verliess seine Höhle überhaupt nicht mehr. Viele Hundert Jahre lang widmete er sich nur dem Studium der Magie.
Dadurch wurde er mit der Zeit der größte Zwergenmagier seit dem mächtigen Bolmot.
Und noch immer denkt er jeden Tag an Gwenda, die er nie aufhörte zu lieben.