Welcome Jack
Bitte treten Sie von den Stufen, die Bahn kann sonst nicht weiter fahren, ertönt es laut und mit Nachdruck aus dem Lautsprecher. < Na los beeilt euch, ich kann die Bahn nicht ewig aufhalten > schreit Pia ihren Freundinnen entgegen. Zur Freude aller mittlerweile entnervten Bahngästen stürmten kichernd und nach Luft ringend die drei Mädels die von Pia´s Fuß festgesicherte Bahntür und begeben sich zu dem noch letzten nicht belegten Vierer im vorderen Teil des Abteils.
Erleichtert sinken sie in die Sitze und nach einer kurzen Verschnaufpause ließen die Mädels ihren ereignisreichen Abend revue paßieren. Außer Pia, sie formte ihren Pulli zu einem Kissen und legte ihn zwischen ihrem Kopf und der Fensterscheibe der Bahn und döste vor sich hin. < Flughavenstraße> tönte es laut doch diesmal freundlicher aus dem Lautsprecher.
Pia erschrack, denn die dreiviertelstündige Fahrt verging wie im Flug, etwas desorientiert schnappte sie sich ihren Pulli stieg schwankend über die Beine ihrer ebenfalls dahin dösenden Freundinnen und stieg durch die schon geöffnete Bahntür aus.
Es war Spätsommer und eine kalter Brise bließ ihr ins Gesicht, ihr noch schlaftrunkender Körper zuckte zusammen. Ein kurzer Blick auf ihre Armbanduhr verriet ihr, dass sie sich zu beeilen hatte, denn der letzte Bus der sie bis zu ihrer Haustüre brächte würde in zwei Minuten an der doch ein gutes Stück entfernten Bushaltestelle ankommen.
Es gab nur ein Problem: Pia´s Füße, die hatten den ganzen Abend in den neu erworbenen super schicken doch völlig gehuntauglichen Absatzschuhen gesteckt und nach dem Record verdächtigen Sprint zur Bahn haben sie zur Revolte ausgerufen. Schmerz geplagt und eher humpelnd als laufend schleppte Pia sich zur Bushaltestelle, jedoch erbarmungslos fuhr der Bus kurz vor erreichtem Ziel an ihrer Nase vorbei.
Ein Mann um die Vierzig, der mit ihr aus der Bahn ausgestiegen war ereilte das selbe Schicksal doch unbekümmert von diesem, überquerte er auf direktem Wege die vor ihnen liegende Kreuzung. Die neu erworbenen Schuhe hatten Pia´s Budget völlig gesprengt, ein Taxi kam also nicht in Frage und der Versuch ihren Vater zu erreichen damit er sie mit dem Aoto abholte schlug fehl als sie feststellte, das ihr Guthaben auf dem Handy verbraucht war.
Fluchend zoge sie ihre Schuhe aus und begab sich ebenfalls über die Kreuzung Richtung Heimweg.
Der etwa fünfundzwanzigminütige Fußweg führte durch die Engländersiedlung, als sie noch ein kleines Mädchen war zog es sie oft in die Engländersiedlung. Sie kannte sie wie ihre Westentasche, alle Abkürzungen und geheimen Plätze. Die meiste Zeit verbrachte sie in dem Garten des "Hasenmannes", ein liebenswerter alter, weißbärtige Mann dessen Hobby es war Hasen zu züchten und ein kleines Mädchen konnte man mit kleinen, wuscheligen Hasenbabys und Brownies mit kalter Milch schwer beeindrucken. Dort lernte sie auch seinen Enkelsohn kennen , er war etwa im gleichen Alter wie Pia und trotz der Sprachbariere tat es ihrer Freundschaft keinen Abbruch, sie tollten fort an gemeinsam durch die "geheimen" Wege.
Doch das war damals, Hasenbabys hatten ihre Faszination verloren, Brownies wurden zu dickmachern declariert und Kinder tollten schon lange nicht mehr durch die Engländersiedlung, denn die meisten Häuser standen leer und zum Verkauf.
Ein ungutes Gefühl überkam Pia und riß sie aus ihren Gedanken. Ihre Sinne sind geschärft, sie hört ihr wie wild schlagenes Herz pochen, die Angst schnürrt ihr langsam doch unerbittlich die Kehle zu. Schritte, immer lauter und schneller werdende Schritte hallten in ihren Ohren. < Bleiben sie ruhig, behalten sie Ihr Schritttempo bei und nehmen Sie sich Ihren Haustürschlüßel zu Hand, so signalisieren Sie Selbstsicherheit gegenüber den Verfolger >, schoß es ihr in den Kopf. < Der gut gemeinte psychologische Rat aus dem Artikel stammte eindeutig von einem Mann aber der Schlüßel kann ja nicht schaden. Vielleicht bilde ich es mir ja auch nur ein und der vermeintliche Verfolger hat es nur eilig >
Jede einzelne Faser ihres Körpers ist angspannt und das Bedürfnis sich umzudrehen und dem vermeintlichen Verfolger ins Angesicht zu schauen ist größe als die lähmende Angst sich umzudrehen. Pia riß sich zusammen und warf einen Blick über die Schulter. Der Verfolger war etwa 100 Meter von ihr entfernt und verlangsamte sein Tempo sofort als er merkte das Pia ihn anschaute.
<Das ist doch der Typ der mit mir ausgestiegen ist, woher kommt der aufeinmal?>
Ihr Blick schärfte sich, sie geht wie der Verfolger auf dem Bürgersteig der rechten Straßenseite, alle Häuser die sie umgeben waren verlassen. Bäume schlagen bedrohliche Schatten die sie zu warnen scheinen, sie hebt ihr Schritttempo leicht an und läßt den Schlüßelbund in ihrer rechten Hand wie die eines Wärters heißungsvoll erklingen.
Die Schritte werden wieder schneller und provozierend lauter und erscheinen Pia bedrohlich nahe. Ihr Atem ist kurz und schwer, sie wirft wieder einen Blick über die Schulter und sieht wie der Verfolger ertappt um die Ecke in eine Seitenstraße huscht.
Höchstens 50 Meter ist der Verfolger noch entfernt, weit und breit keine Menschen Seele nur sie und der Verfolger. Pia ´s Schritttempo wird noch schneller, ihre Füße geben keinen Mucks mehr von sich. Sie wagt es nicht zu rennen , noch nicht. Sie zählt ihre Schritte wie zu einem Countdown, denn die Straße würde gleich einen Bogen schlagen und sie währe vielleicht 30 Sekunden oder sogar einen Minute außer Sichtweite für den Verfolger, der leise seine Jagd wieder aufnahm
<20, 21, 22, 23> Pia geht um die Ecke,sie weiß er ist ihr auf den Fersen. In Sekundenschnelle wandert ihr Blick über alle Häuser. <Licht> Direkt vor ihr sind drei Häuser in denen noch Licht brennt, ohne zu überlegen rennt Pia zu dem nächst gelegenen Haus und klingelt Sturm.
Es vergehen fünf Sekunden, Pia klingelt erneut hilflosigkeit steigt in ihr hoch. Den Blick hat sie fest auf die Straße gerrichtet wo der Verfolger jeden Moment auftauchen kann. Die Tür öffnet sich, und ein Junge Anfang zwanzig über dessen Kopf ein Banner mit den Worten "Welcome Jack" hängt, schaut Pia erwartungsvoll an.
Leitungskurs Englisch und der einziege Satz den Sie raus bekommt ist <Help me>. Der Junge schaut Sie fragend und verwundert an und indem Moment huscht der Verfolger um die Ecke auf Pia zu. Pia bleibt wie versteinert stehen , ihre Augen schauen den Jungen panisch und hilfe flehend an. Der Junge reagiert sofort, schiebt Pia hinter sich und stürmt auf den Verfolger zu. Der Verfolger ergreift die Flucht und verschwindet im dunkeln.
< Ist alles mit dir in ordnung, gehts dir gut?> fragte besorgt der Junge mit den ihr vertrauten braunen Augen. <Ich weiß nicht recht, bin etwas verwirrt.> entgegnete Pia. < Schöne Schuhe hast du da, grinste der Junge sie an und zeigt auf ihre linke Hand in der sie ihre Schuhe fest hielt. Komm doch erstmal mitrein, mein Großvater wird sich freuen dich nach so langer Zeit wieder zu sehen.>
< Gibt es auch Brownies und kalte Milch?>
< Of course>
<Woher hast du eigentlich so gut Deutsch gelernt Jack?>
<Erzähl ich dir gleich aber die Geschichte warum du in Söckchen durch die Nacht läufst ist wohl interessanter>