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Welch ein glücklicher Mann bin ich

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24.06.2002
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Welch ein glücklicher Mann bin ich

Welch ein glücklicher Mann bin ich

Fremde Gesichter, fremde Stimmen,
Fremde Menschen um uns herum.
Geräusche und Bilder verschwimmen,
Und ich beobachte Dich stumm.
Und ich seh' Dich dies Lächeln tragen,
Von dem ich weiß, es ist für mich.
Stünd' ich bei Dir, ich würd' Dir sagen:
Welch ein glücklicher Mann bin ich!

Wir sind uns so nah, daß wir meinen,
Uns ganz zu kennen mit der Zeit.
Manches will uns alltäglich scheinen
Und vieles Selbstverständlichkeit.
Dann ist es gut, abseits zu stehen,
Um Wohlvertrautes rings um sich
Mit neuen Augen anzusehen.
Welch ein glücklicher Mann bin ich!

Und es ist gut, zurückzudenken,
An all' die Stürme ohne Zahl.
Du magst Dich tausendmal mir schenken,
Es ist immer das erste Mal.
Was mir an Glück begegnen sollte,
Bist du heut mehr denn je für mich,
Und alles, was ich jemals wollte!
Welch ein glücklicher Mann bin ich!

(Copyright by Reinhard Mey)

Als er ihre Lippen auf seiner Stirn fühlte, schlug er die Augen auf. So geweckt zu werden, fand er, war einfach die schönste Art, den Tag zu beginnen.

„Liebling, der Kaffee ist fertig.“, flüsterte Lisa sanft.

Mit einem wohligen Seufzen streckte er die Arme nach ihr aus, zog sie an sich und genoss die Wärme, die von ihr ausging.

„Okay, Kleines, ich stehe schon auf.“, murmelte er, noch schlaftrunken, bevor er vorsichtig ein Bein aus dem Bett streckte. "Nun komm schon, Du Faultier“. Mit einem zärtlichen Nasenstüber versuchte Lisa, ihrem Weckversuch Nachdruck zu verleihen. „Die Kinder warten schon am Frühstückstisch.“

Der Gedanke an die kleinen Racker, die er über Alles liebte, ließ ihn endgültig munter werden. Während Lisa in die Küche zurück ging, schlüpfte er schnell aus dem Bett und in den Bademantel und verschwand flugs im Badezimmer.

Rolf liebte die Wochenenden. Gemeinsam mit der Familie frühstücken, schöne Spaziergänge, Harmonie und Liebe in jedem Wort, in jeder Geste. Wenn er die Augen schloss, sah er die Bilder vor sich, hörte Lisas glockenhelles Lachen, mit dem sie ihn jedesmal zu verzaubern verstand.

„Welch ein glücklicher Mann bin ich“ jubelte er innerlich und schenkte seinem Spiegelbild ein strahlendes Lächeln.


Die Tür wurde aufgerissen. Der Hund sprang aufs Bett und leckte mit seiner langen Zunge quer durch sein Gesicht. In der offenen Tür konnte Rolf seine Frau erkennen. Lisa trug wieder den ihm verhassten rosa Jogginganzug, der ihr eine fast unheimliche Ähnlichkeit mit Miss Piggy verlieh. „Los!“, keifte sie. „Heb schon Deinen Hintern aus dem Bett. Wir haben eine Menge zu erledigen und die Bälger plärren mir schon seit Stunden die Ohren voll.“

Gern wäre er noch ein wenig im Bett geblieben, hätte einfach seinen Gedanken nachgehangen und gemütlich vor sich hingedöst. Doch er wusste, Lisa würde keine Ruhe geben, wenn er nicht sofort ins Bad ging. Seufzend ergab er sich in sein Schicksal und als er sein Gesicht im Spiegel betrachtete, kamen ihm die Worte in den Sinn, die er im Traum gedacht hatte.

„Welch ein glücklicher Mann bin ich!“. Ein bitteres, gequältes Lachen quoll aus seiner Kehle, als er nach den Rasierklingen griff.

 

Hi whome!

Sehr kurze, fast schon zynische Geschichte, die den Leser ein wenig bedröppelt zurücklässt. :sad:
Als ich anfing zu lesen dachte ich mir schon wie überzogen harmonisch dieser Mann denkt, und umso heftiger wirktr dann der Wechsel zur unschönen Realität. Ich habe diese kleine Story gern gelesen; selbst wenn die ganze Situation nur kurz angerissen wird genügt das meiner Meinung nach, um sich anschließend ein paar Gedanken zu machen über diesen unglücklichen Mann, der sich jetzt nicht seinem schöne Traum hingeben, sondern mit seinem tristen Leben herumplagen muss.

LG
Ginny

 

Hallo Whome?

Am Anfang: er könnte so glücklich sein, alles so harmonisch... unrealistisch, aber schön. Dann: die Wirklichkeit, einig Etagen schlimmer, der Gegensatz ist gut. Seine Träume - die Realität. Eigentlich kein spektakulärer Gedanke, aber wie ich finde, durchaus gelungen geschriebn.
"Der Hund sprang aufs Bett und leckte mit seiner langen Zunge quer durch sein Gesicht" - ja, WAS für eine Art, geweckt zu werden :)

Reinhard Mey ganz am Anfag würde ich eher weglassen, wirklt auf mich eher befremdlich und hat so auch nicht viel am Anfang dieser Geschichte zu suchen (meine Ansicht).

schöne Grüße, Anne (die heute von einer Schlagbohrmaschiene aus dem Schlaf gerissen wurde)

 

Mit Schlagbohrmaschinen kann ich etwas anfangen, Maus. Die bohren in die Tiefe, suchen, rütteln auf.
Dieser Text kann das nicht, whome?.
Er hinterlässt bei mir dasselbe Fragezeichen, das auch deinem Pseudonym anhängt. Und: Versuch's ohne Unterstützung von R. Mey.

Liebe Grüße - Aqua

 

Hi Whome,

Als ich Deine Geschichte zu lesen begann, war mir von vornerherein klar, daß es nicht die Realität sein konnte, so harmonisch kann es nirgens sein.
Doch gerade der krasse Unterschied, den dieser Mann erfährt, nämlich, die Welt von der er träumt, und die Welt, so wie sie ist, macht den Charme der Geschichte aus.
Kurz, aber wirklich gelungen!
Liebe Grüße
Anja

 

Zur Erklärung:

Die Geschichte ist mein Beitrag zu einer Challenge mit der Aufgabe: Schreib eine Geschichte zu einem Song! Daher habe ich zur Einleitung den Liedtext mit veröffentlicht. Grundsätzlich kann die Geschichte natürlich durchaus auch allein stehen.

Lieben Gruß
whome?

 

Servus Whome?

Es sind zwei Möglichkeiten wie Leben sein können, beide erscheinen mir, nicht durch dich als Schreibenden, sondern aus Sicht des Prot. sehr oberflächlich betrachtet. Weder ist der Anfang kuschelig warm noch das Ende ergreifend oder dramatisch.

Was ich aber hier überhaupt nicht negativ, sondern gut getroffen ansehen würde. Es ist der Lebensansatz vieler Menschen alles entweder unnötig verklärt oder angefressen frustig zu sehen. Irgendwie leben die meisten ihr Leben gar nicht, sondern dokumentieren es. Das hast du damit gut rübergebracht.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

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