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Hinter ihr ist dieser Junge auf dieser Schaukel, die quietscht. Der Junge schaukelt nur ganz leicht, immer hin und her und jedes Mal schreit die Schaukel. Hin und her – quietsch, knarr – wieder hin…
Er soll still sitzen, die Schaukel ruhe geben!
Es ist Frühsommer und alles ist ihr irgendwie lästig: die verblühte, weiße Pracht über ihrem Kopf, der See, über dem ein Schleier von Dunst liegt, die Berge dahinter sind alle irgendwie gleich.
Das Schlimmste ist diese Schaukel, die quietscht.
Eigentlich ist es nicht die Schaukel, die sie so aufregt. Sie ärgert sich über sich selbst, über ihre Planlosigkeit, ihre Unentschlossenheit.
Sie hat keinen richtigen Plan und das ist auch Sinn der Sache, aber trotzdem!
Eine Zugreise will sie machen, dort aussteigen, wo es ihr gefällt. Sie will leben, sie will etwas erleben. Vor allem will sie eine Idee finden, ein Ziel auf einer Reise, die kein bestimmtes Ziel haben soll.
„Der Weg ist das Ziel und das Ziel ist ein Lebensplan.“ Was für ein verworrener Gedanke!
Sie ist an einer Milchkanne von Bahnhof ausgestiegen, hat das Gepäck in der winzigen Tourist-Information abgestellt und nach einem schönen Ort für den Nachmittag gefragt; eine einfache Übung für den Anfang des Weges.
Natürlich ist dar Ort schön, die Landschaft ist unberührt, einsam und erfrischend. Aber als sie nun im Schatten sitzt und die Schaukel immer lauter quietscht, zweifelt sie doch.
Vielleicht hätte sie weiterfahren sollen in eine Großstadt, in der alles so schnell ist, dass sie nicht denken muss, sondern über ihr Ziel stolpern kann; einfach so.
Das Quietschen wäre in der Stadt ganz anders, es würde dorthin passen, nicht stören, sondern Teil der Stimmung sein.
Sie dachte, sie suche nach Ruhe, aber jetzt als das perfekte Bild von Ruhe vor ihr liegt und sogar der Junge nicht mehr schaukelt, ist sie sich sicher, sie sucht nicht nach Ruhe, nach Raum zum Denken, sondern nach Handlung.
Denken kann sie später wieder, dazu ist immer Raum, dazu muss sie nicht weg, das kann sie überall. Jetzt ist Zeit zu handeln, zu erleben.
Sie steht auf, der Junge darf weiter schaukeln, sie wird weiter ziehen.