Weite Wanderung
Ich wanderte entlang des Flusses der Gedankenlosigkeit. Begleitet von meinen Phantasien, ohne zu ahnen, an meinem Ziel vorbeigelaufen zu sein. Um an Orten zu verweilen, blieb keine Zeit. Wollte mehr sehen, fühlen und schmecken. Winkte nur, rief "hallo".
Weiter, nur weiter fort. Was wartet hinter des Flusses Biegung?
Die Klarheit des Nasses und das Rauschen der Wasserschnellen betäubte Aug´ und Ohr. So brachte ich endlose Meilen des Erlebens hinter mir.
Doch dann sah ich etwas Unerwartetes.
Woher kam das welke Laub, das an den Ufern lag? Warum war die Sonne von Wolken verhangen? Mit Entsetzen nahm ich mein Gesicht im Spiegel des Flusses wahr.
Ich hatte, was geschehen, heraufbeschworen; denn ICH war verblüht und welk.
Enttäuscht und voller Bitterkeit senkte ich mein Haupt und gedachte der gesteckten Ziele, die nun verloren waren. Kraftlos war die Mündung nicht zu erreichen. Seufzend wandte ich mich der Dämmerung zu und trat müde den Rückweg an.
Wieder auf und ab, Orte, stumme Gesichter, diesmal kein Winken, nur wissend fragende Blicke.
Nach ungezählten Meilen schleppenden Schrittes wurde mein einziger Begleiter schmaler und seichter. Musik drang an mein Ohr. Der Fluß, er war´s, der mir von Träumen, Qualen, Liebe und Leid sang.
Ein wundersames Empfinden überkam mich. Liebkosend fing ich jedes Wort mit meinen Fingerspitzen und bewahrte die schönsten Melodien in meinem Herzen auf. So gelang ich gedankenverloren an einen stillen, unbewohnten Ort und vermißte plötzlich den Fluß.
Wo war er? Sang er nicht mehr?
Nein, ich war es, die die letzten Meilen gesungen hatte!
Verwirrt sah ich mich um. - Dort, in einer Felsspalte verschwand er in dunkle Tiefen.
Seine Geburt, - seine Quelle!
Und ich war ebenfalls zurückgekehrt. Zurück nach langer Wanderung, mit neuem Bewußtsein und voller traumhafter und die sinneraubender Melodien.
Aber alt war ich nun. Und meine letzten Tage verbrachte ich damit, die Quelle in Einsamkeit zu bewachen.
Des nachts hört man meinen Gesang, den mein junger alter Freund mit sich in die Dunkelheit nimmt, um ihn irgendwann und irgendwo einer Seele ins Herz zu brennen.