...weil es ihr liegt
...weil es ihr liegt
Es war eine späte Nacht, in der sie sich trafen. Sie lebten nicht in der gleichen Stadt, doch ein innerer Leitwolf, der stärker war als alles andere, forderte sie auf, nicht still zu stehen, nicht das Leben an sich vorbeiziehen zu lassen, forderte sie auf, einander zu sehen, für eine Weile alles andere um sich herum zu vergessen. Und wenn sie diesen magischen Augenblick geschehen ließen, würde die Welt vielleicht wirklich für einen Moment still stehen.
Oder ist das nur eine Illusion?
Sieht die Welt denn schon so aus, wie sie uns in zahlreichen Science-Fiction Streifen gezeigt wird. Gaukeln wir uns alle den Sinn des Lebens nur vor?
Was ist das da draußen für eine Wirklichkeit?
Eine Scheinwelt, in der wir gefangen sind, wie in einem Muster, einer Raute, ein vorgestrickter Lebenslauf, eine Zwangsjacke?
Helen wollte sie ausziehen.
Es geschah nicht von heute auf morgen. Es dauerte länger, über Tage? Nein, über Monate. Ein riskantes Spiel, ein Spiel um mehr, als ihr lieb war.
Sie liebte, und das unbändig.
Doch es gab Finn. Alles an ihm war magisch. Die Magie lag in seinem Innern, tief vergraben. Doch Helen erkannte ihn und sein Spiel. Sie liebte es. Mehr als ihr Leben, aber nicht mehr als ihre Liebe.
Wofür lebt man?
Es ging ganz schnell. Ganz anders als die letzten Tage, die letzten Wochen. Sie sahen sich nicht oft, es war der Reiz, der die Forderung perfektionierte. Und wenn sie sich sahen, flammte alles auf. Ein kleines Wunder herrschte, denn die Flammen waren kompromisslos, nichts hielt sie in diesen Momenten auf und doch explodierte der entzündbare, ungeduldig darauf wartende Kern nicht. Vielleicht, weil er so etwas Wertvolles, von den Menschen verkanntes Gut in sich trug. Vielleicht auch, weil er erst einmal größer werden wollte, mächtiger als sein Pendant im anderen Körper.
Es traf alles ganz unerwartet ein. Es begann alles sehr seltsam. Helen & Finn, sie kannten sich nicht, doch sie trugen die gleiche Last in sich, sie waren gefangen, sie liebten, doch sie waren gefangen.
Helen streifte sich ihren Sommerrock über, schneeweiß, weich fließend, ihresgleichen schön. Sie ging in die Stadt, sie ging gerne aus, die Menschen in der Stadt waren faszinierend. Der Großteil schwamm zwar im Einheitsbrei, doch das sah Helen nicht, ihre Augen waren auf andere Dinge spezialisiert. Es war vielleicht die Gabe, die nicht jeder Mensch besitzt, doch Helen wandte sie an, tagtäglich, es war ein Geschenk für sie, das ihr gefiel. Es befriedigte sie, eine innere Wohltat und doch ein unbändiger Schmerz, ein Schrei, der keinen Widerhall fand. In sich balancierte, nie zur Ruhe kam.
Helen hatte viele Vorzüge, die dieses Leben verlangt. Sie trug eine innere Zufriedenheit in sich, eine Gewissheit, dass alles, was kommt, doch kommen mag, sie würde nur darauf warten. Eine Balance, die ab und an ins Wanken geriet. Daran war etwas schuld, das sie liebte und gleichzeitig verabscheute.
„Und wenn ich fall, dann fall ich…“, dachte sie sich.
Sie wusste, irgendwann war dieser Zeitpunkt da, der sie überrennen würde, machtlos würde sie sich in seine Hände fallen lassen, die zähflüssige Masse würde ihren Körper bedecken, nichts und niemand könnte sie davor mehr retten.
Sie war ihm hilflos ausgesetzt, wollte sie dies doch unbedingt. Ihre Lebenserfüllung, wofür sie geboren war, diesmal würde sie es umsetzen, in seinen Kreisel eintreten.
Viel zu viel war geschehen, viele Küsse verflossen, zuviel Blut vernetzt.
Ihre Besinnung manipulierte ihre Sinne. Nichts war, wie es einmal gewesen ist. Doch so ist der Fortschritt der Zeit.
Einer ihresgleichen war in ihr Leben getreten, forderte sie heraus. Packte sie bei allen ihrem Innerlichen, packte sie so tief drinnen, dass es ihr unmöglich erschien, dies wegzustoßen. Will return to in.
Helen tanzte für ihn. Finn war fasziniert. Überall, in jeder Ecke des Raumes, alles war erfüllt von Helen’s Licht. Es sprudelte aus ihr heraus, alles wurde plötzlich lebendig, in seinem Geiste, in seinen Venen, seinen Strängen, seiner Kunst. Sie inspirierte ihn, war seine Meisterin. Doch er war ihr Herrscher.
© by Anna Kamenzin
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29.03.2010