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Weihnachtsmann, Osterhase und Co - Die Geschichte von Karl
Karl langweilte sich. Keiner seiner älteren Brüder wollte mit ihm spielen. Er war zwar der kleinste Hase in der Gegend, dafür aber auch der schnellste. Keine konnte so schnell rennen und so scharfe Haken schlagen, wie er. Vielleicht sollte er zur Ablenkung zu den Häusern der Menschen laufen. Dort war es immer spannend. Und die dummen Hunde hatten es längst aufgegeben, ihn zu verfolgen. Sie hatten zahllose Male versucht, ihn zu fangen, es aber nie geschafft. Karl war einfach zu schnell für sie. Unter Umständen konnte er sie aber doch provozieren, ihn zu jagen. Das würde Spaß machen! Also nichts wie zu den Menschen!
Schon kurze Zeit später kam das Dorf der Menschen in Sicht. Fritz, der alte Hund, der auf dem ersten Hof lebte, bellte, als er ihn sah. Doch schon Sekunden später hörte er wieder auf. Er hatte wohl Karls Geruch erkannt. Er machte sich nicht mehr die Mühe, jemandem hinterherzurennen, der doch so viel schneller war. Auch bei Marta und Hugo hatte er kein Glück, dabei waren sie sonst diejenigen, die ihm am ehesten hinterherrannte. Dann würde er sich eben eine neue Herausforderung suchen müssen! Vielleicht sollte er dieses Mal die Menschen ärgern. Da, vor dem Haus stand ein Korb voller bunter Eier. Er wusste, dass die Menschen diese aßen. Er selbst konnte zwar nicht verstehen, wie jemand so etwas anstelle von leckerem Gras und Klee essen konnte, aber den Menschen schien es besser zu schmecken. Sie waren sowieso komisch. Anstatt in gemütlichen Kuhlen unter freiem Himmel zu schlafen, zogen sie es vor, eingeengt in Häusern zu wohnen, die ihnen noch nicht einmal den Blick in den Himmel erlaubten. Ein Mensch stellte einen weiteren Korb voller bunter Eier neben den ersten. Karl würde all diese Eier verstecken, sodass die Menschen sie suchen mussten. Dann würden sie ihn bestimmt jagen, um ihn für den Unsinn, den er angestellt hatte, zu bestrafen. Sein Vater hatte ihn zwar gewarnt, sich nicht mit den Menschen anzulegen, aber da sein Vater einfach nur dabei gestanden und nichts gesagt hatte, war er genauso sauer auf ihn wie auf seine Brüder. Deshalb schlug er die Warnung in den Wind. Er schubste das erste Ei aus dem Korb und rollte es in ein großes Grasbüschel. Dann rannte er zurück, holte sich das zweite und versteckte auch dieses. Nach und nach verteilte er alle Eier auf der Wiese. Als er gerade das letzte Ei aus dem zweiten Korb holte, kam ein Mensch aus dem Haus. Karl bebte vor Anspannung. Gleich, gleich würde es losgehen. Sie würden versuchen ihn zu fangen, und er würde endlich seien Spaß haben. Doch statt auf ihn zuzulaufen, ihn zu jagen, fing der Mensch an laut zu lachen.
„Mama! Papa! Louisa! Das müsst ihr euch ansehen“, rief der Mensch.
Ganz verdattert blieb Karl stehen. Zwei große Menschen und ein Kleiner traten aus dem Haus.
„Der kleine Hase hat unsere Ostereier versteckt. Wir müssen sie wohl suchen gehen, wenn wir sie noch essen wollen!“, meinte der erste Mensch.
„Dann los, lass uns suchen gehen!“, rief der kleine Mensch aufgeregt, „Das macht bestimmt Spaß!“
Das konnte doch nicht wahr sein! Anstatt sich zu ärgern, waren die Menschen auch noch froh darüber, dass er sich die Arbeit gemacht hatte. Vielleicht hatte er ja beim nächsten Haus etwas mehr Glück. Auch dort standen die bunten Eier noch vor dem Haus. Doch auch hier freuten sich die Menschen. Karl arbeitete sich durch das ganze Dorf, aber überall war es das Gleiche, niemand ärgerte sich. Als er die letzten Eier versteckt hatte, war er doch ganz froh, dass die Menschen ihn nicht jagten. Nach der ganzen Plackerei war er so erschöpft, er konnte die Pfoten kaum noch heben. Die ganzen Eier zu verstecken war doch anstrengender gewesen, als er gedacht hatte. Wieso bloß hatte er sich so verausgabt? Langsam machte er sich auf den Weg nach Hause. Er würde dort erstmal ausgiebig schlafen und sich danach den Magen vollschlagen. Eine Pfote vor die andere setzend trottete er durch das Dorf. Da kam ihm der Mensch entgegen, der ihn zuerst gesehen hatte. Er lief direkt auf Karl zu. Zu müde um noch weglaufen zu können, ließ sich Karl von dem Menschen einfangen. Jetzt hatte wohl sein letztes Stündlein geschlagen. Und alles nur, weil er sich von der Hänselei seiner Brüder hatte ablenken wollen. Der Mensch brachte ihn in die Mitte des Dorfes.
„Schaut mal, ich habe unseren Osterhasen gefunden“, rief der Mensch so laut, dass Karls Ohren schmerzten.
„Der kleine Hase hat uns heute so einen Spaß bereitet. Setz ihn ins Heu!“, sagte ein anderer Mensch. Karl wurde vorsichtig auf einem kleinen Heuhaufen abgesetzt. So gemütlich hatte er es schon lange nicht mehr gehabt. Vielleicht würde doch noch alles gut werden. Fast wäre er eingeschlafen, aber einer der Menschen hielt ihm einen wunderbar duftenden, orangenen Gegenstand hin. Er konnte nicht wiederstehen hineinzubeißen. Es schmeckte wunderbar. So saftig, noch besser als der leckerste Klee. Nachdem er das Ding aufgegessen hatte, konnte er nicht mehr verhindern, dass er einschlief. Vielleicht war es nicht die beste Idee, da er sich so nicht mehr wehren konnte, aber die Erschöpfung übermannte ihn.
Während er einschlief hörte er noch einen Mensch sagen: „Hoffentlich macht der kleine Hase das nächstes Jahr wieder, dann können wir wieder so viel Spaß haben“
„Ganz bestimmt!“, dachte Karl noch, bevor er einschlief, „Hoffentlich bekomme ich dann wieder so etwas leckeres zu essen!“
Im Jahr darauf lief Karl erneut ins Dorf. Die Eier standen wie im Vorjahr in Körben vor den Häusern. Doch diesmal war er nicht alleine. Er hatte aus dem letzten Jahr gelernt und seine Brüder mitgebracht. Sie versteckten gemeinsam die Eier. Das machte es für alle leichter und ging schneller. Außerdem gab es noch mehr Eier als im Jahr zuvor. Nachdem sie alle Eier versteckt hatten, liefen sie in die Dorfmitte. Dort lag, wie schon im Jahr zuvor, Heu und viele der orangenen Dinger. Karotten hießen sie, hatte sein Vater ihm erklärt, als er sie ihm beschrieben hatte. Sie waren schwer zu finden, nur die Menschen hatten scheinbar viele davon. Das war eine schöne Belohnung, fanden alle Hasen und so beschlossen seine Brüder die Heimat zu verlassen und in den anderen Dörfern jedes Jahr die bereitgestellten Eier zu verstecken. Sie brachten es ihren Kindern bei und so kommt es, dass auch heute noch, jedes Jahr an Ostern die Hasen die Eier verstecken. Zur Belohnung bekommen sie manchmal eine Karotte. Und das alles nur, weil ein kleiner Hase, der von seinen älteren Brüdern geärgert worden war, mit den Menschen fangen spielen wollte.