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Weihnachtsbaum is nich dies' Jahr!

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14.03.2005
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Weihnachtsbaum is nich dies' Jahr!

Weihnachtsbaum is nich dies’ Jahr!


Wie konnte man neulich beim Durchzappen der Radiosender auf einem der ältesten Kanäle des Landes vernehmen? Englische und Schweizer Schulen schaffen Weihnachten ab! Jawohl! Zum Schutze religiöser Gefühle der ethnischen Minderheiten wird in Zukunft auf Weihnachtsbaum und Stille Nacht, Heilige Nacht verzichtet. Und wer sind wir, das wir den Erfindern der Demokratie und den des Klappmessers nicht stehenden Fußes folgen. Was die können, können wir schon lange.
Jedenfalls nahm sich die Ausländer- und Integrationsbeauftragte der Grundschule Borsdorf, Frau Ann-Katrein Müller-Lübau-Boltenhagen, diesen Grundsatz zu Herzen als an einem Montagmorgen im Advent der kleine Mustafa weinend das Lehrerzimmer betrat. Sein rechtes Auge war etwas angeschwollen und die Tränchen kullerten ihm die Wange herunter.
„Der Baum, der Weihnachtsbaum…“
Mustafa konnte seinen Satz nicht beenden. Die geschnieften Worte des kleinen Jungen jemenitischer Herkunft waren ein Stich ins Herz der multikulturellen Seele von Frau Ann-Katrein Müller-Lübau-Boltenhagen, die selbstverständlich sofort das integrationsgefährdende Potential des Weihnachtsgewächses erkannte und den Hausmeister veranlasste, sofort für eine Atmosphäre religiöser Offenheit zu sorgen.
Der Direktor und die meisten anderen Lehrer stimmten zu.
„Wir müssen dafür sorgen, dass die Gefühle unserer ausländischen Schüler nicht durch exzessive und egoistisch veranlagte Zurschaustellung unserer eigenen Kultur verletzt werden“. Frau Ann-Katrein Müller-Lübau-Boltenhagen wirkte erbarmungslos. Der Hausmeister nickte und schnappte sich seinen Werkzeugkoffer. Der kleine Mustafa hatte sich beruhigt und wollte gerade noch sagen, dass er aus Versehen mit dem Auge einen Zweig des Baumes gestreift hatte und eigentlich nur wollte, dass der Baum etwas mehr in die Ecke gerückt wird. Aber Frau Ann-Katrein Müller-Lübau-Boltenhagen drückte den Kleinen ganz fest und versicherte, dass nie wieder so ein böses Leitkulturzeichen den kleinen Mustafa beleidigen wird.
Am Corpus Delicti angekommen, zückte der Hausmeister seine Säge und zerlegte den Baum. Einige Schüler standen fassungslos daneben und nahmen als Zeichen der Anteilnahme ihre Baseballkappen vom Kopf. Der kleine Yasuhiro, japanischer Herkunft und shintoistisch geprägt, fragte: „Was’n jetzt?“
„Weihnachtsbaum is nich dies’ Jahr! Das Lehrerkollegium hat sich vorgenommen, dies’ Jahr kein religiösen Gefühle mehr zu verletzen. Deswegen säg’ ich das Ding jetzt um!“
„Ach so.“
„Was ist ein Kollegium?“, fragte der kleine Harald, Deutsch und außerordentlich atheistisch erzogen.
So verstrich der Advent in der Grundschule Borsdorf weihnachtsbaumlos. Keine Adventskränze mehr, kein Stille Nacht, Heilige Nacht mehr. Frau Ann-Katrein Müller-Lübau-Boltenhagen engagierte sogar eine Sicherheitsfirma, die schon am Eingang der Schule dafür sorgte, dass kein mitgebrachter Schokoladenweihnachtsmann das innere der Schule sah und so religiöse Unruhe unter den moslemischen Schülern hervorrufen konnte.
Indessen sorgte ein anderes Thema im Lehrerkollegium für Aufregung. Man hatte festgestellt, dass der kleine Yasuhiro Hanada stets eine Stunde früher am Schulgebäude war und scheinbar ziellos um das Haus irrte. Das gesamte Lehrerkollegium war sich einig, dass das offenbar ein Teil japanischer Kultur sei, eine Stunde früher zur Schule zu gehen. Nach eifriger Recherche fand man aber heraus, dass es in Japan keine Jahreseinteilung in Sommer- und Winterzeit gibt. Man beschloss, auch die kulturellen Unterschiede zwischen den Nationen zu wahren und verlegte den Beginn der ersten Stunde von 7.40 Uhr auf 6.40 Uhr. Die Proteste der Eltern anderer Kinder wurden mit Hinweis auf die verfassungsmäßig garantierten Rechte der Minderheiten abgewürgt. Familie Hanada war erfreut, dass die Schule extra ihretwegen den Schulbeginn an den eingeschränkten Busfahrplan angepasst hatte. So musste der Junge wenigstens nicht mehr eine Stunde vor der Schule rumlümmeln.
Aber selbstverständlich kann eine Atmosphäre völliger religiöser und kultureller Offenheit nicht verhindern, dass hier und da mal eine kleine Rangelei von Statten geht.
Der kleine Harald und die kleine Indira, indischer Abstammung und aus hinduistischem Elternhaus, zerrten an einem Stück Stoff. Nach dem Sportlehrer Ernst, die beiden getrennt hatte, war eine Standpauke fällig. Er bemerkte natürlich sofort, dass der atheistische geprägte Harald der kleinen Indira das Kopftuch wegnehmen wollte und stauchte ihn dermaßen zusammen, dass der kleine Harald in Tränen ausbrach und nicht mehr am Unterricht teilnehmen konnte. Daraufhin bemängelten die Eltern des kleinen Harald den Verlust seiner Sportbekleidung und verlangten Schadensersatz für das fehlende Sporthemd. Ihnen wurde allerdings von Frau Ann-Katrein Müller-Lübau-Boltenhagen gesagt, dass man auf Grund der verfassungsmäßig garantierten Rechte religiöser Minderheiten nicht auf die atheistischen Gefühle und materiellen Bedürfnisse der Kleinschmidts Rücksicht nehmen kann.
Einen Tag später schlug Frau Semmel, Chefin der Schulküche, Kakerlakenalarm. Einige der kleinen Biester hatte sich unbemerkt unter der Essenausgabe eingenistet und rannten hier und da mal durch die Küche, um etwas Essbares aufzutreiben. Der Hausmeister bestellte sofort den Kammerjäger und ließ den Speisesaal räumen. Als Frau Ann-Katrein Müller-Lübau-Boltenhagen hörte, dass der Kammerjäger bereits am Werk war, wurde sie kreidebleich. Was wird wohl der kleine Wang, Chinese und Buddhist, dazu sagen. Sie rannte durch die Flure in Richtung Speisesaal und passte den Schädlingsbekämpfer an der Eingangstür ab. Sie sagte, dass sie den Fall der Ausländerbehörde melden werde, denn derart unsensibles Verhalten gegenüber einem Buddhisten, der sich für den Erhalt eines jeden Lebens einsetzt, und sei es auch nur das einer Kakerlake, kann absolut nicht geduldet werden. Zur Untermauerung ihrer Argumente zerrte sie den kleinen weinenden Wang, der wegen der ganzen Aufregung keinen Bissen vom Mittagessen abbekam, an ihre Seite und giftete den Kammerjäger weiter an. Betroffen sank er auf seine Knie und sah Wang in die Augen.
„Mein Junge…ich weiß, ich habe deine Gefühle verletzt und schäme mich dafür.“ Mit gesenktem Haupt verließ der Kammerjäger die Schule und trottete zu seinem Lieferwagen.

Es ist jetzt ein sehr entspannter Advent geworden. Nachdem allen religiösen und kulturellen Eigenheiten der an der Schule befindlichen Minderheiten entsprochen wurde, konnte der Unterricht normal weiterlaufen. Man beschränkte sich auf das Fach Mathematik, um jedwede Konfrontation zu vermeiden. Auch ist die Schule jetzt bunter und grüner geworden. Man verzichtete auf Schädlingsbekämpfung und Bearbeitung der Grünflächen, so dass sich das Leben an der Grundschule in Borsdorf voll entfalten konnte.

 

Nette kleine Geschichte. Hat mich nicht vom Hocker gehauen, war aber nett.

Man hatte festgestellt, dass der kleine Yasuhiro Hanada stets eine Stunde früher am Schulgebäude ist und scheinbar ziellos um das Haus irrt.
...war...irrte

 

Hallo Angrynowaka,

bei solchen Geschichten besteht immer die Gefahr eines Nationalchauvinismus, so absurde Büten diese anpassende Selbstaufgabe auch treibt.
Wenn ich die Geschichte danach lese, wie blöde es ist, es allen recht machen zu wollen, ist sie komisch, das kann man gut auch auf den Einzelnen oder eine kulturelle Identität übertragen. Der Sinn von Multi-Kulti hat ja noch nie darin gelegen, die eigenen Kultur aufzugeben, sondern darin, sie zu bereichern.
Allerdings merkt man dieser Geschichte deutlich an, dass sie ein Schnellschuss ist. Sie ist in sprachlicher, orthografischer und grammatischer Hinsicht schlicht geschlampt. Mustafa ist ein kleiner Junge jemenitischer Herkunft aber mit türkischen Emigrationshintergrund?

Sein rechtes Auge wahr etwas angeschwollen in die Tränchen kullerten ihm die Wange herunter.
An diesem Satz erkennt man den Schnellschuss besonders.
Familie Hanada war erfreut, dass die Schule extra wegen ihnen den Schulbeginn an den eingeschränkten Busfahrplan angepasst hatte.
Genitiv: ihretwegen
Aber selbstverständlich kann eine Atmosphäre völliger religiöser und kultureller Offenheit nicht verhindern, dass hier und da mal eine kleine Rangelei von Statten ging.
Tempus

Lieben Gruß, sim

 

Ja, ich gebe zu dein erster zitierter Satz war eine Katastrophe. Ich habe das natürlich schnellstmöglich geändert.
Das Thema "Weihnachtsbaum wird abgeschafft" habe ich neulich beim Deutschlandfunk gehört und erfahren, dass englische Schule das tatsächlich gemacht haben. Das ermunterte mich zum Schreiben diese Story.

 

Gefällt mir gut, die Geschichte. Ist sie wirklich passiert? Werde das gleich mal überprüfen.

In Wien dürfen Nikolaus und Krampus nicht mehr in die Kindergärten kommen, weil das angeblich Kinder von Einwanderern in irgendeiner Weise stören könnte. Wieder einmal zeigt sich, wie gute Prinzpien wie Rücksichtnahme und Fairness pervertiert werden können, wenn dumme Menschen in leitenden Positionen jemandem etwas Gutes tun wollen.

 

Komischerweise hatte gerade in England die Eltern der streng moslemischen Kinder gar nix dagegen, dass Weihnachtsbäume in der Schule rumstehen...

 

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