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Weihnachten 2009
Auf dem Weihnachtsmarkt standen um einem Stand mit Büchern und Werbematerial zum Thema Gott, Religion etc. einige ältere Damen und mild lächelnde, schneidig aussehende Anzugträger herum.
Eine der Damen wandte sich mir zu, lächelte mich durch ihre randlose Brille gewinnend an und fragte mich, ob ich eine Unterschrift leisten würde für die Unterstützung eines Bürgerbegehrens, das für Berlin die Einführung des Religionsunterrichtes als Wahlfach als Alternative zum Ethikunterricht einforderte.
In diesem neuen Unterrichtsfach sollte es natürlich auch noch um andere Religionen gehen und nicht etwa nur um das Christentum und beinahe selbstverständlich schien sie vorauszusetzen, dass ich genau wie die anderen Leute hier auf diesem kleinen, lauschigen und edelteuren Weihnachtsmarkt in Berlin Zehlendorf ohne zu zögern, ihr lächelnd zustimmend, meine Unterschrift geben würde.
Ich tat kurz, als ob ich überlegte und antwortete abwägend, dass ich es schon besser fände, wenn das Fach Ethik nicht abwählbar wäre. Religionen würden ja zudem in Ethik behandelt und die Einführung eines Unterrichtsfachs Religion wäre demnach gar nicht notwendig.
Sie bekam einen grausamen Zug um den Mund, während die Lachfalten um ihre Augen noch tiefer wurden und ich wusste plötzlich, dass sie selbst eine Lehrerin war, die Religion unterrichten wollte und dass sie jeden Besucher dieses Weihnachtsmarktes, der keine Unterschrift auf ihr Papier setzte, als eine persönliche Niederlage empfand, für die sich bitter rächen würde, wenn sie nur jemals Gelegenheit dazu bekäme.
Ein Charakterzug, der ihr als Lehrerin sicher Gehorsam und Folgsamkeit ihrer Zöglinge garantierte.
Ich wandte mich von ihr ab, deren Gesicht nun zu einer Grimasse aus Verachtung und blankem Hass geworden war und ging schnell weiter.