Was ist neu

Weihnachten 1899

Mitglied
Beitritt
14.03.2005
Beiträge
215
Zuletzt bearbeitet:

Weihnachten 1899

Weihnachten 1899

Also, ich erklär’ Ihnen mal, wie das läuft: Wir Weihnachtsmänner haben es ja nicht leicht. Die ständige Reiserei, immer nur auf die Ärsche von Rentieren gucken und das ewige Geplärre am gar nicht so heiligen Abend, das schlaucht. Und wir wissen alles, können alles, leben ewig und sind absolut unverletzbar. Aus irgendeinem Grund hielt es der Chef wohl für angebracht, uns auch die Fähigkeit zu geben, in die Zukunft schauen zu können. Andauernd muss man aufpassen, was man sagt, um nicht irgendwie in den Lauf der Dinge einzugreifen. Naja…hat nicht geklappt bei mir. Mir ist meine große Fresse ganz schön zum Verhängnis geworden. Jedenfalls möchte ich behaupten, dass ich daran schuld bin, dass die Welt so ist, wie sie ist. Ja ich bin schuld!
Alles hat damit angefangen, dass mich der Chef einer Familie in Österreich zugeteilt hat. Ich bekam also den Wunschzettel, wo in ziemlicher Krakelschrift drauf stand „eine Landkarte von Rußland und 300.000 Zinnsoldaten, Infanterie bitte schön“. Ich also los, durch die Alpen und rumpel, rumpel rein in den Schornstein. Dann stand ich vor einem kleinen Pummelchen mit roten Bäckchen und geschniegeltem Scheitel.
„Sie sind zu spät. Seit fünf Uhr fünfundvierzig ist Bescherung!“ sagte der Zwerg mit tiefer, zackiger Stimme.
„Hör’ zu, du Wicht…ich bin immer noch der Weihnachtsmann und … lässt du mich jetzt mal durch?“
Da versperrt mir doch dieses kleine, bockige Würstchen den Weg. Mit etwas Nachdruck schob ich ihn zur Seite. Der Zwerg viel auf seinen Hintern und fing auch prompt an zu zetern.
„Mutti Mutti, diese Unperson hat mich geschuppt.“
Mit einem Krach flog die Tür auf und das Muttertier stand im Zimmer.
„Aber Dölfchen,... " sprach’s und kniff dem kleinen Dölfchen in die roten Bäckchen „das ist doch der Weihnachtsmann. Nun spiel’ schön mit deinen Geschenken und sei recht brav!“
Kaum war Mutti aus dem Zimmer grabschte sich der Wicht die Geschenke und riss gierig das Geschenkpapier auf.
„Kavallerie? Ich sagte doch Infanterie. Mutti, Mutti, diese Unperson bringt die falschen Geschenke!“
Gerade wollte ich mit meiner Rute die Scheisse aus ihm rausprügeln, da stand Mutter auch schon im Zimmer.
„Dölfchen, nun lass doch den Onkel mal und spiel’ schön!“ Sie kniff Dölfchen wieder in die roten Bäckchen, rüttelte etwas daran und stampfte aus dem Zimmer.
Es klingelte an der Haustür. Die Röhms aus Bayern waren zum Weihnachtsmahl gekommen. Dölfchen lud den jüngsten Spross der Familie Röhm, das kleine Ernstl, zur strategischen Sitzung unter den Weihnachtsbaum ein. Als die beiden Generäle die Russlandkarte ausbreiteten, machte ich mich wieder auf den Weg in Richtung Kamin. Noch im Augenwinkel konnte ich sehen, dass die beiden die 300.000 Kavalleristen um eine Stadt namens Wolgograd postierten. Da rutschte es aus mir raus:
„Also nur mit Pferden kannst du Stalingrad nicht einnehmen, da brauchst du schon Panzer, sonst mähen dich die Sowjets mit ihren MG’s nieder.“ Die Beiden starrten mich an.
„Stalingrad? MG’s? Sowjets? Mutti Mutti, diese Unperson kann noch nicht mal anständig lesen und erzählt wirres Zeug. Und das Ernstl versucht immer, seinen Finger in meinen Po zu stecken … Panzer? Was meinen Sie mit Panzer?“
„Na gepanzerte Fahrzeuge…vergiss es einfach!“
Mutter platzte jetzt endgültig der Kragen und Dölfchen bekam eine Wucht, die sich gewaschen hatte. Das kleine Ernstl stand daneben und fing bitterlich an zu weinen. Die Röhms hielten es dann doch für besser, wieder nach Bayern zurückzukehren. Unter dessen war Mutter immer noch dabei, Dölfchen durchzuwalgen.
„So, jetzt ist Schluss mit dem ganzen Militärquatsch! Nächstes Jahr bekommst Du einen Tuschkasten … wenn überhaupt!“

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges weigerte ich mich, Dölfchen weiterhin Geschenke zu liefern. Der Chef war echt sauer, denn mein Versprecher aus dem Jahr 1899 hatte fatale Folgen gehabt. Zur Strafe wurde ich nach 1945 einer amerikanischen Familie zugeteilt und sollte zur Abwechslung mal wieder was Gutes tun. Der einzige Sohn der Familie hörte auf den ziemlich dämlichen Namen Elvis.
Eigentlich sollte der kleine Elvis zu Weihnachten eine Giraffe geschenkt bekommen. Da der Wunschzettel aber wie üblich unleserlich war, brachte ich ihm aus Versehen eine Gitarre mit. Die Freude war sehr mäßig und sein Geschrammel grauenhaft.
„Das ist doch kein Rock’n Roll was du da spielst!“
„Was ist denn Rock’n Roll, lieber Weihnachtsmann?“
Uups! Ich hatte es schon wieder getan. Aber egal, der Chef hat mich sowieso schon auf dem Kieker, also was soll’s.
„Komm mal her mein kleiner, der Onkel erklärt dir mal, was Rock’n Roll ist. Also…“

 

Angrynowaka schrieb:
Ich weiß, es ist schon wieder eine Weihnachtsgeschichte, aber was soll's!

Hi Angrynowaka!

Kommentare zu der Geschichte bitte in ein Extra-Posting, dankeschön.

Liebe Grüße
Alisha

 

Hallo Angrynowaka!

Die ständige Reiserei, ständig nur auf die Ärsche von Rentieren gucken und das ständige Geplärre am gar nicht so heiligen Abend, das schlaucht.
Dieses Wort wiederholt sich ständig. Auch wenn es so gewollt ist, wirkt es eher störend.

wo in ziemlicher Krakelschrift drauf stand
auf dem in ziemlicher Krakelschrift stand Da es sich aber um erzählte Sprache handelt, kann man deine Version auch so lassen.

Landkarte von Rußland
Russland

"Mutti, Mutti, diese Unperson hat mich geschuppt."

Kavallerie???
Die Frage wird durch drei ? nicht deutlicher. Eins reicht vollkommen. ;)

"Dölfchen, nun laß doch den Onkel
lass

Mutti, Mutti, diese Unperson kann noch

"Na gepanzert Fahrzeuge
gepanzerte

wieder nach Bayern zurück zu kehren
zurückzukehren

immer noch dabei, Dölfchen durch zu walgen
durchzuwalgen

"So, jetzt ist Schluß mit dem ganzen
Schluss

einer amerikanischen Familie zu geteilt
zugeteilt

Der einzige der Sohn der Familie
Kann weg.

Die Idee ist nicht schlecht, aber irgendwo habe ich so etwas ähnliches schon einmal gelesen. Deine Umsetzung hat mir aber ganz gut gefallen. Dieser rotzige Weihnachtsmann ist gut dargestellt und wirkt unweigerlich komisch.


LG
flash

 
Zuletzt bearbeitet:

Ja, ja, die "neue" Rechtschreibung...kann ich mich nur schwer daran gewöhnen

Wie hat man denn "Russland" vor 106 jahren geschrieben, mit ß ? Denn der Wunschzettel ist ja eine Handschrift aus dieser Zeit.

 

Wie hat man denn "Russland" vor 106 jahren geschrieben, mit ß ? Denn der Wunschzettel ist ja eine Handschrift aus dieser Zeit.
Nun, ich habe damit kein Problem, wenn du dieses "authentische" Dokument, in der zu dieser Zeit zugrunde liegenden Rechtschreibung ausführst.
Deswegen werde ich diese KG bestimmt nicht ins KC verschieben. ;)

 

Hi Angrynowaka!

Hmmm, schwer zu sagen, ob ich sie gut finde, die Geschichte. Der Weihnachtsmann-Erzähler ist in seiner, wie flashbak schon sagte, "schnoddrigen" Art gut gezeichnet, gleich zu Anfang hat es bei mir den ersten Lacher verursacht.

Allerdings kam gleich die erste Enttäuschung, als ich bei der Wohnzimmerbegegnung gewahr wurde, dass nur eine Kleiner-Adolf-Hitler-Klamauk-Geschichte herauskommen würde.

Die meisten Gags fand ich einfach zu flach. Das fängt an mit

„Sie sind zu spät. Seit fünf Uhr fünfundvierzig ist Bescherung!“

an. Dass der reale Adi nicht schon von Kindesbeinen an ein Militarist war, dürfte klar sein. Du hast es auch nur als Witz gemeint, dass er so redet, aber als Motiv ist das einfach zu abgedroschen.

Und das Ernstl versucht immer, seinen Finger in meinen Po zu stecken

Hier war ich mir nicht ganz sicher, wie ich reagieren sollte. Lachen oder Augen verdrehen? Witzig isses schon, aber eben auch ein bisschen plump, wie einer dieser Proll-Gags bei "Freitagnachtnews", wenn du verstehst, was ich meine.

Du hast eine ganz witzige Grundidee geliefert, und zum Teil fand ich die Geschichte ja auch zum Lachen, aber ich hätte mir etwas mehr Einfallsreichtum gewünscht. So hättest du ja auch "Dölfchen" als ganz normales Kind inszenieren können, bei dem erst durch die Begegnung mit dem Weihnachtsmann die dunklen Seiten zum Vorschein kommen. Zum Beispiel indem der Weihnachtsmann ihn mit einem völlig verfehlten Geschenk so unglücklich macht, dass der Junge sich an der ganzen Welt rächen will. :D

Ein paar Kleinigkeiten noch:

Nächstes Jahr bekommst Du einen Tuschkastenwenn überhaupt!“

Vor die drei Punkte gehört ein Leerzeichen - und dahinter natürlich auch.
Wie oft habe ich das schon gesagt? :rolleyes:

Der Chef war echt sauer, denn mein Versprecher aus dem Jahr 1899 hatte fatale Folgen gehabt.

Eigentlich überflüssig. Wenn du den Zweiten Weltkrieg erwähnst, geht der Erzähler davon aus, dass der Leser die Geschichte kennt. Er muss darauf also nicht mehr hinweisen. Am besten ersatzlos streichen.

Übrigens: Bei der amerikanischen Familie hätte ich eher an einen kriegstreiberischen US-Präsidenten gedacht ( na ja, wenn du das Motiv schon einführst, musst du es auch durchziehen ;) ). Dazu müsstest du das Datum nur ein bisschen anders setzen ...

Ciao, Megabjörnie

 

Megabjörnie schrieb:
Hier war ich mir nicht ganz sicher, wie ich reagieren sollte. Lachen oder Augen verdrehen? Witzig isses schon, aber eben auch ein bisschen plump, wie einer dieser Proll-Gags bei "Freitagnachtnews", wenn du verstehst, was ich meine.

Wieso soll das ein Proll-Gag sein? Versteh ' ich nicht. Und warum sollte man da die Augen verdrehen?

 

Und das Ernstl versucht immer, seinen Finger in meinen Po zu stecken

Na jaaaa, das liest sich wie eine Anspielung auf eine homoerotische Beziehung zwischen Hitler und Röhm. Gab es in dieser Hinsicht Gerüchte? Bin da nicht so recht im Bilde. Wenn ja, werden die wohl eher weit hergeholt sein.
Und wenn es keine solche Anspielung war, dann wirkt es eben wie ein typischer Haudrauf-Gag unterhalb der Gürtellinie. Ein Proll-Gag eben, der ansonsten auch keine Funktion innerhalb der Geschichte hat. Deswegen das Augenverdrehen.

Na ja, ich gucke auch seit Ewigkeiten keine Freitagnachtnews mehr ... :D

 

Keine Ahnung, ob die beiden was mit einander hatten. Is ja auch egal. Den Weihnachtsmann gibt es ja auch nicht. Fakt is: Ernst Röhm war schwul. Deswegen der Gag mit dem Finger im Po

 

Ach so ... Allerdings wusste ich gar nicht, dass er als schwul galt ( und das als Fakt zu bezeichnen ist wohl streng wissenschaftlich nicht korrekt, denn wer hätte es ihm schon nachweisen sollen, wenn er ihn nicht in flagranti erwischte? ).
Dann ist das wohl mehr ein Insidergag für echte Geschichtskenner. :D

 

Ernst Röhm hatte ein kleines Ferienhaus irgendwo an einem Bayrischen See, auf einer Insel. Da hatte er sich oft Knaben zu ausschweifenden Parties kommen lassen. Also das er schwul war ist glaub ich historisch bewiesen.(siehe Dokumentationen wie "Hitler's Helfer" etc.)

 

schwul oder nicht - ich fand es witzig -
wie ich die Geschichte auch witzig empfand.
sinnvoller wäre allerdings schon, die hiesige Infanterie und die Zukunft und Wirken amerikas weiter zu verfolgen, als nun den Elvis zum Leben zu erwecken.
Dann wird es zwar an Leichtigkeit verlieren, könnte aber zur Satire ausgebaut werden.
Hätte der Hund nicht geschi... hätter er nen ...

 

Hätte der Hund nicht geschi... hätter er nen ...
Hä???
Hi Angry,
obwohl das Thema wirklich nicht neu ist, hat mir deine Geschichte schon gut gefallen.
Die beiden starrten mich an.
Die Beiden
Tuschkasten…wenn
Leerzeichen
Ja ich bin schuld!
Ja KOMMA
Also, mit dieser geschichte bist du für mich keine Unperson mehr ;)
Tserk

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom