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Weihnacht springt aus mir heraus

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23.08.2008
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Weihnacht springt aus mir heraus

Weihnacht springt aus mir heraus
Heinz Körber
Kategorie : Weihnachten

Nie hätte ich es mir vorstellen können, nicht einmal erträumen.
Mit dem großen Bruder in den Tierpark gehen, war schon einige Male das Heilig-Abend-Vorprogramm. Bis zur Dämmerung von Käfig zu Käfig drängen, und dabei eigentlich nur nervös daran denken, ob man seine Wünsche wohl geschickt durchblicken hat lassen und wie man einige
Spiele noch heute ausprobieren kann.
Der Bruder beruhigte immer ein wenig zu eifrig, sodass ich auch seine Vorfreude mitschwingen fühlte.
Papageien, Nashörner, Schildkröten, Fische, Schlangen – querfeldein zu den großen Raubkatzen, den Affen und den ständig herumtollenden Seehunden. Wir hatten große Mühe, uns zwischen all den hunderten für diesen Nachmittag ebenfalls von zuhause Weggeschickten vorbeizudrücken, um auch etwas von den Tieren zu sehen.
Dann ging´s hinauf zu den als langweilig Verschrieenen Hirschen, Gazellen und Steinböcken.
Selbst da gab es ein Gedränge.
Bald wuchs eine träge Dämmerung aus dem grauen himmel, und glitzernde Lichtmasten bogen sich durch den dünnen Nebel herab.
Erregte Kinder schnatterten immer lauter und zerrten an den Erwachsenen immer wilder :
Jetzt geht’s aber schnell nachhause !
Ich stand am Rande einer Baustellengrube, aus der einmal ein Zwinger werden sollte. Ich sah mich um – in diesem abgelegenen Winkel war ich plötzlich ganz allein. Kein Bruder und auch sonst niemand.
Ich lehnte mich auf die schmalen Bretter der Sicherheitsumzäunung und sah in der Stadt drüben
die Lichter angehen. Alle paar Sekunden ein weiteres Fenster.
Da gab mir ein langer, schmerzerfüllter Eselsschrei einen unsanften Stoß.
Ich schlüpfte unter den Brettern durch, wenige Meter neben mir war eine Leiter angelehnt, die hinunter ins fast schon gänzlich Dunkle führte. Ich stieg hinab.
Anna ! Hörte ich Bruder Gerhard oben brüllen. Anna, wo versteckst du dich ? Klang seine Stimme
schon recht verzweifelt.
Dann kam, beinahe einer Antwort gleich, die Lautsprecher-Ankündigung, dass der Tiergarten
in wenigen Minuten geschlossen werde.
„Frohe Wei -hi -nacht“ meinte der Sprecher, und das „hi“ war kein Deffekt der Anlage.
Geduckt stand ich in meiner kleinen Höhle und vernahm von oben her eine wachsende
Resignation : Diese blöde Schwester – was hab ich bloß angestellt, dass ich mit so einem Biest bestraft werde. Anna ! Anna !!!
Hab ich mich eigentlich ganz bewußt versteckt ? Wollte ich ihn überhaupt ärgern ?
Jetzt wäre eine Versöhnung noch ganz leicht gewesen.
Aber nein, ich wollte ja gar nicht.
Er beugte sich über die Bretter und rief noch einmal so laut er konnte. Dann gab er auf : Blödes Mensch ! Seine Schritte entfernten sich.
Langsam und vorsichtig stieg ich hinauf, da wiederholte der Sprecher den Festtagswunsch bereits mit stark drohender Stimme : Endgültig letzte Aufforderung. In fünf Minuten wird geschlossen.
Als ich über den Rand der Grube hinwegsah, mußte ich rasch wieder zurück. Ein Wärter kam um die Ecke und murrte : Ist noch wer da ?
Er blieb kurz stehen und ging wieder in die Richtung davon, aus der er gekommen war.
Ich wartete und es wurde mir mit jedem Atemzug bewußter, was ich jetzt war : Eine Eingesperrte
unter lauter Eingesperrten. Und das am Heiligen Abend...
Ich schlich den Gazellen-Hirschen-Steig hinauf, weil man von da aus den besten Ausblick auf
die gesamte Anlage hat. Und ich wollte ja nichts mehr riskieren.
Hellwach wie meine Sinne jetzt waren, konnte ich nur einen Fehler begehen : Mich zu früh freuen.
Dort oben mußte ich also noch ein wenig abwarten und zum Verwaltungsgebäude hinüber
spähen, denn dort werden sich wohl die Wärter zur Betriebsfeier zusammensetzen. Danach hieß es
warten, bis die Letzten gegangen waren und dann war ich allein im großen Zoo – allein mit all den Tieren.
Ich spürte den heißen Mut erst im Nachhinein in mir aufsteigen, als alles schon vorbei war.
Mein Atem zog lange Schwaden in Richtung einer Laterne. Von meinem Platz da heroben konnte ich die Stadt noch besser übersehen. Ich brauchte mir gar nicht vorzustellen, was da unter alles vor sich ging, hatte ich es doch einige Jahre selbst erlebt. Auch an die Situation zuhause wollte ich nicht denken.
Für die Tiere war dies ja auch ein Abend wie all die anderen – so brüllten, blökten, pfiffen sie sich auch in diese Nacht hinein.
Die Lichter in der Stadt waren bald eine fremde Welt für mich, eine abgetrennte, von mir heute
ausgegrenzte.
Der Nebel hatte sich gehoben, ein fahler Mond stand drüben auf der anderen Seite.
Ich merkte kaum, dass jede zweite Laterne gelöscht wurde und so schlich ich – noch immer unter größter Vorsicht – auf´s Verwalterhaus zu, den Kies unter meinen Füßen verfluchend, weil er bei
jedem Tritt knirschen mußte.
Der Pfau plusterte sich, der Shatten des Auerochsen fiel auf eine Wasserpfütze, in der einige
Spatzen fangen spielten. Im großen Teich hatten die meisten Schwäne und Enten bereits ihre
Köpfe im Gefieder untergebracht.
Unter der Lampe des Verwaltungsgbäudes gab´s gerade noch eine lautstarke Verabschiedung.
Dann waren wir allein, die Tiere und ich.
War es Angst oder war es Freude, als ich in meinem Versteck so halblaut „Stille nacht, heilige Nacht“ hinpfiff...? Wahrscheinlich beides.
Ich begann herumzuwandern und sprach mit all den Geschöpfen, die mir zuliebe aufgeblieben waren. Alles war Verstehen und Verständnis. Nur am Mond las ich ab, dass es sowas wie Zeitenfluss
noch gab. Das ärgerte mich ein wenig.
Einige Male wurde ich richtiggehend zornig auf mich selber, als ich am Geländer von so manchem
Käfig einzunicken drohte.
Ausgerechnet in so einer Nacht mußte sich der Schlaf melden !
Als ob ich nicht schon genügend vorgeschlafen hätte und noch nachschlafen könnte...
Die Silhouette eines Kamels leuchtete mir majestätisch entgegen. Da sagte ich zu mir, ich will nicht unverschämt sein.
All dies war schon genug !
Ich kletterte an den Eisenstäben hinauf und sprang auf der anderen Seite hinunter. Gebieterisch
neigte sich das große Tier zur Seite und geleitete mich mit dieser Geste zu seinem Stall.
Genauso wie ein Gastgeber seinen Gast.
Im Holzhaus lag bereits ein anderes Kamel auf Stroh und döste. Ich legte meinen Kopf auf seinen Bauch, da ließ sich auch das erste über seine Vorderbeine auf den nieder, sodass es mich mit seinem Körper halb zudeckte. Ganz behutsam, dass ich nur ja nicht zu sehr gedrückt werde.
Von der Stadt drüben – aus der anderen Welt – läuteten viele Glocken gleichzeitig, als ich zwischen meinen zwei malmenden, bauchglucksenden Hökergenossen sanft entschlummerte.

Jetzt auf dem Heimweg sehe ich sie mir alle entgegenstaksen – die steifen Kinder in den ungewohnten Kleidern auf den harten Schuhsolen. Da dreht es mich noch einmal um, und ich schaue zurück nach dem schiedeeisernen Zaun meines Tiergartens.
Es schneit ganz leise, und ich hüpfe so vor mich hin.
Da springt sie plötzlich aus mir heraus - m e i n e W e i h n a c h t !
Wie ich sie mir nicht vorstellen nicht erträumen habe können.
Heiß sind meine Wangen dabei – und ziemlich feucht.

 

Willkommen hier, HeinzKörber, aber: STOPP STOPP STOPP! Nicht mehrere Geschichte auf einmal posten, die gehen da nur unter! Du musst auch nicht den Titel, deinen Namen und die Rubrik noch extra dazuschreiben, da sieht man so auch! ;)

 

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