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Weißes Tuch
Fest umklammere ich den Lauf meines Sturmgewehrs. Die unebene Kiesstraße lässt den Truck hin und her wackeln. Erster Einsatz. Wenn ich Glück habe, stoßen wir auf keine Feinde. Ich wollte nie Menschen töten, hatte nie das Verlangen danach gehabt. Und dennoch bin ich jetzt hier. „Hier ist Endstation.“, erklärt der Fahrer und hält an. Ab hier zu Fuß. Mein Kamerad klopft mir auf die Schulter. „Ist nur eine Streife.“, meint er voller Zuversicht, doch seine Augen sagen etwas Anderes. Wir sind alle gut durchtrainiert. Einen Zweikampf könnte ich gewinnen. Doch im Lager war es nur Training, hier kann es dir das Leben retten. Alles nur um zu beweisen, dass ich ein Mann bin. Alles nur wegen meinem Ego. So sehr habe ich gehofft, gebetet, dass ich nicht hier her versetzt werde. Alles umsonst. Ich marschiere den Anderen hinterher. Man verlernt beim Training irgendwann auf den Protest der Füße zu hören oder wie sehr einem der Rücken schmerzt. Bitte, bitte, lass uns keinem begegnen! Der schlammige Boden schmatzt unter meinen Sohlen. Wir sind angespannt. Keiner sagt etwas, bei jedem Knacken fahren wir kurz herum. Überall könnte jemand sein, in diesem Wald. Ich sehne mich nach den Liedern der Vögel. Stille. Wir bleiben kurz stehen, zögern, sehen uns um. Vor uns ein Weizenfeld. Wir haben keine andere Wahl, müssen da durch. Vielleicht ist da ja auch gar nichts und das Schicksal spielt uns nur einen Streich in den hohen Gräsern. Ich halte mein Gewehr fester.
Ein Schuss, ein Knallen, haarscharf an mir vorbei. Ich lasse mich zu Boden fallen, halte die Hände über den Kopf. Für einen Augenblick sehe ich einen Hasen in einer Mulde kauern. Jemand zieht mich am Arm wieder herauf. „Renn!“, schreit er und drückt mich vorwärts, „Renn!“ Ich versuche den Spuren meiner Kameraden vor mir zu folgen. Endlich, eine Lichtung. Ich lasse mich in einen kleinen Graben fallen. Wo sind die Anderen? Ich blicke mich um, sehe sie nicht. Ein Gedanke so schwarz wie der Tod brennt sich in meinen Kopf. Ich lege an. Kann niemanden erkennen. Ich zittere, finde keine ruhige Haltung. Da! Jemand kommt aus dem Feld. Ich denke nicht. Mein Körper, meine Angst reagieren zuerst. Ich schieße. Er fällt zu Boden. Mit einem erlegten Hasen und einem Jagdgewehr in der Hand.